Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.05.2017, Az. 26 W (pat) 577/16

26. Senat | REWIS RS 2017, 10960

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Hopper" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis – zur Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 010 334.9

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 15. Mai 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.] und Schödel

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des [X.] vom 14. September 2016 wird aufgehoben.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]

3

ist am 26. Januar 2015 unter der Nummer 30 2015 010 334.9 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register angemeldet worden für Waren und Dienstleistungen der

4

Klasse 32: Bier und Brauereiprodukte; nichtalkoholische Getränke; Präparate für die Zubereitung von Getränken;

5

Klasse 33: Alkoholische Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke, ausgenommen Bier;

6

Klasse 43: Vorübergehende Beherbergung von Gästen; Verleih, Vermietung und Verpachtung in Bezug auf die vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten; Beratung und Information in Bezug auf die vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten.

7

Mit Beschluss vom 14. September 2016 hat die Markenstelle für Klasse 32 des [X.] die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei dem Anmeldezeichen handele es sich um die gebräuchliche Kurzbezeichnung für „Hip-[X.]“. Hierunter verstehe man Personen, die nicht nur Hip-Hop hörten, sondern den damit verbundenen Lifestyle von der Musik über Kleidung bis hin zur Sprache auch lebten. Das Anmeldezeichen weise in Verbindung mit den so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen daher lediglich werbeüblich darauf hin, dass diese speziell für die Zielgruppe der (Hip-)[X.] bestimmt seien bzw. deren Lifestyle, Zeitgeist und Kultur entsprächen und damit auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet seien. Daher stelle es nur eine schutzunfähige zielgruppenorientierte Bestimmungsangabe dar.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er ist der Ansicht, „[X.]“ sei ein bekannter Nachname, den berühmte [X.] Künstler wie der Schauspieler Dennis [X.] oder der Maler Edward [X.] trügen. Das [X.] Wort „hopper“ werde mit „Hüpfer“ oder „jüngere Heuschrecke“ sowie im technischen Bereich auch mit „Laderaum“, „Bunker“, „Trichter“ oder „Behälter“ übersetzt. Zudem spiele das Anmeldezeichen mit dem [X.]n Wort „hop(s)“ für „Hopfen“. Es sei auch nicht belegbar, dass „[X.]“ eine gebräuchliche Kurzbezeichnung für „Hip-[X.]“ sei. Weder enthalte das [X.] „[X.]“ in seinem Artikel über [X.] darauf einen Hinweis, noch ergäben sich entsprechende Treffer bei einer [X.]-Suche.

9

Er beantragt sinngemäß,

1. den Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des [X.]s vom 14. September 2016 aufzuheben;

2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

„[X.]“ für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen stehen keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt es dem Zeichen nicht an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.], 1198 [X.]. 59 f. – [X.]/Cadbury [Kit Kat]; [X.], [X.], 934 [X.]. 9 – [X.]; [X.], 173 [X.]. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] GRUR 2010, 228 [X.]. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] a. a. O. – [X.]; a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. O. – [X.]; a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 [X.]. 53 – [X.]; [X.] a. a. [X.]. 10 – [X.]; a. a. [X.]. 16 – for you).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] GRUR 2013, 1143, 1144 [X.]. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2006, 411 [X.]. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.] GRUR 2014, 376 [X.]. 11 - grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] GRUR 2004, 674 [X.]. 86 – Postkantoor; [X.] GRUR 2012, 270 [X.]. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] a. a. [X.]. 12 – [X.]; GRUR 2014, 872 [X.]. 21 – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] GRUR 2014, 1204 [X.]. 12 – [X.]). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.] GRUR 2004, 146 [X.]. 32 – DOUBLEMINT).

[X.]“, weil es weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt noch einen engen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufweist.

a) Bei den hier angesprochenen breiten Verkehrskreisen handelt es sich um die Endverbraucher und den Getränkefachhandel.

b) Das Anmeldezeichen besteht aus der substantivischen Ableitung „[X.]“ des [X.]n Verbs „to hop“ mit der Bedeutung „hüpfen“. Das [X.] Substantiv „hopper“ wird daher mit „Hüpfer, junge Heuschrecke“ übersetzt. Im technischen Bereich hat das Wort auch die Bedeutung „Laderaum, Bunker, Trichter, Behälter“ (www.leo.org). Ferner ist es auch ein Familienname wie z. B. bei den international bekannten Künstlern „Dennis [X.]“ und „Edward [X.]“ (https://de.wikipedia.org/wiki/[X.]; www.duden.de). Es hat Bekanntheit im Inland durch die Musikrichtung „Hip Hop“ erlangt, deren Akteure häufig als „Hip-[X.]“ bezeichnet werden ([X.] W (pat) 118/04 - [X.]/[X.]). In der Verbindung „Hip-[X.]“ bzw. „Hiphopper“ für jemanden, „der die Musik des [X.] singt, spielt“, aber auch in der Kombination „Jobhopper“ bzw. „Jop-[X.]“ für jemanden, der häufig seine Stelle wechselt [mit dem Ziel des [X.]], ist es bereits in den [X.] Sprachgebrauch eingegangen (www.duden.de).

