Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.08.2017, Az. 29 W (pat) 539/15

29. Senat | REWIS RS 2017, 6430

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "AUDITAX Management Beratung GmbH (Wort-Bild-Marke)/Audi (Unionsmarke)" – zum Umfang der beanspruchten Waren- und Dienstleistungen bei Benennung der in Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation enthaltenen Oberbegriffe - zur Kennzeichnungskraft – Dienstleistungsidentität und -ähnlichkeit – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung – Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne durch selbständig kennzeichnende Stellung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2014 016 980

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 18. August 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. [X.] sowie der Richterinnen [X.] und Seyfarth

beschlossen:

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das in blau ausgestaltete Wort-/Bildzeichen

Abbildung

2

ist am 13. März 2014 angemeldet und am 10. Juni 2014 unter der Nummer 30 2014 016 980 als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register eingetragen worden für die Dienstleistungen der

3

Klasse 35: Beratung bei [X.], nämlich Hilfe bei der Geschäftsführung, Unternehmensberatung sowie Öffentlichkeitsarbeit im Bereich der [X.]; Dienstleistungen auf dem Gebiet von Unternehmenszusammenschlüssen [Unternehmensberatung]; Dienstleistungen in Bezug auf die Etablierung von Unternehmen [Unternehmensberatung]; Entwickeln von Unternehmensstrategien [Unternehmensberatung]; Geschäftsfeldentwicklung [Unternehmensberatung]; Geschäftsfeldentwicklungsdienste [Unternehmensberatung]; Geschäftsführung, Unternehmensberatung; Geschäftsplanungs- und Geschäftsstrategiedienste [Unternehmensberatung]; Geschäftsstrategie- und Geschäftsplanungsdienste [Unternehmensberatung]; Planung der Geschäftsnachfolge im Rahmen der Unternehmensberatung; Professionelle Betriebsberatungsdienste [Unternehmensberatung]; Unternehmensberatung; Unternehmensberatung für Einzelpersonen; Unternehmensberatung für Firmen; Unternehmensberatung in Bezug auf Akquisitionen; Unternehmensberatung in Bezug auf Buchführung; Unternehmensberatung in Bezug auf die Festlegung von Lohn-, Gehalts- und Einstufungsstrukturen; Unternehmensberatung in Bezug auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens; Unternehmensberatung in Bezug auf die Reorganisation der Finanzen; Unternehmensberatung in Bezug auf Firmenzusammenschlüsse; Unternehmensberatung in Bezug auf strategisches Marketing; Unternehmensberatung in Bezug auf Unternehmensliquidationen; Unternehmensberatung in Bezug auf Veräußerungen; Unternehmensberatungsdienste.

4

Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 11. Juli 2014 veröffentlicht wurde, hat die Beschwerdegegnerin aus ihrer am 29. April 2011 angemeldeten und am 18. Februar 2012 eingetragenen [X.] 009 930 751

5

[X.]

6

Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarke ist für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen aus den Klassen 1-35 und 37-45, nämlich unter anderem für folgende Waren und Dienstleistungen geschützt:

7

Klasse 12: Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser;

8

Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten.

9

Mit Beschluss vom 1. Juli 2015 hat die Markenstelle für Klasse 35 des [X.] auf den Widerspruch aus der Marke [X.] 009 930 751 die Löschung der angegriffenen Marke wegen Verwechslungsgefahr angeordnet.

Zur Begründung hat sie angeführt, dass ausgehend von der [X.] zwischen den Vergleichsdienstleistungen Identität vorliege. Denn die für die Widerspruchsmarke registrierten Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ schlössen die für die jüngere Marke eingetragen Dienstleistungen, welche sich im Bereich der Hilfe bei der Geschäftsführung und der Unternehmensberatung bewegten, mit ein. Der Widerspruchsmarke komme für die hier relevanten Dienstleistungen eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu; ob sie wegen ihrer Bekanntheit über einen erweiterten Schutzumfang verfüge, könne dahingestellt bleiben. Denn auch bei einem zu Gunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke angenommenen normalen Schutzumfang bestehe die Gefahr, dass die Verbraucher in der jüngeren Marke ein Angebot der Widersprechenden erblickten, so dass jedenfalls eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. 2 [X.] zu bejahen sei. Aufgrund der besonderen Großschreibung der Anfangsbuchstaben „A“ und „T“ innerhalb der jüngeren Marke sei das Markenwort „[X.]“ als Kombination der Elemente „[X.]“ und „[X.]“ erkennbar; dadurch verfüge „[X.]“ über die erforderliche Selbständigkeit als Markenbestandteil, welche auch nicht durch den weiteren Bestandteil „Tax“ verloren ginge, weil „[X.]Tax“ keinen Gesamtbegriff darstelle. „[X.]“ behalte daher innerhalb der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung, sodass insofern zumindest assoziative Verwechslungen nicht auszuschließen seien.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke.

