Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2011, Az. III ZR 252/10

III. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2121

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 252/10
Verkündet am:

20. Oktober 2011

K
i
e
f
e
r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 166 Abs. 1, § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 852 Abs. 1 (Fassung vom 16. August 1977)
Auch nach Einführung der Bestimmung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist für den Beginn der Verjährungsfrist bei deliktsrechtlichen Ansprüchen, die von [X.] und juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit arbeitsteiliger Orga-nisation (hier einem Sozialversicherungsträger) geltend gemacht werden, hin-sichtlich der Beurteilung einer grob fahrlässigen Unkenntnis ebenso wie der positiven Kenntnis auf die Beschäftigten der [X.], nicht derjenigen der Leistungsabteilung abzustellen.
[X.], Urteil vom 20. Oktober 2011 -
III ZR 252/10 -
[X.]

[X.]
-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2011
durch den Vizepräsidenten
Schlick und [X.]
[X.], [X.],
Seiters
und Tombrink

für Recht erkannt:

Die Revision der [X.] gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 30. November 2010 wird [X.].

Die
Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs
zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin, die D.

R.

B.

,
macht gegen die
beklagte
Stadt aus übergegangenem Recht
Ansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall vom 25. Juni 1989
geltend, aufgrund
dessen eine bei ihr versicherte
Person einen Gesundheitsschaden
erlitt.
Die Eintrittspflicht
der [X.]n
für die Unfallfolgen wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht
steht außer Streit.
Mit Wirkung vom 1.
April 1990 bewilligte die Klägerin der [X.] eine Erwerbsunfähigkeitsrente, wobei in dem Rentenantrag vom 14.
August 1990
die Fragen zu 5.7 und 5.8, ob die Erwerbsunfähigkeit ganz oder teilweise durch Unfall oder durch andere Personen herbeigeführt worden sei und Schadensersatzansprüche geltend gemacht worden seien, nicht beant-1
-

3

-

wortet waren. In einem ebenfalls an die Klägerin gerichteten Antrag vom 23.
April 1990 auf Leistungen zur Rehabilitation war
die Frage, ob die Leiden -
angegeben waren
Angstneurose und Beinbruch
-
Folge einer durch Dritte ver-ursachten Körperverletzung, z.B. eines Verkehrsunfalls, seien, verneint
worden. Bei Frage 7 eines Fragebogens
zur "Nachprüfung der weiteren Rentenberechti-gung", wann und von wem ein schriftliches ärztliches Gutachten über ihren Ge-sundheitszustand eingeholt worden sei,
gab die Geschädigte am 29. Januar 2000 jeweils untereinander an: "vor 1 Jahr", "Stadt M.

",
"Unfallverursa-cher".

Erstmals mit Schreiben vom 5.
September 2005 meldete die Klägerin dem Grunde nach einen
Regressanspruch bei der [X.] an, und machte geltend,
eine Mitarbeiterin ihrer Leistungsabteilung habe erstmals am 5.
Juli 2005 aufgrund eines Anrufs der Rechtsanwältin der Geschädigten von den Um-ständen erfahren,
die sie zu einer Inanspruchnahme der [X.] berechtig-ten; der entsprechende Telefonvermerk sei am 6.
Juli 2005 in ihrer Regressab-teilung eingegangen. Die Klägerin begehrt
die Rückzahlung nach ihrer [X.] an die Geschädigte erbrachter Rentenzahlungen, sowie
die Feststellung
der Verpflichtung der [X.], weitere bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze zu erbringende Sozialversicherungsleistungen
zu erstatten und Beitragsregressansprüche für die Geschädigte zu erfüllen.

