Bundessozialgericht, Urteil vom 15.08.2012, Az. B 6 KA 45/11 R

6. Senat | REWIS RS 2012, 3913

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Vertragsärztliche Versorgung - Wirtschaftlichkeitsprüfung von Amts wegen - keine Hemmung der vierjährigen Ablauffrist durch einen Prüfantrag


Leitsatz

In Verfahren der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung, die die Prüfgremien unabhängig von einem Prüfantrag der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigung von Amts wegen durchführen dürfen, hemmt ein Prüfantrag die vierjährige Ausschlussfrist für den Erlass eines Regressbescheids wegen der unwirtschaftlichen Verordnung von Arzneimitteln nicht.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 15. September 2011 aufgehoben. Die Berufung der Beigeladenen zu 2. gegen das Urteil des [X.] vom 30. September 2009 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 2. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 6. je zur Hälfte. Die Beigeladene zu 2. trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 6. in vollem Umfang.

Tatbestand

1

Im Revisionsverfahren ist noch die Rechtmäßigkeit eines Arzneikostenregresses für das Q[X.]rtal II/2001 in Höhe von 6430 Euro umstritten.

2

Die Klägerin, eine aus einer Allgemeinmedizinerin und einem praktischen Arzt mit chirurgischer Q[X.]lifikation bestehende, an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Gemeinschaftspraxis überschritt im streitbefangenen Q[X.]rtal bei den Kosten für die verordneten Arzneimittel den Durchschnitt der Vergleichsgruppe (gewichtet) um 66 %. Die Überschreitungen beliefen sich bei den Rentnern auf 81 %, bei den Familienangehörigen auf 59 % und bei den Mitgliedern auf 42 %. Nachdem der Prüfungsausschuss ([X.]) der Klägerin am [X.] mitgeteilt hatte, ihre Verordnungen würden auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft, setzte er mit Bescheid vom 15.11.2005 einen [X.] in Höhe von knapp 9000 Euro fest. Auf den Widerspruch der Klägerin reduzierte der beklagte Berufungsausschuss den Regress auf 6430 Euro. Soweit der Regress aufrechterhalten worden ist, begründete das der Beklagte damit, die Überschreitungswerte der Klägerin bewegten sich oberhalb der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis und würden durch [X.] nicht erklärt. Die unterdurchschnittliche Fallzahl der klagenden Praxis sei dabei ebenso berücksichtigt worden wie der leicht überdurchschnittliche Rentneranteil.

3

Das [X.] hat - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - den Bescheid des Beklagten mit der Begründung aufgehoben, der am 16.11.2005 der Klägerin bekanntgegebene Bescheid des [X.] habe die vierjährige Ausschlussfrist für den Erlass von Regressbescheiden im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht gewahrt. Die maßgebliche Frist sei am 15.11.2005 abgelaufen, weil der Bescheid der zu 1. beigeladenen [X.] ([X.]) über das Honorar der Klägerin im hier betroffenen Q[X.]rtal II/2001 als am 15.11.2001 bekanntgegeben gelte.

4

Auf die Berufung der zu 2. beigeladenen [X.] hat das L[X.] das sozialgerichtliche Urteil aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abgewiesen. Das L[X.] hat unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des B[X.] die Auffassung des [X.] geteilt, der angefochtene Bescheid sei erst nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist für den Erlass von [X.]en ergangen. Das B[X.] habe entschieden, dass es insoweit auf die Zuordnung der in Regress genommenen Verordnungen zu einem bestimmten Q[X.]rtal und nicht auf den Erlass des Honorarbescheides für das Q[X.]rtal ankomme, in dem die Verordnungen ausgestellt worden waren. Die Frist sei jedoch gehemmt gewesen, da der [X.] der Klägerin am [X.] mitgeteilt habe, dass die Wirtschaftlichkeit ihrer Verordnungen geprüft werde. Dieser Mitteilung habe ein Auswahlgespräch vom 16.5.2002 zwischen den [X.]n und der [X.] zugrunde gelegen. In dem Protokoll über dieses Gespräch sei [X.] die klagende Praxis in der [X.] aufgeführt worden, deren Verordnungsverhalten geprüft werden solle. Dieses Protokoll sei als Kundgabe eines [X.] der Krankenkassen ([X.]) zu sehen, der nach der jüngeren Rechtsprechung des B[X.] die Ausschlussfrist für den Erlass eines Prüfbescheides hemme (Urteil vom 15.9.2011).