t“ und „tax“, welche damit den Schwerpunkt der Dienstleistungen der Beschwerdeführerin im Bereich der Sanierungsberatung unter Zusammenarbeit von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern widerspiegle. Eine Verwechslungsgefahr auch im weiteren Sinne dürfte daher nicht anzunehmen sein. Es sei nicht bekannt und auch nicht vorgetragen, dass die Beschwerdegegnerin Dienstleistungen dieser Art anbiete. Im Amtsverfahren hat die Inhaberin der jüngeren Marke zudem eine erhöhte Bekanntheit der Widerspruchsmarke bestritten; eine solche möge zwar für die Waren „Automobile“, nicht aber für andere Waren oder Dienstleistungen vorliegen.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.] vom 1. Juli 2015 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin und Widersprechende beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Widerspruchsverfahren vor dem [X.] hat die Widersprechende geltend gemacht, dass die Widerspruchsmarke über eine erhöhte Kennzeichnungskraft verfüge. Dies folge aus dem vorgelegten Gutachten zur Verkehrsgeltung der Marke „[X.]“. Die jüngere Marke sei aufgrund identischer Übernahme der Widerspruchsmarke zu löschen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 [X.] zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne nach §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. 2, 125b Nr. 1 [X.], so dass die Markenstelle zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat.

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Marken und der Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. [X.] [X.] 2010, 1098 Rn. 44 – [X.]/ [X.]; [X.] 2010, 933 Rn. 32 – [X.]; [X.] 2006, 237 Rn. 18 – PICARO/ [X.]; [X.], Beschluss vom 02.03.2017, [X.] – [X.]/ [X.]; [X.] 2016, 1301 Rn. 44 – Kinderstube; [X.] 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet/[X.]; [X.] 2015, 1004 Rn. 18 – [X.]/ISP). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware oder Dienstleistung, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

1. Die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen aus der Klasse 35 sind teilweise identisch und – anders als die Markenstelle ausführt – teilweise (nur) ähnlich.

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, es sei weder bekannt noch vorgetragen, dass die Beschwerdegegnerin „Dienstleistungen dieser Art“ anbiete      – womit sie offensichtlich diejenigen im Bereich der Klasse 35 meint –, können nicht als Erhebung der Nichtbenutzungseinrede im Sinne von § 43 Abs. 1 [X.] gewertet werden. Die Widersprechende ist grundsätzlich nicht verpflichtet vorzutragen, dass und in welchem Umfang sie ihre Widerspruchsmarke für die im Register eingetragenen Waren und Dienstleistungen benutzt; die Benutzung der Widerspruchsmarke muss auch nicht bekannt sein. Eine Obliegenheit der Widersprechenden zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung entsteht vielmehr erst dann, wenn die Inhaberin der angegriffenen Marke in zulässiger Weise die Einrede bzw. die Einreden mangelnder Benutzung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und/oder Satz 2 [X.] erhebt. Der Wille, die Benutzung der Widerspruchsmarke im Rahmen des [X.] bestreiten zu wollen, kommt in den Ausführungen der Beschwerdeführerin hingegen nicht ausreichend eindeutig zum Ausdruck, was aber notwendig wäre (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 43 Rn. 31). Maßgeblich ist daher allein die [X.].

