Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2022, Az. AnwZ (Brfg) 16/22

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2022, 8679

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Gegenstand

Kanzleiabwicklung wegen Tod des Rechtsanwalts: Festsetzung der Vergütung des Kanzleiabwicklers


Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 2. Mai 2022 wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 121.475,10 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger wurde mit Verfügung der [X.]eklagten vom 10. April 2019 zum Abwickler der Kanzlei des am 17. März 2019 überraschend verstorbenen Rechtsanwalts [X.](im Folgenden: Rechtsanwalt [X.]) bestimmt. Mit Verfügung vom 8. Oktober 2019 wurde die [X.]estellung zum Abwickler bis zum 10. April 2020 verlängert. Eine Einigung über die Höhe der Abwicklervergütung mit dem Erben von Rechtsanwalt [X.] erfolgte bisher nicht. Der [X.]eigeladene ist der Insolvenzverwalter über den Nachlass von Rechtsanwalt [X.]

2

Mit [X.]escheid vom 16. Dezember 2020 setzte die [X.]eklagte die Vergütung auf 30.000 € brutto fest. Auf die Klage des [X.] hat der [X.] den [X.]escheid dahingehend abgeändert, dass die Vergütung auf 151.475,10 € brutto festgesetzt wird.

3

Die [X.]eklagte beantragt die Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des [X.]s.

II.

4

Der Antrag auf Zulassung der [X.]erufung ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO) liegen nicht vor.

5

1. Dem [X.] ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

6

a) Soweit die [X.]eklagte vorbringt, der [X.] hätte sowohl den Kläger als auch die [X.]eklagte zur Vorlage von Unterlagen auffordern und die [X.]eiziehung der Akten anordnen müssen, um den Sachverhalt in [X.]ezug auf die Tätigkeit des [X.] und die Zustände in der [X.] Kanzlei umfassend aufzuklären, sowie Ermittlungen zum regionalen [X.]ruttoeinkommen durchführen müssen, begründet dies keinen Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO.

7

Danach hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und ist dabei grundsätzlich weder an das tatsächliche Vorbringen der [X.]eteiligten noch an ihre [X.]eweisanträge gebunden (§ 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der Amtsermittlungsgrundsatz wird jedoch - wie sich aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO ergibt - durch die Mitwirkungspflicht der [X.]eteiligten in der Weise begrenzt, dass die Tatsachengerichte nicht in Ermittlungen einzutreten brauchen, die durch das Vorbringen der [X.]eteiligten nicht veranlasst sind. Insofern besteht auch im Verwaltungsprozess eine Prozessförderungspflicht der [X.]eteiligten, wonach jeder [X.]eteiligte grundsätzlich den Prozessstoff, insbesondere die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, umfassend vorzutragen hat (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 5. September 2022 - 8 [X.] 20.3120, juris Rn. 37).

8

Die Rüge der Verletzung des verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatzes erfordert zum einen eine substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltene Aufklärungsmaßnahmen hierfür in [X.]etracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Zum anderen muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewiesen worden ist oder dass sich dem erstinstanzlichen Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 15. Februar 2013 - 8 [X.]/12, juris Rn. 23).

9

aa) Aufgrund des Vorbringens der [X.]eteiligten hatte der [X.] keinen Anlass, Ermittlungen zur Tätigkeit des [X.] durchzuführen.

