Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2018, Az. 6 AZR 385/17

6. Senat | REWIS RS 2018, 1662

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Gegenstand

Vergütung eines Opernchorsängers


Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. März 2017 - 10 Sa 587/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über den Anspruch eines Opernchorsängers auf Sondervergütung für das [X.] in einer Stimmgruppe allein mit nicht berufsmäßigen Sängern des [X.]. Das [X.] hat einen solchen Anspruch bejaht. Hiergegen hat sich die Trägerin des Opernchores als Klägerin einer [X.] gewandt.

2

Der Beklagte ist Sänger in dem aus 13 Personen gebildeten Opernchor der Klägerin. Gemäß § 6 des Arbeitsvertrags vom 22. April 2002 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem [X.] Chor ([X.]) in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen. Gemäß § 8 des Vertrags entscheiden über alle Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges die zwischen den Tarifvertragsparteien des [X.] vereinbarten Schiedsgerichte.

3

Der [X.] wurde zum 1. Januar 2003 durch den [X.] Bühne ([X.]) vom 15. Oktober 2002 ersetzt. Dieser lautet in der Fassung des [X.] Nr. 7 vom 14. Juni 2012 auszugsweise wie folgt:

        

§ 1 Geltungsbereich

        

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für [X.] und Bühnentechniker sowie Opernchor- und Tanzgruppenmitglieder (im folgenden insgesamt als Mitglieder bezeichnet) an Bühnen innerhalb der [X.], die von einem Lande oder von einer Gemeinde oder von mehreren Gemeinden oder von einem Gemeindeverband oder mehreren Gemeindeverbänden ganz oder überwiegend rechtlich oder wirtschaftlich getragen werden.

        

…       

        

(5) Für [X.], mit denen Gastspielverträge abgeschlossen werden, gilt dieser Tarifvertrag nicht. Jedoch finden auf diese Gastspielverträge §§ 53, 60 und 98 Anwendung. …

        

…       

        

§ 2 Begründung des Arbeitsvertrags

        

…       

        

(4) In dem Arbeitsvertrag muss ferner angegeben sein:

        

…       

        

c)      

für das [X.] das [X.] (die Stimmgruppe); Stimmgruppen sind

                 

der 1. Sopran, der 2. Sopran,

                 

der 1. Tenor, der 2. Tenor,

                 

der 1. Alt, der 2. Alt,

                 

der 1. Bass, der 2. Bass;

        

…       

        

§ 7 Mitwirkungspflicht

        

(1) Die Mitwirkungspflicht erstreckt sich im Rahmen der vertraglich übernommenen Tätigkeit ([X.]) auf alle Veranstaltungen (Aufführungen und Proben) der Bühne(n) in allen Kunstgattungen. …

        

…       

        

(3) Die besonderen Mitwirkungspflichten richten sich nach den für die einzelnen Beschäftigtengruppen geltenden Sonderregelungen.

        

(4) Beim Einsatz des Mitglieds darf keine übermäßige Belastung eintreten.

        

…       

        

§ 71 Besondere Mitwirkungspflicht - Chor

        

(1) Die Mitwirkungspflicht des [X.]s umfasst alle darstellerischen Tätigkeiten zur künstlerischen Ausgestaltung der Chorleistung. Soweit eine Oper oder Operette die Mitwirkung eines Opernchors vorsieht, ist dieser in der Regel mit Mitgliedern aus dem Opernchor der Bühne(n) zu besetzen.

        

(2) Zur Mitwirkungspflicht des [X.]s gehören auch

                 

…       

                 

f)    

die Chorgesangsleistung, wenn die Stimmgruppe wegen des unvorhergesehenen Ausfalls einzelner Mitglieder der Stimmgruppe nur einzeln besetzt ist,

                 

…       

        
        

…       

                 
        

§ 75 Vergütung - Chor

        

(1) Die Vergütung der [X.]er besteht aus der Gage (§ 76) und der Zulage (§ 78).

        

...     

        

§ 79 Sondervergütungen - Chor

        

(1) Mit der Vergütung (§ 75 Abs. 1) sind die von dem [X.] nach diesem Tarifvertrag zu erbringenden Arbeitsleistungen abgegolten, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 4 nichts anderes ergibt.

