Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.08.2011, Az. X ARZ 263/11

10. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4088

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Gegenstand

Zuständigkeitsstreit: Bestimmung des zuständigen Gerichts vor Rechtshängigkeit


Tenor

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Der anwaltlich vertretene Kläger hat beim "[X.]" unter Angabe der Anschrift des [X.] einen mit der Überschrift "Klage und Prozesskostenhilfeantrag" versehenen Schriftsatz eingereicht. In [X.] existiert kein Arbeitsgericht. Der Schriftsatz trägt den Eingangsstempel des dortigen Amtsgerichts. Nach einem richterlichen Hinweis, dass der Sache nach die Arbeitsgerichte zuständig seien, beantragte der Kläger die Verweisung an das [X.]. Das Amtsgericht gewährte der Beklagten rechtliches Gehör. Eine Zustellung der Klage oder eine Übermittlung des [X.] zur Stellungnahme erfolgten jedoch nicht. Die anwaltlich nicht vertretene Beklagte stimmte der beantragten Verweisung zu. Sodann übersandte das Amtsgericht die Akten formlos an das [X.] "zuständigkeitshalber" unter Verweis auf den zuvor an den Kläger gegebenen rechtlichen Hinweis.

2

Das Arbeitsgericht lehnte die Übernahme jedoch ab und sandte die Akten formlos an das Amtsgericht mit der Bemerkung zurück, dass die Verweisung eines Rechtsstreits nach § 17a Abs. 2 [X.] eines Beschlusses des angerufenen Gerichts bedürfe, durch den der beschrittene Rechtsweg für unzulässig erklärt und an das zuständige Gericht verwiesen werde, woran es vorliegend fehle.

3

Das Amtsgericht sandte die Akten mit der Bemerkung zurück, dass die Sache nicht an das Arbeitsgericht verwiesen, sondern, da Rechtshängigkeit noch nicht eingetreten sei, an dieses abgegeben worden sei. Der Antragsteller habe lediglich ein Prozesskostenhilfeersuchen eingereicht und einen Klageentwurf beigefügt. Eine förmliche Zustellung sei nicht erfolgt. Im Prozesskostenhilfeverfahren sei § 17a [X.] nicht entsprechend anwendbar.

4

Das Arbeitsgericht lehnte die Übernahme erneut ab und sandte die Akten formlos an das Amtsgericht mit der Bemerkung zurück, dass das [X.] zwar funktional und örtlich zuständig sei, es sich der Sache aber erst nach einem förmlichen Beschluss des [X.] nach § 17a Abs. 2 [X.] annehmen könne.

5

Das Amtsgericht hat die Akten daraufhin dem [X.] mit der Bitte um Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

6

II. [X.] in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist abzulehnen.

7

1. Der Antrag ist allerdings statthaft. Die §§ 17a, 17b [X.] stehen dem nicht entgegen. Zwar hat der [X.] entschieden, dass das Verfahren der Rechtswegverweisung in den genannten Vorschriften abschließend geregelt ist ([X.], Beschluss vom 24. Februar 2000  [X.], [X.]Z 144, 21, 24). Hieraus folgt indes nur, dass die Parteien sich nicht auf das Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verweisen lassen müssen, solange eine Entscheidung nach § 17a [X.] noch mit Rechtsmitteln angefochten werden kann. Soweit solche Rechtsmittel nicht zur Verfügung stehen, ist unter besonderen Voraussetzungen ein Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO möglich ([X.], Beschluss vom 13. November 2001  [X.] 266/01, [X.] 2002, 713; vom 26. Juli 2001  [X.] 69/01, NJW 2001, 3631, 3632).

8

Der [X.] ist auch als derjenige oberste Gerichtshof des [X.], der zuerst darum angegangen wurde, für die hier zu treffende Entscheidung zuständig ([X.], Beschluss vom 7. Mai 1965  [X.], [X.]Z 44, 14, 15 = NJW 1965, 1596; Beschluss vom 26. Juli 2001  [X.] 69/01, NJW 2001, 3631, 3632; [X.], Beschluss vom 6. Januar 1971  5 [X.], [X.]E 23, 167, 170 = NJW 1971, 581). Die Neufassung des § 36 ZPO durch Art. 1 Nr. 1 des [X.] (SchiedsVfG) vom 22. Dezember 1997 ([X.] I S. 3224) hat an der Rechtslage insoweit nichts geändert ([X.], Beschluss vom 26. Juli 2001  [X.] 69/01, NJW 2001, 3631, 3632; ebenso [X.], Beschluss vom 14. Dezember 1998  5 AS 8/98, [X.], 390, 392).

