Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2011, Az. X ARZ 95/11

10. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6498

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Gegenstand

Bindungswirkung einer Verweisung des Arbeitsgerichts an das Amtsgericht bei fehlerhafter Annahme der Zuständigkeit des Insolvenzgerichts


Leitsatz

Hat das Arbeitsgericht mit der Begründung, mit der Klage würden in die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts fallende Einwendungen nach § 89 Abs. 2 InsO geltend gemacht, die Vollstreckungsgegenklage fehlerhaft an das Amtsgericht verwiesen, so ist die unanfechtbar gewordene Verweisung hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts wird hierdurch jedoch nicht begründet .

Tenor

[X.] ist das [X.].

Gründe

1

I. Die Beklagte hat gegen den Insolvenzschuldner [X.] eine durch Vollstreckungsbescheid rechtskräftig titulierte Forderung. Auf der Grundlage dieses Titels wurden mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts [X.] die gesamten gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners gegen den Kläger, seinen Arbeitgeber, gepfändet. Der Kläger verweigerte die Zahlung. Daraufhin erhob die Beklagte Klage beim [X.], das den Kläger zur Zahlung verurteilte. Die dagegen gerichtete Berufung wurde zurückgewiesen.

2

Der Kläger hat daraufhin vor dem [X.] [X.] erhoben, mit der er inhaltlich Einwände gemäß § 89 [X.] geltend macht. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit durch unangefochten gebliebenen Beschluss an das [X.] verwiesen. Dieses hat sich für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht [X.] verwiesen, bei dem das Insolvenzverfahren anhängig ist. Das Amtsgericht [X.] - Insolvenzgericht - hält sich für sachlich unzuständig und hat das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem [X.] zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es vertritt den Standpunkt, der rechtskräftige Verweisungsbeschluss des [X.] entfalte ausnahmsweise keine Bindungswirkung. Er stelle eine krasse Rechtsverletzung dar. Eine Entscheidung des Insolvenzgerichts als Zwangsvollstreckungsgericht über die [X.] müsste gemäß § 18 RPflG zum einen durch den Rechtspfleger erfolgen. Zum anderen sei verfahrensrechtlich eine Entscheidung nur durch Beschluss möglich. [X.]n seien hingegen von einem [X.] in [X.] zu entscheiden.

3

II. Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist zulässig.

4

1. Der [X.] ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des [X.], der zuerst darum angegangen wird ([X.], Beschluss vom 26. Juli 2001 - [X.], NJW 2001, 3631, 3632; Beschluss vom 30. Juli 2009 - [X.] 167/09, NJW-RR 2010, 209 Rn. 6).

5

2. Der Antrag ist statthaft.

6

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entsprechend anwendbar ([X.], aaO).

7

Ein nach § 17a Abs. 2 [X.] ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Wenn sich das Gericht, an das die Sache verwiesen wurde, jedoch an den Verweisungsbeschluss nicht für gebunden hält, kommt eine Zuständigkeitsbestimmung analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO grundsätzlich in Betracht.

8

III. Als zuständiges Gericht ist das Amtsgericht [X.] zu bestimmen.

9

1. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts [X.] ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des [X.] gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 [X.]. Die Voraussetzungen, unter denen ein Verweisungsbeschluss, der nicht mit dem zulässigen Rechtsmittel angefochten worden ist, ausnahmsweise nicht bindend wirkt, liegen nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s ist eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung der Rechtswegverweisung allenfalls bei "extremen Verstößen" denkbar ([X.], Beschluss vom 13. November 2001 - [X.] 266/01, NJW-RR 2002, 713; Beschluss vom 8. Juli 2003 - [X.] 138/03, NJW 2003, 2990, 2991), etwa wenn sich die Verweisungsentscheidung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen [X.]s (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist, d.h. wenn sie unverständlich und offensichtlich unhaltbar ist ([X.] 29, 45, 49; [X.], Beschluss vom 24. Februar 2000 - [X.], [X.]Z 144, 21, 25; Beschluss vom 5. Oktober 1982 - [X.], [X.]Z 85, 116, 118 f.; [X.]arbeitsgericht, Beschluss vom 9. Februar 2006, 5 [X.], [X.], 1371).

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass mit der Klage Einwendungen gemäß § 89 [X.] geltend gemacht werden. Dies trifft zu. Ob die [X.] hierfür die richtige Klageart ist oder wie die Einwendungen ansonsten geltend gemacht werden können, ist zwar, wie das Amtsgericht [X.] insoweit zutreffend gesehen hat, für die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts unmaßgeblich. Die Entscheidung des [X.] ist indessen nicht schlechthin unhaltbar oder gar willkürlich. Denn die Begründung der [X.] ist auf insolvenzrechtliche Einwendungen gestützt, über die die Zivilgerichte zu entscheiden haben. Ob die Begründung, die das Arbeitsgericht seiner Entscheidung beigegeben hat, inhaltlich richtig ist, ist nicht zu entscheiden. Die Erwägungen des Arbeitsgerichts können jedenfalls nicht als völlig sachfremd oder gar willkürlich angesehen werden mit der Folge, dass die Rechtswegverweisung trotz der inzwischen eingetretenen Unanfechtbarkeit als unwirksam anzusehen wäre.

Die Unhaltbarkeit der Entscheidung des Arbeitsgerichts ergibt sich auch nicht daraus, dass über die [X.] der [X.] durch Urteil zu entscheiden hat, während die Entscheidung über Einwendungen nach § 89 [X.] dem Rechtspfleger übertragen ist und durch Beschluss erfolgt. Denn da die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für die [X.] nicht begründet ist, hat das Amtsgericht über diese durch eine Zivilabteilung zu entscheiden. Das Arbeitsgericht hat bindend nur über den Rechtsweg entschieden (§ 17a Abs. 2 Satz 3 [X.]) und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen. Eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts wird hierdurch nicht begründet.

[X.]                                         [X.]

                           [X.]

Meta

X ARZ 95/11

18.05.2011

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARZ

§ 17a Abs 2 GVG, § 89 Abs 2 InsO, § 89 Abs 3 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2011, Az. X ARZ 95/11 (REWIS RS 2011, 6498)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6498

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