        

(2) Neben der Vergütung (§ 75 Abs. 1) erhält das [X.] zusätzlich für

        

a)    

die Übernahme kleinerer Rollen oder Partien (§ 71 Abs. 3 Buchst. a) eine angemessene Sondervergütung,

        

b)    

das [X.] einer mittleren Choroper in fremder Sprache (§ 71 Abs. 3 Buchst. b) eine Viertel-Tagesgage (§ 75 Abs. 2) je Vorstellung, sofern das Werk nicht in [X.], französischer oder [X.] aufgeführt wird,

        

c)    

das [X.] einer großen Choroper in fremder Sprache (§ 71 Abs. 3 Buchst. b) eine Drittel-Tagesgage (§ 75 Abs. 2) je Vorstellung,

        

d)    

die Mitwirkung an einer zweiten oder dritten an demselben Tag stattfindenden Aufführung mindestens je eine halbe Tagesgage (§ 75 Abs. 2),

        

e)    

andere [X.] (§ 71 Abs. 3 Buchst. c) eine angemessene Vergütung.

        

(3) Für die Mitwirkung in Konzerten erhält das [X.] neben der Vergütung (§ 75 Abs. 1) eine angemessene Sondervergütung von einer bis zu vier Tagesgagen (§ 75 Abs. 2), es sei denn, es handelt sich um Konzerte aus besonderen Anlässen oder um konzertante Aufführungen eines musikalischen Bühnenwerks.

        

(4) In den Fällen des Absatzes 2 Buchst. b bis e und des Absatzes 3 kann statt der vorgesehenen Sondervergütungen - im Einvernehmen mit dem [X.] - auch ein angemessener Freizeitausgleich gewährt werden. ...

        

Die Höhe der besonderen Vergütung (Absatz 2 Buchst. a und e, Absatz 3) oder der Umfang des angemessenen Freizeitausgleichs sollen vor der Premiere vereinbart werden.

        

...“   

4

In der aktuellen Fassung des [X.] sieht § 79 Abs. 2 Buchst. f eine angemessene Sondervergütung auch für das [X.] einer Einzelstimme im chorischen Zusammenhang bei Werken des zeitgenössischen Musiktheaters vor.

5

Die Stimmgruppe des Beklagten (1. Bass) ist regulär neben dem Beklagten mit einem weiteren Chorsänger besetzt, der allerdings häufig solistisch singt und in diesen Fällen für ein gemeinsames [X.] in der Stimmgruppe des 1. Basses nicht eingesetzt werden kann. Der Beklagte hat deshalb Gesangsleistungen in der Form erbracht, dass er - entsprechend der Planung der Klägerin - bei Proben und Vorstellungen in seiner Stimmgruppe entweder allein oder mit einem Mitglied des [X.], aber ohne ein weiteres berufsmäßiges [X.] gesungen hat. Für die [X.] und 2013 hat er hierfür mit einer Klage beim [X.] neben der erhaltenen Vergütung die Zahlung einer angemessenen Summe von mindestens 7.433,68 Euro verlangt.

6

Zur Begründung hat er angeführt, eine Mitwirkungspflicht des [X.]s gemäß § 71 Abs. 2 Buchst. f [X.] sei bei [X.] in einer Stimmgruppe nur dann gegeben, wenn dies auf einem unvorhergesehenen Ausfall beruhe. Dies sei nicht der Fall, wenn die Stimmgruppe regelmäßig mit nur einem berufsmäßigen [X.] besetzt werde. Eine Einzelbesetzung liege im tariflichen Sinne auch vor, wenn Mitglieder des [X.] neben dem [X.] sängen. Der [X.] bestehe aus [X.] oder in den Ruhestand getretenen Opernchorsängern. Die Mitglieder des [X.] erreichten nicht (mehr) das gesangliche Niveau eines professionellen [X.]s. Dieses müsse dann die Stimmführung übernehmen, was eine zusätzliche Gesangsleistung darstelle. Die hiermit verbundene Belastung sei gemäß § 612 Abs. 1 BGB gesondert zu vergüten.

7

Die Klägerin hat die Leistung der begehrten Zusatzvergütung abgelehnt. Das [X.] mit zumindest einem Mitglied des [X.] sei keine Einzelbesetzung und mit der Gage abgedeckt.