9

2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen nicht vor.

Eine Zuständigkeitsbestimmung entsprechend dieser Vorschrift kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben, woran es vorliegend fehlt. Weder das Amtsgericht [X.] noch das [X.] hat in einem Beschluss nach § 17a Abs. 2 [X.] seine Zuständigkeit verneint. Das Arbeitsgericht hat in seiner letzten Rückleitungsverfügung ausgeführt, dass es sich für funktionell und örtlich zuständig erachte, sich aber mangels formellen Verweisungsbeschlusses daran gehindert sehe, in der Sache selbst tätig zu werden. Der Streit der beteiligten Gerichte betrifft demnach nicht die Zuständigkeit, so dass für eine Zuständigkeitsbestimmung durch den [X.] entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO kein Raum ist (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Februar 2002  [X.] 9/02, juris Rn. 9 f.).

Die Sache ist daher an das vorlegende Amtsgericht [X.] zurückzugeben.

III. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

Das Amtsgericht [X.] wird die Akten erneut dem [X.] vorzulegen haben. Eines Beschlusses nach § 17a Abs. 2 [X.] bedarf es hierzu entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung nicht, weil die Sache mangels Zustellung (§ 253 Abs. 1 ZPO) nicht rechtshängig ist (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Oktober 1995  [X.] 18/95, NJW-RR 1996, 254). Dabei kann offen bleiben, ob das klägerische Begehren vorliegend als Prozesskostenhilfeantrag mit Klageentwurf oder  wofür bereits die Überschrift spricht  als unbedingte Klage mit einem flankierenden Prozesskostenhilfeantrag auszulegen ist. Sollte Letztes anzunehmen sein, so fehlt es an einer förmlichen Zustellung an den Beklagten nach § 271 Abs. 1 ZPO. Vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit kommt aber kein Beschluss nach § 17 Abs. 2 [X.], sondern regelmäßig nur eine Abgabe der Sache an ein anderes Gericht in Betracht, wenn der Kläger wie hier darum bittet, weil er nunmehr dieses andere Gericht anstelle des zuerst angegangenen Gerichts anrufen will. Entscheidend ist hierfür nicht, ob das zunächst angerufene Gericht unzuständig war und das andere Gericht zuständig ist. Mit der Abgabe wird vielmehr dem Willen des Klägers Rechnung getragen, dem es zunächst freisteht, welches Gericht er anrufen will ([X.], Beschluss vom 5. März 1980  IV ARZ 8/80, NJW 1980, 1281; [X.], Beschluss vom 9. Februar 2006  5 [X.], [X.], 1371 Rn. 17; [X.] in Musielak, ZPO, 8. Aufl., § 281 Rn. 5). Für den Fall eines Prozesskostenhilfeersuchens gilt nichts anderes, zumal es vorliegend noch nicht einmal an den Beklagten nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit der Aufforderung, sachlich dazu Stellung zu nehmen, mitgeteilt worden ist. Da das [X.] in seiner letzten Zuleitungsverfügung seine funktionelle und örtliche Zuständigkeit bereits bejaht hat, geht der Senat davon aus, dass dem Verfahren dort nun auch ohne einen Ausspruch der [X.], der vor Rechtshängigkeit nur ausnahmsweise im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit geboten ist (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Dezember 1982  [X.] 586/82, NJW 1983, 1062; Beschluss vom 13. November 2001  [X.] 266/01, juris Rn. 16), Fortgang gegeben wird.

[X.]                                  Gröning

                                 Bacher                                    Schuster

Meta

X ARZ 263/11

10.08.2011

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARZ

§ 17a Abs 2 GVG, § 36 Abs 1 Nr 6 ZPO, § 261 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.08.2011, Az. X ARZ 263/11 (REWIS RS 2011, 4088)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4088

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Referenzen
Wird zitiert von

102 SchH 218/23 e

IX ZB 61/15

X ARZ 263/11

1 AR 7/20

7 Ca 2973/16

9 Ta 115/21

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