Der [X.] hat ausgeführt, dass er angesichts der detaillierten und nachvollziehbaren klägerischen Angaben zur Aktenführung, Mandatsführung und Mandatsabwicklung der [X.] Kanzlei, denen die [X.]eklagte nicht substantiiert entgegengetreten sei, nicht die Auffassung der [X.]eklagten teile, die abzuwickelnde Kanzlei sei ordentlich organisiert gewesen. Dabei ging es insbesondere darum, dass Rechtsanwalt [X.] bei ihm eingegangene [X.] häufig nicht unverzüglich an die [X.]erechtigten ausgekehrt oder auf einem Anderkonto verwahrt habe, sondern diese Zahlungseingänge für Ausgaben im Zusammenhang mit dem [X.] oder für private Ausgaben verwendet haben soll und dass er bei fast jedem neuen Mandat alle möglicherweise im Mandat entstehenden Gebühren - häufig unter Ansetzung eines zu hohen Gegenstandswerts - als Vorschuss abgerechnet haben soll. [X.] Mandanten habe er hingegen nicht selten zugesagt, keinerlei Kosten zu berechnen. Derartige Absprachen bezüglich eines [X.] seien niemals dokumentiert worden, andere Absprachen zur Vergütung nur selten. In zahlreichen Fällen soll nicht vollständig oder überhaupt nicht über die einzelnen Schritte der Sachbearbeitung informiert worden sein, und in den Akten sollen sich häufig keine Angaben über die Kommunikation zwischen ihm und seinen Mandanten befunden haben. In zahlreichen Mandaten habe der Inhalt des Mandats und der Absprachen erst im Rahmen der Abwicklung erarbeitet werden müssen. Zudem hat der Kläger - was der [X.] ausdrücklich aufgeführt hat - die [X.]eklagte mit Schreiben vom 11. Juli 2019 über diese problematische Gesamtsituation der [X.] Kanzlei informiert.

Die [X.]eklagte hat vor dem [X.] zum [X.]eleg ihrer Auffassung, dass eine Kanzlei abzuwickeln gewesen sei, die ordentlich organisiert und geführt gewesen sei, lediglich auf die Kanzleistruktur mit einer angestellten Anwältin und mit Personal, das von der Kanzlei des [X.] übernommen worden sei, hingewiesen.

Damit ist die [X.]eklagte auf den Vortrag des [X.] nicht eingegangen. Denn der Umstand, dass in einer Kanzlei eine Anwältin angestellt ist und noch anderes Personal beschäftigt wird, kann den vom Kläger geschilderten Missständen im Ansatz nicht entgegenwirken. Denn wenn Rechtsanwalt [X.] wesentliche Absprachen nicht oder nicht zureichend in den Akten dokumentiert und auch die Korrespondenz mit den Mandanten nur unzureichend geführt hat, nützt vorhandenes Personal nichts. Denn dann gibt es gerade kein Datenmaterial, auf das dieses Personal zugreifen könnte, um den [X.]earbeitungsstand eines Vorgangs so darzustellen, dass er ohne weiteres erfasst werden kann. [X.]ei dem Vorbringen des [X.] handelte es sich zudem nicht um erstmalig im Gerichtsverfahren erfolgten Vortrag. Vielmehr hätte die [X.]eklagte schon nach dem Schreiben vom 11. Juli 2019 Anlass gehabt, bei Zweifeln an den Angaben des [X.] diese näher zu überprüfen. Denn dann hätte sich auch die Frage gestellt, ob der Kläger weiterhin als Abwickler eingesetzt werden sollte.

Unter diesen Gesichtspunkten durfte der [X.] davon ausgehen, dass es sich bei dem Vorbringen der [X.]eklagten zur geordneten Kanzleistruktur um eine bloße [X.]ehauptung der [X.]eklagten ohne tatsächliche Grundlage handelte, der nicht weiter nachzugehen war, und dass die [X.]eklagte die detaillierte Schilderung der Gesamtsituation durch den Kläger damit nicht in Abrede gestellt hatte.

bb) Da der [X.] von einer ungeordneten Kanzleistruktur und einer mängelbehafteten und undurchsichtigen Organisation ausgehen durfte, durfte er diese Umstände auch bei der [X.]eurteilung heranziehen, ob der vom Kläger angeführte Zeitaufwand als angemessen anzusehen war.