8

Das [X.] hat die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 2.341,62 Euro brutto nebst Zinsen für Proben und Vorstellungen zu zahlen, bei denen er in seiner Stimmgruppe alleine gesungen hat. Es hat die Klage insoweit abgewiesen, als der Beklagte eine Sondervergütung auch für die Gesangsleistungen verlangt hat, bei denen er durch Mitglieder des [X.] unterstützt wurde. Gegen den Schiedsspruch des [X.] haben beide Parteien Berufung beim [X.] eingelegt. Dieses hat mit Schiedsspruch vom 9. Dezember 2015 den Schiedsspruch des [X.] teilweise abgeändert und die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 6.415,75 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Nach Auffassung des [X.] besteht ein Anspruch des [X.]s auf zusätzliche Vergütung auch dann, wenn es nur mit einem Mitglied des [X.] in seiner Stimmgruppe singt.

9

Mit ihrer [X.] hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht beantragt,

        

den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts für Opernchöre vom 9. Dezember 2015 - OSchG C 4/15 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat beantragt, die [X.] abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die [X.] insoweit als begründet erachtet, als ein Anspruch auf Sondervergütung des Beklagten bei einem Einsatz gemeinsam mit einem Mitglied des [X.] nicht bestehe. Es hat den Schiedsspruch des [X.] deshalb teilweise aufgehoben und die Klägerin ebenso wie das [X.] zur Zahlung von 2.341,62 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt. Die Klägerin hat dies akzeptiert. Die gegen die teilweise Abänderung der Entscheidung des [X.] gerichtete Berufung des Beklagten hat das [X.] zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser begehrt der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der [X.] und damit die Wiederherstellung des Schiedsspruchs des [X.].

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung des [X.]n im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die [X.] ist zulässig und bezüglich des noch rechtshängigen Streitgegenstands begründet. Der [X.] hat keinen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung, wenn er in seiner Stimmgruppe allein mit einem Mitglied des [X.] singt.

I. Die [X.] ist zulässig.

1. Sie ist gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG statthaft.

a) Nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG kann auf Aufhebung eines Schiedsspruchs geklagt werden, wenn der Schiedsspruch auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht. Das Aufhebungsverfahren ist in allen drei Instanzen der staatlichen Gerichtsbarkeit ein revisionsähnliches Verfahren, in dem Schiedssprüche auf Rechtsfehler überprüft werden. Gegenstand des Aufhebungsverfahrens ist das vor dem Schiedsgericht anhängig gemachte Sachbegehren ([X.] 2. August 2017 - 7 [X.] - Rn. 15 mwN).

b) Die Klägerin wendet sich mit ihrer [X.] gegen den Schiedsspruch des [X.] für Opernchöre, soweit dieses ihre Verpflichtung zur Leistung von zusätzlichem Entgelt bei Gesang des [X.]n in seiner Stimmgruppe allein mit einem Mitglied des [X.] angenommen hat. Sie rügt dabei insbesondere eine fehlerhafte Anwendung von § 612 Abs. 1 BGB und § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne. Damit hält sie dem Bühnenoberschiedsgericht eine Verletzung von Rechtsnormen vor. [X.] tarifliche Bestimmungen sind Rechtsnormen iSv. § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG ([X.] 15. Februar 2012 - 7 [X.] - Rn. 24).

2. Die Klagefrist ist gewahrt. Eine auf § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG gestützte [X.] ist nach § 110 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 ArbGG binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung des Schiedsspruchs zu erheben. Der Schiedsspruch wurde der Klägerin am 18. Dezember 2015 zugestellt. Die [X.] ging beim nach § 37 Satz 2 [X.] für Opernchöre zuständigen [X.] am 28. Dezember 2015 und damit vor Fristablauf ein.

II. Die [X.] ist im Umfang ihrer noch bestehenden Rechtshängigkeit begründet. Der [X.] hat keinen Anspruch auf die noch streitgegenständliche Sondervergütung.

