Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.05.2018, Az. 29 W (pat) 62/17

29. Senat | REWIS RS 2018, 9205

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Rapier" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 004 136.7

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 15. Mai 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. [X.] sowie der Richterinnen [X.] und Seyfarth

beschlossen:

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 28 des [X.] vom 5. November 2014 und vom

24. August 2017 werden aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

Rapier

3

ist am 17. Juni 2014 zur Eintragung als Wortmarke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Waren angemeldet worden:

4

Klasse 12: Fahrzeuge zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft, zu Wasser und auf Schienen;

5

Klasse 28: Spielzeugfahrzeuge; ferngesteuerte Fahrzeuge [Spielzeuge]; Fahrzeugmodelle [verkleinert].

6

Mit Beschlüssen vom 5. November 2014 und 24. August 2017, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 28 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] zurückgewiesen, weil es sich bei „Rapier“ um eine ohne weiteres verständliche, unmittelbar beschreibende Angabe handle. Zur näheren Begründung wurde in beiden Beschlüssen auf den amtlichen Beanstandungsbescheid vom 28. August 2014 verwiesen, zu dem die Anmelderin keine Stellungnahme abgegeben hat. Auch die Erinnerung ist von der Anmelderin nicht begründet worden. In dem Beanstandungsbescheid ist ausgeführt, dass es sich bei dem Anmeldezeichen um den Namen eines ehemaligen [X.] Herstellers von Automobilen handle; „Rapier“ sei vielfach in Bezeichnungen von Automodellen verwendet worden, so dass das für Beförderungsfahrzeuge, Spielzeugfahrzeuge und verkleinerte Fahrzeugmodelle beanspruchte Zeichen als beschreibender Hinweis zu wirken vermöge. Die Kunden zögen aufgrund der Kennzeichnung „Rapier“ Rückschlüsse auf Art, Aussehen und Besonderheiten der Fahrzeuge bzw. nähmen an, es handele sich bei den Spiel- und Modellfahrzeugen um Nachahmungen dieser Vorbilder. Die angesprochenen Verkehrskreise würden dem Anmeldezeichen daher lediglich eine sachbezogene Information über die darunter vertriebenen Waren der Klasse 12 und 28 entnehmen, nicht aber einen Hinweis auf einen ganz bestimmten Anbieter; dem Zeichen sei daher die erforderliche Unterscheidungskraft abzusprechen. Darüber hinaus beschreibe „Rapier“ die Art der Offerten bzw. stehe in engem beschreibendem Bezug zu den beanspruchten Waren. Als beschreibender [X.] unterliege das Anmeldezeichen daher auch einem Freihaltebedürfnis.

7

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

8

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 28 des [X.]s vom 5. November 2014 und

9

24. August 2017 aufzuheben.

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde nicht begründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die angegriffenen Beschlüsse waren aufzuheben, weil der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „Rapier“ für die beanspruchten Waren keine Schutzhindernisse nach §§ 37, 8 Abs. 2 [X.] entgegenstehen.

1. Insbesondere fehlt es dem Anmeldezeichen entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungs-mittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. – [X.]; [X.] GRUR 2016, 934 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2015, 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – [X.]; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] a. a. [X.] – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rn. 53 – [X.]; [X.] a. a. [X.] Rn. 10 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – for you; [X.] GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; [X.] 2000, 420 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; GRUR 2004, 943 Rn. 24 – SAT 2; [X.] WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] GRUR 2004, 674, Rn. 86 – Postkantoor; [X.] GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder die Zeichen sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] GRUR 2014, 1204 Rn. 16 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 23 – TOOOR!).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen verfügt das Anmeldezeichen „Rapier“ in Bezug zu den hier beanspruchten Waren der Klassen 12 und 28 über die erforderliche Unterscheidungskraft. Der [X.] konnte weder feststellen, dass die Angabe „Rapier“ diesbezüglich von Haus aus einen (unmittelbar) sachbezogenen Bedeutungsgehalt aufweist noch, dass sie sich zu einem Gattungsbegriff entwickelt hat.