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das Berufungsurteil verletze Bundesrecht. Zunächst sei dem Berufungsgericht dahin zuzustimmen, dass die vierjährige Ausschlussfrist für den Erlass des angefochtenen [X.] prinzipiell abgelaufen gewesen sei. Nicht zu folgen sei dem L[X.] allerdings insofern, als es angenommen habe, die Frist sei durch die Mitteilung des [X.] vom [X.] über die beabsichtigte Durchführung eines Prüfverfahrens gehemmt worden. Selbst wenn man der nicht uneingeschränkt überzeugenden Rechtsprechung des B[X.] hinsichtlich der Hemmungs- bzw Unterbrechungswirkung eines [X.] einer [X.] folgen wolle, könne dem Berufungsgericht weder dahin zugestimmt werden, dass hier tatsächlich ein Prüfantrag einer [X.] oder mehrerer [X.] gestellt worden sei, noch dahin, dass die Mitteilung des [X.] über das Prüfungsprotokoll aus der Sitzung vom 16.5.2002 tatsächlich die Wirkung eines [X.] habe. Zu berücksichtigen sei, dass seit dem 1.1.2000 das Prüfverfahren - jedenfalls soweit es um statistische Vergleichsprüfungen gehe - nicht mehr von einem Prüfantrag der betroffenen [X.] bzw [X.] abhängig sei, sondern von Amts wegen durchgeführt werde. Damit sei für die rechtsgestaltende Wirkung von [X.] von vornherein kein Raum mehr. Im Übrigen müsse nach der Rechtsprechung des B[X.] ein die Ausschlussfrist hemmender Prüfantrag der [X.] hinreichend deutlich machen, dass die [X.] ihre Rechte auch gegenüber den Prüfgremien durchsetzen wolle. Die bloße Mitteilung des [X.], er werde sich mit der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise einer bestimmten Praxis in einem bestimmten Zeitraum befassen, stehe dem nicht gleich.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 15.9.2011 aufzuheben und die Berufung der Beigeladenen zu 2. gegen das Urteil des [X.] vom 30.9.2009 zurückzuweisen.

7

Die zu 1. beigeladene [X.] schließt sich der Auffassung und dem Antrag der Klägerin an.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er ist der Auffassung, das L[X.] habe der Mitteilung des [X.] vom [X.] zu Recht die Rechtswirkung zugesprochen, den Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist für den Erlass eines [X.] zu hemmen.

Dem schließt sich in der Sache auch die zu 2. beigeladene [X.] an.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.]lägerin ist begründet. Das [X.] hat das sozialgerichtliche Urteil, mit dem ihrer [X.]lage gegen den Bescheid des Beklagten für das Quartal II/2001 stattgegeben worden war, zu Unrecht geändert. Das sozialgerichtliche Urteil ist wiederherzustellen, weil dieser Bescheid rechtswidrig ist und die [X.]lägerin beschwert (§ 54 Abs 2 Satz 1 [X.]G).

1. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides lässt sich allerdings nicht damit begründen, dass die [X.]lägerin - was nicht feststeht - vor Erlass des Bescheides des [X.] vom 15.11.2005 nicht über die Unwirtschaftlichkeit ihrer [X.] beraten worden wäre. Die Festsetzung eines Regresses war nämlich im streitbefangenen Quartal II/2001 nicht davon abhängig, dass die Prüfgremien die [X.]lägerin zuvor über die Unwirtschaftlichkeit ihrer [X.] beraten haben. Soweit in § 106 Abs 5e Satz 2 [X.] in der ab dem 1.1.2012 geltenden Fassung des [X.] ([X.] 2983) bestimmt ist, die Festsetzung von [X.] bei Überschreitung des [X.] (§ 106 Abs 5a Satz 3 [X.]) könne erst für Zeiträume nach einer individuellen Beratung erfolgen, findet diese Regelung hier aus sachlichen und zeitlichen Gründen keine Anwendung. Die Abs 5a und 5c bis 5e des § 106 [X.] befassen sich allein mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Überschreitung von [X.] iS des § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 [X.] und finden auf Prüfungen nach der Methode des statistischen [X.]ostenvergleichs keine Anwendung. Im Übrigen wäre die Regelung über die regressausschließende Beratung hier auch dann nicht anwendbar, wenn eine [X.]prüfung durchgeführt worden wäre. Diese Vorschrift gilt nur für Prüfverfahren, die Zeiträume ab ihrem Inkrafttreten (1.1.2012) betreffen (vgl allg zu den für die Wirtschaftlichkeitsprüfung maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen bei Gesetzesänderungen: [X.]-2500 § 106 [X.] RdNr 15 f). Soweit der [X.] am 27.6.2012 eine Ergänzung des § 106 Abs 5e [X.] um Satz 7 beschlossen hat, wonach die Regelung des Abs 5e für alle Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (BT-Drucks 17/10156 [X.] zum [X.] arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften), gilt diese Regelung erst ab ihrem Inkrafttreten. Das ist derzeit nicht absehbar, weil der Bundesrat sich noch nicht mit dem Gesetz befasst hat. Im Übrigen würde die vom Gesundheitsausschuss als "[X.]larstellung zur Rechtslage" bezeichnete Änderung des Gesetzes den streitbefangenen Regress nicht erfassen, weil das Widerspruchsverfahren dazu bereits vor Inkrafttreten des [X.] abgeschlossen war. Für derartige Verfahren soll die (unterstellt) klarstellende Neuregelung in § 106 Abs 5e Satz 7 nicht gelten (BT-Drucks 17/10156 S 95).

2. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides ergibt sich jedoch daraus, dass die Ausschlussfrist für den Erlass von Bescheiden über Regresse wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln bei seinem Erlass abgelaufen war. Der Senat hat in den Urteilen vom [X.] ([X.]-2500 § 106 [X.]) und vom [X.] ([X.]-2500 § 106 [X.]) für den hier betroffenen Bereich von [X.] klargestellt, dass solche Regresse einer vierjährigen Ausschlussfrist unterliegen, dass weiterhin diese Ausschlussfrist mit Ablauf des Quartals beginnt, dem die (potenziell) in Regress genommenen Verordnungen zuzurechnen sind, und dass schließlich die Ausschlussfrist durch einen Prüfantrag der betroffenen [X.] gehemmt wird. Dies bedarf hier keiner weiteren Ausführungen, weil die Beteiligten insoweit übereinstimmen.

Hier gilt eine vierjährige und nicht - wie die zu 1. beigeladene [X.] annimmt - eine zweijährige Ausschlussfrist. Die Beigeladene zu 1. beruft sich für ihre Auffassung auf § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 [X.]. Dort ist bestimmt, dass "die Festsetzung eines den [X.]rankenkassen zu erstattenden [X.] nach Abs 5a innerhalb von zwei Jahren nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums erfolgen" muss. Diese Regelung des Art 1 [X.] [X.] [X.] ist zum 1.1.2008 in [X.] getreten (Art 46 Abs 8 [X.]; [X.] 2007, 378) und erfasst den hier betroffenen Zeitraum schon deshalb nicht. Im Übrigen ist die Regelung auch thematisch nicht einschlägig, weil sie nur auf [X.]prüfungen nach § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 [X.] anzuwenden ist. Das ergibt sich aus der Verweisung auf Abs 5a, der sich nur mit den Folgen der Überschreitung der [X.]volumen nach § 84 Abs 6 und 8 [X.] befasst. Deshalb greift § 106 Abs 2 Satz 7 [X.] auch dann nicht ein, wenn wegen der Nichtdurchführbarkeit einer [X.]prüfung eine Durchschnittsprüfung erfolgt (§ 106 Abs 2 Satz 5, letzter Halbsatz [X.]).