Klasse 35 der [X.] Klassifikation enthaltenen Oberbegriffe „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ angemeldet und eingetragen wurde. Die vom [X.] früher vertretene Praxis, wonach die Benennung der Klassenüberschriften automatisch sämtliche der jeweiligen Klasse der [X.] Klassifikation zugeordnete Waren oder Dienstleistungen umfasste, ist mittlerweile aufgegeben worden; vgl. nunmehr Art. 28 Abs. 5 [X.]V, wonach allgemeine Waren- und Dienstleistungsbegriffe, so auch die Oberbegriffe der Klassenüberschriften der [X.], nur solche Waren oder Dienstleistungen einschließen, die eindeutig von der wörtlichen Bedeutung des Begriffs erfasst sind. Im Hinblick auf diese Änderung wurde den Inhabern der vor dem 22. Juni 2012 angemeldeten Marken gemäß § 28 Abs. 8 [X.]V die Möglichkeit eröffnet, bis zum 24. September 2016 zu erklären, dass es am Anmeldetag ihre Absicht war, Schutz in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen zu beantragen, die über diejenigen hinausgehen, die von der wörtlichen Bedeutung der Überschrift der betreffenden Klasse erfasst sind, sofern die so bezeichneten Waren oder Dienstleistungen im alphabetischen Verzeichnis für diese Klasse in der zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Fassung der [X.] aufgeführt sind; [X.] konnte das Verzeichnis auf diese Begriffe ausgedehnt werden. Hiervon hat die Widersprechende offensichtlich bezüglich ihrer Unionsmarke keinen Gebrauch gemacht, so dass die Klassenüberschriften der Klasse 35 vorliegend nur solche Dienstleistungen einschließen, die eindeutig von der wörtlichen Bedeutung der Begriffe umfasst sind (vgl. Art. 28 Abs. 8 letzter Satz [X.]V).

Die für die jüngere Marke registrierte Dienstleistung „

Im Übrigen ist jedoch nur eine Ähnlichkeit gegeben. Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder [X.], ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. [X.] [X.] 1998, 922      – [X.]; [X.] [X.] 2014, 488 Rn. 14 – [X.]/[X.]; [X.] 2012, 1145 Rn. 34 – [X.]). Angesichts der fehlenden Körperlichkeit von Dienstleistungen ist für die Beurteilung ihrer Ähnlichkeit in erster Linie Art und Zweck, also der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistungen sowie die Vorstellung des Verkehrs maßgeblich, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortlichkeit erbracht werden ([X.], a. a. O. Rn. 21 – BioGourmet/[X.]).

beratungverwaltung“, weil es sich jeweils um unternehmensbezogene Dienste handelt (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 17. Auflage, S. 372 re. Sp., Stichwort „Unternehmensberatung“). Die vorgenannten Dienstleistungen entsprechen sich sowohl bei der Qualifikation der Erbringer (kaufmännisch und betriebswirtschaftlich, teilweise auch [X.] vorgebildete bzw. erfahrene Dienstleister) als auch vom Verwendungszweck (Erhaltung, Wiederherstellung bzw. Steigerung der Unternehmenseffizienz und des Unternehmenserfolgs). Demgemäß überschneiden sich die zu erbringenden Tätigkeiten weitgehend, soweit dies die Erfassung der Unternehmenssituation und -probleme sowie die Erarbeitung von unternehmerischen Lösungsmöglichkeiten betrifft; zum Leistungsspektrum von Unternehmensberatungsdiensten zählen dem entsprechend häufig auch Angebote aus dem Bereich der Unternehmensverwaltung. Unterschiede bestehen letztlich vor allem in der Art der Ausführung der Dienstleistungen, die bei Unternehmensberatung nur in beratender Form erfolgt (vgl. schon [X.], Beschluss vom 27.03.2007, 33 W (pat) 250/04).

2. Die Widerspruchsmarke verfügt für die Dienstleistungen der Klasse 35 von Haus aus über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

Die Kennzeichnungskraft eines Zeichens ist stets produkt- bzw. dienstleistungsbezogen festzustellen, da sie je nach Ware oder Dienstleistung für die das Zeichen eingetragen ist, unterschiedlich sein kann ([X.] [X.] 2004, 779, 781 – Zwilling/[X.]). Es ist zwar gerichtsbekannt, dass die Widerspruchsmarke „[X.]“ im Automobilbereich einen äußerst hohen Bekanntheitsgrad aufweist. Anhaltspunkte für eine erhöhte Verkehrsgeltung in Bezug auf die Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“, die hier die Ähnlichkeit bzw. Identität zu den angegriffenen Dienstleistungen begründen, liegen jedoch nicht vor und vermag auch das vorgelegte Gutachten von [X.] vom September 1997 zur Bekanntheit, Verkehrsgeltung und Qualitätsvorstellungen von „[X.]“ nicht zu liefern. Das Gutachten belegt lediglich die hohe Verkehrsbekanntheit des Zeichens „[X.]“ als solches sowie als Herkunftszeichen im Automobilbereich, nicht aber als Marke für die hier relevanten Dienstleistungen aus der Klasse 35. Auch eine Ausstrahlungswirkung der erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für Waren der Klasse 12 „Fahrzeuge“ auf die Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ kann nicht angenommen werden, weil es sich dabei nicht um eng verwandte Waren und Dienstleistungen handelt (vgl. [X.] in [X.]/[X.], a. a. O., § 9 Rn. 171).