Der [X.] hat bei dieser [X.]eurteilung zudem darauf [X.]ezug genommen, dass nach dem "[X.]" der [X.] der Abwickler einen weit gefassten [X.] abzuarbeiten habe. So sei er den Mandanten gegenüber zur Erfüllung sämtlicher [X.] aus dem Mandatsverhältnis verpflichtet, wie sie für den früheren Rechtsanwalt begründet gewesen seien. Er müsse für ordnungsgemäße Rechtsberatung und Vertretung sorgen. In dem "[X.]" ist zudem unter "Abwicklung" ausgeführt, dass die Mandanten ein berechtigtes Interesse daran hätten, dass ihre Rechtsangelegenheiten ohne Zeitverlust und Mehrkosten zu Ende geführt würden. Dies kann bedeuten, dass der Abwickler zum [X.]eispiel Gerichtstermine wahrzunehmen hat, auf die er sich durch Aktenstudium und auch durch [X.]esprechung mit dem Mandanten vorbereiten muss. Von daher spricht die Auflistung derartiger Tätigkeiten durch den Kläger nicht dafür, dass dabei der [X.]ereich der "Abwicklung" verlassen worden wäre. Auch insoweit hat die [X.]eklagte nicht dargelegt, woraus sich ableiten soll, dass der Kläger diese Tätigkeiten für die eigene Kanzlei und nicht als Abwickler erbracht hat.

Dass dem [X.] bei der Einschätzung, ein Zeitaufwand von 1 Stunde 45 Minuten pro Verfahren und ein Gesamtaufwand von 1.731 Stunden für die Abwicklung der Mandate sei schlüssig und plausibel, ein Rechtsfehler unterlaufen wäre, ist daher nicht dargetan. Auch insoweit bestand dann aber kein Anlass, weitere Ermittlungen anzustellen.

cc) Der [X.] musste auch keine weiteren Ermittlungen zum anzusetzenden [X.]ruttoeinkommen durchführen. Nach der Rechtsprechung des Senats sind bei der Vergütungsfestsetzung zwar regionale Unterschiede in den einzelnen [X.]ezirken zu berücksichtigen. Voraussetzung hierfür ist indes, dass entsprechendes Datenmaterial vorliegt. Aufwändige eigene Erhebungen müssen anlässlich der Festsetzung einer Vergütung gemäß § 53 Abs. 10 Satz 5 [X.] nicht durchgeführt werden (Senat, [X.]eschluss vom 28. Mai 2021 - [X.] ([X.]) 52/19, [X.]. 2021, 328 Rn. 26).

Der [X.] hat eine weitergehende "Regionalisierung" des durchschnittlichen [X.]ruttoeinkommens nicht vorgenommen, weil die [X.]eklagte keine aussagekräftige Stichprobe und valide Daten für den [X.]ezirk vorgelegt habe. Er hat also gerade darauf abgestellt, dass kein entsprechendes Datenmaterial dafür vorliegt. In der von der [X.]eklagten mit [X.] vom 17. September 2021 vorgelegten [X.] wird als Jahresgehalt von in Kanzleien angestellten [X.] im Jahr 2018 für die "[X.]     " ein Durchschnitt von 54.000 € angegeben, wobei dieser Wert auf zehn Fällen beruht. Für frei mitarbeitende Rechtsanwälte wird für die "[X.]   " vermerkt, dass keine Daten bzw. Fälle vorhanden seien. Das durchschnittliche Gehalt von in Kanzleien angestellten [X.] für "andere West-Kammern" ist mit 78.000 € angegeben, was auf 305 Fällen beruht. Im Sitzungsprotokoll vom 21. Februar 2022 ist ausgeführt, dass die [X.]eklagte auf Frage des Gerichts erklärt habe, dass sie keinen Zugriff auf die Rohdaten der [X.] habe und deswegen auch nicht wisse, wie sich die Gehälter auf die zehn teilnehmenden [X.]efragten verteilten. Sie könne versuchen, diese Daten bei der [X.] zu erhalten. Ob im Landgerichtsbezirk [X.].     gegebenenfalls höhere Gehälter bezahlt würden, sei nicht bekannt. Mit [X.] vom 23. März 2022 hat die [X.]eklagte angegeben, dass sie die von ihr herangezogene STAR-Umfrage als zutreffende, als zulässiges Kriterium heranzuziehende Grundlage für die [X.]emessung der Pauschale ansehe. Vorsorglich hat sie ein Sachverständigengutachten dafür angeboten, dass ein im Landgerichtsbezirk [X.].     angestellter Anwalt durchschnittlich ein [X.]ruttojahresgehalt in einer Spanne von 54.000 € bis 60.000 € beziehe.