Das [X.] hat der am 24. Juni 2008 erhobenen Klage stattgege-ben, die hiergegen gerichtete Berufung der [X.], die sowohl
die Einrede der Verjährung erhoben als auch Verwirkung geltend gemacht
hat, ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht wegen der Frage der Verwirkung zu-gelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
2
3
-

4

-

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] bleibt ohne Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Klägerin mache zu Recht aus übergegangenem Recht
einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 258.881,90

Feststellung weiterer Verpflichtungen der [X.]
geltend. Aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten
Beweisauf-nahme
sei davon auszugehen,
dass
die bei
der Geschädigten eingetretene
dauerhafte Erwerbsunfähigkeit und dramatische Verschlechterung ihres psychi-schen Zustandes
ursächlich auf das
Unfallereignis vom 25.
Juni 1989 zurück zu führen
seien. Hinsichtlich der
Höhe der
zugesprochenen Ansprüche
sei eine Bindungswirkung gemäß §
118 SGB
X anzunehmen, so dass keine eigenstän-dige Prüfung mehr habe angestellt werden müssen. Die von
der Klägerin
beige-fügten Unterlagen
seien als Nachweis
für
die tatsächliche Erbringung der be-haupteten Leistungen
ausreichend.
Entgegen
der Auffassung der [X.]
sei Verjährung der geltend gemachten Ansprüche nicht eingetreten.
Im Rahmen des noch anzuwendenden §
852 [X.]
a.F.
komme es wegen des sofortigen, bereits im [X.]punkt der Entstehung der Ansprüche erfolgten gesetzlichen For-derungsübergangs auf die Klägerin allein auf deren Kenntnis an, wobei insoweit allein auf die
zuständigen Bediensteten ihrer [X.]
abzustellen sei.
Ausweislich der vorgelegten Dienstanweisung aus dem Jahre 1988 habe
be-reits zum
damaligen [X.]punkt
eine organisatorische Trennung zwischen Leis-tungs-
und [X.]
bestanden; danach
habe ein Vorgang schon dann an das Regressdezernat
abgegeben werden sollen, wenn aus der Akte zu er-4
5
-

5

-

kennen gewesen sei, dass es sich um einen Unfall oder sonst um
einen durch andere Personen verursachten Schadensfall gehandelt habe. Die eigentliche Prüfung sei dann allein der [X.] vorbehalten gewesen, die von den maßgeblichen Umständen
im Streitfall erstmals am 6.
Juli 2005 mit Vorlage der über den Anruf der Rechtsanwältin der Geschädigten gefertigten Telefonno-tiz Kenntnis erhalten habe.
An dieser Beurteilung
ändere auch der Inhalt der im Rentenantrag enthaltenen Fragen zu
5.7 und 5.8 nichts, eine eigenverantwortli-che Bearbeitung eines möglichen Regressanspruchs
durch die Leistungsabtei-lung
ergebe sich daraus nicht.
Entgegen der Auffassung der [X.] liege ein mit positiver
Kenntnis gleichzusetzendes Verhalten
auch nicht darin, dass auf die Nichtbeantwortung dieser Fragen
keine Reaktion
der Leistungsabteilung
erfolgt sei. Denn die Geschädigte habe in dem
knapp vier Monate zuvor gestell-ten Antrag auf Leistungen
zur Rehabilitation die Frage nach einer durch Dritte verursachten Körperverletzung bereits ausdrücklich verneint. Bezüglich der
An-gaben
vom 29.
Januar 2000
in einem weiteren Fragebogen
könne offen blei-ben,
ob insoweit ein Nichtausnutzen sich [X.] gesehen werden könne,
weil es auf etwaige Versäumnisse in der Leis-tungsabteilung nicht ankomme. Soweit die Beklagte sich auf bei der Klägerin bestehende, eklatante Organisationsmängel
berufe, wegen derer ein adäquater Informationsfluss zwischen den Abteilungen
nicht habe stattfinden können, ste-he dem entgegen, dass die für den rechtsgeschäftlichen Verkehr zu §
166 [X.] entwickelten Grundsätze nicht entsprechend anwendbar seien. Die als Wis-sensvertreterin deshalb allein in Betracht kommende [X.] habe somit die maßgebliche Kenntnis erst am 6. Juli 2005 erhalten. Schließlich
kön-ne
mangels erforderlichen [X.] auch keine Verwirkung der gel-tend gemachten Ansprüche angenommen werden.

