Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2016, Az. 2 StR 355/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 10702

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:010616U2STR355.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2
StR
355/15
vom
1. Juni 2016
in der Strafsache
gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
1.
Juni 2016, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,

[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.],
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

Staatsanwalt
beim Bundesgerichtshof

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger
des Angeklagten M.

,

Justizhauptsekretärin

in der Verhandlung,
Justizangestellte

bei
der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revision des Angeklagten wird
das Urteil des [X.] vom 1.
Juni 2015 im Strafausspruch und im [X.] über die Einziehung aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.].
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in dreizehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Einziehungs-
sowie eine Verfallsentscheidung getroffen.
Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die unausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat den aus dem [X.] ersichtlichen Teilerfolg
und führt zur Aufhebung des Straf-ausspruchs und des
Ausspruchs
über die Einziehung.
Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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4
-
I.
1. Das [X.] hat

soweit für die Entscheidung von Bedeutung

hinsichtlich der Taten 1
bis
12 folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen:

[X.] tätige, heroinabhängige

S.

in mindestens zehn
Fällen jeweils 100
Gramm [X.] mit einem Wirkstoffgehalt von 10 % [X.] zum Preis von 12,50 [X.] pro Gramm. Die Abwicklung der Geschäfte er-folgte teils in der Weise, dass der Angeklagte
gemeinsam
mit

S.

mit einem von ihm gesteuerten Fahrzeug vom Saunaclub zur Wohnung seiner Le-bensgefährtin oder seines [X.] fuhr, wo er das Rauschgift verwahrte, das Rauschgift aus der Wohnung holte und an die im Fahrzeug wartende

S.

übergab; teils übergab der Angeklagte das Rauschgift auch in seinem

bis 10 der Urteilsgründe). Die [X.] erfolgten jeweils auf [X.]sbasis; war die vorange-gangene Lieferung aufgebraucht, begab

S.

sich zum Angeklagten, bezahlte die vorangegangene Lieferung und erhielt eine neue Lieferung auf [X.]sbasis.
b) Im Vorfeld einer 10tägigen Reise im Februar oder im März 2013 ver-kaufte der Angeklagte

S.

400 Gramm [X.] mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10
%
Heroinhydrochlorid zum Preis von 5.000
[X.] auf [X.]sbasis und händigte ihr das Rauschgift in seinem Saunaclub

aus;

S.

entrichtete den vereinbarten Kaufpreis in der Folgezeit [X.] des Angeklagten und an einen seiner Tür-steher (Fall 11 der Urteilsgründe).
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5
-
c) In der Woche vor dem 19. Juni 2013 veräußerte der Angeklagte an

S.

erneut 100 Gramm [X.]
mit einem Wirkstoffgehalt von 10
%
Heroinhydrochlorid zum Preis von 1.000
[X.] auf [X.]. Der Ange-klagte erhielt den Kaufpreis nicht; die Zeugin, die sich einer drohenden Straf-vollstreckung entziehen wollte, tauchte
unter. Zur Begleichung der Schulden erbrachte der Bruder der Zeugin,

[X.].

, Malerarbeiten für den Ange-klagten
(Fall 12 der Urteilsgründe).
2. Das [X.] ist davon ausgegangen, dass die Taten im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehen; es hat in den Fällen 1 bis 10 und 12 jeweils Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten
und im Fall 11 eine Einzel-strafe von zwei Jahren verhängt. Darüber hinaus hat es den Angeklagten als überführt angesehen, in der ersten [X.] des Jahres 2013 bei nie-derländischen [X.] Heroin für insgesamt
30.000 [X.] bestellt zu haben, das ihm im Oktober 2013 und im September 2014 in zwei Teilmengen geliefert worden war (Fall 13 der Urteilsgründe). Ausgehend von der für diese
Tat ver-hängten Einzelstrafe von drei Jahren und drei Monaten als Einsatzstrafe hat
es eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten gebildet.

II.

Die Revision des Angeklagten bleibt zum Schuldspruch ohne Erfolg. Die Beurteilung der Konkurrenzen ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. [X.] kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben.
1. Die Annahme realkonkurrierender Taten des Handeltreibens mit [X.] in nicht geringer Menge in den Fällen 1 bis 12 der [X.] hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Die Feststellungen drängten nicht 6
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8
9
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6
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zur näheren Prüfung und Erörterung der Frage, ob die Taten im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen.
a)
Nach §
52 Abs.
1 StGB liegt eine Tat im Sinne des materiellen Rechts
vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt. Eine mehrfache Gesetzesverletzung kann
vorliegen in [X.], in denen
ein Willensentschluss zu einer
Handlung führt, die das Gesetz mehrfach verletzt (LK/[X.], StGB, 12. Aufl., vor §
52 Rn.
9, §
52 Rn.
6). Über den Wortlaut des §
52 Abs.
1 StGB hinaus liegt eine Tat im Rechtssinne auch vor, wenn zwischen mehreren
strafrechtlich erheblichen Ver-haltensweisen ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang be-steht und das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen [X.] als [X.] erscheint (st. Rspr.;
vgl.
nur [X.], Urteil vom 30.
November 1995

5
StR 465/95, [X.], 368). Die Annahme von Tateinheit kommt auch in Betracht, wenn mehrere Tatbestandsverwirklichungen dergestalt objektiv
zusammentreffen, dass die [X.] in ei-nem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind ([X.], Beschluss vom 31.
Juli 2013