aa) Maßgebliche Verkehrskreise sind hier neben dem jeweiligen Fachverkehr aus der [X.] und dem Spielzeug- bzw. Modellbausektor jeweils auch die Endverbraucher.

bb) Mit „Rapier“ (französisch: [X.] = „Degen“, [X.]: [X.] = „Schwert, das zur Garderobe getragen wird“) bezeichnet man eine seit dem frühen 16. Jahrhundert im [X.] Raum verbreitete Stich- und Hiebwaffe. Im frühen 19. Jahrhundert wurde der Begriff Rapier (auch Rappir) für stumpfe Übungswaffen verwendet (vgl. [X.] Online Enzyklopädie). Im [X.] ist das Wort „Rapier“ lexikalisch mit der Bedeutung „Fechtwaffe, Degen“ (vgl. [X.], 8. Aufl. 2006) bzw. „degenartige Fechtwaffe“ (vgl. [X.] Online unter www.duden.de) erfasst. Im [X.] bedeutet „rapier“ ebenfalls „Rapier, Degen, Florett, Stoßdegen“ (vgl. [X.] unter [X.]; [X.] unter de.pons.com).

Ferner ist „rapier“ in [X.] Begriffskombinationen als Bestandteil von technischen Fachbegriffen nachweisbar, so z. B. „rapier loom“ ([X.]), „bilateral rapier“ (beidseitiger Greifer), „rapier weaving machine“ (Greifer-Webmaschine) oder „flexible rapier loom“ (Bandgreiferwebmaschine), wobei jedoch „rapier“ in Alleinstellung lexikalisch nicht in der Bedeutung „Greifer(arm)“ erfasst ist und auch nicht entsprechend verwendet wird. Als Adjektiv ist der angemeldete Begriff schließlich in den Bedeutungen „scharf, scharfzüngig, schlagfertig“ erfasst (vgl. jeweils [X.] und [X.]).

Der [X.] hat bereits Zweifel, dass das Wort „Rapier“ für den allgemeinen Verbraucher in den vorgenannten Bedeutungen ohne weiteres verständlich bzw. ihm bekannt ist. Ob sich das Zeichenwort zumindest dem mit den fraglichen Waren befassten Handel, der als maßgeblicher Verkehrskreis allein von ausschlaggebender Bedeutung bei der Entscheidung sein kann (vgl. [X.], a. a. [X.] Rdnr. 26 – Matratzen Concord/[X.]), erschließt, kann hier dahingestellt bleiben. Denn in keiner dieser Bedeutungen vermag das Anmeldezeichen Eigenschaften der Waren der Klasse 12 „Fahrzeuge zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft, zu Wasser und auf Schienen“ und der hier konkret beanspruchten Waren der Klasse 28 „Spielzeugfahrzeuge; ferngesteuerte Fahrzeuge [Spielzeuge]; Fahrzeugmodelle [verkleinert]“ zu beschreiben.

Die vorgenannten Waren werden weder der Art und der Funktion noch der Form nach durch diese besonderen Fechtwaffen beschrieben und stehen auch nicht in einem engen sachlichen Bezug hierzu.

Entsprechendes gilt auch für die anderen ermittelten Begriffsinhalte von „rapier/Rapier“; insbesondere werden im Zusammenhang mit Fahrzeugen mit einem Greifer bzw. Greifarm – z. B. bei Ladekränen – diese technischen Produkteigenschaften nicht mit „rapier“, sondern im [X.] mit „grapple“, „griper“ oder „grab“ bezeichnet.

Klasse 12 im November 2014 die Wortmarke „Rapier“ u. a. für „Fahrzeuge“ der Klasse 12 und „Fahrzeugmodelle“ der Klasse 28 ohne weiteres eingetragen hat.