-

6

-

II.

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung
stand.

1.
Auch
wenn das Berufungsgericht
die Revision
allein wegen der aus [X.] Sicht grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob in einem Fall wie dem vor-liegenden
Verwirkung
angenommen werden könne,
zugelassen
hat, kann der Senat die Berufungsentscheidung
dennoch
insgesamt überprüfen. Eine
Be-schränkung der
Zulassung der Revision
auf bestimmte Rechtsfragen, etwa wie hier auf die Frage der Verjährung oder
die Verwirkung, ist nicht zulässig (vgl. st.
Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 3.
Juni 1987 -
IVa
ZR 292/85, [X.]Z 101, 276, 278
und vom 10.
Februar 2011
-
[X.]I
ZR 71/10, NJW 2011, 1228, Rn.
11,
jeweils mwN).

2.
Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass
die von der Kläge-rin geltend gemachten und in erster Instanz zuerkannten
Ansprüche auch der Höhe nach begründet sind.

Soweit die Revision einwendet, das Berufungsgericht habe die Höhe der zugesprochenen Beträge
rechtsfehlerhaft beurteilt, geht diese Rüge fehl. Ihre Ansicht, die Beklagte habe die Klageforderung der Höhe nach immer bestritten, wobei dies trotz der Bindungswirkung des §
118 SGB
X erheblich sei, ist unzu-treffend. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei -
wogegen sich die Revision auch ausdrücklich nicht wendet
-
auf der Grundlage des vorliegenden Beweis-ergebnisses festgestellt, dass die Erwerbsunfähigkeit der bei der Klägerin versi-cherten Geschädigten ursächlich auf die Verschlechterung des
psychischen Zustands und diese Verschlechterung ursächlich auf den Unfall zurückzuführen sei. Auch wenn sich die Bindungswirkung der ergangenen Rentenbescheide 6
7
8
9
-

7

-

nicht auf die zivilrechtlichen Haftungsvoraussetzungen bezieht, sondern unter anderem
die Versicherteneigenschaft des Geschädigten sowie Art und Höhe der Sozialleistung erfasst (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Mai 2009 -
[X.]
ZR 208/08, NJW-RR 2009, 1534, Rn.
13),
lässt die Auffassung des Berufungsgerichts Rechtsfehler nicht erkennen. Es durfte aufgrund der aus seiner Sicht erwiese-nen Ursächlichkeit des erlittenen Unfalls für den gesundheitlichen Zustand der Geschädigten davon ausgehen, dass diese übergangsfähige Ersatzansprüche wegen eingetretener Erwerbsunfähigkeit gegen die Beklagte als Schädigerin erworben hatte. Demgegenüber war der Sachvortrag der [X.] insoweit unzureichend und konnte ohne nähere Ausführungen nicht im Sinne der Revi-sion
verstanden werden. Er erschöpfte sich letztlich in dem rechtlichen Hinweis auf den Umfang der Bindungswirkung des §
118 SGB
X.
Entsprechendes gilt zum fiktiven Verdienst der Geschädigten. Die Klägerin hatte im Zusammenhang mit der Berechnung der ihr vermeintlich entgangenen Beträge gemäß §
119
Abs.
1
SGB
X auf die seitens der Geschädigten in dem von dieser gegen die Beklagte geführten Parallelverfahren eingereichte
Arbeitgeberauskunft [X.] und entsprechende Berechnungen vorgelegt. Dem ist die Beklagte nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Schon in der Berufungsinstanz hatte sie
gegen die tatsächlich gezahlten Beträge und die fiktiven [X.] nach §
119 Abs.
1 [X.] keine Einwände
erhoben. Bei dieser Sach-lage ist
gegen die Einschätzung des Berufungsgerichts zu Grund und Höhe der geltend gemachten Ansprüche aus Rechtsgründen nichts einzuwenden.

