Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.03.2016, Az. XI R 21/14

11. Senat | REWIS RS 2016, 15343

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Gegenstand

Zur (zweifachen) Berichtigung der Umsatzsteuer bei und nach der Bestellung eines sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters


Leitsatz

1. Bestellt das Insolvenzgericht einen sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter, ist der Steuerbetrag für die steuerpflichtigen Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG wegen Uneinbringlichkeit zu berichtigen (erste Berichtigung) .

2. Eine nachfolgende Vereinnahmung des Entgelts durch den sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung des Steuerbetrages und begründet eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. April 2014  7 K 7337/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] (GmbH).

2

Im Juni 2012 ordnete das Amtsgericht (AG) über das Vermögen der GmbH die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestimmte den Kläger zum sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter, indem es der GmbH gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 der Insolvenzordnung ([X.]) ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegte. Das AG eröffnete im Juli 2012 das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

3

Der Kläger vereinnahmte nach seiner Bestellung zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter bis zum 31. Dezember 2012 Entgelte in Höhe von 26.529,54 € (netto) für Leistungen, die die GmbH vor der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ausgeführt hatte. Die darauf entfallende Umsatzsteuer erklärte er in den von ihm unter der [X.] der GmbH eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen aufgrund der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) im Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 22/10 ([X.]E 232, 301, BStBl II 2011, 996) als umsatzsteuererhöhenden Steuerbetrag gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des [X.]es (UStG). Zugleich aber legte der Kläger hiergegen Einsprüche ein, mit denen er geltend machte, die Umsatzsteuer sei --entgegen dieser [X.]-Rechtsprechung-- nicht zu berichtigen. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Daraufhin erhob der Kläger Klage.

4

Den vom Kläger gestellten Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer für den Monat Juli 2012 lehnte der Senat --nachdem das Finanzgericht ([X.]) diesem Antrag stattgegeben hatte-- mit Beschluss vom 11. Juli 2013 XI B 41/13 ([X.]/NV 2013, 1647, [X.], 917) ab. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides.

5

Während des Klageverfahrens stimmte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) am 11. März 2013 der vom Kläger erstellten Umsatzsteuererklärung für 2012 (festgesetzte Steuer: 13.592,16 €) zu.

6

Das [X.] gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1427 veröffentlichtem Urteil statt und setzte die Umsatzsteuer für 2012 antragsgemäß auf 9.363,99 € fest.

7

Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die gemäß § 168 der Abgabenordnung einer Umsatzsteuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehende Umsatzsteuererklärung für 2012 des [X.] entspreche zwar dem [X.]-Urteil in [X.]E 232, 301, BStBl II 2011, [X.] Diesem Urteil sei aber nicht zu folgen. Ein Wechsel in der Vertretungs- und/oder Verfügungsmacht des Forderungsgläubigers begründe vielmehr keine Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bezüglich der zuvor dem Insolvenzschuldner zustehenden Entgelte. Auch in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge oder des Wegfalls einer Organschaft führe der Wechsel der Verfügungsmacht über eine Entgeltforderung für einen steuerpflichtigen Umsatz nicht zu einer Berichtigung nach dieser Vorschrift.

8

Die in dem bezeichneten [X.]-Urteil vertretene Rechtsauffassung verstoße zudem gegen Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens falle nicht unter diese Bestimmung. Nur der nationale Gesetzgeber sei berechtigt, eine Regelung zu treffen, die eine Umsatzsteuerberichtigung im [X.] an die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorsehe. Dies sehe § 17 UStG jedoch nicht vor.

9

Das [X.] rügt mit seiner Revision eine Abweichung von der Rechtsprechung des [X.].

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er verweist auf die nach seiner Ansicht zutreffende Begründung des [X.]. Ergänzend macht er u.a. geltend, dass der Insolvenzschuldner auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen Träger der Unternehmereigenschaft bleibe. Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters im Rahmen seines Amtes werde dem Insolvenzschuldner zugerechnet; es finde kein Rechtsträgerwechsel statt. Die vom [X.] vorgenommene Aufteilung in "Unternehmensteile" mit materieller umsatzsteuerrechtlicher Wirkung finde keine Stütze im [X.].

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Entgegen der Auffassung des [X.] sind die Entgelte für die von der GmbH vor der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten steuerpflichtigen Leistungen durch die Bestellung des [X.] zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich geworden (erste Berichtigung). Die nachfolgende Vereinnahmung der Entgelte für diese Leistungen durch den Kläger führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung und begründet gemäß § 55 [X.] Masseverbindlichkeiten. Die vom [X.] geäußerte Kritik an der Rechtsprechung des [X.] greift nicht durch.

1. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt für eine uneinbringliche Forderung nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Diese erneute Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im [X.]punkt der Vereinnahmung vorzunehmen.

a) [X.] ist ein Entgelt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare [X.] rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 20. Juli 2006 V R 13/04, [X.]E 214, 471, [X.], 22, Leitsatz 1; vom 12. August 2009 XI R 4/08, [X.]/NV 2010, 393, Rz 20; vom 24. Oktober 2013 V R 31/12, [X.]E 243, 451, [X.], 674, Rz 19).

b) Nach der Rechtsprechung des [X.] des [X.] werden noch ausstehende Entgelte für zuvor erbrachte steuerpflichtige Leistungen eines Unternehmers gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich, wenn über sein Vermögen gemäß § 27 [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Denn gemäß § 80 Abs. 1 [X.] geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten oder über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Folglich ist der Unternehmer dann aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da sie im Rahmen der Masseverwaltung und [X.] zu vereinnahmen sind und damit zum Bereich der Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 [X.] gehören (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 232, 301, [X.] 2011, 996, Rz 30; vom 24. November 2011 V R 13/11, [X.]E 235, 137, [X.], 298, Rz 51 ff.; vom 24. September 2014 V R 48/13, [X.]E 247, 460, [X.], 506, Rz 27).

c) Auch wenn das Insolvenzgericht --vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 [X.])-- gemäß § 21 [X.] einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug bestellt, ist der Steuerbetrag für die steuerpflichtigen Leistungen, die der Unternehmer vor oder nach der Verwalterbestellung bis zum Abschluss des [X.] erbracht hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 247, 460, [X.], 506, Leitsatz 2).

Zwar ergibt sich das Recht zum Forderungseinzug hier nicht aus den einem Insolvenzverwalter gemäß §§ 80 ff. [X.] zustehenden Befugnissen. [X.] das Insolvenzgericht aber entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 3 [X.] bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 [X.]) das Verbot an Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen, und ermächtigt es den vorläufigen Insolvenzverwalter, Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen (§ 22 Abs. 2 [X.]), wird damit das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber [X.] gemäß § 24 Abs. 1 [X.] in einer Weise geregelt, die § 80 Abs. 1 und § 82 [X.] entspricht (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 247, 460, [X.], 506, Rz 28, m.w.N.).

d) Nichts anderes gilt für die im Streitfall vorliegende Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 [X.]). Auch hierdurch ist das Rechtsverhältnis zwischen dem Insolvenzschuldner und dem (starken) vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 24 Abs. 1 [X.] in einer Weise geregelt worden, die § 80 Abs. 1 und § 82 [X.] entspricht.

Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 [X.]), so geht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den (starken) vorläufigen Insolvenzverwalter über (vgl. dazu [X.]-Urteil vom 28. Februar 2008 V R 44/06, [X.]E 221, 415, [X.], 586, unter [X.], Rz 52 ff.). Die Bestimmungen in §§ 81 und 82 [X.] gelten entsprechend (§ 24 Abs. 1 [X.]). Die rechtlichen Befugnisse des starken vorläufigen Insolvenzverwalters entsprechen denjenigen eines Insolvenzverwalters, der ebenfalls berechtigt ist, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners zu verwalten und über es zu verfügen (§ 80 Abs. 1 [X.]; vgl. z.B. Beschluss des [X.] vom 11. Januar 2007 IX ZB 271/04, [X.]schrift für das gesamte Insolvenzrecht 2007, 267, unter [X.] (b), Rz 17; FK-[X.]/[X.], § 22 Rz 8; MünchKomm[X.]/Haarmeyer, 3. Aufl., § 22 Rz 36; [X.] in [X.], Insolvenzordnung, 6. Aufl., § 22 Rz 9).

2. Nach diesen Grundsätzen sind die von der GmbH vor der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten Leistungen durch die Bestellung des [X.] zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH uneinbringlich geworden. [X.] der Kläger danach Entgelte für diese Leistungen, ist die Umsatzsteuer (zum zweiten Mal) zu berichtigen. Die dadurch entstehende Umsatzsteuer stellt eine Masseverbindlichkeit dar.

a) Die Umsatzsteuer für die von der GmbH ausgeführten steuerpflichtigen Leistungen ist mit Ablauf des [X.] entstanden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG). Die Steuerbeträge sind allerdings durch die Bestellung des starken vorläufigen Insolvenzverwalters uneinbringlich geworden und nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen (vgl. dazu [X.]-Urteile in [X.]E 235, 137, [X.], 298, Rz 52; in [X.]E 247, 460, [X.], 506, Rz 26 ff.; [X.]-Beschluss vom 11. März 2014 V B 61/13, [X.]/NV 2014, 920, Rz 6).

b) Die Vereinnahmung der zuvor uneinbringlich gewordenen Entgelte durch den Kläger führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung (vgl. z.B. [X.]-Urteile in [X.]E 232, 301, [X.] 2011, 996, Rz 31; in [X.]E 247, 460, [X.], 506, Rz 33).

