Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2018, Az. V ZB 107/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 14963

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[X.]:[X.]:BGH:2018:250118BVZB107.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
[X.] 107/17
vom

25. Januar 2018

in der Abschiebungshaftsache

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 25.
Januar 2018
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland und die Richter Dr.
Kazele und Dr.
Hamdorf

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 28. Februar 2017 und der Beschluss des [X.] -
2.
Zivilkammer
-
vom 4.
Mai 2017 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

Gründe:

I.

Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2015 in das [X.] ein und stellte unter Angabe algerischer Aliasperso-nalien einen Asylantrag, der im [X.] abgelehnt wurde. Auf Antrag der be-teiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 28. Februar 2017 [X.]
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schiebungshaft bis zum 31. Mai 2017 angeordnet. Das [X.] hat die Be-schwerde zurückgewiesen. Nachdem der Senat die Vollziehung der Siche-rungshaft durch Beschluss vom 23. Mai 2017 einstweilen ausgesetzt hat, will der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde die Rechtswidrigkeit der [X.] feststellen lassen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

1. Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Fehlt es daran, darf die beantragte [X.] nicht angeordnet werden. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforde-rungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den
Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des [X.] knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte an-sprechen. Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Die Durchführbarkeit der Abschiebung muss mit konkretem Bezug auf das Land, in das der [X.] abgeschoben werden soll, dargelegt werden. Anzugeben ist dazu, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicher-weise möglich sind, von welchen Voraussetzungen dies abhängt und ob diese im konkreten Fall vorliegen (st. Rspr., Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 2
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4
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V [X.], [X.] 2012, 82 Rn. 12 ff.; Beschluss vom 20. Oktober 2016

[X.] 167/14, juris Rn. 6, jeweils mwN).

2. Daran gemessen war der Haftantrag vom 27. Februar 2017 unzu-reichend. Begründet wird die beantragte Haftdauer nur
damit, dass vorab noch ein Pass bzw. Passersatzpapier über die Botschaft beantragt werden müsse. Hierzu sei eventuell eine Vorführung bei der Botschaft erforderlich. Diese Be-gründung stellt eine in einer Vielzahl von Verfahren einsetzbare Leerformel dar, die über die Durchführbarkeit der Abschiebung im konkreten Fall nichts [X.]. Konkrete Angaben zu der erfahrungsgemäß notwendigen Vorbereitungs-dauer für eine Abschiebung nach [X.] enthält der Haftantrag nicht. Ebenso wenig wird dargelegt, welchen zeitlichen Rahmen die einzelnen [X.] nach Einschätzung der Behörde beanspruchen werden. Insbesondere ist nicht erkennbar, warum die Vorbereitung der Abschiebung mehr als drei [X.] erfordern wird.

3. Der Mangel des [X.] ist auch nicht
geheilt worden. Weder hat die Behörde ihre Darlegungen ergänzt noch haben das Amtsgericht oder das Beschwerdegericht das Vorliegen der seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen aufgrund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) festgestellt (vgl. zu dieser Möglichkeit Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 -
[X.] 80/13, [X.] 2014, 384 Rn. 21
ff.). Allerdings ver-weist das Beschwerdegericht auf die Schwierigkeiten, die die Abschiebung we-gen der Verwendung zahlreicher Aliaspersonalien aufwirft; ferner habe der Be-troffene trotz Aufforderung der Ausländerbehörde keine persönlichen Unterla-gen vorgelegt, aus denen sich seine Identität und Staatsangehörigkeit ergibt. Richtig ist zwar, dass eine über drei Monate hinausgehende Haft bis zu sechs Monaten verhängt werden kann, wenn aus von dem Ausländer zu vertretenden 4
5
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5
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Gründen die Abschiebung erst nach mehr als drei Monaten durchgeführt wer-den kann, und dass die Haft ausnahmsweise sogar über sechs Monate hinaus verlängert werden kann, wenn der Ausländer seine Abschiebung verhindert (eingehend zum Ganzen Senat, Beschluss vom 19. Januar 2017 -
[X.] 99/16, NVwZ 2017, 732 Rn.
6
ff.). Dies ersetzt aber weder die im Hinblick auf §
62 Abs.
1 Satz
2 [X.] erforderlichen Angaben zu der Durchführbarkeit der Abschiebung noch eine mit Tatsachen untermauerte Einschätzung dazu, [X.] Zeitspanne hierfür unter Berücksichtigung der fehlenden Mitwirkung des Betroffenen voraussichtlich erforderlich sein wird.
-
6
-
III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs.
2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog. Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Stresemann [X.] Weinland

Kazele Hamdorf

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.02.2017 -
5210 [X.]/17 B -

LG Stuttgart, Entscheidung vom 04.05.2017 -
2 T 99/17 -

6

Meta

V ZB 107/17

25.01.2018

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2018, Az. V ZB 107/17 (REWIS RS 2018, 14963)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14963

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 107/17

V ZB 311/10

V ZB 167/14

V ZB 80/13

V ZB 99/16

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