Soweit die beigeladene [X.] auf die Begründung des Gesetzgebers zur Einführung des § 106 Abs 2 Satz 7 [X.] verweist, rechtfertigt das keine andere Beurteilung der bis zum 31.12.2007 geltenden Rechtslage. Die damaligen Regierungsfraktionen vertraten die Auffassung, Zeiträume von mehr als zwei Jahren zwischen dem geprüften Verordnungszeitraum und dem Abschluss der Prüfungen seien für die Betroffenen unzumutbar (BT-Drucks 16/3100 zu Art 1 [X.] zu [X.], [X.]). Diese Wertung bezieht sich jedoch allein auf [X.]prüfungen nach § 106 Abs 5a [X.]. Hätte der Gesetzgeber generell eine Unzumutbarkeit länger andauernder Prüfverfahren angenommen, hätte er die Gelegenheit gehabt, diese Sichtweise durch entsprechende gesetzliche Änderungen umzusetzen. Dass die fehlende Umsetzung auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht, ist nicht erkennbar; vielmehr hat er eine entsprechende Regelung wegen der besonderen Bedeutung von [X.]verfahren ausschließlich in diesem Bereich für erforderlich gehalten. Im Übrigen müssen schon aus Gründen der Rechtssicherheit rückwirkende Verkürzungen von [X.] auf besonders gelagerte [X.]onstellationen beschränkt sein und bedürfen einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage. Daran fehlt es für den hier betroffenen Zeitraum.

3. Danach ist in Übereinstimmung mit dem [X.] davon auszugehen, dass die Ausschlussfrist für einen Regressbescheid für das Quartal II/2001 hier am [X.] zu laufen begann und grundsätzlich am 30.6.2005 abgelaufen ist. Der dem angefochtenen Bescheid des Beklagten zugrunde liegende Bescheid des [X.] stammt vom 15.11.2005 und hat die Frist dementsprechend nicht gewahrt. Die formelle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Beklagten hängt deshalb allein davon ab, ob diese Frist vor ihrem Ablauf am 30.6.2005 unterbrochen - bzw nach neuem Recht - gehemmt worden ist. Das ist entgegen der Auffassung des [X.] nicht der Fall. Die Hemmung kann hier allein durch die Mitteilung des [X.] an die [X.]lägerin vom [X.] bewirkt worden sein, wonach deren [X.] geprüft werden solle. Das [X.] hat in diesem Schreiben konkludent einen Prüfantrag der [X.] gesehen und diesem hemmende Wirkung beigemessen. Das hält der Senat nicht für richtig.

Fraglich ist bereits, ob die Mitteilung des [X.] vom [X.] den formellen und inhaltlichen Anforderungen genügt, die erfüllt sein müssen, damit die Rechtsfolgen eines [X.] von [X.]rankenkassen ausgelöst werden können (a). Im Übrigen würde auch ein wirksamer Prüfantrag hier die Ausschlussfrist nicht gehemmt haben (b). Auch eine Information der [X.]lägerin über die Gründe für die Verzögerungen beim Prüfverfahren, die hemmende Wirkung haben kann, ist hier nicht erfolgt (c).

a) Der Senat hat anders als das [X.] schon Zweifel, ob das Schreiben der Geschäftsstelle des "[X.]" der gemeinsamen Prüfeinrichtungen der [X.] und der [X.] Rheinland-Pfalz vom [X.] als Prüfantrag im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des Senats zu werten ist. In diesem Schreiben, das in der Verwaltungsakte des Beklagten enthalten ist, teilt der Referatsleiter der Prüfeinrichtungen der [X.]lägerin mit, es werde hinsichtlich des [X.]/2001 um [X.]enntnisnahme gebeten, dass "Ihre Arzneimittelverordnungen bezüglich des vorgenannten Quartals einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werden". Die Einleitung des Prüfverfahrens besage selbstverständlich noch nicht, dass Unwirtschaftlichkeit vorliege; die [X.]lägerin habe Gelegenheit, auf Praxisbesonderheiten hinzuweisen.

