Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2019, Az. VIII ZR 340/18

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 2591

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[X.]:[X.]:[X.]:2019:161019UVIIIZR340.18.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VIII [X.]
Verkündet am:

16. Oktober 2019

Vorusso,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 558a Abs. 4 Satz 2
Ein 20
Jahre alter Mietspiegel ist mangels eines Informationsgehaltes für den Mieter zur Begründung eines Mieterhöhungsbegehrens ungeeignet. Ein auf diese Weise begründetes Mieterhöhungsverlangen ist deshalb aus formellen Gründen unwirksam.

[X.], Urteil vom 16. Oktober 2019 -
VIII [X.] -
LG [X.]

AG [X.]

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2
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Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren gemäß §
128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 19. August 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger sowie [X.]
[X.], Dr.
Bünger, Kosziol und Dr.
Schmidt

für Recht erkannt:
Die Revision des [X.] gegen das Urteil der 2.
Zivilkammer
des Landgerichts [X.] vom 16.
Oktober 2018 wird [X.].
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zustim-mung zu einer von dem Kläger begehrten Mieterhöhung.
Die Beklagte ist Mieterin einer 79 qm großen Wohnung des [X.] in [X.]. Das Mietverhältnis besteht seit dem 1. April 2014 aufgrund eines Mietvertrages, den die Beklagte mit dem Rechtsvorgänger des [X.] [X.] hatte.
Mit Schreiben der Hausverwaltung vom 19. Januar 2017 forderte der Kläger die Beklagte zur Zustimmung zu
einer Erhöhung der Kaltmiete ab dem Schreiben enthielt
zur Begründung des [X.] allein die Bezug-1
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nahme auf einen Mietspiegel für die Stadt [X.] aus dem [X.]. Die
Wohnung sei in die Kategorie 8B dieses Mietspiegels mit einer [X.] von 9 DM bis 14 DM einzuordnen. Die Beklagte stimmte der Mieterhöhung nicht zu.
Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein [X.] weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht (LG [X.], [X.], 199) hat zur [X.] seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Das Amtsgericht habe die Klage zu Recht mit der Begründung abgewie-sen, dass ein formell ordnungsgemäßes Mieterhöhungsverlangen nicht vorlie-ge.
Die Vorschrift des § 558a Abs. 4 Satz 2 [X.] erlaube es zwar grundsätz-lich, einen veralteten Mietspiegel zur Begründung der Mieterhöhung heranzu-ziehen, wenn ein den Anforderungen der § 558c Abs. 3, § 558d Abs. 2 [X.] entsprechend aktualisierter Mietspiegel nicht vorhanden sei. Sinn und Zweck des in §
558a [X.] normierten [X.] sei es aber, dem Mieter die Möglichkeit zu geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsver-langens zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden. In formeller 4
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Hinsicht müsse das Erhöhungsverlangen Angaben über die Tatsachen enthal-ten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleite, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötige, um der Berechtigung des [X.] nachgehen und dieses zumindest ansatzweise überprüfen zu können.
Diesen Anforderungen werde ein fast 20 Jahre alter Mietspiegel nicht ge-recht. Denn er beruhe auf überholten Tatsachen, die Rückschlüsse auf die zum [X.]punkt des [X.] gezahlten Mieten nicht zuließen; aufgrund der erheblichen [X.]spanne zwischen der Erstellung des Mietspiegels und dem Erhöhungsverlangen seien wesentliche Änderungen der Mietstruktur wahr-scheinlich. Durch die Bezugnahme auf einen derartigen Mietspiegel werde dem Mieter die Entscheidungsgrundlage, die die Begründung des Erhöhungsverlan-gens vermitteln solle, vorenthalten. Bei der Bezugnahme auf einen nahezu 20 Jahre alten Mietspiegel handele es sich nur um eine "Scheinbegründung".

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-sion zurückzuweisen ist.
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Mietspiegel für die Stadt [X.] aus dem [X.] zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens für die Wohnung der Beklagten nicht geeignet ist und das Erhöhungsverlangen des [X.] vom 19. Januar 2017 den formellen An-forderungen des § 558a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 [X.] an eine Be-gründung deshalb nicht genügt.

