Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.07.2022, Az. 7 AZR 239/21

7. Senat | REWIS RS 2022, 5226

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Gegenstand

Befristung - Hochschule - Höchstbefristungsdauer


Tenor

Die Revision des beklagten [X.] gegen das Urteil des [X.]arbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. März 2021 - 8 [X.]/20 - wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 12. August 2019 geendet hat.

2

Der Kläger wurde von der [X.] mit Bescheid vom 6. Mai 1998 als Doktorand der Philosophie angenommen. Die Promotionszeit endete am 15. Dezember 2004 mit der erfolgreichen Verteidigung der Dissertation und der Verleihung des Doktorgrades. Über diese Daten erteilte die [X.] dem Kläger unter dem 7. August 2019 eine Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber.

3

Während seiner Promotionszeit war der Kläger vom 1. Mai 1997 bis 30. September 2000, vom 1. Mai 2001 bis 15. August 2001 und vom 1. August 2004 bis 30. September 2004 als wissenschaftliche Hilfskraft mit weniger als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit und vom 1. Dezember 2003 bis 31. Mai 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit an der [X.] beschäftigt. Dort war er auch nach Abschluss seiner Promotion in der [X.] vom 1. April 2008 bis zum 31. März 2011 auf der Grundlage zweier befristeter Arbeitsverträge in Vollzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. In der [X.] vom 13. Mai 2014 bis zum 12. August 2019 war er bei dem beklagten Land als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der [X.] auf der Grundlage von drei befristeten Arbeitsverträgen - zum Teil in Vollzeit, zum Teil in Teilzeit mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit - beschäftigt. Der letzte, zum 12. August 2019 befristete Arbeitsvertrag der Parteien vom 8. Juni 2017 enthält [X.]. folgende Bestimmungen:

        

„§ 1   

        

Herr Dr. M wird ab 01.07.2017 bis [X.] als vollbeschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiter nach § 56 Absatz 1 HochSchG weiterbeschäftigt. Die Lehrverpflichtung beträgt 8 Semesterwochenstunden.

        

§ 2     

        

...     

        

Die Befristung des Vertrages beruht auf § 30 Absatz 1 Satz 1 TV-L i.V.m. § 2 Absatz 1 Wiss[X.]VG.“

4

Mit seiner am 18. Juli 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem beklagten Land am 26. Juli 2019 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum 12. August 2019 geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung könne wegen Überschreitung der zulässigen [X.] von sechs Jahren nicht auf § 2 Abs. 1 Satz 2 Wiss[X.]VG gestützt werden.

5

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 8. Juni 2017 vereinbarten Befristung mit Ablauf des 12. August 2019 endet.

6

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Wiss[X.]VG gerechtfertigt. Die [X.] in der [X.] nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Wiss[X.]VG sei nicht überschritten, weil sie sich durch Einsparzeiten aus der Promotionsphase nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Wiss[X.]VG um 27,03 Monate verlängert habe. [X.]en, in denen der Kläger während seiner Promotionszeit in [X.] mit nicht mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit gestanden habe, seien nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Wiss[X.]VG auf die [X.] nicht anrechenbar und daher bei der Dauer der Promotionszeit für die Berechnung der Einsparzeiten nicht zu berücksichtigen. Auch die Beschäftigungszeiten des [X.] in der Promotionsphase mit einem Beschäftigungsumfang von mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit seien nicht zu berücksichtigen, soweit die Beschäftigung nicht der wissenschaftlichen Q[X.]lifizierung gedient habe.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung des beklagten [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land den [X.] weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des beklagten [X.] ist unbegründet. Das [X.]arbeitsgericht hat der Befristungskontrollklage zu Recht stattgegeben.

9

I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 8. Juni 2017 vereinbarten Befristung mit Ablauf des 12. August 2019 geendet. Die Befristung ist unwirksam. Das [X.]arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die im Arbeitsvertrag vom 8. Juni 2017 vereinbarte Befristung nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Wiss[X.]VG in der hier maßgeblichen am 17. März 2016 in [X.] getretenen Fassung (Wiss[X.]VG) gerechtfertigt ist. Auf andere [X.] außerhalb des Wiss[X.]VG hat sich das beklagte Land nicht berufen.

