Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.11.2011, Az. B 11 AL 50/11 B

11. Senat | REWIS RS 2011, 910

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Nichtbefolgung eines Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens - Versagung der Förderung der Teilhabe eines schwerbehinderten Menschen am Arbeitsleben - erneute berufliche Ausbildung oder Weiterbildung wegen Art und Schwere der Behinderung


Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wird der Beschluss des [X.] vom 21. März 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Streitig ist, ob die Beklagte zur Förderung einer erneuten beruflichen Ausbildung des [X.] verpflichtet ist.

2

Der schwerbehinderte Kläger, der bereits eine von der Beklagten geförderte Ausbildung zum Fachlageristen erfolgreich abgeschlossen hatte, beantragte bei der Beklagten am 17.1.2008 die Förderung einer Berufsausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik. Den Antrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, mit dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zum Fachlageristen sei das Ziel der beruflichen Eingliederung erreicht und eine weitere Förderung nicht erforderlich (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 22.12.2008).

3

Klage und Berufung des [X.] sind erfolglos geblieben (Urteil des [X.] vom 12.5.2009; Beschluss des [X.] <[X.]> vom 21.3.2011). Das [X.] hat ua ausgeführt: Es sei gleichgültig, ob man die begehrte Ausbildung als Weiterbildung iS des § [X.] ([X.]) oder als erneute berufliche Ausbildung iS des § 101 Abs 4 [X.] qualifiziere; Voraussetzung sei jeweils, dass mit dem schon erlangten Ausbildungsabschluss eine dauerhafte berufliche Eingliederung nicht möglich sei. Diese Voraussetzung sei zu verneinen. Die Behauptung des [X.], bei ihm vorliegende kognitive und emotionale Funktionsbeeinträchtigungen wirkten sich bei der Tätigkeit als Fachkraft für Lagerlogistik wesentlich weniger ungünstig aus als bei einer Tätigkeit als Fachlagerist, sodass entgegen der Annahme der Beklagten mit dem erlangten Berufsabschluss eine dauerhafte Eingliederung in das Arbeitsleben nicht erwartet werden könne, sei ersichtlich ohne Substanz und finde im Sachverhalt keine Stütze. Die Behauptung des [X.] sei nicht mit den Aussagen in den Berichten des [X.] vom 17.5.2006 und vom [X.] vereinbar. Auch der Vortrag des [X.], er leide an einer Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und verfüge über die [X.] Fähigkeit des Hyperfokussierens, sei wenig fundiert bzw aus der Luft gegriffen. Die Diagnose einer ADHS werde zwar im Bericht des Arztes [X.] vom 10.11.2005 genannt, sie treffe aber nach einem Arztbrief des [X.] vom 10.10.2005 nicht zu. Vor diesem Hintergrund habe sich der [X.] nicht veranlasst gesehen, vom Kläger beantragte Beweise zu erheben, weil die insoweit erhobenen Behauptungen offensichtlich unzutreffend seien.

4

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger als Verfahrensfehler gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]gesetz ([X.]) eine Verletzung des § 103 [X.]. Er habe auf die Anhörungsmitteilung des [X.] nach § 153 Abs 4 Satz 2 [X.] mit Schriftsatz vom [X.] die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis für verschiedene Tatsachen beantragt, ua dafür, dass die bei ihm vorliegende Erkrankung zu Beeinträchtigungen bei Lade- und Sortiertätigkeiten und praktischen Arbeiten im Team führe, dass er aber über die [X.] Fähigkeit des Hyperfokussierens verfüge, was eine optimale Eignungsvoraussetzung für Tätigkeiten in logistischen Planungs- und Organisationsprozessen darstelle. Das [X.] habe die Amtsermittlungspflicht verletzt, indem es ohne hinreichende Begründung dem Beweisantrag nicht gefolgt sei, obwohl es sich ausgehend von seiner Rechtsansicht hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben.

5

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

6

Der behauptete Verfahrensmangel, das [X.] habe § 103 [X.] verletzt und sei einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt, wird in der Beschwerdebegründung schlüssig bezeichnet, soweit der Beschwerdeführer vorträgt, er habe unmittelbar vor Ergehen des angefochtenen Beschlusses die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür beantragt, dass einerseits Gesundheitsstörungen eine Tätigkeit als Fachlagerist beeinträchtigten und andererseits eine [X.] Fähigkeit des Hyperfokussierens vorliege, die ihn für Tätigkeiten in der Lagerlogistik besonders befähige. [X.] ist auch, dass die angefochtene Entscheidung auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl [X.] § 160a [X.]6).

7

Der gerügte Verfahrensmangel liegt auch vor. Das [X.] ist - wie den Gründen des angefochtenen Beschlusses unzweifelhaft zu entnehmen ist - jedenfalls dem Beweisantrag des [X.] zum Vorliegen bestimmter gesundheitlicher Verhältnisse und zu den Auswirkungen, die sich hieraus auf die Tätigkeitsbereiche einerseits eines Fachlageristen und andererseits einer Fachkraft für Lagerlogistik ergeben, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt. Die Ausführungen des [X.], das Vorbringen des [X.] sei ersichtlich ohne Substanz, wenig fundiert oder offensichtlich unzutreffend und sei ua nicht mit Aussagen in Berichten des [X.] oder in einem Arztbrief des [X.] vereinbar, stellen keine hinreichende Begründung für das Nichtbefolgen des Beweisantrags, sondern eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar. Die Hinweise des [X.] auf den Inhalt der Berichte des [X.] bzw des Universitätsklinikums können im Übrigen auch deshalb nicht als hinreichende Begründung für die Entbehrlichkeit einer Beweiserhebung anerkannt werden, weil diese Berichte aus der [X.] von 2005 bis 2007 stammen, während die vom Kläger gewünschte weitere Berufsausbildung erst 2008 beantragt worden ist.

8

Die angefochtene Entscheidung des [X.] kann auch auf dem Verfahrensmangel beruhen. Denn nach der - für die Beurteilung des behaupteten [X.] maßgeblichen - Rechtsauffassung des [X.] ist entscheidungserheblich, ob beim Kläger wegen des erlangten [X.] das Ziel einer dauerhaften beruflichen Eingliederung schon erreicht war oder ob dies nicht der Fall und eine weitere Förderung erforderlich war (vgl §§ 77 Abs 1, 101 Abs 4 [X.]). Für die Beantwortung dieser Frage ist, wie die umfangreiche Begründung des [X.] zeigt, wesentlich, ob bestimmte Gesundheitsstörungen vorliegen und welche Auswirkungen sich hieraus einerseits auf die von einem Fachlageristen und andererseits auf die von einer Fachkraft für Lagerlogistik auszuführenden Tätigkeiten ergeben.

9

Dahinstehen kann deshalb, ob der Kläger sinngemäß auch eine Verletzung des § 153 Abs 4 [X.] gerügt hat und ob das [X.] durch seine Vorgehensweise, trotz des umfangreichen Vorbringens des [X.] durch Beschluss ohne Beteiligung [X.] zu entscheiden, gegen § 153 Abs 4 [X.] verstoßen hat.

Da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] [X.] vorliegen, macht der [X.] von der Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 160a Abs 5 [X.]).

Das [X.] wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 11 AL 50/11 B

30.11.2011

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Köln, 12. Mai 2009, Az: S 24 AL 72/08, Urteil

§ 160a Abs 5 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 103 SGG, § 77 Abs 1 SGB 3, § 101 Abs 4 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.11.2011, Az. B 11 AL 50/11 B (REWIS RS 2011, 910)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 910

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