1. Ein solcher Anspruch lässt sich dem NV Bühne nicht entnehmen.

a) Ein Anspruch auf eine Sondervergütung nach § 79 Abs. 2 oder Abs. 3 NV Bühne wird vom [X.]n nicht geltend gemacht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass einer dieser Tatbestände erfüllt wäre.

b) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der [X.] die ihm nach § 75 Abs. 1 NV Bühne zustehende Gage (§ 76 NV Bühne) sowie die dienstzeitabhängige Zulage (§ 78 NV Bühne) für seine im streitgegenständlichen Zeitraum erbrachten Gesangsleistungen erhalten hat. Mit dieser Vergütung sind die von dem [X.]n als [X.] nach dem NV Bühne zu erbringenden Arbeitsleistungen abgegolten (§ 79 Abs. 1 NV Bühne).

c) Hinsichtlich der streitgegenständlichen Vergütungsansprüche ist es ohne Bedeutung, ob das vom [X.]n in seiner Stimmgruppe regelmäßig geleistete [X.] allein mit einem oder mehreren Mitgliedern des [X.] eine nach § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne im Rahmen einer besonderen Mitwirkungspflicht zu erbringende Arbeitsleistung war. Hiergegen spricht zwar, dass § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne nur bei einem unvorhergesehenen Ausfall anderer Mitglieder der Stimmgruppe eine besondere Mitwirkungspflicht vorsieht. Selbst wenn der [X.] zu dem regelmäßigen [X.] mit Mitgliedern des [X.] ohne einen weiteren berufsmäßigen Sänger des [X.] nicht verpflichtet gewesen wäre, könnte er sein auf die Vergütung bezogenes Klagebegehren auf keine tarifliche Anspruchsgrundlage stützen. Der NV Bühne sieht für Leistungen, die erbracht werden, obwohl es an einer tariflichen Mitwirkungspflicht fehlt, also für überobligatorische Leistungen, keine erhöhte Vergütung vor, sondern kennt neben der Vergütung nach § 75 Abs. 1 NV Bühne nur die Sondervergütung bzw. den Freizeitausgleich nach § 79 Abs. 2 bis Abs. 4 NV Bühne für besondere Leistungen, für die nach § 71 NV Bühne eine Mitwirkungspflicht besteht. Insoweit ist das tarifliche Vergütungssystem abschließend. Eine Regelungslücke besteht nicht.

2. Entgegen der Auffassung der Revision folgt ein Anspruch des [X.]n auf zusätzliche Vergütung auch nicht aus § 612 Abs. 1 BGB.

a) Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. § 612 Abs. 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Vergütung. Diese Bestimmung ist vielmehr auch anzuwenden, wenn über die vertraglich geschuldete Tätigkeit hinaus Sonderleistungen erbracht werden, die durch die vereinbarte Vergütung nicht abgegolten sind, und weder einzelvertraglich noch tarifvertraglich geregelt ist, wie diese Dienste zu vergüten sind (vgl. zur qualitativen Mehrarbeit [X.] 4. August 2016 - 6 [X.] - Rn. 24, [X.]E 156, 52; 23. September 2015 - 5 [X.] - Rn. 20; zum NV Chor vgl. [X.] 13. August 1992 - 6 [X.] - zu II der Gründe).

b) Wird ein berufsmäßiges [X.] in seiner Stimmgruppe nur mit einem Mitglied des [X.] eingesetzt, erbringt es keine Sonderleistung, für die es eine zusätzliche Leistung erwarten kann. Entgegen der Annahme der Revision sieht § 612 BGB nicht für jede Dienstleistung, die über die vertraglichen Pflichten hinaus erbracht wird, eine Vergütung vor. Das ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die Leistung „den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist“. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrleistung zusätzlich zu vergüten ist, gibt es nicht. Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt ([X.] 23. September 2015 - 5 [X.] - Rn. 21). Danach besteht bei der Besetzung einer Stimmgruppe mit nur einem berufsmäßigen [X.] und mindestens einem Mitglied des [X.] keine Vergütungserwartung. Eine solche lässt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht aus den tariflichen Regelungen ableiten. § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne, den der Senat entgegen der Auffassung der Revision uneingeschränkt auslegen kann, zeigt, dass nach der Konzeption des [X.] eine vergütungspflichtige Sonderleistung allenfalls dann vorliegt, wenn die Stimmgruppe tatsächlich nur „einzeln“ besetzt ist. Das ist nicht der Fall, wenn wie vorliegend ein berufsmäßiges Mitglied des [X.] und ein Mitglied des [X.] gemeinsam singen.