c) Die aufgrund dieser Vereinnahmung entstehende Umsatzsteuer stellt eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 [X.] dar.

aa) Masseverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 [X.] gelten als Masseverbindlichkeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist. Ebenso gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 4 [X.]).

bb) Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 [X.]) begründet die aufgrund der Vereinnahmung der ausstehenden Entgelte durch den Kläger (als Insolvenzverwalter) gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG entstehende Umsatzsteuer eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 232, 301, [X.] 2011, 996, Rz 32, m.w.N.). Für die Umsatzsteuer, die aufgrund der vom Kläger zuvor (als starker vorläufiger Insolvenzverwalter) vereinnahmten Entgelte entsteht, folgt die Einstufung als Masseverbindlichkeiten aus § 55 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Deswegen braucht hier nicht auf § 55 Abs. 4 [X.] eingegangen zu werden.

3. Die vom [X.] und vom Kläger an dieser Rechtsprechung geübte Kritik dringt nicht durch.

a) Entgegen der Auffassung des [X.] kommt es nach der Rechtsprechung des [X.] für den Eintritt der [X.]keit nicht auf den (formellen) Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter an. Maßgeblich ist vielmehr das damit einhergehende rechtliche Unvermögen der GmbH (als Gläubigerin und spätere Insolvenzschuldnerin), die ausstehenden Forderungen für die von ihr ausgeführten Leistungen einzuziehen. Das rechtliche Unvermögen des Gläubigers, seine Forderung durchzusetzen, steht [X.] als das [X.] und der Kläger meinen-- wirtschaftlich der Zahlungsunfähigkeit oder dem mangelnden Zahlungswillen des Schuldners gleich, die die Hauptanwendungsfälle des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bilden (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 10. März 1983 V B 46/80, [X.]E 138, 107, [X.] 1983, 389, unter 3., Rz 14; vom 7. Januar 1998 V B 106/97, [X.]/NV 1998, 1003; Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 2 des [X.]; s. auch [X.]-Beschluss vom 26. Februar 2008 XI B 169/07, [X.]/NV 2008, 830, unter 3., Rz 10 f.).

b) Diese --hier allein maßgebliche-- Auslegung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG verstößt entgegen der Auffassung des [X.] weder gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (§ 1 [X.]) noch führt sie zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des Fiskus (vgl. dazu [X.]-Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, [X.]E 224, 24, [X.] 2009, 682, unter [X.], Rz 20 ff.; in [X.]E 235, 137, [X.], 298, Rz 54; [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2014, 920, Rz 7).

c) Soweit der Kläger der Auffassung ist, die Aufteilung in "Unternehmensteile" finde keine Stütze im [X.], vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Der Grundsatz der Unternehmenseinheit nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers fort. Bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts besteht das Unternehmen nach Verfahrenseröffnung jedoch aus mehreren Unternehmensteilen (vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil, Insolvenzmasse und insolvenzfreies Vermögen), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können (vgl. z.B. [X.]-Urteile in [X.]E 232, 301, [X.] 2011, 996, Rz 28 f.; in [X.]E 235, 137, [X.], 298, Rz 11; vom 20. Dezember 2012 V R 23/11, [X.]E 240, 377, [X.] 2013, 334, Rz 9; jeweils m.w.N.).

d) Die unter II.2. dargelegte Rechtsprechung des [X.] ist --entgegen der Auffassung des [X.]-- mit Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL vereinbar. Das hat der [X.] des [X.] bereits im Einzelnen dargelegt (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 247, 460, [X.], 506, Rz 38; ebenso [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2014, 920, Rz 12). Dem schließt sich der erkennende Senat an.

e) Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] (vgl. dazu Beschluss des [X.] vom 30. August 2010  1 BvR 1631/08, Neue Juristische Wochenschrift 2011, 288, unter [X.]; [X.]-Urteil vom 12. Dezember 2012 XI R 36/10, [X.]E 239, 534, [X.] 2013, 412, Rz 39 ff., m.w.N.) besteht trotz der im [X.] Recht möglicherweise abweichenden insolvenzrechtlichen Behandlung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten (vgl. dazu [X.], [X.], 1485, 1488) nicht (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2014, 920, Rz 12).

4. Das [X.] ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung, aber vor der Bestellung des [X.] zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter ausgeführten Umsätze die Höhe der im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid festgesetzten Umsatzsteuer beeinflusst.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

XI R 21/14

01.03.2016

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 2. April 2014, Az: 7 K 7337/12, Urteil

§ 17 Abs 2 Nr 1 UStG 2005, Art 90 EGRL 112/2006, § 21 InsO, § 22 InsO, § 23 InsO, § 24 InsO, § 27 InsO, § 55 InsO, § 80 InsO, § 82 InsO, Art 267 Abs 3 AEUV, UStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.03.2016, Az. XI R 21/14 (REWIS RS 2016, 15343)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15343

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