Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2015, Az. 4 StR 270/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 1493

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 270/15

vom
1. Dezember
2015
in der Strafsache
gegen

wegen
gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines

Unglücksfalls u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des
Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1.
Dezember 2015 gemäß §
154 Abs.
2, §
349 Abs.
2 und 4 [X.] beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12.
September 2014 wird
a)
das Verfahren in den Fällen
II.
B.
3, 4 und 10.1 der
Urteilsgründe eingestellt; insoweit trägt die [X.] die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
b)
das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, dass der Angeklagte des gefährlichen Eingriffs in den Straßen-verkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls und zur Ermöglichung einer Straftat in zehn Fällen, davon in neun Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung und in einem Fall in weiterer Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, des Betruges in zehn Fällen und des versuchten Betruges in Tateinheit mit uneidlicher Falschaussage schuldig ist.
2.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3.
Der Angeklagte hat die weiteren Kosten seines Rechtsmit-tels zu tragen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls und zur Ermög-lichung einer Straftat in zwölf Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, davon in zehn Fällen tateinheitlich mit Sachbeschädigung und in einem Fall tat-einheitlich mit gefährlicher Körperverletzung, sowie wegen Betruges in elf Fäl-len, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, wegen falscher Verdächtigung und wegen uneidlicher Falschaussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, wovon ein Jahr als vollstreckt gilt. Im Übrigen hat es ihn frei-gesprochen. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf Verfahrensrügen und sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Verfahrensbeschränkung gemäß §
154 Abs.
2 [X.] und zu einer Änderung und Neufassung des Schuldspruchs; im Übrigen hat es keinen Erfolg.
1.
Auf Antrag des [X.] stellt der [X.] das Verfahren in den Fällen
II.
B.
3, 4 und 10.1 der Urteilsgründe gemäß §
154 Abs.
2 [X.] ein, weil Bedenken bestehen, ob die bisher getroffenen Feststellungen die Tat-vorwürfe des versuchten bzw. vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Stra-ßenverkehr sowie der falschen Verdächtigung tragen und der
Angeklagte im Fall
II.
B.
3 zudem zu Recht rügt, auf den veränderten rechtlichen Gesichts-punkt der versuchten Straftat nicht hingewiesen worden zu sein.
2.
Die Rüge, Rechtsanwältin

M.

sei trotz eines gravierenden
Interessenkonflikts zur Pflichtverteidigerin bestellt worden, greift im Ergebnis nicht durch.
1
2
3
-
4
-
a)
Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: Die An-klage vom 26.
Juli 2010 legte dem Angeklagten zur Last, in neun Fällen über Rechtsanwalt K.

betrügerisch zivilrechtliche Ansprüche im Zusam-
menhang mit von ihm absichtlich herbeigeführten Verkehrsunfällen geltend ge-macht zu haben. Die [X.] regte nach Eingang der Anklage gegenüber der Staatsanwaltschaft an, zu überprüfen, ob gegen Rechtsanwalt K.

ein Ermittlungsverfahren einzuleiten sei, was daraufhin am 18.
August 2010 geschah. Der Angeklagte hatte am 7.
Juli 2009 Rechtsanwältin

M.

mit seiner Verteidigung beauftragt, welche ihre Tätigkeit in Sozietät mit Rechts-anwalt K.

ausübt und die den Angeklagten in einem weiteren Fall der
Anklage,
der später vom Gericht gemäß §
154 Abs.
2 [X.] eingestellt wurde, zivilrechtlich vertreten hatte. Im Termin zur Verkündung des Haftbefehls am 19.
August 2010 stellte Rechtsanwältin

M.

den Antrag, als Pflicht-
verteidigerin beigeordnet zu werden. Die Staatsanwaltschaft äußerte keine Be-denken. Mit Verfügung des Vorsitzenden
der [X.]
vom 30.
August 2010 wurde Rechtsanwältin

M.

zur Verteidigerin bestellt.
b)
Die Revision ist der Auffassung, dass in der Person der Pflichtverteidi-

M.

& K.

ihrem Sozius im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit verursacht worden [X.]. Das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln des Mitgesellschafters sei der Sozietät als [X.] gemäß §
31 BGB zuzurechnen. Im Hinblick auf die Summe der Schäden in den Fällen, in denen Rechtsanwalt K.

für den Angeklagten tätig geworden sei, habe ein ganz erhebliches eigenes wirtschaftliches Interesse der Pflichtverteidigerin an dem Ergebnis der Beweis-aufnahme bestanden. Sie habe den Angeklagten nicht mehr unabhängig und 4
5
-
5
-
unbeeinflusst etwa über die Möglichkeit und den Inhalt eines frühen und umfas-senden Geständnisses beraten können.
c)
Es trifft zwar zu, dass ein konkret manifestierter Interessenkonflikt ein Grund ist, von der [X.] abzusehen oder eine bereits be-stehende Bestellung aufzuheben (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Januar 2003