1. Die Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 8. Juni 2017 fällt in den zeitlichen Geltungsbereich des Wiss[X.]VG in der mit dem „[X.] zur Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes“ vom 11. März 2016 ([X.]I S. 442 - 1. Wiss[X.]VGÄndG) beschlossenen und am 17. März 2016 in [X.] getretenen Fassung. Für die Wirksamkeit der Befristung ist die im [X.]punkt ihrer Vereinbarung geltende Rechtslage maßgeblich (vgl. [X.] 20. Januar 2021 - 7 [X.] - Rn. 13 mwN, [X.]E 173, 315).

2. Der betriebliche Anwendungsbereich von § 2 Abs. 1 Wiss[X.]VG ist eröffnet. Es handelt sich um den Abschluss eines Arbeitsvertrags für eine bestimmte [X.] an einer Einrichtung des Bildungswesens, die nach [X.]recht eine staatliche Hochschule ist. Die [X.] ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 Hochschulgesetz des [X.] Rheinland-Pfalz eine staatliche Hochschule des [X.] Rheinland-Pfalz. § 2 Abs. 1 Wiss[X.]VG setzt nicht voraus, dass die staatliche Hochschule [X.] ist. [X.] kann als Träger der Hochschule von den Möglichkeiten zur Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal Gebrauch machen (vgl. [X.] 15. Dezember 2021 - 7 [X.] - Rn. 13 mwN).

3. Die Befristung gilt nicht nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Mit dem am 18. Juli 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem beklagten Land am 26. Juli 2019 zugestellten Antrag hat der Kläger rechtzeitig - noch vor Befristungsablauf - eine Befristungskontrollklage iSv. § 1 Abs. 1 Satz 5 Wiss[X.]VG iVm. § 17 Satz 1 TzBfG erhoben. Die Befristungskontrollklage kann bei einer kalendermäßigen Befristung schon vor Fristablauf erhoben werden (st. Rspr. vgl. nur [X.] 23. Januar 2019 - 7 [X.] - Rn. 15 mwN, [X.]E 165, 116).

4. Die Befristung genügt dem Zitiergebot nach § 2 Abs. 4 Satz 1 Wiss[X.]VG. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des Wiss[X.]VG beruht. Das erfordert nicht die Angabe der einzelnen Befristungsnormen. Dem Zitiergebot ist entsprochen, wenn sich aus der Befristungsvereinbarung ohne Unklarheit ergibt, dass die Befristung auf dem Wiss[X.]VG beruhen soll (vgl. [X.] 15. Dezember 2021 - 7 [X.] - Rn. 15 mwN). Dies ist hier der Fall. In § 2 des Arbeitsvertrags ist niedergelegt, dass die Befristung „auf § 30 Absatz 1 Satz 1 TV-L i.V.m. § 2 Absatz 1 Wiss[X.]VG“ beruht.

5. Die Befristung entspricht aber nicht den Anforderungen von § 2 Abs. 1 Satz 2 Wiss[X.]VG. Dabei kann zu Gunsten des beklagten [X.] unterstellt werden, dass der Kläger als Lehrkraft für besondere Aufgaben zum wissenschaftlichen Personal iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 Wiss[X.]VG zählt und deshalb der Anwendungsbereich von § 2 Abs. 1 Wiss[X.]VG eröffnet ist (vgl. zum wissenschaftlichen Zuschnitt der von einer Lehrkraft für besondere Aufgaben auszuführenden Tätigkeit: [X.] 25. April 2018 - 7 [X.] - Rn. 14 ff.; 28. September 2016 - 7 [X.] - Rn. 27; 20. April 2016 - 7 [X.] - Rn. 17). Denn das [X.]arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Befristung jedenfalls deshalb unwirksam ist, weil mit der im [X.] zum 12. August 2019 vereinbarten Befristung die zulässige [X.] überschritten ist.

a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Wiss[X.]VG ist die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal an staatlichen Hochschulen, das nicht promoviert ist, bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion, dh. in der sog. [X.], ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 Wiss[X.]VG eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren - im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren - möglich. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Wiss[X.]VG verlängert sich die zulässige Befristungsdauer in der [X.] in dem Umfang, in dem [X.]en einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1 und [X.] ohne Beschäftigung nach Satz 1 zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben. In § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Wiss[X.]VG ist für die Befristungsmöglichkeiten in der Promotionsphase und in der [X.] jeweils eine gesonderte [X.] für die jeweilige Qualifikationsphase festgelegt. Damit sind zwei - eigenständige - Rechtsgrundlagen für kalendermäßige Befristungen normiert ([X.] 20. Mai 2020 - 7 [X.] - Rn. 20).