3.
Zutreffend hat das Berufungsgericht die von der [X.] erhobene [X.] nicht durchgreifen lassen.

a) Die Frage der Verjährung war
gemäß Art.
229 §
6 Abs.
1 Satz
2 [X.] zunächst
nach §
852
Abs.
1
[X.]
zu beurteilen. Nach Maßgabe
dieser Be-10
11
-

8

-

stimmung, nach deren Wortlaut die dreijährige Verjährungsfrist
beginnt, sobald der Verletzte -
oder wie hier:
der Anspruchsinhaber
-
von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, war auf der Grundlage der stän-digen Rechtsprechung des [X.] vorliegend keine Anspruchsver-jährung eingetreten.

aa) Da der Schadenersatzanspruch, soweit er kongruente Leistungen des Trägers der Sozialversicherung umfassen konnte, bereits im Augenblick seiner Entstehung mit dem Schadensereignis gemäß §
116 Abs.
1
[X.] auf die Klägerin übergegangen ist, ist auf deren Kenntnis abzustellen
(vgl. [X.], Urteil vom 25.
Juni 1996 -
[X.]
ZR 117/95, [X.]Z 133, 129, 138; Senatsurteil vom 9.
März 2000 -
III
ZR 198/99, NZV 2000,
255). Nach den von der ständigen Rechtsprechung des [X.] für die Anwendung des §
852 Abs.
1 [X.] auf Behörden und öffentliche Körperschaften
entwickelten Grundsät-zen darf der Klägerin dabei nicht die Kenntnis eines jeden Bediensteten zuge-rechnet werden; es ist vielmehr jeweils zu prüfen, ob es sich bei dem [X.] um einen [X.] handelt. Das ist nach dem insoweit heranzuzie-henden Rechtsgedanken des §
166 Abs.
1 [X.] dann der Fall, wenn der infor-mierte Bedienstete vom Anspruchsinhaber mit der
Erledigung der betreffenden Angelegenheit, hier also mit der Geltendmachung von Regressansprüchen ge-gen den Unfallverursacher, in eigener Verantwortung betraut worden ist (st.
Rspr., vgl. z. B. [X.],
Urteile vom 18.
Januar 1994 -
[X.]
ZR 190/93, NJW 1994, 1150, 1151,
vom 25.
Juni 1996,
aaO
S.
138
f; Senatsurteil vom 9.
März 2000, aaO, S.
256, sowie Urteile
vom 28.
November 2006 -
[X.]
ZR 196/05, [X.], 834, Rn.
5
und vom 15.
März 2011 -
[X.]
ZR 162/10, [X.], 433, Rn.
14). Sind dabei innerhalb der regressbefugten Behörde
mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig, kommt es für den Beginn der Verjährung grundsätzlich auf den Kenntnisstand der für die Vorbereitung und 12
-

9

-

Verfolgung des Regressanspruchs zuständigen Bediensteten, d.h.,
bei [X.] mehrerer Abteilungen, auf den Kenntnisstand der
Mitarbeiter
der Re-gressabteilung
an (vgl. [X.], Urteile vom 11.
Februar 1992 -
[X.]
ZR 133/91, [X.], 1755, 1756
sowie vom 28.
November 2006
-
[X.]
ZR 196/05,
aaO). Dass auch die Leistungsabteilung mit dem Schadensfall verantwortlich befasst ist, soweit es um die an den Geschädigten zu erbringenden Leistungen
geht, ist demgegenüber regelmäßig ohne Belang, weil diese in der Verantwortung der Leistungsabteilung liegende Tätigkeit nicht auf die Verfolgung von Schadenser-satzansprüchen abzielt. [X.] Voraussetzung für eine Wissensvertre-tung ist
daher, dass der betreffende Bedienstete eigenverantwortlich (zumin-dest) mit der Vorbereitung von Regressansprüchen betraut ist (vgl. Senatsurteil vom 9.
März 2000 -
III
ZR 198/99,
aaO, S.
256).