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2. Gemäß § 558 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem [X.]punkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Gemäß § 558a Abs. 1 [X.] ist das Erhöhungsverlan-gen in Textform (§
126b [X.]) zu erklären und zu begründen, wobei gemäß §
558a Abs. 2 [X.] zur Begründung insbesondere auf die dort unter Nr. 1 bis 4 genannten Begründungsmittel Bezug genommen werden kann.
Die Begründung des [X.] soll dem Mieter die [X.] geben, dessen sachliche Berechtigung zu überprüfen, um überflüssige [X.] zu vermeiden (vgl. Senatsurteile vom 24. April 2019 -
VIII ZR 62/18, [X.], 324 Rn.
25; vom 17. Oktober 2018 -
VIII ZR 94/17, NJW 2019, 303 Rn. 54; vom 13. November 2013 -
VIII ZR 413/12, NJW 2014, 1173 Rn.
10; vom 12.
Dezember 2007 -
VIII ZR 11/07, [X.], 573 Rn. 12; vom 12.
Juli 2006 -
VIII [X.], [X.], 569 Rn. 13). Hierfür ist es erforderlich, dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des [X.] gibt, um während der Überlegungsfrist die Berechti-gung der Mieterhöhung überprüfen und sich darüber schlüssig werden zu [X.], ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht (Senatsurteile vom 17. Oktober 2018 -
VIII ZR 94/17, aaO; vom 13. November 2013 -
VIII ZR
413/12, aaO; vgl. auch Senatsurteil vom 12. Dezember 2007 -
VIII ZR 11/07, aaO).
An das Begründungserfordernis dürfen im Hinblick auf das Grundrecht des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 GG zwar keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. insoweit [X.] 49, 244, 249 f.; Senatsurteile vom 13.
November 2013 -
VIII ZR 413/12, aaO; vom 12. November 2003 -
VIII ZR 52/03, NJW 2004, 1379, 1380 unter [X.] b -
noch zu § 2 Abs. 2 [X.]). Allerdings muss das Erhöhungsverlangen -
in formeller Hinsicht -
Angaben über diejeni-12
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gen Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der [X.] herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des [X.] nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (st. Rspr.; vgl. nur Se-natsurteile vom 17. Oktober 2018 -
VIII ZR 94/17, aaO; vom 13. November 2013 -
VIII ZR 413/12, aaO und vom 12. Dezember 2007 -
VIII ZR 11/07, aaO).
Hieran fehlt es etwa, wenn der Vermieter das Erhöhungsverlangen mit Tatsachen begründet, die eine Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1 [X.] schon auf den ersten Blick nicht zu tragen vermögen, weil durch deren Mitteilung deutlich wird, dass der Vermieter von falschen Voraussetzungen ausgeht oder das Er-höhungsverlangen in wesentlichen Punkten unvollständig, unverständlich oder widersprüchlich erscheint ([X.]/[X.], [X.], [X.]. 2018, §
558a Rn. 19; vgl. auch MünchKomm[X.]/[X.], 7. Auflage, §
558a Rn.
15). Eine derartige Begründung steht einer fehlenden Begründung gleich, weil durch sie das Ziel des [X.] ebenso wenig erreicht werden kann wie im Falle des vollständigen Verzichtes auf eine Begründung.
3. So verhält es sich auch hier, weil die Bezugnahme auf einen Mietspie-gel, der seit rund 20 Jahren nicht mehr aktualisiert wurde, schon im Ansatz nicht geeignet ist, das Erhöhungsverlangen zu begründen.
a) Das Gesetz geht, wie sich aus §
558c Abs. 3, §
558d Abs.
2 [X.] ergibt, grundsätzlich von einem Aktualisierungserfordernis für Mietspiegel in-nerhalb einer Frist von zwei Jahren aus. Zwar gestattet §
558a Abs.
4 Satz
2 [X.] zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens grundsätzlich auch die Bezugnahme auf einen veralteten Mietspiegel, wenn bei Abgabe des [X.] kein Mietspiegel vorhanden ist, bei dem die Vorschriften zur Aktualisierung eingehalten sind. Aus dieser Regelung folgt [X.] nicht, dass das Alter des Mietspiegels bedeutungslos wäre, der Ver-15