b) Die zulässige Befristungsdauer von sechs Jahren in der [X.] ist mit dem letzten befristeten Arbeitsvertrag der Parteien überschritten.

aa) Auf die nach § 2 Abs. 1 Wiss[X.]VG zulässige Befristungsdauer sind nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Wiss[X.]VG alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, die mit einer [X.] Hochschule oder einer Forschungseinrichtung iSv. § 5 Wiss[X.]VG abgeschlossen wurden, anzurechnen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Wiss[X.]VG werden auch befristete Arbeitsverhältnisse angerechnet, die nach anderen Rechtsvorschriften abgeschlossen werden.

bb) Der Kläger war nach den Feststellungen des [X.]arbeitsgerichts nach Abschluss seiner Promotion in der [X.] vom 1. April 2008 bis zum 31. März 2011 auf der Grundlage zweier befristeter Arbeitsverträge in Vollzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der [X.] beschäftigt. In der [X.] vom 13. Mai 2014 bis zum 12. August 2019 war er dann bei dem beklagten Land als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der [X.] auf der Grundlage von drei befristeten Arbeitsverträgen - zum Teil in Vollzeit, zum Teil in Teilzeit mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit - tätig. Damit stand er in der [X.] für eine Gesamtzeit von acht Jahren (1. April 2008 bis zum 31. März 2011 sowie 13. Mai 2014 bis zum 12. Mai 2019) und 90 Tagen (13. Mai 2019 bis 12. August 2019) in auf die [X.] anzurechnenden Arbeitsverhältnissen. Seine Arbeitszeit betrug in dieser [X.] durchgehend mehr als ein Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit. Folgerichtig stellt das beklagte Land mit seiner Revision die Überschreitung der sechsjährigen [X.] um den [X.]raum von zwei Jahren und 90 Tagen auch nicht in Frage.

c) Die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Wiss[X.]VG zulässige Befristungsdauer von sechs Jahren hat sich entgegen der Auffassung des beklagten [X.] nicht wegen eingesparter [X.] verlängert. Das hat das [X.]arbeitsgericht zutreffend erkannt.

aa) Die Promotionszeit des [X.] dauerte länger als sechs Jahre.

(1) Das Wiss[X.]VG enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen über die [X.]punkte des Beginns der Promotion (dazu [X.] 23. März 2016 - 7 [X.] -Rn. 47, [X.]E 154, 375) und deren Abschlusses (dazu [X.] 18. Mai 2016 - 7 [X.] 712/14 - Rn. 31). Maßgeblich hierfür sind daher grundsätzlich das [X.]recht und das Satzungsrecht der [X.] (vgl. [X.] 18. Mai 2016 - 7 [X.] 712/14 - aaO mwN). Legen [X.]recht oder universitäres Satzungsrecht den Beginn der Promotion nicht fest, kann hierfür die Vereinbarung eines Promotionsthemas von Bedeutung sein, da grundsätzlich anzunehmen ist, dass sich der Betreffende seitdem tatsächlich mit der Promotion befasst hat (vgl. [X.] 23. März 2016 - 7 [X.] - aaO).

(2) Nach den Feststellungen des [X.]arbeitsgerichts wurde der Kläger von der [X.] mit Bescheid vom 6. Mai 1998 als Doktorand der Philosophie angenommen; am 15. Dezember 2004 endete die Promotionszeit mit der erfolgreichen Verteidigung der Dissertation und der Verleihung des Doktorgrades. Über diese Daten erteilte die [X.] dem Kläger unter dem 7. August 2019 eine Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber. Damit dauerte die Promotionszeit des [X.] nach den Feststellungen des [X.]arbeitsgerichts „etwas mehr als sechs Jahre und sieben Monate“. [X.], das selbst von einer längeren als einer sechsjährigen Promotionszeit des [X.] ausgeht, hat insoweit keine Verfahrensrügen erhoben. Daher ist es unschädlich, dass die angefochtene Entscheidung sich nicht dazu verhält, unter Anwendung welcher Vorgaben einer Promotionsordnung bzw. des [X.]hochschulrechts das [X.]arbeitsgericht die von ihm angenommene Dauer der Promotionszeit ermittelt hat. Im Übrigen sind weder Anhaltspunkte für eine kürzere Dauer der Promotionszeit ersichtlich noch wird eine solche von der Revision angenommen.