Ob die fehlende Kenntnis der [X.] darauf beruht, dass sie seitens der Leistungsabteilung nicht die entsprechenden Informationen erhalten hat, ist grundsätzlich unerheblich. Die von der Rechtsprechung zu §
166 [X.] für den Bereich rechtsgeschäftlichen Handelns entwickelten Grundsätze zur Wissenszurechnung sind auf §
852 Abs.
1 [X.] nicht anwendbar (vgl. z.B. [X.], Urteile vom 25.
Juni 1996
-
[X.]
ZR 117/95, aaO, S.
139; vom 28.
No-vember 2006 -
[X.]
ZR 196/05, aaO
und vom 27.
März 2001 -
[X.]
ZR 12/00, [X.]Report 2001, 567, 569).

bb)
Im Streitfall hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ohne Rechtsfehler
auf den [X.]punkt der Kenntnisnahme durch die bei der Klägerin eingerichtete [X.] im Jahr 2005 abgestellt. Auch die Revision räumt ein, dass ausweislich einer Dienstanweisung aus dem Jahre 1988
bei der [X.] bereits zum [X.]punkt der Bearbeitung des Rentenan-trags und weiterer Eingaben der Geschädigten
eine Trennung
zwischen Leis-13
14
-

10

-

tungs-
und [X.] bestanden hat. Die außerdem
vorgelegten, die [X.] nach 1990 betreffenden Dienstanweisungen bestätigen
eine [X.] Aufteilung der Zuständigkeiten in den jeweiligen Abteilungen. Innerhalb
der daraus ersichtlichen behördeninternen Organisation stehen der Leistungsabtei-lung
aber keine Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der Geltendmachung von Regressansprüchen zu. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Inhalt der in dem Rentenantrag zu
Ziffer
5.7 und 5.8 enthaltenen Fragen, ob die Erwerbs-unfähigkeit ganz oder teilweise durch Unfall oder durch andere Personen her-beigeführt worden ist und Schadensersatzansprüche geltend gemacht worden sind,
nicht
geeignet, eine
vorgelagerte, eigenverantwortlichen
Prüfung der Re-gressmöglichkeiten durch die Leistungsabteilung
zu begründen.
Vielmehr sollte ausweislich der Dienstanweisung bereits aus dem Jahre 1988 ein Vorgang schon dann an das Regressdezernat
weitergeleitet werden, wenn aus der Akte zu erkennen gewesen ist, dass es sich um einen Unfall oder sonst durch [X.] Personen verursachten Schadensfall handelte. Die eigentliche Prüfung der Angelegenheit sollte danach
erkennbar
der [X.] vorbehalten sein. Zwar hat
die Klägerin darauf hingewiesen, dass gewissermaßen ein automati-siertes Verfahren mit Übersendung eines Unfallfragebogens vorgesehen sei, wenn aus den Antworten auf die genannten Fragen auf ein durch Dritte verur-sachtes Schadensereignis zu schließen sei. Daraus
ergab sich
jedoch
keine eigenverantwortliche Bearbeitung von
möglichen
Regressansprüchen und keine Verpflichtung
der Leistungsabteilung, etwa allgemein weitere Erkundigungen einzuholen. Allenfalls war
damit eine für die Annahme einer Wissensvertretung unerhebliche Vorprüfung und Arbeitsvereinfachung verbunden. Auch die [X.] hat nicht behauptet, die Mitarbeiter der Leistungsabteilung hätten diesen Fragebogen nach Eingang auswerten und eigenständig bearbeiten sollen.