aa) Bei der rechtlichen und tatsächlichen Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe beschränkt sich die Überprüfung der Rechtsanwendung der Bühnenschiedsgerichte im Aufhebungsverfahren grundsätzlich darauf, ob die Bühnenschiedsgerichte den Rechtsbegriff selbst verkannt haben, ob die Unterordnung des Sachverhalts (Subsumtion) unter den Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob die Beurteilung wegen Außerachtlassung wesentlicher Umstände oder wegen Widersprüchlichkeit offensichtlich fehlerhaft ist. Innerhalb dieser Grenzen haben die Bühnenschiedsgerichte einen Beurteilungsspielraum, der als solcher den staatlichen Gerichten im Rahmen der Überprüfung des Schiedsspruchs im Aufhebungsverfahren nach § 110 ArbGG verschlossen ist. Haben tarifliche unbestimmte Rechtsbegriffe [X.], werden also bei der Auslegung und Anwendung dieser Begriffe künstlerische Belange berührt, ist bei der Überprüfung von [X.] im Aufhebungsverfahren darüber hinaus die Einräumung eines weiten Beurteilungsspielraums für die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit nicht nur durch den revisionsähnlichen Charakter dieses Verfahrens, sondern auch und insbesondere durch den Bezug zur Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geboten ([X.] 16. Dezember 2010 - 6 [X.] - Rn. 17 f., [X.]E 136, 340).

bb) Die Tatbestandsvoraussetzung der „einzelnen Besetzung einer Stimmgruppe“ enthält keinen unbestimmten Rechtsbegriff. Sie bedarf keiner Ausfüllung im Einzelfall (vgl. hierzu [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] - Rn. 38; zu Beispielen [X.] 18. Oktober 2017 - 10 [X.] - Rn. 47, [X.]E 160, 296). Der Begriff der „Stimmgruppe“ wird in § 2 Abs. 4 Buchst. c NV Bühne als Kunstfach des [X.]s definiert und durch die abschließende Auflistung der [X.] präzisiert. Das Erfordernis der „einzelnen“ Besetzung ist sprachlich eindeutig. Der Begriff „einzeln“ bedeutet „für sich allein, nicht mit anderen zusammen“ (vgl. [X.] - [X.] 8. Aufl.). Auch wenn § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne künstlerische Belange berührt, ist daher eine uneingeschränkte Überprüfung der Auslegung dieser Norm im Aufhebungsverfahren möglich.

cc) Das [X.] hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass eine einzelne Besetzung einer Stimmgruppe iSd. § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne nicht vorliegt, wenn neben dem berufsmäßigen [X.] zumindest ein Mitglied des [X.] in derselben Stimmgruppe singt.

(1) Dies kann entgegen der Auffassung des [X.]s jedoch nicht aus § 71 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne geschlossen werden. Der vom [X.] angenommene Zusammenhang zwischen § 71 Abs. 1 Satz 2 und § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne besteht nicht.

(a) Soweit eine Oper oder Operette die Mitwirkung eines [X.] vorsieht, ist dieser Opernchor nach § 71 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne in der Regel mit Mitgliedern aus dem Opernchor der Bühne(n) zu besetzen. § 71 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne regelt nur die Besetzung des [X.] als solchen. Dies entspricht dem [X.] der [X.]er. Das Tatbestandsmerkmal „in der Regel“ ermöglicht jedoch Ausnahmen aus sachlichen Gründen (zum Streitstand bezüglich der Voraussetzungen für Ausnahmen vgl. [X.]/Sponer Bühnen- und Orchesterrecht Stand Januar 2004 Teil [X.] § 71 NV Bühne Rn. 10; [X.] in Nix/[X.]/[X.] [X.] 2. Aufl. § 71 Rn. 9).