Die [X.]eklagte zeigt nicht auf, warum der [X.] sich vor diesem Hintergrund zu weiteren Ermittlungen hätte veranlasst sehen müssen. Zum einen gelang es ihr mit dem [X.] vom 23. März 2022 nicht, nähere Angaben zum Datenmaterial zu machen. Dass sie auf das Gehalt der Rechtsanwältin [X.][X.]ezug nimmt, ändert nichts an dem vom [X.] angesprochenen Problem, dass zu den zehn Fällen, auf denen der Wert für die "[X.]    " beruht, keine näheren Angaben verfügbar sind und dieser Wert für den [X.] daher schwer einzuschätzen war. Zum anderen verwies sie auf ein Sachverständigengutachten, das nach der Ausgangslage hier aber eine aufwändige Erhebung dargestellt hätte, die weder von der [X.]eklagten noch vom [X.] zu verlangen war.

b) Der [X.] hat auch den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt. Es bestand kein Anlass, die [X.]eklagte darauf hinzuweisen, dass ihr Vortrag als unzureichend bewertet werden könnte. Die Hinweispflicht (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 86 Abs. 3 VwGO) konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von [X.]. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt jedoch auch in der Ausprägung, die er in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, grundsätzlich keine Pflicht des Gerichts, den [X.]eteiligten vorab mitzuteilen, wie es bestimmte Erkenntnismittel in [X.]ezug auf Einzelheiten des Parteivortrags versteht und rechtlich bewertet, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden [X.]eratung ergibt. Eine Ausnahme hiervon gilt zwar dann, wenn das Gericht seine Entscheidung auf Anforderungen an den Sachvortrag oder auf sonstige rechtliche Gesichtspunkte stützen will, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf - selbst unter [X.]erücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 21. September 2011 - 5 [X.]/11, juris Rn. 3). Eine solche Ausnahme liegt hier aber nicht vor. Denn die Frage, wie der Vortrag der [X.]eklagten zu werten war, wurde mehrfach im Verfahren thematisiert.

Der Kläger hat mit [X.] vom 8. Juni 2021 ausgeführt, dass mindestens insgesamt 1.731,05 Stunden für anwaltliche Abwicklungstätigkeiten geleistet worden seien. Davon seien 986 laufende Akten betroffen gewesen. Es ergebe sich also eine durchschnittliche [X.]earbeitungsdauer pro Akte von ca. 1 Stunde und 45 Minuten. Es bleibe das Geheimnis der [X.]eklagten, weshalb sie diesen Arbeitsaufwand für unangemessen hoch halte und - wiederum ins [X.]laue hinein - darüber spekuliere, dass der Kläger Zeiten für den "Aufbau eines Verkehrsrechtsreferats" als Abwicklungstätigkeiten betrachte. Auch die pauschale [X.]ehauptung, der Kläger habe die Abwicklertätigkeit nicht von seiner Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt klar abgrenzen können, sei unzutreffend. Ganz im Gegenteil seien von [X.]eginn der Abwicklung an sämtliche Arbeitszeiten der für die Abwicklung tätigen Rechtsanwälte eben mit diesem Ergebnis festgehalten worden. Diese Zeiten dienten ausschließlich der Abwicklung. Mit [X.]eschluss vom 22. Juli 2021 hat der [X.] der [X.]eklagten aufgegeben, mitzuteilen, von welchem erforderlichen Zeitaufwand für den Abwickler nach ihrer Ansicht auszugehen sei. Die [X.]eklagte hat daraufhin mit [X.] vom 17. September 2021 ausgeführt, sie gehe pro Akte für eine erste kurze [X.]estandsaufnahme und Prüfung, ob und wie der laufende Auftrag zu Ende zu führen sei, von einem Zeitaufwand von allenfalls 10 Minuten pro Akte aus. Dazu, wie hoch sie den weiteren Zeitaufwand für die Tätigkeiten ansetzt, die anfallen, wenn der laufende Auftrag tatsächlich zu Ende geführt wird, hat sie sich nicht näher geäußert.