-

11

-

cc)
Fehl gehen die in diesem Zusammenhang erhobenen [X.] der [X.], das (Fehl-)Verhalten der
Leistungsabteilung, die
weder auf die Nichtbe-antwortung der Fragen in 5.7 und 5.8 im Rentenantrag noch auf die in dem Fragebogen vom 29. Januar 2000 enthaltene Angabe, die Beklagte habe als "Unfallverursacher"
bereits ein ärztliches Gutachten eingeholt, irgendeine Reak-tion gezeigt habe, sei positiver Kenntnis gleichzusetzen.
Soweit die Revision auf die Rechtsprechung Bezug nimmt, wonach §
852 Abs.
1 [X.] auch dann ausnahmsweise anzuwenden ist, wenn die Möglichkeit bestand, sich die erforderlichen Kenntnisse in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe zu beschaffen, ist zu betonen, dass dies nur für Fälle
gilt, in denen es der [X.] versäumt, eine gleichsam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen (vgl. z. B. [X.],
Urteil vom 9.
Juli 1996 -
[X.]
ZR 5/95, [X.]Z 133, 192, 198
f, und vom 28.
November 2006 -
[X.]
ZR 196/05,
aaO). Ob nach diesem Maßstab die angeführte Rechtsprechung vorliegend überhaupt herangezogen werden könnte
-
das Berufungsgericht hat dies in Bezug auf den Rentenantrag verneint
und hinsichtlich des Fragebogens dahinstehen lassen
-
kann offenblei-ben. Denn es kommt -
wie ausgeführt und auch vom Berufungsgericht
zutref-fend ebenso gesehen
-
vorliegend allein auf den Kenntnisstand und das Verhal-ten der Mitglieder der [X.] an.

b) Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht mit Blick auf die zum 1.
Januar 2002 in [X.] getretene Schuldrechtsmodernisierung und die damit verbundenen Änderungen des Verjährungsrechts. Gemäß Art.
229 §
6 Abs.
1 Satz
1 und Abs.
4 Satz
1 EG[X.] gilt seit diesem [X.]punkt für bis dahin -
wie hier
-
nicht verjährte Schadensersatzansprüche die dreijährige Regelverjährung des §
195 [X.] n.F. Dabei setzt der Beginn der Frist das Vorliegen der subjekti-ven Voraussetzungen des §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] n.F. voraus, der Gläubiger muss also von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person 15
16
-

12

-

des Schuldners Kenntnis erlangt haben oder seine diesbezügliche Unkenntnis muss auf grober Fahrlässigkeit beruhen.

aa) Im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber in dieser Vorschrift
im Ver-gleich zur Regelung in
§
852 Abs.
1 [X.] nunmehr das subjektive Merkmal der grob fahrlässigen Unkenntnis
hinzugefügt hat, haben sich
in Literatur und Rechtsprechung
zu den
Auswirkungen
der Gesetzesänderung auf die vorlie-gende Fallkonstellation unterschiedliche Auffassungen gebildet.
Dabei wird
viel-fach die Meinung vertreten, dass sich die bisherige Rechtsprechung zu §
852 Abs.
1 [X.] unter Geltung des neuen Rechts in ihrer Allgemeinheit nicht mehr halten
lasse (so z.B. [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
199, Rn.
31, 34, [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2009, §
199, Rn.
59; dahin tendierend auch [X.]/[X.], [X.], 70.
Aufl., §
199, Rn.
49; [X.]/
Schmidt-Ränsch, [X.], 13.
Aufl., §
199, Rn.
14; zweifelnd PWW/Kesseler, [X.], 3.
Aufl. §
199 Rn.
121; für die Beibehaltung der Rechtsprechungsgrund-sätze sprechen sich dagegen [X.]/[X.] in [X.]/[X.], Stand 1.
März 2011, §
199, Rn.
35
f und [X.], in jurisPK-[X.], 5.
Aufl., §
199 Rn.
69
f
aus). In diesem Zusammenhang wird vor allem hervorgehoben, dass im Unterschied zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ([X.], Urteile vom 22.
April 1986 -
[X.]
ZR 133/85, NJW 1986, 2315, 2316 und vom 11.
Februar 1992 -
[X.]
ZR 133/91, aaO) die Verjährung auch dann beginnt, wenn die fehlende Kenntnis der zuständigen Abteilung auf einem -
den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit
rechtfertigenden
-
Organisationsmangel beruht (vgl. auch Krämer, [X.] 2003, 379, 381;
OLG [X.], Urteil vom 31.
August 2010
-
4
U 550/09, juris, Rn.
46
f; weitergehend [X.], [X.] 2011, 225, Rn.
48
f).