bb) Beträgt die Promotionszeit - wie hier - nicht weniger als sechs Jahre, verlängert sich die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Wiss[X.]VG zulässige Befristungsdauer von sechs Jahren in der [X.] nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Wiss[X.]VG nicht. Entgegen der Ansicht des beklagten [X.] ist die [X.] in § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Wiss[X.]VG nicht dahin zu verstehen, dass [X.]en, in denen der Arbeitnehmer während der Promotionszeit in Beschäftigungsverhältnissen an einer Hochschule mit nicht mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit bzw. in Beschäftigungsverhältnissen, die nicht der wissenschaftlichen Qualifizierung gedient haben, stand, nicht in die Promotionszeit einzurechnen sind. Vielmehr ist bei der Ermittlung des die [X.] verlängernden Befristungszeitraums die gesamte Promotionszeit unabhängig davon zu berücksichtigen, ob sie innerhalb oder außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 Wiss[X.]VG zurückgelegt wurde, ob sie im Inland oder im Ausland absolviert wurde oder ob sie vor oder nach Abschluss eines Studiums lag (vgl. [X.] 21. August 2019 - 7 [X.] 563/17 - Rn. 31; 23. März 2016 - 7 [X.] - Rn. 45, [X.]E 154, 375; [X.]. 16/3438 S. 12).

(1) Das ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Danach sind bei der Ermittlung des die [X.] verlängernden [X.]raums die [X.]en einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1 und [X.] ohne Beschäftigung nach Satz 1 - mithin „alle“ [X.] - zu berücksichtigen. Der Normwortlaut enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass [X.], in denen Beschäftigungsverhältnisse bestanden, die bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllen, bei der Ermittlung einer etwaigen Unterschreitung des Sechs-Jahres-[X.]raums unberücksichtigt bleiben sollen. Zwar vermögen weder Arbeitsverträge mit bis zu einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 2 Abs. 1 Wiss[X.]VG befristet zu werden (ausf. [X.] 20. Januar 2021 - 7 [X.] - Rn. 23, [X.]E 173, 315) noch solche, die nicht qualifikationsförderlich sind (ausf. - zu § 2 Abs. 1 Satz 1 Wiss[X.]VG vom 17. März 2016 - [X.] 2. Februar 2022 - 7 [X.] 573/20 - Rn. 35 ff.), weshalb der Wortlaut von § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Wiss[X.]VG auch ein Verständnis dahin zuließe, derartige Arbeitsverhältnisse - soweit sie in die Promotionsphase fallen - nicht als „[X.]en einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1“ anzusehen. Es handelte sich dann aber um „[X.] ohne Beschäftigung nach Satz 1“ iSv. § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Wiss[X.]VG und als solche wären sie gleichfalls verlängerungsuntauglich.

(2) Der verlautbarte [X.] stützt dieses Verständnis. Ausweislich der Gesetzesbegründung ([X.]. 16/3438 S. 12) soll § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Wiss[X.]VG eine zügige Promotionsphase honorieren,

        

„gleichgültig, ob sie innerhalb oder außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses nach Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 3 Satz 1 absolviert wurde. Wer innerhalb oder außerhalb eines solchen Beschäftigungsverhältnisses schneller als in sechs Jahren zum Abschluss einer Promotion gelangt, der kann die eingesparte [X.] in der [X.] entsprechend anhängen.

        

…       

        

§ 2 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz will ein zügiges Promovieren honorieren. Die Regelung erweitert deshalb den nach der Promotion zur Verfügung stehenden Befristungsrahmen um die entsprechenden [X.]en, wenn für die Promotion weniger als sechs Jahre benötigt werden. Zielsetzung der Regelung ist demgegenüber nicht, den ‚Nichtverbrauch‘ von befristeten Beschäftigungsmöglichkeiten vor Abschluss der Promotion zu honorieren. Dementsprechend kann es auch hier nicht darauf ankommen, ob die Promotion im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses oder außerhalb eines solchen, ob sie im Inland oder im Ausland absolviert wurde.“

Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung ist das vom beklagten Land vertretene Normverständnis ausgeschlossen.

