Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.07.2023, Az. 3 StR 506/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2023, 5276

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. August 2021 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II., [X.] 3.) der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte der Beihilfe zur räuberischen Erpressung und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen schuldig ist;

c) festgestellt, dass das Verfahren zwischen dem Erlass des Urteils und der Übersendung der Akten an das [X.] verzögert worden ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung und wegen Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, eine nach [X.] eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung sei mit einem Vollstreckungsabschlag in Höhe von sechs Monaten zu kompensieren. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des [X.] gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen ein, soweit der Angeklagte im Fall II., [X.] 3.) der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist.

3

2. [X.] ist demgemäß um einen Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu reduzieren. Zugleich kann die Bezeichnung des Handeltreibens als „unerlaubt“ entfallen, weil Straftaten nach dem [X.] ausschließlich den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln betreffen ([X.], Beschlüsse vom 31. Mai 2023 - 6 StR 180/23, juris Rn. 2; vom 14. Dezember 2022 - 3 [X.], NStZ-RR 2023, 78, 79; jeweils mwN).

4

3. Der Wegfall einer Einzelstrafe von einem Jahr lässt die Gesamtstrafe unberührt. Angesichts der Einsatzstrafe von einem Jahr und sieben Monaten Freiheitsstrafe sowie sechs weiterer [X.] zwischen einem Jahr und einem Jahr und drei Monaten ist auszuschließen, dass die [X.] ohne die weitere Einzelstrafe von einem Jahr eine geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.

5

4. Es ist festzustellen, dass das Strafverfahren zwischen dem Erlass des Urteils und der Übersendung der Akten an das [X.] verzögert worden ist. Dem Genugtuungsinteresse des Angeklagten wird mit dieser ausdrücklichen Feststellung hinreichend Rechnung getragen. Hierzu im Einzelnen:

6

Unabhängig von der Frage, ob und unter welchen Umständen eine zwar nach [X.] aber noch vor Ablauf der [X.] eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bereits auf die Sachrüge beachtlich sein kann oder mit einer den Anforderungen an eine Verfahrensrüge genügenden Beanstandung geltend gemacht werden muss (vgl. hierzu [X.], Beschlüsse vom 28. Mai 2020 - 3 StR 99/19, [X.], 838; vom 20. Juni 2007 - 2 [X.], [X.]R [X.]. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 32 Rn. 11 f.; Urteile vom 23. Oktober 2013 - 2 StR 392/13, [X.], 21; vom 25. Oktober 2005 - 4 [X.], [X.], 50; MüKoStGB/[X.], 4. Aufl., § 46 Rn. 512 ff., [X.]/[X.], 5. Aufl., § 46 Rn. 177; jeweils mwN), ist hier den vorgetragenen sowie von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmenden Verfahrenstatsachen keine über die Feststellung der Verfahrensverzögerung hinausgehende Notwendigkeit einer weitergehenden Kompensation zu entnehmen. Ein solcher Ausgleich durch Anordnung eines Vollstreckungsabschlags (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Januar 2008 - [X.], [X.]St 52, 124 Rn. 14 ff.; vom 23. August 2007 - 3 StR 50/07, NJW 2007, 3294) kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zur Kompensation bereits die ausdrückliche Feststellung genügt, etwa weil der Betroffene während der Verzögerung nicht inhaftiert war und auch sonst keine zusätzliche Belastung ersichtlich ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 24. Januar 2012 - 1 StR 551/11, [X.], 470; vom 5. August 2009 - 1 [X.], [X.], 339; [X.], StGB, 70. Aufl., § 46 Rn. 133 f.; jeweils mwN).

7

So liegt der Fall hier. Der Zeitraum der Nichtförderung des Verfahrens durch das [X.] beträgt ein Jahr und sechs Monate, so dass eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung allenfalls in diesem Umfang eingetreten sein kann. Hiervon bezeichnet selbst der [X.] lediglich einen Zeitraum von dreizehn Monaten als rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung. Wie die im Urteil festgestellten Haftzeiten belegen, befand sich der Angeklagte in diesem Verfahrensabschnitt nicht mehr in Untersuchungshaft; ihn besonders belastende Umstände sind ebenfalls nicht ersichtlich. Eine über die ausdrückliche Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hinausreichende Kompensation scheidet mithin aus.

8

5. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Schäfer     

      

Paul     

      

Anstötz

      

Erbguth     

      

Kreicker     

      

Meta

3 StR 506/22

26.07.2023

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Duisburg, 10. August 2021, Az: 32 KLs 29/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.07.2023, Az. 3 StR 506/22 (REWIS RS 2023, 5276)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5276

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