Diesem Schreiben lag die Arzneikostenstatistik der [X.]lägerin sowie deren Honorarabrechnung bei. Irgendein Hinweis darauf, dass [X.] der [X.] bzw der [X.] in Bezug auf die klägerische Praxis zugrunde gelegen haben oder vorausgegangen sind, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Ohne [X.]enntnisnahme des vom Beklagten unter dem [X.] an das Berufungsgericht versandten Protokolls "über das Auswahlgespräch am [X.] der [X.]" hinsichtlich der [X.] im Quartal II/2001 wäre nicht bekannt, inwieweit sich die [X.] bzw deren Verbände in das Prüfverfahren für das Quartal II/2001 eingeschaltet haben. Die Mitteilung der für die Entscheidung über einen Arzneikostenregress zuständigen Behörde - nämlich des [X.] nach altem Recht bzw der Prüfungsstelle nach Inkrafttreten des [X.] - über die Einleitung eines Prüfverfahrens wahrt die vierjährige Ausschlussfrist nicht und ist nicht geeignet, sie in entsprechender Anwendung des § 204 Abs 1 [X.] bzw des § 45 Abs 3 [X.]B I zu hemmen, wie das in den vorerwähnten Urteilen des Senats vom 5.5. und [X.] für einen Prüfantrag der [X.] angenommen worden ist.

Der Senat hat die hemmende Wirkung des [X.] [X.] in erster Linie damit begründet, dass die [X.] unmittelbar gegen den (möglicherweise) unwirtschaftlich verordnenden Arzt nicht vorgehen könne, sondern zur Realisierung ihres auf der Unwirtschaftlichkeit von Verordnungen beruhenden Schadensersatzanspruchs auf die Tätigkeit der Prüfgremien angewiesen sei. Nur die besondere [X.]onstellation, dass die [X.] ihren gegen den Vertragsarzt gerichteten Anspruch auf Ersatz für unwirtschaftlich verordnete Arzneimittel bzw unwirtschaftlich verordneten [X.] nicht unmittelbar, sondern nur durch Inanspruchnahme der Prüfgremien realisieren können, rechtfertigt es, unter bestimmten Voraussetzungen den [X.] die Möglichkeit zu geben, den Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist zu hemmen. Dafür bedarf es aber eines konkreten, auf eine bestimmte Praxis gerichteten Begehrens einer [X.] oder von [X.]n. Das kann auch in der Weise formuliert werden, dass zwischen den Verbänden und der [X.] eine Abstimmung erfolgt, welche Praxen geprüft werden sollen. Unverzichtbar ist aber, dass die [X.] von sich aus tätig geworden sind und die betroffene Praxis informiert ist, dass die [X.] auf eine Prüfung der [X.] bestehen. Die bloße Mitteilung des [X.] über eine beabsichtigte Prüfung für sich genommen steht einem Prüfantrag der [X.] nicht gleich.