Auszugehen ist daher von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke.

3. Die hier relevanten Vergleichsdienstleistungen richten sich an das unternehmerische Fachpublikum; es ist daher eine etwas erhöhte Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise zugrunde zu legen.

4. Bei der festgestellten Ausgangslage sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Markenabstand strenge Anforderungen zu stellen; im Bereich der ähnlichen Dienstleistungen sind die Anforderungen etwas geringer. Diesen jeweiligen Anforderungen wird die angegriffene Marke aber nicht gerecht. Denn im Hinblick auf die selbständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils „[X.]“ in der jüngeren Marke kann eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] 2 [X.] nicht ausgeschlossen werden.

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente ([X.] [X.] 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/[X.]; [X.] 2012, 1040 Rn. 25 – [X.]/pure; [X.] 2008, 909 Rn. 13 – Pantogast; [X.] 2008, 905 Rn. 12 – [X.]). Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. [X.] [X.] Int. 2014, 459 Rn. 42 – [X.]; [X.] Int. 2012, 754 Rn. 63 – [X.] Marken GmbH/[X.] [Linea Natura Natur hat immer Stil]; [X.] Int. 2010, 129., Rn. 60 – [[X.]/[X.]]; [X.] [X.] 2004, 779, 781 – Zwilling/ [X.]). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können ([X.] [X.] 2005, 1042 Rn. 28 – [X.] LIFE; [X.] [X.] 2012, 64 Rn. 14 – Maalox/[X.]). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen. Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist im Klang, im (Schrift)Bild und im [X.] zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus ([X.] [X.] 2009, 1055 Rn. 26 – airdsl; [X.]Z 139, 340, 347 – [X.]; [X.] MarkenR 2008, 393 Rn. 21 – HEITEC).

a) Zwar ist eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken

Abbildung

und

[X.]

nicht zu besorgen.

Die Marken in ihrer Gesamtheit unterscheiden sich klanglich, schriftbildlich und begrifflich deutlich durch die in der jüngeren Marke zusätzlich enthaltenen Wortbestandteile „Tax“ und „Management Beratung GmbH“ sowie durch deren grafische Gestaltung.

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr kommt daher nur in Betracht, wenn das in der angegriffenen Marke enthaltene Wort „[X.]“ eine kollisionsbegründende Stellung einnimmt, indem es eine die Gesamtmarke prägende Funktion aufweist, und demzufolge die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können. Hiervon ist jedoch nicht auszugehen.

Audi“ und „Tax“ jeweils in Großbuchstaben gehalten sind und die übrigen Buchstaben sog. Kapitälchen – nämlich Großbuchstaben in der Größe von Kleinbuchstaben - darstellen. Über diesen befindet sich jeweils ein auf der Höhe der [X.] und T angeordneter dünner Balken. Durch dieses Schriftbild entsteht eine Klammerwirkung, die einer schriftbildlichen Prägung der angegriffenen Marke nur durch „[X.]“ entgegenwirkt.

Auch klanglich wird die jüngere Marke nicht allein durch das Wort „[X.]“ geprägt. Für den phonetischen [X.] ist maßgeblich, wie die Marken von den angesprochenen Verkehrskreisen mündlich wiedergegeben werden, wenn sie die Marke in ihrer registrierten Form vor sich haben. Die klangliche Wiedergabe kann dabei auch durch die grafische Gestaltung der Marke beeinflusst werden ([X.] in [X.]/[X.], a. a. O., § 9 Rn. 280). Die unter der Wortkombination „[X.]Tax“ deutlich kleiner und ohne Fettdruck angeordnete Wortfolge „Management Beratung GmbH“ stellt für die hier geschützten Beratungsdienstleistungen eine glatt beschreibende Angabe dar; dieser schutzunfähige Wortbestandteil wird für den Gesamteindruck der Marke vom Verkehr vernachlässigt werden. Bei dem Wort „Tax“ (= [X.] Begriff für „Steuer, Abgabe“) handelt es sich – worauf die Beschwerdeführerin im Übrigen selbst hinweist – ebenfalls um eine beschreibende Angabe. Gleichwohl liegt eine Benennung nur durch den kennzeichnungskräftigen Bestandteil „[X.]“ nicht nahe. Denn auch kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Bestandteile können zum Gesamteindruck beitragen, was hier durch die konkrete Gesamtgestaltung, insbesondere die Verbindung des Wortes „[X.]“ mit dem Wort „Tax“ nahe gelegt wird. Es handelt sich bei der jüngeren Marke um ein Zeichen, bei dem der Verkehr wegen der grafischen Ausgestaltung keine Veranlassung hat, das Wort „Tax“ bei der Benennung wegzulassen.