(b) § 71 Abs. 2 NV Bühne bestimmt hingegen besondere Mitwirkungspflichten des [X.]s in einem nach § 71 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne besetzten Opernchor. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des [X.] bei unvorhergesehenen Ausfällen kann eine besondere Mitwirkungspflicht nach § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne bestehen. Die Frage, ob eine Stimmgruppe einzeln besetzt ist, steht dabei in keinem Zusammenhang zu der Frage, ob der Opernchor im Ganzen [X.] nach § 71 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne besetzt wurde. Es ist in diesem Kontext auch ohne Bedeutung, ob der [X.] als Teil des [X.] iSd. § 71 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne oder als „separater Klangkörper“, wie es der Prozessbevollmächtigte des [X.]n in der Verhandlung vor dem Senat angeführt hat, einzustufen ist. Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Mitglieder des [X.] ebenso wie [X.], mit denen [X.] abgeschlossen werden, allenfalls eingeschränkt den Regelungen des [X.] unterfallen. Mitglieder des [X.] tragen aber zu der Gesangsleistung bei, welche der Chor als Kollektiv auf der Bühne erbringt. Dabei singen sie ebenso wie die berufsmäßigen [X.]er in bestimmten [X.], da anderenfalls die Chorgesangsleistung als Gemeinschaftswerk nicht zu realisieren wäre.

(2) Im Ergebnis erweist sich die Entscheidung des [X.]s aber als richtig. Eine einzelne Besetzung einer Stimmgruppe iSd. § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne liegt nicht vor, wenn ein berufsmäßiges [X.] in seiner Stimmgruppe nur mit Mitgliedern des [X.] singt, denn das berufsmäßige [X.] singt auch dann nicht allein. Dabei kann unterstellt werden, dass ein berufsmäßiges [X.] aufgrund seiner Qualifikation und [X.] typischerweise eine höherwertige Gesangsleistung als ein Mitglied des [X.] erbringen kann. Der Sonderfall eines erst kürzlich in den Ruhestand getretenen, ehemals berufsmäßigen [X.]s, welches nunmehr im [X.] singt, bedarf keiner gesonderten Betrachtung, denn es kommt nicht auf die Fähigkeiten des einzelnen Mitglieds des [X.] an. Entscheidend ist, dass das berufsmäßige [X.] jedenfalls unterstützt wird und nicht der Belastung des [X.] in seiner Stimmgruppe ausgesetzt ist (vgl. [X.]/Sponer Bühnen- und Orchesterrecht Stand Dezember 2013 Teil [X.] § 71 NV Bühne Rn. 58).

(3) Der Verweis der Revision auf § 2 Abs. 4 Buchst. c NV Bühne führt nicht weiter. Diese Tarifnorm verlangt für Arbeitsverträge mit [X.]ern die Angabe des Kunstfachs, dh. der Stimmgruppe, und benennt die [X.]. Sie bestimmt hingegen nicht, dass eine Stimmgruppe nur aus berufsmäßigen Mitgliedern des [X.] bestehen kann. Die Regelung weist keinen Bezug zur Besetzung der einzelnen [X.] bei Proben und Aufführungen auf.

c) Ein Anspruch auf eine Sondervergütung nach § 612 Abs. 1 BGB kann auch nicht mit der von der Revision behaupteten Zusatzbelastung begründet werden. Entscheidet sich die Intendanz zu einem Einsatz des [X.] mit der Folge, dass eine Stimmgruppe nicht mit mindestens zwei berufsmäßigen [X.]ern besetzt ist, hat sie bei schwächerer Leistung des [X.] eine Einbuße der künstlerischen Qualität hinzunehmen und zu verantworten. Das berufsmäßige [X.] ist nicht verpflichtet, etwaige Defizite in der Gesangsleistung des [X.] durch überobligatorische, ggf. sogar stimmschädigende Anstrengungen auszugleichen (vgl. § 7 Abs. 4 NV Bühne). Entscheidet sich das berufsmäßige [X.] aus freien Stücken zu einer überobligatorischen Leistung, um das künstlerische Niveau zu heben, entspricht dies nicht der Konzeption der Chorbesetzung durch die Intendanz. Das berufsmäßige [X.] kann für diese Sonderleistung folglich keine zusätzliche Vergütung erwarten.

        

    Spelge    

        

    Heinkel    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    M. Geyer    

        

    [X.]    

                 

Meta

6 AZR 385/17

15.11.2018

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 10. Mai 2016, Az: 12 Ha 15/15, Urteil

§ 1 TVG, § 612 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2018, Az. 6 AZR 385/17 (REWIS RS 2018, 1662)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 796 REWIS RS 2018, 1662


Verfahrensgang

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Az. 6 AZR 385/17

Bundesarbeitsgericht, 6 AZR 385/17, 15.11.2018.


Az. 10 Sa 587/16

Landesarbeitsgericht Köln, 10 Sa 587/16, 17.03.2017.


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