Der mit der Ausschlussfrist verbundene Schutz des Arztes, nicht zeitlich unbegrenzt für seine Verordnungen in Regress genommen werden zu können, liefe weitgehend leer, wenn nicht erst der Bescheid über einen Arzneikostenregress oder über die Ablehnung eines Arzneikostenregresses, sondern allein die Mitteilung, das Verordnungsverhalten eines Arztes werde geprüft, bereits die zugunsten des Arztes bestehende vierjährige Ausschlussfrist hemmen würde. Der [X.] (nach bis zum 31.12.2007 geltendem alten Recht) bzw die Prüfungsstelle (nach neuem Recht) könnten dann routinemäßig allen Ärzten, deren Verordnungsverhalten in irgendeiner Hinsicht auffällig ist, kurz nach Eingang bestimmter, auf die Auffälligkeit hindeutender Unterlagen, eine Mitteilung zuleiten, es sei mit einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu rechnen, mit der Folge, dass die Vertragsärzte ohne zeitliche Begrenzung damit rechnen müssten, dass gegen sie [X.]ostenregresse festgesetzt würden. Das wäre aus denselben Gründen, aus denen der Senat in ständiger Rechtsprechung die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung von für die Vertragsärzte wirtschaftlich sehr einschneidenden Regressfestsetzungsverfahren abgeleitet hat (vgl zB [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.] f), nicht akzeptabel.

b) Im Übrigen vermag der Senat der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht zu folgen, wonach generell jeder Prüfantrag einer [X.] die vierjährige Ausschlussfrist zu hemmen geeignet ist, soweit Quartale ab dem 1.1.2000 betroffen sind. Das [X.] hat in diesem Zusammenhang nicht übersehen, dass infolge der Änderung des § 106 Abs 5 [X.] durch das [X.] ([X.] 1999, 2626) zum 1.1.2000 das antragsgebundene Prüfverfahren durch ein grundsätzlich von Amts wegen einzuleitendes und durchzuführendes Prüfungsverfahren ersetzt worden ist. Für die Verfahren, die nach den in § 106 Abs 2 Satz 1 [X.] normierten Regelprüfmethoden oder ersatzweise nach der Methode des statistischen [X.]ostenvergleichs durchgeführt werden, war ein Prüfantrag nicht mehr Voraussetzung für die Durchführung der Prüfung. Die Neuregelung des § 106 Abs 2 [X.] zum 1.1.2000 hat zwar nicht generell das Antragsrecht der [X.] bzw ihrer Verbände beseitigt; soweit jedoch das Verfahren vom [X.] antragsunabhängig durchzuführen ist, kann ein gleichwohl gestellter Antrag keine besonderen Rechtspflichten der Prüfgremien mehr auslösen. Jedenfalls in dem Bereich der hier betroffenen statistischen Vergleichsprüfung und der [X.]prüfung hat ein allein von Gesetzes wegen nicht erforderlicher Prüfantrag der [X.] nicht die Wirkung, die vierjährige Ausschlussfrist zu hemmen. Damit weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung ab, die den zitierten Urteilen vom 5.5. und [X.] zugrunde liegt. Beide Fälle betrafen [X.]onstellationen, in denen ein Prüfantrag der [X.] ungeachtet der grundsätzlichen Umstellung des [X.] von einem antragsgebundenen auf ein von Amts wegen durchzuführendes Verfahren weiterhin erforderlich war.

Dem Urteil vom [X.] ([X.]-2500 § 106 [X.]) lag ein einzelfallbezogener Prüfantrag einer [X.] im Hinblick auf die Verordnung eines bestimmten Medikamentes gegenüber einem konkreten Patienten zugrunde. Rechtsgrundlage der Einzelfallprüfung in diesem Fall war § 106 Abs 3 Satz 3 [X.] in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung. Danach war in Verträgen durch die Partner iS des Abs 2 Satz 4 auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen [X.] durchgeführt und pauschale Honorarkürzungen festgesetzt werden können. Für [X.] im Hinblick auf die Verordnung bestimmter Medikamente kann jedenfalls auch nach der Neufassung des § 106 Abs 5 [X.] schon aus praktischen Gründen auf einen Prüfantrag der [X.] nicht verzichtet werden. Nur die einzelne [X.] hat die Möglichkeit, aufgrund der bei ihr vorliegenden Verordnungen und Diagnosen zu beurteilen, ob eine unzulässige Verordnung vorgenommen wurde oder nicht; der im Falle der Unzulässigkeit der Verordnung zu leistende Schadensersatz kommt in diesem Fall auch allein der antragstellenden [X.] zugute und nicht - wie im Fall von statistischen Vergleichsprüfungen - allen [X.]n nach einem bestimmten Schlüssel. Diese Rechtslage hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 106 Abs 3 [X.] durch das [X.] der gesetzlichen [X.]rankenversicherung ([X.] vom 14.11.2003, [X.] 2190) präzisiert. Dort ist nunmehr bestimmt, dass die Vertragspartner vereinbaren müssen, unter welchen Voraussetzungen [X.] auf Antrag ua einer [X.] oder der [X.] durchzuführen sind (vgl [X.] in: [X.]/[X.], [X.], Stand: August 2012, [X.] § 106 RdNr 445).

