Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2016, Az. 1 StR 617/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 425

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Gegenstand

Strafverfahren: Entscheidung des Revisionsgerichts über die Kompensation von Verfahrensverzögerungen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. Oktober 2015 dahin ergänzt, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten zwei Monate als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in zwei Fällen sowie wegen besonders schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Entscheidung über den Verfall von Wertersatz getroffen.

2

Die Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, erzielt lediglich wegen einer nach Ablauf der [X.] eingetretenen Verfahrensverzögerung einen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); das Urteil ist um eine Kompensation für einen Konventionsverstoß zu ergänzen. Im Übrigen ist das Rechtsmittel aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 28. November 2016 unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

3

Zur Kompensation einer nach Erlass des angefochtenen Urteils eingetretenen, der Justiz anzulastenden Verfahrensverzögerung ist ein angemessener Teil der gegen den Angeklagten verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt zu erklären (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Januar 2008 - [X.], [X.]St 52, 124).

4

Die Akten wurden von der Staatsanwaltschaft [X.] mit Übersendungsbericht vom 17. Dezember 2015 an den [X.] übersandt, sind dort aber erst am 23. November 2016 eingetroffen. Ausweislich eines Vermerks der Geschäftsstelle des [X.]. Zivilsenats des [X.] waren die Akten dort in einem Karton zusammen mit Akten eines Zivilverfahrens eingetroffen und wurden, nachdem festgestellt worden war, dass es sich nicht um Beiakten des Zivilverfahrens handelte, an den [X.] weitergeleitet. Damit haben die Justizbehörden nach Beginn des Revisionsverfahrens das Gebot zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) verletzt. Der dargelegte Verfahrensgang hat - wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat - nach Ablauf der [X.] insgesamt zu einer Verfahrensverzögerung von etwa elf Monaten geführt, die auf die Sachrüge hin von Amts wegen zu berücksichtigen ist (st. Rspr.; vgl. z.B. Beschlüsse vom 12. Februar 2015 - 4 StR 391/14, [X.], 241 f. und vom 16. Juni 2009 - 3 [X.], [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 20 mwN).

5

Um diese auszugleichen, stellt der Senat fest, dass zwei Monate der erkannten Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Diese Kompensation kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO selbst aussprechen ([X.], Beschlüsse vom 6. März 2008 - 3 [X.], [X.], 208, 209; vom 3. November 2011 - 2 StR 302/11, [X.], 320, 321 und vom 12. Februar 2015 - 4 StR 391/14, [X.], 241 f.).

6

Da die gegen die Verurteilung insgesamt gerichtete Revision nur einen geringen Teilerfolg hat, ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

Raum        

       

Jäger        

       

Radtke

       

[X.]        

       

Fischer        

       

Meta

1 StR 617/16

20.12.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 5. Oktober 2015, Az: JKIV KLs 358 Js 11359/15 jug

Art 6 Abs 1 S 1 MRK, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 354 Abs 1a S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2016, Az. 1 StR 617/16 (REWIS RS 2016, 425)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 425

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