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mieter somit einen beliebig veralteten Mietspiegel zur Begründung seines Miet-erhöhungsverlangens heranziehen könnte, sofern nur ein neuer Mietspiegel nicht erstellt beziehungsweise eine Aktualisierung nicht vorgenommen wurde. Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich dies auch nicht aus dem [X.] herleiten, dass das Gesetz eine Höchstgrenze für das Alter eines nach §
558a Abs. 4 Satz 2 [X.] herangezogenen veralteten Mietspiegels nicht fest-legt.
Denn §
558a Abs. 4 Satz 2 [X.], der auf § 2 Abs. 6 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe ([X.]) vom 18. Dezember 1974 ([X.]l. I S. 3604) in der Fassung des Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom 20. Dezember 1982 ([X.]l. I S. 1912) zurückgeht und dieser Vorschrift im [X.] entspricht, soll sicherstellen, dass die formelle Wirksamkeit eines sachlich berechtigten [X.] nicht allein von den in §
558c Abs. 3, §
558d Abs. 2 [X.] genannten Fristen abhängt (vgl. zu § 2 Abs. 6 [X.] BT-Drucks. 9/2079, [X.]). Hierdurch wird aber von dem grundsätzlich bestehenden Aktua-lisierungserfordernis gerade nicht Abstand genommen. Für die formelle Wirk-samkeit des [X.] kommt es deshalb auch bei einem veralte-ten Mietspiegel darauf an, ob diesem (noch) ein in §
558a Abs. 1 [X.] voraus-gesetzter Informationsgehalt zukommt.
b) Dies ist jedenfalls bei einem -
wie hier -
zum [X.]punkt des [X.] fast 20 Jahre alten Mietspiegel nicht der Fall. Die in §
558 Abs. 2 [X.] genannten Wohnwertmerkmale, nach denen sich die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete für eine Wohnung richtet, unterliegen typischer-weise mit fortschreitender [X.] einem Wandel. So können etwa im Laufe der [X.] bestimmte Einrichtungen, die einer Wohnung besonderen Wert verleihen und deshalb Gegenstand eines Mietspiegels sind, zur Standardausstattung 18
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werden. Auch kann die Bewertung einer (Wohn-)Lage durch mit der [X.] auftre-tende strukturelle Veränderungen beeinflusst werden.
Entsprechende Veränderungen können bei der Ermittlung der ortsübli-chen Vergleichsmiete anhand eines -
wie hier fast 20 Jahre lang -
nicht aktuali-sierten Mietspiegels naturgemäß keine Berücksichtigung finden. Dies führt [X.], dass es dem Mietspiegel insoweit am notwendigen Informationsgehalt fehlt und deshalb eine Entscheidung über die sachliche Berechtigung des [X.] nicht getroffen werden kann, weil sie zu einem ganz erhebli-chen Teil auf bloßen Mutmaßungen bezüglich der Art und des Umfangs der Veränderungen beruhen würde.
4. Der Kläger wird durch die fehlende Möglichkeit, sich auf einen solchen Mietspiegel zu berufen, in seinem Recht, die Miete der gegenständlichen Woh-nung bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen zu erhöhen, auch nicht übermäßig beeinträchtigt. Ihm steht es frei, sich zur Begründung seines [X.] der weiteren gesetzlich vorgesehenen Begründungsmittel,

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etwa der Benennung von drei Vergleichswohnungen gemäß § 558a Abs. 2 Nr.
4 [X.], zu bedienen.
[X.]
Ri[X.] Dr. [X.]
ist

Dr. Bünger

wegen Erkrankung an der

Unterschrift verhindert.

[X.], 15. Oktober 2019

Kosziol
Dr. Schmidt

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 20.12.2017 -
150 [X.] 826/17 -

LG [X.], Entscheidung vom 16.10.2018 -
2 S 37/18 -

Meta

VIII ZR 340/18

16.10.2019

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2019, Az. VIII ZR 340/18 (REWIS RS 2019, 2591)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2591

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VIII ZR 340/18

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