bb) Mit der Einführung des §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.]
ist keine so maßgeb-liche Änderung der Rechtslage eingetreten, als dass
an der
bisherigen
Recht-17
18
-

13

-

sprechung zu §
852 Abs.
1 [X.] nicht
mehr festgehalten werden könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn -
wie hier
-
nur ein individuelles Fehlverhalten der Mitglieder der Leistungsabteilung in Rede steht und für einen [X.] kein hinreichender Anhalt besteht.

Soweit die Revisionsklägerin
erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat
gerügt hat, ein grundlegender
Organisationsman-gel bestehe darin, dass
die [X.] nicht bei allen Vorgängen
von Anfang
an
-
auch ohne Vorliegen von
Anhaltspunkten
für ein Fremdverschul-den
-
beteiligt werde, um so in jedem Einzelfall
eine Prüfung zu gewährleisten, ob ein Regress in Betracht kommen könne, handelt es sich um neues
Vorbrin-gen. Davon abgesehen ist es ohne Weiteres als ausreichend
anzusehen, wenn in den von der Klägerin vorgelegten Arbeitsanweisungen vorgegeben wird, ei-nen Vorgang erst beziehungsweise nur
dann an das [X.], wenn aus der Akte zu erkennen ist, dass es sich um einen Unfall oder sonst um einen durch dritte Personen verursachten Schadensfall handelt.

Eine auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis der Mitglieder der Leistungsabteilung vermag bei Vorhandensein einer eigenen [X.] mithin auch nach neuem Recht die Verjährungsfrist nicht in Lauf zu setzen. Dies entspricht auch der Auffassung des [X.]. Zivilsenats, auch wenn in den [X.] zum neuen
Recht auf den [X.] in der Literatur
nicht eingegangen wird
(vgl. Urteile
vom 12.
Mai 2009 -
[X.]
ZR 294/08, NJW-RR
2009,
1471, Rn.
12 und vom 15.
März 2011 -
[X.]
ZR 162/10, aaO, Rn.
11).

(1) Auch wenn
nunmehr grob fahrlässige Unkenntnis
die Verjährungsfrist in Lauf setzen kann, lässt sich
bezüglich der Wissenszurechnung bei arbeitstei-19
20
21
-