Ähnliches gilt für die [X.]onstellation, die dem Senatsurteil vom [X.] ([X.]-2500 § 106 [X.]) zugrunde lag. Dort ging es um die Verordnung von Sprechstundenbedarf, die auf einer Vereinbarung der Vertragspartner über die Verordnung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Sprechstundenbedarf in der vertragsärztlichen Versorgung beruhte; deren gesetzliche Grundlage ist § 106 Abs 2 Satz 4 [X.]. Auch insoweit sah die Prüfvereinbarung - nicht anders als die Prüfvereinbarung in dem am [X.] entschiedenen Fall hinsichtlich der Einzelfallprüfung - ein Antragsrecht der [X.] vor; bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf ist dies schon deshalb erforderlich, weil üblicherweise Sprechstundenbedarf zu Lasten einer bestimmten [X.] für alle Versicherten verordnet wird, die entsprechend auch berechtigt ist, [X.] hinsichtlich der Einhaltung der Vorgaben der [X.]vereinbarung und der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Sprechstundenbedarf zu stellen.

Soweit ein Prüfantrag kraft Gesetzes Voraussetzung für die Durchführung eines Prüfverfahrens oder auf gesetzlicher Grundlage in der Prüfvereinbarung (neu) vereinbart worden oder von der Sache her unverzichtbar ist, kommt diesem Antrag auch für Quartale nach dem 1.1.2000 ua die Wirkung zu, den Ablauf der Ausschlussfrist für die Festsetzung eines Arzneikostenregresses zu hemmen. Soweit die Wirtschaftlichkeitsprüfung jedoch als [X.]prüfung oder statistische Vergleichsprüfung durchgeführt wird und Quartale betroffen sind, in denen diese Prüfung von Amts wegen durchzuführen ist, gilt das grundsätzlich nicht. Der Senat hat die hemmende Wirkung des [X.] vor allem mit einer entsprechenden Anwendung des Rechtsgedankens des § 204 Abs 1 [X.] begründet. Danach hemmt ein "Antrag bei einer Behörde" die Verjährung, "wenn die Zulässigkeit der [X.]lage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt". Der Heranziehung des in dieser Vorschrift enthaltenen Rechtsgedankens auf den Prüfantrag einer [X.] liegt die Erwägung zugrunde, dass dieser Antrag Voraussetzung dafür war, dass sich das zuständige Prüfgremium mit der [X.] einer Praxis befassen konnte. Die Basis für eine entsprechende Anwendung dieser Norm ist verlassen, wenn der "Antrag" nur noch eine unverbindliche Anregung an die Prüfgremien enthält, tätig zu werden. In Prüfverfahren, in denen ein Prüfantrag weder gesetzlich bzw gesamtvertraglich vorgeschrieben noch von der Sache her unverzichtbar ist, kann die betroffene [X.] die Hemmung der Ausschlussfrist nur dadurch zu erreichen versuchen, dass sie Untätigkeitsklage erhebt und darauf dringt, dass der Arzt, dessen Verordnungen sie beanstandet, zum Verfahren beigeladen wird. Auf die tatsächliche Schwäche dieser rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit hat der Senat in seiner früheren Rechtsprechung hingewiesen (vgl [X.]-2500 § 106 [X.] RdNr 37 und 45). An dieser Beurteilung hat sich nichts geändert, doch kann das nicht dazu führen, auch einem nicht erforderlichen "Antrag" zu Lasten des Arztes hemmende Wirkung zuzubilligen: damit wäre nach Auffassung des Senats der Rahmen für richterliche Rechtsfortbildung verlassen.