Stehen sich daher „[X.]Tax“ und „[X.]“ gegenüber, wird der angesprochene Verkehr diese weder klanglich noch begrifflich füreinander halten, so dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen ist.

b) Obwohl die beteiligten Verkehrskreise die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen, ist vorliegend aber die Gefahr zu bejahen, dass die sich gegenüberstehenden Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, § 9 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 [X.].

Diese Art der Verwechslungsgefahr liegt nur dann vor, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen ([X.] [X.] 2005, 1042 Rn. 28 f. – [X.] LIFE; [X.] [X.] 2010, 646 Rn. 15 – [X.]; [X.] 2008, 258 Rn. 33 – INTERCONNECT/T-InterConnect; Büscher, in: [X.][X.]/[X.], a. a. O., § 14 [X.] Rn. 488). Allein der Umstand, dass die beiden Bestandteile der zusammengesetzten jüngeren Marke „[X.]Tax“ den Gesamteindruck der Marke gleichermaßen bestimmen, weil keiner dieser Bestandteile das Erscheinungsbild der Marke prägt, führt aber noch nicht zur Bejahung einer selbständig kennzeichnenden Stellung (vgl. Büscher in [X.] [X.]/ [X.] a. a. O. § 14 [X.] Rn. 420); es reicht auch nicht aus, dass ein Zeichen geeignet ist, bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hervorzurufen ([X.] [X.] 2010, 729 Rn. 43 – [X.]). Es müssen vielmehr besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, in einem zusammengesetzten Zeichen einzelne oder mehrere Bestandteile als selbständig kennzeichnend anzusehen (vgl. [X.] [X.] 2013, 833 Rn. 50 – Culinaria/ [X.]). Solche Umstände sind im Streitfall erkennbar.

t“ und „Tax“ gelesen. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass die Beschwerdeführerin das Zeichen als Hinweis auf ihren Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich der Sanierungsberatung unter Zusammenarbeit mit Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern verstanden wissen will. Maßgeblich ist vielmehr die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise; jedenfalls relevante Teile hiervon haben aber wegen der konkreten Binnengroßschreibung und der eigenständigen Bedeutung von „[X.]“ bzw. des ihm bekannten Unternehmenskennzeichens keine Veranlassung von der von der Inhaberin der angegriffenen Marke bevorzugten Lesart auszugehen.

Ferner spricht für eine selbständig kennzeichnende Stellung des mit dem [X.] übereinstimmenden Bestandteils in dem mehrgliedrigen angegriffenen Zeichen der Umstand, dass es sich bei der übernommenen älteren Marke um das äußerst bekannte Firmenschlagwort der Widersprechenden [X.] AG handelt (vgl. [X.] [X.] 2009, 484 Nr. 80       – METROBUS).

Die beiden im angegriffenen Zeichen in Binnengroßschreibung miteinander kombinierten Wortbestandteile „[X.]“ und „Tax“ sind schließlich auch nicht in einer der selbständig kennzeichnenden Stellung des Bestandteils „[X.]“ entgegenwirkenden Art und Weise miteinander zu einer gesamtbegrifflichen Aussage verbunden.

Durch die Übernahme des bekannten Unternehmensschlagworts in die jüngere Marke der Beschwerdeführerin in selbstständig kennzeichnender Stellung wird der Anschein von Unternehmenszusammenhängen geweckt, der Verkehr wird mithin von wirtschaftlichen oder organisatorischen Verbindungen zum [X.]-Konzern ausgehen. Es liegt daher eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne vor.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke konnte nach alledem keinen Erfolg haben und war daher zurückzuweisen.

Zur Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestand kein Anlass.

Meta

29 W (pat) 539/15

18.08.2017

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.08.2017, Az. 29 W (pat) 539/15 (REWIS RS 2017, 6430)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6430

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Wird zitiert von

29 W (pat) 14/19

Zitiert

I ZR 30/16

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