14

-

lig organisierten Behörden und öffentlichen Körperschaften für deliktsrechtliche Ansprüche auf die bisherige Rechtsprechung zurückgreifen. Zwar erfasst
§
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.], der §
852 Abs.
1 [X.] nachgebildet ist (vgl. BT-Drucks.
14/6040, S.
107),
nicht nur deliktische, sondern auch rechtsgeschäftliche [X.] und geht das subjektive Merkmal der groben Fahrlässigkeit weiter als die Fälle der Versäumung gleichsam auf der Hand liegender Erkenntnismög-lichkeiten, die in Anwendung des Rechtsgedankens des §
162 [X.] der positi-ven Kenntnis bislang gleichgestellt worden sind (vgl. z.B. [X.], Urteile
vom 18.
Januar 2000 -
[X.]
ZR 375/98, [X.], 953,
vom 14.
Oktober 2003 -
[X.]
ZR 379/02, NJW 2004, 510, 511
und vom 28.
November 2006 -
[X.]
ZR 196/05, aaO, Rn.
8). Indessen
lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass nunmehr bei arbeitsteiliger Organisation in Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts höhere Anforderungen an den Gläubiger gestellt wer-den sollen. Zwar wird darin von einer Erweiterung des Merkmals der Kennt-niserlangung um die grob fahrlässige Unkenntnis gesprochen (vgl. BT-Drucks. aaO, S.
108).
Zugleich wird aber
auf die bisherige Rechtsprechung, die darin begründeten "Auflockerungstendenzen", die bereits damals geltende und ent-sprechend ausgestaltete Vorschrift des §
12 [X.] sowie
den Rechtsge-danken des §
277 [X.]
hingewiesen (BT-Drucks.,
aaO, S.
108). Der [X.] wollte mithin mit der Gesetzesänderung vor allem die
praktischen [X.] der Rechtsprechung zu §
852 [X.]
nachvollziehen und in §
199 Abs.
1 Nr. 2 [X.] integrieren,
aber
nicht in die Rechtsprechung zur Frage, ob und in welchem Umfang bei bestimmten Personen
vorhandenes
Wissen der "dahinter stehenden"
juristischen Person oder Körperschaft zuzurechnen ist, korrigierend eingreifen. Angesichts dessen kann es auch nach neuem Recht bei den herge-brachten Grundsätzen der Wissenszurechnung verbleiben, die weder im Wort-laut des §
852 Abs.
1 [X.] noch in dem des §
199 [X.] n.F.
angelegt sind, sondern auf den Wertungen des -
von der Schuldrechtsmodernisierung unbe--

15

-

rührt gebliebenen
-
§
166 [X.] beruhen. Danach rechtfertigen insbesondere [X.] nach wie vor eine unterschiedliche Behandlung der Verjährungsfrage bei deliktischer und vertraglicher Haftung.

(2) Dieser Beurteilung steht auch nicht die Entscheidung des [X.] vom 1.
Juli 2010 (B
13 R 67/09 R -
BeckRS 2010,
72664, Rn.
23) entgegen. Diese betrifft den Verschuldensmaßstab des §
24 Abs.
2 [X.] und die Frage, ob bei Körperschaften des öffentlichen Rechts das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen eine unverschuldete Unkenntnis im Sinne dieser Vorschrift darstellen kann. Um einen vergleichbaren Sachver-halt geht es vorliegend nicht,
so dass sich der Senat zu dieser Entscheidung
nicht in Widerspruch setzt.

c) Im Streitfall
lag damit
Kenntnis der fraglichen
Umstände
in der
allein maßgeblichen
[X.] erstmals am 6.
Juli 2005 mit Erhalt der über den Anruf der Rechtsanwältin der Geschädigten gefertigten Telefonnotiz vor. Da Anhaltspunkte für eine grob fahrlässige Unkenntnis von Mitarbeitern dieser Abteilung nicht ersichtlich sind,
begann die Verjährung der von der Klägerin gel-tend gemachten Ansprüche mit Ende des Jahres 2005 und hätte mit Ablauf des 31.
Dezember 2008 geendet. Durch die Klageerhebung am 24.
Juni 2008 ist sie rechtzeitig gemäß §
204 Abs.
1 Nr.
1 [X.] gehemmt worden.

4.
Die Annahme des Berufungsgerichts, es liege mangels Vorliegens des erforderlichen [X.] auch keine Verwirkung vor,
wird von der [X.] nicht angegriffen; die
insoweit vorgenommene tatrichterliche Würdigung ist
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. [X.], Urteile vom 11.
Februar 1992 -
[X.]
ZR 133/91, [X.], 1755, 1756, und vom 14.
November 2002
22
23
24
-

16

-

-
[X.]I
ZR 23/02, NJW 2003, 824). Somit
war die Revision insgesamt
zurückzu-weisen.

Schlick

[X.]
[X.]

Seiters
Tombrink

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.12.2009 -
12 O 274/08 -

[X.], Entscheidung vom 30.11.2010 -
I-9 [X.] -

Meta

III ZR 252/10

20.10.2011

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2011, Az. III ZR 252/10 (REWIS RS 2011, 2121)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2121

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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