Im Übrigen stehen die [X.] und ihre Verbände auch abgesehen von der Möglichkeit der Untätigkeitsklage nicht rechtlos dar. Die Prüfgremien unterliegen staatlicher Aufsicht und machen sich bei willkürlicher Verweigerung der Durchführung von Prüfungen der betroffenen [X.] schadenersatzpflichtig. Den Gremien selbst stehen, soweit sachliche Gründe eine zügige Durchführung der Prüfverfahren hindern, Instrumente zur Verfügung, die Ausschlussfrist zu hemmen (vgl insoweit Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren B 6 [X.]A 27/11 R). Darauf können (auch) die [X.] im Prüfverfahren hinwirken. Soweit im Übrigen die unzureichende personelle Ausstattung der Prüfgremien ursächlich dafür sein sollte, dass selbst die vierjährige Ausschlussfrist, die im Gesetzgebungsverfahren zum [X.] als unzumutbar lang beurteilt worden ist (BT-Drucks 16/3100 [X.]), regelmäßig nicht gewahrt werden konnte, sind dafür die [X.] als Partner der [X.] und Mitträger der Gremien mitverantwortlich.

c) Der Senat misst dem Umstand, dass eine Wirtschaftlichkeitsprüfung aus rechtlichen Gründen - etwa wegen eines Streits zwischen [X.] und [X.]n über die Prüfvereinbarung oder die anzuwendende Prüfmethode - nicht durchgeführt werden kann, unter bestimmten Voraussetzungen hemmende Wirkung bei. Das ist im Urteil vom 15.8.2012 - B 6 [X.]A 27/11 R - näher dargelegt. Dieser Aspekt hat hier jedoch keine Bedeutung, weil weder der [X.] noch die [X.] die [X.]lägerin darüber informiert haben, dass das Prüfverfahren nach der Methode der Durchschnittswertprüfung wegen einer eventuell rechtlich vorrangigen Prüfung nach [X.] zunächst nicht betrieben wird. Unterbleibt eine solche Information der betroffenen Praxis, tritt keine Hemmung ein, auch wenn der Streit um die Prüfmethode tatsächlich eine Rolle gespielt haben sollte (zur Bedeutung einer Information des betroffenen Arztes siehe [X.]-2500 § 106 [X.] RdNr 46).

Danach hat das [X.] im Ergebnis zu Recht den angefochtenen Bescheid des Beklagten wegen des Ablaufs der Ausschlussfrist aufgehoben. Ob es sich darauf hätte beschränken dürfen, den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch der [X.]lägerin gegen den Bescheid des [X.] unter Beachtung seiner Rechtsauffassung neu zu entscheiden, oder ob es ihn hätte verpflichten müssen, auf den Widerspruch der [X.]lägerin diesen Bescheid aufzuheben, kann auf sich beruhen. Die [X.]lägerin hat das sozialgerichtliche Urteil, soweit es den Beklagten "nur" zur Neubescheidung des Widerspruchs der [X.]lägerin verpflichtet hat, nicht angefochten. Es ist insoweit rechtskräftig geworden.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm § 154 Abs 1, § 162 Abs 3 VwGO.

Meta

B 6 KA 45/11 R

15.08.2012

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Mainz, 30. September 2009, Az: S 11 KA 474/07, Urteil

§ 106 Abs 2 SGB 5 vom 22.12.1999, § 106 Abs 5 SGB 5 vom 22.12.1999, § 204 Abs 1 Nr 12 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 15.08.2012, Az. B 6 KA 45/11 R (REWIS RS 2012, 3913)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3913

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