4 [X.], [X.], 144, 145). Dagegen genügt ein einheitliches Motiv, die Gleich-zeitigkeit von Geschehensabläufen, die Verfolgung eines Endzwecks, eine Mit-tel-Zweck-Verknüpfung oder eine Grund-Folge-Beziehung nicht, um Tateinheit zu begründen ([X.], Beschluss vom 25. November 1997

5
StR 526/96, [X.]St 43, 317, 319; Urteil vom 16.
Juli 2009

3
StR 148/09, [X.], 97). Ob im Einzelfall eine die Annahme einer Tat im Rechtssinne tragende Teiliden-tität der [X.]
gegeben ist, richtet sich nach dem materiellen Recht.
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b) Der Begriff des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne des §
29 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 BtMG umfasst nach ständiger Rechtspre-chung des [X.] alle eigennützigen Bemühungen, die darauf ge-richtet sind, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern ([X.], Urteil vom 17.
Juli 1997

1
StR 791/96, [X.]St 43, 158, 161
f.; [X.] vom 26.
Oktober 2005

[X.], [X.]St 50, 252, 256). Vom weiten Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sind Handlungen weit im [X.] des
eigentlichen Güterumsatzes ebenso erfasst wie die dem Güterumsatz nachfolgenden Geldflüsse (vgl. [X.], Urteil
vom 25. April
2013

4
[X.],
[X.]R
BtMG §
29 Abs.
1 Nr.
1 Konkurrenzen 14). Die Tat des Handeltreibens
erst beendet, wenn der Lieferant das Entgelt erhalten hat, wenn also auch der Geldfluss als Gegenleistung für die Betäubungsmittellieferung

ge-kommen ist (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 1997

1 StR 791/96, [X.]St 43, 158, 162). Betätigungen, die in diesem weiten Sinne auf den Vertrieb ein-
und der-selben Rauschgiftmenge bezogen sind, werden zu einer tatbestandlichen Be-wertungseinheit zusammengefasst (Körner/Patzack/Volkmer-Patzack, BtMG, 8.
Aufl.,
§
29 Teil
4,
Rn.
293
ff.).
Darüber hinaus entspricht es ständiger Rechtsprechung des [X.], dass zwei oder mehrere an sich selbstständige Taten des [X.] mit Betäubungsmitteln zur Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verbunden werden, wenn sie in einem Handlungsteil zusammentreffen. Ist eine Handlung als eine tatbestandliche Ausführungshandlung beider oder mehrerer Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln anzusehen, so ist Tateinheit anzunehmen. Allein das zeitliche Zusammentreffen von Zahlungsvorgängen in Bezug auf eine frühere Drogenbeschaffung mit der Abholung der nächsten Lie-ferung

die bloße Gleichzeitigkeit beider, verschiedene Umsatzgeschäfte för-dernder [X.]

genügt jedoch zur Annahme gleichartiger 11
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Tateinheit nicht ([X.], Beschluss
vom 13. April 1999

4 StR 42/99, [X.], 411; Senat, Beschluss vom 24. Oktober 2013

2 [X.], [X.], 81, 82; [X.], Beschluss vom 15. Februar 2011

3 StR 3/11; Beschluss vom 6.
Februar 2014

3 ARs 7/13, [X.], 146; vgl. auch [X.], Urteil vom 25. April 2013

4 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 14; Senat, Beschluss vom 22.
Januar 2010

2 StR 563/09, [X.], 684).
c)
Gemessen hieran ist
die Annahme jeweils selbstständiger Taten nicht zu beanstanden. Zwar hat die Kammer festgestellt, dass der Angeklagte seine Abnehmerin

S.

Konkrete Fest-stellungen dazu, wann und bei welcher Gelegenheit die Abnehmerin die voran-gegangene Lieferung an den Angeklagten bezahlte, vermochte die Kammer jedoch nicht zu treffen. Damit ist die tatrichterliche Annahme jeweils selbständi-ger Taten nicht zu beanstanden.
2. Der Strafausspruch kann jedoch keinen Bestand haben. Die [X.] hat bei der Prüfung, ob die Taten als minder schwere Fälle im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG anzusehen sind, sowie bei der Strafzumessung im [X.] großen Mengen an Betäubungsmitteln nicht für seinen eigenen Konsum

eigennütziges Handeln zur Last gelegt, obwohl dies bereits ein Merkmal des Handeltreibens ist (Senat, Beschluss vom 29. April 2014

2 [X.], [X.]R StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7; [X.], Beschluss vom 24. September 2009

3 [X.], [X.], 24). Der hierin liegende Verstoß gegen §
46 Abs.
3 StGB führt zur Aufhebung der Einzelstrafen und entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage.

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3. Auch der Ausspruch über die Einziehung kann keinen Bestand haben. Sind Gegenstände einzuziehen, so ist es grundsätzlich erforderlich, sie in der Urteilsformel konkret so zu bezeichnen, dass für die Verfahrensbeteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung [X.] ist. Hierzu gehört im Falle der Einziehung von Betäubungsmitteln auch die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts, die sich aus dem [X.] ergeben muss ([X.], Beschluss vom 20. Juni 2007

1
StR 251/07).
Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Einer Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht, da ein reiner Wertungsfehler vorliegt.
Fischer

[X.] Eschelbach

[X.] [X.]
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Meta

2 StR 355/15

01.06.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2016, Az. 2 StR 355/15 (REWIS RS 2016, 10702)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10702

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Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Tateinheit bei Bezahlung der ersten Lieferung anlässlich der zweiten Lieferung und …


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Zitiert

4 StR 223/13

2 ARs 319/13

3 ARs 7/13

4 StR 418/12

2 StR 563/09

2 StR 616/13

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