(3) Es ist auch nicht aus teleologischen Gründen geboten. Mit § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Wiss[X.]VG soll eine zügige Promotionsphase honoriert ([X.]. 16/3438 S. 12) und zudem sichergestellt werden, dass der zeitliche Rahmen von auf § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Wiss[X.]VG gestützten Befristungen einerseits nicht überschritten, andererseits aber auch ausgeschöpft werden kann ([X.]. 16/3438 S. 12). Das erfordert nicht, den [X.]raum der Promotionsphase um [X.]en zu kürzen, die aufgrund ihres geringen Beschäftigungsvolumens oder sonstigen inhaltlichen Ausgestaltung nicht eigens eine wissenschaftliche Qualifizierung ermöglichen, denn § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Wiss[X.]VG intendiert gerade nicht, einen „Nichtverbrauch“ von befristeten Beschäftigungsmöglichkeiten vor Abschluss der Promotion zu honorieren (ausdr. [X.]. 16/3438 S. 12). In § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Wiss[X.]VG ist für die Befristungsmöglichkeiten in der Promotionsphase und in der [X.] jeweils eine gesonderte [X.] für die jeweilige Qualifikationsphase festgelegt. Damit sind zwei - eigenständige - Rechtsgrundlagen für kalendermäßige Befristungen normiert ([X.] 20. Mai 2020 - 7 [X.] - Rn. 20). Allein der Umstand, dass [X.] nicht zur Befristung iSd. § 2 Abs. 1 Satz 1 Wiss[X.]VG genutzt wurden, verlängert entgegen der Ansicht des beklagten [X.] die [X.] nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Wiss[X.]VG gerade nicht. Entscheidend für die Verlängerung der [X.] ist die Dauer der Promotionsphase, nicht - soweit während des [X.] Beschäftigungsverhältnisse bestehen - deren Eignung zur wissenschaftlichen Qualifizierung. Die Auseinandersetzung mit einem Promotionsthema dient auch dann der wissenschaftlichen Qualifizierung, wenn daneben anderweitige Beschäftigungsverhältnisse bestehen. Die Anrechnungsregelung stellt vielmehr im Interesse einer zügigen Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses die außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 Wiss[X.]VG zurückgelegten [X.] den im Anstellungsverhältnis erbrachten Qualifizierungszeiten gleich ([X.]/[X.] 22. Aufl. Wiss[X.]VG § 2 Rn. 5).

(4) Nichts anderes folgt aus der vom beklagten Land angeführten Anrechnungsregelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Wiss[X.]VG. Die Vorschrift betrifft die Anrechnung von [X.]en auf die jeweilige [X.] (vgl. ausf. zB [X.] 27. September 2017 - 7 [X.] 629/15 - Rn. 30), nicht hingegen die Frage der Verlängerung der [X.] durch eingesparte [X.]. Die Anrechnung der Beschäftigungszeiten des [X.] in der Promotionsphase auf die [X.] nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Wiss[X.]VG steht im Streitfall aber nicht zur Debatte. Sie ist für die vorliegend zu prüfende und getrennt zu betrachtende Einhaltung der [X.] in der [X.] nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Wiss[X.]VG auch nicht von Bedeutung. [X.] verkennt mit seiner Argumentation, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Wiss[X.]VG gerade nicht bezweckt, den „Nichtverbrauch“ von befristeten Beschäftigungsmöglichkeiten vor Abschluss der Promotion zu honorieren ([X.]. 16/3438 S. 12).

cc) Auf die genaue zeitliche und inhaltliche Ausgestaltung der vom Kläger in seiner Promotionszeit eingegangenen Beschäftigungsverhältnisse kommt es daher nicht an. Angesichts der Dauer seiner Promotionszeit von mehr als sechs Jahren hat sich die [X.] in der [X.] nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Wiss[X.]VG verlängert.

II. [X.] hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Schmidt    

        

    Hamacher    

        

    Waskow    

        

        

        

    Schiller    

        

    Kley    

                 

Meta

7 AZR 239/21

20.07.2022

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Mainz, 5. März 2020, Az: 3 Ca 1039/19, Urteil

§ 17 TzBfG, § 1 Abs 1 WissZeitVG vom 11.03.2016, § 2 Abs 1 WissZeitVG vom 11.03.2016

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.07.2022, Az. 7 AZR 239/21 (REWIS RS 2022, 5226)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5226 NJW 2022, 3593 REWIS RS 2022, 5226

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