5
StR
251/02, [X.]St 48, 170, 173; Urteil vom 11.
Juni 2014

2
StR
489/13, [X.]R [X.] §
24 Abs.
2 [X.]
1), zumindest ist der Angeklagte zu einem möglichen Interessenkonflikt anzuhören
(vgl. [X.], Beschluss vom 15.
November 2005

3
StR
327/05, [X.]R [X.] §
142 Abs.
1 Auswahl
10).
Ob ein solcher Interessenkonflikt hier die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestel-lung geboten hätte, kann dahinstehen. Denn
der [X.] kann im vorliegenden Fall ausschließen, dass das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruhen würde. Die Hauptverhandlung hat an 33
Tagen stattgefunden; ab dem 10.
Hauptver-handlungstag war der Angeklagte zusätzlich durch die Wahlverteidigerin S.

verteidigt. Ein Antrag auf Entpflichtung der Verteidigerin

M.

ist nicht
gestellt worden, auch nicht von der Wahlverteidigerin S.

. Anhaltspunkte für
eine unzureichende Verteidigung bestehen nicht, zumal die Pflichtverteidigerin

M.

schon vor dem Auftreten der Wahlverteidigerin ein Geständnis
des Angeklagten bei einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe in Aussicht gestellt hatte, wie der Vermerk des Vorsitzenden über das [X.] vom 8.
Januar 2014 ausweist.
3.
Die weiteren Verfahrensrügen greifen aus den Gründen der Antrags-schrift des [X.] vom 25.
Juni 2015 nicht durch.
4.
Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt in zwei Fällen zu einer Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils 6
7
8
-
6
-
aus den vom [X.] in der Antragsschrift vom 25.
Juni 2015 dargelegten Gründen keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler ergeben (§
349 Abs.
2 [X.]).
a)
In den Fällen
II.
B.
16a und 16b der Urteilsgründe hält die Annahme zweier selbständiger Taten des versuchten Betruges und der falschen uneid-lichen Aussage aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 25.
Juni 2015 der rechtlichen Prüfung nicht stand. Der [X.] hat den Schuldspruch entsprechend geändert; die Einzelstrafe von zehn Monaten im Fall
16a der Urteilsgründe entfällt.
b)
Zu Fall
II.
B.
18 der Urteilsgründe hat der [X.] in [X.] Zuschrift zutreffend ausgeführt:

n gefährlichen Werkzeugs nach §
224 Abs.
1 Nr.
2 StGB begeht, wer sein Opfer durch ein von
außen unmittelbar
auf den Körper wirkendes gefährliches Tatmittel kör-perlich misshandelt oder an der Gesundheit beschädigt (st. Rspr., vgl. nur [X.], Beschluss vom
30.
Juli 2013

4
StR
275/13). Vorliegend wurden die Schmerzen des Geschädigten aber erst durch den infolge des Anstoßes ausgelösten [X.] und den anschließenden frontalen Aufprall auf einen Mast verursacht (UA S.
58), sind demnach nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Kraftfahrzeug und Körper zurückzuführen und können daher die Beurteilung als gefährliche Kör-perverletzung nicht tragen (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 20.
De-zember 2012

4
StR
292/12

Der [X.] hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Die [X.] im Fall
II.
B.
18 kann bestehen bleiben, denn der Tatrichter hat nicht straf-schärfend berücksichtigt, dass die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs begangen worden ist.
9
10
11
-
7
-
5.
Der [X.] schließt aus, dass die von der [X.] verhängte Ge-samtfreiheitsstrafe angesichts der verbleibenden Einsatzstrafe von zwei Jahren und drei Monaten und der weiteren zwanzig Einzelstrafen von zwei Jahren,
einem Jahr und zehn Monaten, einem Jahr und neun Monaten, [X.] einem Jahr und acht Monaten, [X.] einem Jahr und sechs Monaten, einem Jahr und vier Monaten, [X.] einem Jahr und drei Monaten, einem Jahr, [X.] zehn Monaten, neun Monaten sowie [X.] sechs Monaten ohne die infolge der Verfahrensbeschränkung und der Schuldspruchänderung entfallenen Ein-zelstrafen von einem Jahr und vier Monaten, zehn Monaten, acht Monaten so-wie 90
Tagessätzen geringer ausgefallen wäre.
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 18.
November 2015 hat dem [X.] vorgelegen.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

Mutzbauer
Quentin
12
13

Meta

4 StR 270/15

01.12.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2015, Az. 4 StR 270/15 (REWIS RS 2015, 1493)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1493

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4 StR 270/15

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