c) Der Senat konnte dagegen nicht feststellen, dass der Begriff „[X.]“ in Alleinstellung eine gebräuchliche Abkürzung für „Hip-[X.]“ ist. Die Online-Ausgabe des „[X.]“ enthält hierzu keinen Hinweis (www.duden.de) und auch die Einträge im [X.] „[X.]“ rund um Hip-Hop-Musik und –Kultur erwähnen den Begriff nicht (www.wikipedia.de). Eine Recherche mit der Internet-Suchmaschine „[X.]“ ergab auch keine Hinweise darauf, dass das Wort in Foren oder Blogs als Kurzform für „Hip-[X.]“ verwendet wird. Vielmehr wird in Foren mehrfach nach der Bedeutung dieses Begriffs gefragt, worauf teilweise mit ganz anderen Erklärungsansätzen geantwortet wird ([X.]). Eine einzige entsprechende Eintragung in einem Wörterbuch der Szenesprachen ([X.]/[X.] – [X.], 2009) ist aber noch kein Beleg dafür, dass es sich bei „[X.]“ um eine in den angesprochenen Verkehrskreisen gebräuchliche Kurzbezeichnung für „Hip-[X.]“ handelt. Zudem ist selbst der Kreis der aktiven Hip-Hop-Anhänger, die das Wort „[X.]“ aber offensichtlich selbst nicht verwenden, mit geschätzt mehreren hunderttausend relativ gering ([X.], Jugendmedienkultur Hip-Hop, 2012, S. 31).

d) Als beschreibende Angabe eines Inhaltsstoffes der beanspruchten alkoholfreien und alkoholischen Getränke sowie der angemeldeten Präparate für deren Zubereitung in den Klassen 32 und 33 käme nur das [X.] Substantiv „hop“ mit der Bedeutung „Hopfen“ in Betracht. Dazu müsste aber die angemeldete Bezeichnung „hopper“ um die Endung „per“ reduziert werden. Solche Verkürzungen sind jedoch unzulässig. Sie verändern wie Ergänzungen das Anmeldezeichen, das ausschließlich in seiner angemeldeten Gesamtheit Gegenstand der Prüfung im Eintragungsverfahren ist (vgl. [X.] GRUR 2011, 65 [X.]. 10 - Buchstabe T mit Strich).

e) Für die in den Klassen 32 und 33 angemeldeten Getränke nebst Präparaten für deren Zubereitung sowie die in Klasse 43 beanspruchten Dienstleistungen „

Unabhängig von der fehlenden inländischen Gebräuchlichkeit des Begriffs „[X.]“ in Alleinstellung konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Lifestyle von Hip-[X.]n bestimmte Ernährungs- oder Beherbergungsgewohnheiten umfasst, auf die mit der Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen Bezug genommen und die Zielgruppe von Hip-Hop-Anhängern angesprochen werden könnte.

3. Wegen der fehlenden Eignung des Wortzeichens zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Produkte und Dienstleistungen kann auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht bejaht werden.

4. Vor einer Eintragung des [X.] wird die Markenstelle jedoch noch Unklarheiten des [X.] zu klären haben, welche sie im angefochtenen Beschluss vorläufig zurückgestellt hat.

5. Der Antrag auf Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 [X.] hat keinen Erfolg.

a) Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist anzuordnen, wenn die Einbehaltung der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers einerseits und der Staatskasse andererseits unbillig wäre. Der Erfolg der Beschwerde als solcher ist kein Rückzahlungsgrund. Es müssen besondere Umstände hinzu kommen, die dazu führen, dass der Beschwerdeführer durch ein verfahrensfehlerhaftes und unzweckmäßiges Verhalten oder durch eine völlig unvertretbare Rechtsanwendung des [X.] (BPatGE 50, 54, 60 – Markenumschreibung) zu einer Beschwerde veranlasst wurde, die bei sachgerechter Verfahrensweise mit gewisser Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können. Solche Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Da es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt, rechtfertigt eine fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts die Rückzahlung nur dann, wenn die Rechtsanwendung völlig unvertretbar erscheint, z. B. weil eindeutige gesetzliche Vorschriften, eine gefestigte [X.] oder eine ständige Rechtsprechung unbeachtet geblieben sind (BPatGE a. a. [X.]). Eine derartige mit den gesetzlichen Vorschriften oder mit der [X.] oder der ständigen Rechtsprechung völlig unvereinbare Entscheidung ist von der Markenstelle nicht getroffen worden, weil sie ihre Rechtsauffassung auf einen lexikalischen Nachweis und die langjährige Bekanntheit der Hip-Hop-Bewegung gestützt hat und man der Entscheidung [X.] W (pat) 118/04 - [X.]/[X.] eine Gleichsetzung von „Hip-[X.]“ mit „[X.]“ möglicherweise hätte entnehmen können.

Meta

26 W (pat) 577/16

15.05.2017

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.05.2017, Az. 26 W (pat) 577/16 (REWIS RS 2017, 10960)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10960

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