Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.12.2015, Az. 2 StR 177/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 1299

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafverfahren: Tatsächliche Bedeutungslosigkeit einer Beweistatsache


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 13. November 2014, soweit es ihn betrifft, hinsichtlich der Einzelstrafe bezüglich der Fälle [X.]/10 der Urteilsgründe sowie im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, hinsichtlich der Einzelstrafe im Fall II.8 der Urteilsgründe sowie im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hatte mit Urteil vom 30. Oktober 2012 den Angeklagten [X.]wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren, den Angeklagten [X.]  wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubter Einfuhr eines Grundstoffs, der zur Herstellung von Betäubungsmitteln bestimmt ist, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit Beschluss vom 26. März 2014 hatte der [X.] auf die Revision des Angeklagten [X.]das Urteil, soweit es ihn betrifft, hinsichtlich der [X.] in den Fällen II.1 und [X.]/10 der Urteilsgründe sowie im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen und auf die Revision des Angeklagten [X.]   , soweit es ihn betrifft, hinsichtlich der [X.] in den Fällen II.4 und II.8 der Urteilsgründe sowie im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die weitergehenden Revisionen verworfen. Nunmehr hat das [X.] den Angeklagten [X.]zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten und den Angeklagten [X.]  zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Anordnung über den Verfall von Wertersatz getroffen. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten [X.]führt zur Aufhebung einer Einzelstrafe sowie des [X.]s. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten [X.]    hat mit einer Verfahrensrüge ebenfalls hinsichtlich einer Einzelstrafe und der Gesamtfreiheitsstrafe Erfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel offensichtlich unbegründet.

2

1. [X.] im Fall [X.]/10 der Urteilsgründe hinsichtlich des Angeklagten [X.]hat keinen Bestand. Das [X.] hat - anders als beim Angeklagten A.  ([X.]) - im Rahmen der Strafzumessung nicht berücksichtigt, dass die Taten [X.] und [X.] der Urteilsgründe, zu denen der Angeklagte [X.]Beihilfe geleistet hat, durch Polizeikräfte überwacht war (vgl. [X.], 662; [X.], Beschluss vom 26. März 2014 - 2 [X.]). Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Einzelstrafe; damit wird dem [X.] die Grundlage entzogen.

3

2. Die Revision des Angeklagten [X.]    hat hinsichtlich des Strafausspruchs im Fall II.8 der Urteilsgründe mit der Rüge der Verletzung von [X.] Erfolg. Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:

4

In der Hauptverhandlung beantragte der Angeklagte, den [X.]      zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass er sich auf den Fall II.8 der Urteilsgründe mit der Motivation eingelassen habe, hierüber das bereits zu diesem Zeitpunkt beschädigte Vertrauen eines Mitangeklagten zurück zu gewinnen, um einen von ihm in der Folgezeit erwarteten [X.] der Gruppierung durch seine Mithilfe vereiteln und den Container ausliefern zu können. Zur Begründung führte er weiter aus, er habe sich bereits im [X.] 2009 an den Zeugen, einen ehemaligen Polizeibeamten, mit der Bitte gewandt, dieser möge einen Kontakt zum Zollfahndungsamt herstellen. Hintergrund sei die Anfrage gewesen, ob er sich an der logistischen Abwicklung eines zu schmuggelnden Seecontainers mit Zigaretten beteiligen wolle. Er habe sich vorgenommen, mit dem Mitangeklagten zu brechen, ihn und weitere Beteiligte auszuliefern und das Geschäft zu verhindern. Der Zeuge habe in der Folge den Kontakt zu einem für die [X.]        tätigen Mittelsmann, dem Zeugen [X.], vermittelt, um von dort aus für die beabsichtigte Vereitelung eine Vergütungszusage zu erhalten. Nach der ersten Kontaktaufnahme Ende 2009 habe der Zeuge von ihm (bereits im Jahre 2010) erfahren, dass er um Hilfe betreffend der Einfuhr eines Seecontainers aus [X.] (= Fall II.8 der Urteilsgründe) gebeten worden sei und dass er sich darauf einlassen wolle, um das durch die Zurückweisung einer vorangegangenen Bitte verloren gegangene Vertrauen zurück zu gewinnen und sich als Ansprechpartner zum Schein wieder ins Gespräch zu bringen. Der Angeklagte war dabei der Ansicht, diese Motivation sei bei der Bemessung der Einzelstrafe erheblich strafmildernd zu berücksichtigen.