Der Kläger hat dies mit [X.] vom 2. November 2021 aufgegriffen und bemängelt, dass die [X.]eklagte entgegen dem [X.]eschluss des [X.]s gerade nicht mitteile, von welchem erforderlichen Zeitaufwand für den Abwickler nach ihrer Ansicht insgesamt auszugehen sei.

Der [X.]eklagten war somit durch den [X.]eschluss des Gerichts klar, dass von ihr erwartet wird, der [X.]erechnung des [X.] eine eigene [X.]erechnung entgegenzustellen. Dass die Abwicklung nicht nur aus einer ersten kurzen [X.]estandsaufnahme besteht und dass ihre Angabe eines Zeitaufwands von 10 Minuten pro Akte überhaupt nur einen zeitlichen Abschnitt der Abwicklungstätigkeit darstellen konnte, musste ihr bewusst sein. Überdies ist sie durch die Schriftsätze des [X.] auf die Schwachpunkte in ihrem Vortrag hingewiesen worden und musste damit rechnen, dass das Gericht diese Wertung übernehmen könnte.

Zudem bringt die [X.]eklagte nicht vor, was sie auf einen Hinweis des Gerichts vorgetragen hätte. Sie gibt nur an, dass sie noch ausführlicher zu der nicht gegebenen ausschließlichen Abwicklertätigkeit bei dem vom Kläger angegebenen [X.] sowie Zeitaufwand vorgetragen hätte, gibt aber weiterhin nicht einmal an, welchen Zeitaufwand sie bei der angegebenen Zahl von Akten für eine Abwicklung für nachvollziehbar hält.

Auch zu der Frage, welches [X.]ruttogehalt anzusetzen ist, musste der [X.] keinen Hinweis erteilen. Denn diese Frage war ausdrücklich Thema in der Verhandlung vor dem [X.]. Durch die Nachfrage des Gerichts zu den Rohdaten, die der [X.] und dem dort angegebenen Wert für die "[X.]    " zugrunde lagen, war klar, dass der [X.] darin ein Problem sah. Die [X.]eklagte und der Kläger haben sich dazu auch geäußert. Damit war den [X.]eteiligten klar, dass sich ein Urteil mit diesem Punkt auseinandersetzen würde.

2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (Senat, [X.]eschluss vom 19. April 2022 - [X.] ([X.]) 51/21, juris Rn. 11). Diese Anforderung erfüllt das Vorbringen der [X.]eklagten nicht.

a) Dass der [X.] bei der [X.]emessung der Vergütung vom Durchschnittsgehalt eines in Vollzeit in den westdeutschen [X.]undesländern angestellten Rechtsanwalts ausgegangen ist, begegnet vorliegend keinen [X.]edenken. Soweit die [X.]eklagte der Ansicht ist, es sei auf das Gehalt abzustellen, das der Rechtsanwältin [X.]vom verstorbenen Rechtsanwalt [X.] und dann vom Kläger gezahlt worden ist, übersieht sie, dass Ausgangspunkt für die [X.]emessung der Vergütung des Abwicklers die durch ihn ausgeübte Abwicklungsstätigkeit und die in seiner Person gegebene Qualifikation ist (vgl. Senat, [X.]eschluss vom 28. Mai 2021 - [X.] ([X.]) 52/19, [X.]. 2021, 328 Rn. 23). Abzustellen ist somit zunächst auf die Person des [X.]. Der [X.] konnte daher das [X.]ruttogehalt bezogen auf den Kläger ansetzen und dann im Rahmen der Abwägung berücksichtigen, dass dieser nur in einem bestimmten Umfang selbst tätig geworden ist und ansonsten bei ihm angestellte Rechtsanwälte eingesetzt hat.