Die Recherche des [X.]s hat über die Feststellungen der Markenstelle hinaus ergeben, dass „Rapier“ ein auch in [X.] vereinzelt vorkommender Familienname ist. Des weiteren wird mit „Rapier“ u. a. ein [X.] Flugabwehrraketensystem, ein Auto des [X.] Herstellers [X.] ([X.] Rapier), ein Flugmotor des [X.] Herstellers [X.] (Napier Rapier), ein Katamaran, ein Flugtrike sowie ein Spielzeughelikopter bezeichnet; ferner ist bzw. war der Begriff Teil von weiteren Firmennamen ([X.] & Rapier Ltd., ein [X.] Schienenfahrzeug- und Kranhersteller; Rapier Automotive, [X.] Hersteller des [X.] „[X.]“). Die Verwendung von „Rapier“ erfolgte bzw. erfolgt hier jedoch jeweils marken- , namens- oder firmenmäßig, nicht aber in beschreibender Hinsicht.

Vorliegend bedeutet das, dass der angemeldete Begriff „Rapier“ nur dann beschreibend für die beanspruchten

Nach alledem ist bei den zur Kennzeichnung der beanspruchten Fahrzeuge praktisch bedeutsamen und naheliegenden Verwendungsmöglichkeiten des [X.] – insbesondere an der Fronthaube und/oder am Fahrzeugheck bei Automobilen oder am Rahmen bei Fahrrädern – anzunehmen, dass der angesprochene Endverbraucher das Zeichen nicht als Sachhinweis, sondern als Marke verstehen wird.

Entsprechendes gilt bei der Kennzeichnung von Flugzeugen, Booten oder Schienenfahrzeugen. Dass in Bezug auf die Fahrzeuge zur Beförderung in der Luft, zu Wasser und auf Schienen der Begriff „Rapier“ herstellerunabhängig Sacheigenschaften beschreiben würde, konnte nämlich ebenfalls nicht ermittelt werden.

Auch im Zusammenhang mit den

Auf dem hier relevanten Gebiet des [X.] mag dabei das Verständnis einer (Modell)Bezeichnung als Sachangabe einerseits oder als betrieblicher Herkunftshinweis auf den Spielwarenhersteller andererseits je nach Art und Anbringung durchaus variieren. Insbesondere die Fachkreise sowie Sammler von hochwertigen Fahrzeugmodellen legen auf die identische Reproduktion jedes Details des [X.], so dass diese die Anbringung des Logos bzw. der Marke des Fahrzeugherstellers an derselben Stelle erwarten wie auf dem Original. Bei einer solchen Verwendung dient die Kennzeichnung aber nicht als Angabe über ein Merkmal der genannten Modelle, sondern ist nur Teil der originalgetreuen Nachbildung der Originalfahrzeuge (vgl. [X.] [X.] 2007, 70 Rn. 44 – [X.]/Autec). Üblicherweise finden sich die Hinweise auf den

Die Annahme der Markenstelle, der angesprochene Verkehr werde aufgrund der Kennzeichnung „Rapier“ Rückschlüsse auf das Aussehen oder sonstige Besonderheiten – wie z. B. dass es sich (wahrscheinlich) um einen Oldtimer handelt – ziehen, ergibt zudem – selbst wenn sie zutrifft – keine ausreichend klare Sachaussage. Dass das Zeichen zu produktbezogenen Assoziationen über Art und Aussehen der Fahrzeuge oder Fahrzeugmodelle Anlass geben kann, reicht für die Annahme des Vorliegens des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht aus.

Dem Anmeldezeichen kann nach alledem die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden.

2. Da das angemeldete Wortzeichen aus den oben dargestellten Erwägungen keinen unmittelbar beschreibenden Begriffsinhalt in Bezug auf die beanspruchten Waren hat, besteht auch kein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Meta

29 W (pat) 62/17

15.05.2018

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.05.2018, Az. 29 W (pat) 62/17 (REWIS RS 2018, 9205)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9205

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