5

Das [X.] hat den Beweisantrag mit der Begründung zurückgewiesen, das bezeichnete Beweismittel sei völlig ungeeignet. Der Zeuge solle zu einer inneren Motivationslage des Angeklagten Stellung nehmen, was jedoch nicht Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung gewesen sein könne. Hiergegen erhob der Angeklagte eine Gegenvorstellung, in der er darauf hinwies, dass er dem Zeugen von seiner Absicht (an der Beteiligung des Geschäfts im Fall II.8 der Urteilsgründe) unter dem Aspekt der Vertrauensbildung als Basis für einen späteren [X.] berichtet habe. Das [X.] hat auch die Gegenvorstellung zurückgewiesen, weil auch für den Fall, dass der Zeuge die in der Antragsbegründung erwähnten Gespräche bestätigen würde, dies keinen zwingenden Rückschluss auf das tatsächliche Vorliegen einer inneren Motivationslage des Angeklagten zulasse, den die Kammer so auch nicht ziehen möchte. Insoweit sei die unter Beweis gestellte Behauptung ohne tatsächliche Bedeutung.

6

Dies hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand. Das [X.] durfte den Antrag des Angeklagten nicht in der geschilderten Weise ablehnen. Entgegen der Ansicht des [X.] in seiner Antragsschrift handelte es sich vorliegend um einen gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zu behandelnden Beweisantrag. Der Angeklagte stellte nicht lediglich die Wertung des benannten Zeugen im Hinblick auf seine innere Motivation bei der Ausführung der Tat II.8 der Urteilsgründe und damit ein Beweisziel unter Beweis, sondern dem Zeugenbeweis zugängliche Tatsachen, nämlich Gespräche, bei denen nach dem Vorbringen in der Gegenvorstellung auch über diese Motivation gesprochen worden sein sollte. Diesen so verstandenen Beweisantrag konnte die [X.] nicht unter Hinweis auf die Ungeeignetheit des Beweismittels zurückweisen; denn der benannte Zeuge wäre ersichtlich in der Lage gewesen, über die zwischen ihm und dem Angeklagten geführten Gespräche und deren Inhalt zu berichten.

7

Soweit sich die Kammer im Übrigen bei ihrer Zurückweisung des Beweisantrags auf die tatsächliche Bedeutungslosigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache gestützt hat, geht auch dies fehl. Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind Tatsachen, wenn der Nachweis ihres Vorliegens im Ergebnis nichts erbringen kann, weil er die Beweiswürdigung nicht zu beeinflussen vermag. Zur Prüfung der Erheblichkeit ist die unter Beweis gestellte Tatsache wie eine erwiesene Tatsache in das bisherige Beweisergebnis einzufügen; es ist zu fragen, ob hierdurch die Beweislage in einer für den Urteilsspruch relevanten Weise beeinflusst würde. Dabei ist die [X.] als Teil des Gesamtergebnisses in ihrer indiziellen Bedeutung zu würdigen (vgl. zuletzt [X.], [X.] NStZ 2015, 599 f.; st. Rspr.). Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Ablehnungsbegründung nicht gerecht. Die [X.] hat schon nicht - wie es notwendig gewesen wäre - die unter Beweis gestellte Tatsache, dass die Gespräche wie behauptet stattgefunden hätten, als erwiesenen Teil des Gesamtergebnisses gewürdigt. Sie hat sich im Ergebnis vielmehr darauf beschränkt, als erwiesen anzusehen, dass der Zeuge dies aussagen werde, und damit - da sie die Ablehnung darauf gestützt hat, seinen möglichen Angaben nicht folgen zu wollen - wesentliche Abstriche an der Beweisbehauptung vorgenommen.

8

Soweit das [X.] im Übrigen darauf hingewiesen hat, die Bekundung des Zeugen erlaube keinen zwingenden Schluss und den nur möglichen Schluss wolle es nicht ziehen, erweist sich auch dies als rechtsfehlerhaft. Der bloße Hinweis der [X.], den möglichen Schluss nicht ziehen zu wollen, genügt den insoweit erforderlichen Begründungsanforderungen nicht, da es an einer substantiierten Begründung fehlt ([X.], a.a.O.).

9

Auf der fehlerhaften Zurückweisung dieses Beweisantrags beruht der Strafausspruch im Fall II.8 der Urteilsgründe. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass sich die [X.] nach Anhörung des [X.]   (und auch des Zeugen O.  , der zum gleichen Beweisthema benannt worden war) die Überzeugung von der unter Beweis gestellten Motivation bei der Begehung der Straftat im Fall II.8 der Urteilsgründe verschafft und den Angeklagten insoweit zu einer milderen Freiheitsstrafe verurteilt hätte.

Fischer     

Krehl     

Ri[X.] Dr. Eschelbach
ist wegen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung
gehindert.

Fischer

Ott     

Zeng     

Meta

2 StR 177/15

03.12.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 13. November 2014, Az: 61 KLs 15/14

§ 244 Abs 3 S 2 Alt 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.12.2015, Az. 2 StR 177/15 (REWIS RS 2015, 1299)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1299

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 177/15 (Bundesgerichtshof)


2 StR 506/13 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikt: Verfahrensfehler bei Ablehnung eines Beweisantrags auf kommissarische Vernehmung eines Zeugen


3 StR 482/17 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt: Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln


3 StR 135/13 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Begründung der Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit


2 StR 506/13 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.