b) Soweit die [X.]eklagte rügt, der [X.] habe zwar angeführt, dass die monatliche Arbeitsbelastung um 17% unter der monatlichen Durchschnittsarbeitszeit gelegen habe und die Abwicklertätigkeit teilweise im Eigeninteresse des Abwicklers geschehen sei, dies jedoch bei der [X.]eurteilung der Angemessenheit nicht berücksichtigt habe, trifft dies nicht zu. Der [X.] hat ausdrücklich ausgeführt, dass diese Umstände bei der Festsetzung der monatlichen Pauschale einzustellen seien. Nach Anführung aller einzustellenden Umstände ist der [X.] zu dem Ergebnis gekommen, dass "deshalb insgesamt" eine Erhöhung der Monatspauschale von 6.500 € um 50% angemessen und ausreichend sei. Der [X.] hat somit lediglich darauf verzichtet, für jeden Umstand einen eigenen Zu- bzw. Abschlag anzusetzen und einzelne Zwischenrechnungen durchzuführen. Er hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass nach [X.]erücksichtigung aller Umstände im Endergebnis eine Erhöhung von 50% vorzunehmen ist.

c) [X.]ei den Umständen durfte der [X.] - wie bereits unter [X.] ausgeführt - auch berücksichtigen, dass die Tätigkeit in Anbetracht der unübersichtlichen Akten- und Mandatsführung von überdurchschnittlicher Schwierigkeit war.

d) Soweit die [X.]eklagte eine Erhöhung von insgesamt 50% als nicht mehr angemessene Vergütung ansieht, weil der Senat nur eine Erhöhung von 1/3 bei voller zeitlicher Inanspruchnahme und bei ungewöhnlich umfangreichen und aufwändigen Arbeitsleistungen für angemessen erachtet habe (Senat, [X.]eschluss vom 30. November 1992 - [X.] ([X.]) 27/92, NJW 1993, 134), hat der Senat in dem zitierten [X.]eschluss auf die [X.]esonderheiten des gegebenen Falles abgestellt und keine allgemein gültige Obergrenze festgesetzt. Mit [X.]eschluss vom 28. Mai 2021 hat der Senat im dort zu beurteilenden Fall eine Erhöhung von 60% als gerechtfertigt angesehen, weil die Vertretungstätigkeit der [X.]eigeladenen von besonderen Schwierigkeiten und Problemen geprägt war ([X.] ([X.]) 52/19, [X.]. 2021, 328 Rn. 39 ff.).

e) Der Vorwurf der [X.]eklagten, der [X.] habe nicht berücksichtigt, dass erfahrungsgemäß zu [X.]eginn einer Abwicklertätigkeit erhöhter Arbeitsanfall bestehe, der sich aber im Rahmen der weiteren Abwicklertätigkeit deutlich nach unten reduziere, greift ebenfalls nicht durch. Durch die [X.]erechnung, wie viele der insgesamt geleisteten Stunden durchschnittlich auf einen Monat eines längeren Abwicklungszeitraums entfallen, und durch den Ansatz einer Monatspauschale soll gerade dem Problem der wechselnden [X.]edingungen einer umfangreichen und länger andauernden Vertretung begegnet werden (vgl. Senat, [X.]eschluss vom 28. Mai 2021 - [X.] ([X.]) 52/19, [X.]. 2021, 328 Rn. 24). Aus der Übersicht auf Seite 16 des [X.]es des [X.] vom 22. März 2021 ergibt sich, dass einige Monate mit stark erhöhtem Arbeitsanfall vorhanden waren und es andererseits auch Monate mit geringem Arbeitsumfang gab. Dass der [X.] hier nicht mit Zu- und Abschlägen pro Monat gearbeitet hat, sondern eine durchschnittliche [X.]elastung pro Monat ermittelt hat, entspricht der Rechtsprechung des Senats.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 [X.], § 52 Abs. 1 GKG. Als Streitwert hat der Senat die Differenz zwischen der vom [X.] für angemessen gehaltenen Vergütung und der von der [X.]eklagten mit [X.]escheid vom 16. Dezember 2020 zugesprochenen Vergütung festgesetzt.

[X.]     

  

Liebert     

  

Ettl

  

Schmittmann     

  

Niggemeyer-Müller     

  

Meta

AnwZ (Brfg) 16/22

21.12.2022

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof München, 2. Mai 2022, Az: BayAGH III - 4 - 2/21, Urteil

§ 54 Abs 4 BRAO, § 55 Abs 3 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2022, Az. AnwZ (Brfg) 16/22 (REWIS RS 2022, 8679)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8679

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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