Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.02.2014, Az. 6 PB 36/13

6. Senat | REWIS RS 2014, 8204

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Gegenstand

Mitbestimmung beim Absehen von Stellenausschreibungen; Abweichung von einer Ausschreibungspraxis; Behandlung einer Grundsatzrüge als Abweichungsrüge


Leitsatz

1. Beabsichtigt der Dienststellenleiter, von einer Ausschreibungspraxis generell oder für den Einzelfall abzuweichen, muss er den Personalrat im Wege der Mitbestimmung beteiligen.

2. Eine Grundsatzrüge ist nicht als Abweichungsrüge zu behandeln, wenn der Beschwerdeführer einschlägige aktuelle, veröffentlichte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Beschwerdebegründung nicht anspricht, sondern seine Rügen in Anlehnung an frühere, inzwischen aufgegebene Rechtsprechung begründet.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

2

1. Die Beschwerde ist bereits unzulässig, soweit es um die Besetzung der Stelle Leiterin [X.] geht. In dieser Hinsicht hat das Oberverwaltungsgericht selbständig tragend darauf abgestellt, dass die Mitbestimmung des Antragstellers beim Absehen von der Ausschreibung nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG wegen § 77 Abs. 1 Satz 2 BPersVG ausgeschlossen ist ([X.] ff.). Hierzu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht (§ 72a Abs. 3 Satz 2, § 92a Satz 2 ArbGG).

3

2. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit es um die Besetzung der Stelle [X.]/Assistenz/Mitarbeiter-[X.] geht.

4

a) [X.] gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch.

5

Der Antragsteller stützt sich zur Begründung seiner Abweichungsrüge auf die Senatsbeschlüsse vom 8. März 1988 - BVerwG 6 P 32.85 - (BVerwGE 79, 101 = [X.] 251.4 § 87 HmbPersVG Nr. 1) und vom 29. Januar 1996 - BVerwG 6 P 38.93 - ([X.] 250 § 75 BPersVG Nr. 93). Diese Rechtsprechung zur Mitbestimmung des Personalrats im Zusammenhang mit Ausschreibungen hat der Senat in seinen neueren Entscheidungen zu diesem [X.] ausdrücklich aufgegeben (vgl. Beschlüsse vom 9. Januar 2007 - BVerwG 6 P 6.06 - [X.] 251.7 § 72 [X.] Nr. 36 und vom 14. Januar 2010 - BVerwG 6 P 10.09 - BVerwGE 136, 29 = [X.] 250 § 75 BPersVG Nr. 110 Rn. 12 ff.; vgl. ferner Beschluss vom 4. Mai 2012 - BVerwG 6 PB 1.12 - [X.] 250 § 75 BPersVG Nr. 117 = [X.], 328). Darin hat er es abgelehnt, die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausschreibung bereits aus § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG oder vergleichbaren Mitbestimmungstatbeständen der Landespersonalvertretungsgesetze zu entnehmen. In diesem Zusammenhang hat der Senat die in der alten Rechtsprechung vorgesehenen Ausnahmen von der Mitbestimmungspflichtigkeit nicht mehr länger anerkannt, weil die Rechtssicherheit beeinträchtigt war und zudem die Fragen nach der Mitbestimmungspflichtigkeit und der Ausübung des Mitbestimmungsrechts nicht mehr hinreichend auseinander gehalten wurden (vgl. Beschlüsse vom 9. Januar 2007 a.a.[X.] Rn. 37 und vom 14. Januar 2010 a.a.[X.] Rn. 19). Die neuere, aktuelle Rechtsprechung ist einerseits enger, weil die Ausschreibungspflicht nunmehr eine im Ansatz offene Frage ist, welche anhand rechtserheblicher Vorgänge außerhalb des [X.] zu beantworten ist. Sie ist andererseits weiter, weil bei festzustellender grundsätzlicher Ausschreibungspflicht bzw. [X.] die Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens unvermeidlich ist. Der Senat hat somit in seinen neueren Entscheidungen seine Rechtsprechung zur Mitbestimmung bei Stellenausschreibungen neu konzipiert. Seine frühere, inzwischen aufgegebene Rechtsprechung ist daher nicht mehr geeignet, zur Stützung einer Abweichungsrüge herangezogen zu werden.

6

b) Mit seiner [X.] gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kommt der Antragsteller gleichfalls nicht zum Zuge.

7

Laut Beschwerdebegründung will der Antragsteller geklärt wissen, ob bei der Schaffung neuer Aufgabenbereiche mit entsprechenden neuen Beschäftigungspositionen die Vergabe an bestimmte Beschäftigte grundsätzlich mitbestimmungsfrei ohne vorherige Ausschreibung zulässig ist, soweit eine einheitliche Organisationsentscheidung vorliegt. In der aktuellen Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass diese Frage zu verneinen ist.

8

Danach setzt die Mitbestimmung beim Absehen von der Ausschreibung von Dienstposten voraus, dass zu besetzende Stellen üblicherweise ausgeschrieben werden. Eine solche Übung kann einer grundsätzlichen Verpflichtung folgen, die sich aus Rechts- oder [X.]en ergibt, oder auf ständiger Verwaltungspraxis beruhen (vgl. Beschlüsse vom 14. Januar 2010 a.a.[X.] Rn. 12 und vom 4. Mai 2012 a.a.[X.] Rn. 4). Die Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG knüpft demnach an generelle Vorgaben in speziellen Rechts- und [X.]en oder an eine regelmäßige [X.] in der Dienststelle an und ermächtigt den Personalrat, mit Blick darauf die ausnahmsweise Nichtvornahme der Ausschreibung auf ihre Recht- und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. Beschluss vom 14. Januar 2010 a.a.[X.] Rn. 19). Die Mitbestimmung greift unabhängig davon ein, ob die Nichtvornahme der Ausschreibung nach dem zugrunde zu legenden speziellen Regelwerk auf einer zwingenden Ausnahme beruht oder ins Ermessen des [X.] gestellt ist (vgl. Beschlüsse vom 14. Januar 2010 a.a.[X.] Rn. 22 und vom 4. Mai 2012 a.a.[X.] Rn. 6). Ist die zuständige Dienstbehörde befugt, für ihren Geschäftsbereich durch [X.] Fallgestaltungen zu bestimmen, in denen von einer Ausschreibung abgesehen wird oder werden kann, so hat sie dabei gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG das Mitbestimmungsrecht der zuständigen Personalvertretung zu beachten. In diesem Fall erstreckt sich die Mitbestimmung des Personalrats im Zusammenhang mit der konkreten Stellenbesetzung darauf, ob ein Ausnahmefall nach der [X.] gegeben ist (vgl. Beschlüsse vom 14. Januar 2010 a.a.[X.] Rn. 25 und vom 4. Mai 2012 a.a.[X.] Rn. 7). Entsprechendes muss gelten, wenn die Ausschreibung auf ständiger Verwaltungspraxis beruht. Der Dienststellenleiter ist berechtigt, eine solche Praxis generell oder für den Einzelfall zu ändern. Er muss dabei aber den Personalrat im Wege der Mitbestimmung beteiligen.

9

Das demokratische Prinzip steht nicht entgegen. Da Ausschreibungen die personellen Auswahlentscheidungen vorbereiten, bei denen das Modell der eingeschränkten Mitbestimmung gilt, ist es folgerichtig, dass auch in den Mitbestimmungsverfahren nach § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG die oberste Dienstbehörde das letzte Wort hat (vgl. Beschluss vom 14. Januar 2010 a.a.[X.] Rn. 26 m.w.[X.]). Hält die Dienststelle somit nach ordnungsgemäßer Verhandlung mit dem Personalrat an ihrer Absicht fest, die fragliche Stelle nicht auszuschreiben, so kann sie sich damit im Rahmen des [X.] durchsetzen. Ihr Recht zur Abkürzung von Fristen und zu Eilentscheidungen bleibt ohnehin unberührt (§ 69 Abs. 1 Satz 5, Abs. 5 BPersVG).

c) [X.] kann nicht als - dann durchgreifende - Abweichungsrüge behandelt werden. Zwar ist eine dahingehende Verfahrensweise in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, wenn eine ursprünglich begründete [X.] ihre Grundlage durch eine nach Ablauf der [X.] ergehende Entscheidung des [X.] verliert, welche den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers bestätigt (vgl. Beschlüsse vom 24. Mai 1965 - BVerwG 3 [X.] - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 49, vom 20. März 1985 - BVerwG 3 B 83.84 - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 230 und vom 11. Februar 1986 - BVerwG 8 B 7.85 - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 240; BFH, Beschlüsse vom 20. Juni 1974 - [X.]/74 - [X.], 342, vom 29. Juli 1976 - [X.]/76 - [X.], 380 und vom 8. November 2011 - [X.]/10 - juris Rn. 14; im Ergebnis ebenso: [X.], Beschluss vom 27. März 2012 - 3 [X.] 1389/11 - juris Rn. 21 f.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, weil die aktuellen Senatsentscheidungen zur Mitbestimmung des Personalrats im Zusammenhang mit Ausschreibungen lange vor Ablauf der [X.] ergangen sind und veröffentlicht wurden. Auch in einem solchen Fall mag die Auslegung oder Umdeutung einer Grundsatz- in eine Abweichungsrüge in Betracht kommen, wenn der Beschwerdeführer sich mit der divergierenden Entscheidung in der Beschwerdebegründung befasst und darlegt, dass nach seiner Auffassung der zu entscheidende Fall davon nicht erfasst wird. So oder vergleichbar liegt es aber nicht, wenn der Beschwerdeführer wie hier einschlägige aktuelle, veröffentlichte Rechtsprechung des [X.] gar nicht anspricht, sondern seine [X.] in Anlehnung an frühere, inzwischen aufgegebene Rechtsprechung begründet. Mit einer solchen Begründung wird den [X.] in § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2, § 92a Satz 2 ArbGG nicht mehr Rechnung getragen.

Meta

6 PB 36/13

04.02.2014

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: PB

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 12. September 2013, Az: OVG 62 PV 25.12, Beschluss

§ 75 Abs 3 Nr 14 BPersVG, § 92a S 2 ArbGG, § 72a Abs 3 S 2 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.02.2014, Az. 6 PB 36/13 (REWIS RS 2014, 8204)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8204

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X B 237/10

3 AZN 1389/11

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