Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.03.2024, Az. VI ZR 466/19

6. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1365

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Gegenstand

Diesel-Abgasskandal: Deliktische Vorteilsausgleichung bei einem geleasten Mercedes-Benz E 350 T CDI mit einem Dieselmotor Typ OM 642 Euro 6


Leitsatz

Im Rahmen der deliktischen Vorteilsausgleichung entspricht der Wert der während der Leasingzeit erlangten Nutzungsvorteile eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich der Höhe nach den vereinbarten Leasingzahlungen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 21. Oktober 2019 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt den beklagten Fahrzeughersteller auf Schadensersatz wegen Verwendung einer angeblich unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.

2

Der Kläger schloss im Mai 2017 mit der [X.] einen Leasingvertrag über einen von der Beklagten hergestellten Pkw [X.] mit einer Laufzeit bis zum 14. Mai 2021 ab. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der [X.] ausgestattet. Es ist von einem Rückruf durch Bescheid des Kraftfahrtbundesamts ([X.]) vom 3. August 2018 betroffen, gegen den die Beklagte Widerspruch eingelegt hat.

3

Die Abgasreinigung des Fahrzeugs erfolgt über die Abgasrückführung ([X.]), bei der ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des [X.] geführt wird und dort erneut an der Verbrennung teilnimmt. Bei kühleren Temperaturen wird die Abgasrückführung reduziert ("[X.]").

4

Mit [X.] vom 16. März 2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs einen vergleichbaren PKW zu liefern.

5

Der Kläger macht geltend, das [X.] sei eine verbotene temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung. Außerdem existierten mehrere Softwarefunktionen, um die [X.] auf dem Prüfstand zu bestehen.

6

Mit der Klage verlangt der Kläger (1.1) - Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs - die Lieferung eines mangelfreien typengleichen Ersatzfahrzeugs, hilfsweise (1.2) die Zahlung von 11.737,72 € nebst Zinsen und Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung weiterer Leasingraten, sowie (2) die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und (3) die Feststellung, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

I.

7

[X.] ([X.], 2222) hat - soweit im vorliegenden Zusammenhang relevant - ausgeführt, dass sich ein Schadensersatzanspruch nicht aus § 826 BGB ergebe. Das Verhalten der [X.]n, ein mit einem sogenannten [X.] ausgestattetes Fahrzeug in den Verkehr zu bringen, sei nicht als [X.] Verhalten einzustufen.

8

Soweit sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung darauf stütze, dass die [X.] das Fahrzeug mit weiteren unzulässigen Abschalteinrichtungen (Abschaltung der Abgasreinigung nach definierten Zeit-, Strecken- und Schadstoffausstoßparametern) in Verkehr gebracht habe, sei er mit diesem Vortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, da [X.] nicht vorgetragen würden. Selbst wenn der Vortrag des [X.] als nicht verspätet angesehen würde, wäre er nicht hinreichend. Die nunmehr aufgestellte Behauptung stelle eine reine Rechtsbehauptung dar.

9

Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche ergäben sich nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder i.V.m. Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 beziehungsweise §§ 6, 27 [X.]-FGV. Bei den Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 beziehungsweise §§ 6, 27 [X.]-FGV handele es sich nicht um Schutzgesetze.

II.

Die Revision ist zurückzuweisen, da sich das Berufungsurteil jedenfalls im Ergebnis als richtig darstellt (§ 561 ZPO).

1. Die Klage ist im Hauptantrag 1.1 (Lieferung eines mangelfreien typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug des [X.] Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs des [X.] an die [X.]) unbegründet, weil dieser nicht auf den Ersatz des - hier allein in Betracht kommenden - negativen Interesses, sondern auf das (positive) [X.] gerichtet ist (vgl. dazu Senat, Urteil vom 6. Juli 2021 - [X.], [X.], 224 Rn. 14; [X.], Urteil vom 1. Dezember 2022 - [X.], juris Rn. 12). Daher hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass sich die [X.] mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Verzug befindet (Hauptantrag 2). Entsprechend kann der Kläger nicht Ersatz vorprozessualer Rechtsanwaltskosten verlangen (Hauptantrag 3).

2. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die [X.] auf Schadensersatz (Hilfsantrag 1.2), weil - auch bei Unterstellung einer Haftung dem Grunde nach - der Wert der während der Leasingzeit erlangten [X.] der Höhe nach dem vereinbarten Gesamtleasingpreis entspricht und dies sowohl etwaige Ansprüche aus § 826 BGB als auch etwaige Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den einschlägigen Abgasnormen ausschließt (vgl. dazu [X.], Urteile vom 16. September 2021 - [X.], NJW 2022, 321 Rn. 40 ff.; vom 21. April 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 1104 Rn. 17; vom 21. April 2022 - [X.], [X.], 1281 Rn. 19; vom 21. April 2022 - [X.]/21, NJW-RR 2022, 1678 Rn. 17; Senat, Urteil vom 24. Oktober 2023 - [X.], [X.], 218 Rn. 43 ff., 51; Beschlüsse vom 11. Dezember 2023 - [X.], juris; vom 11. Januar 2024 - VI ZR 1361/20, juris).

Dass der objektive Leasingwert, auf den es für die Vorteilsanrechnung ankommt, im Streitfall geringer gewesen wäre als der vereinbarte [X.], macht der Kläger nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich (vgl. dazu [X.], Urteile vom 16. September 2021 - [X.], NJW 2022, 321 Rn. 47; vom 21. April 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 1104 Rn. 20; vom 21. April 2022 - [X.], [X.], 1281 Rn. 21; vom 21. April 2022 - [X.]/21, NJW-RR 2022, 1678 Rn. 18).

Ob eine andere Betrachtung dann angezeigt ist, wenn aufgrund der Vertragsgestaltung von vornherein feststeht, dass der Leasingnehmer das Fahrzeug nach Ablauf der Leasingzeit übernehmen wird, kann dahinstehen (vgl. dazu [X.], Urteile vom 16. September 2021 - [X.], NJW 2022, 321 Rn. 41, 42 a.E.; vom 21. April 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 1104 Rn. 18; vom 21. April 2022 - [X.], [X.], 1281 Rn. 20; vom 21. April 2022 - [X.]/21, NJW-RR 2022, 1678 Rn. 21). Eine derartige Vertragsgestaltung ist im Streitfall weder den Feststellungen des Berufungsgerichts unter Berücksichtigung der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Vertragsunterlagen noch dem gemäß § 559 Abs. 1 ZPO beachtlichen Parteivorbringen zu entnehmen.

Der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Freistellungsanspruch geht ins Leere, da der Leasingvertrag am 14. Mai 2021 endete.

[X.]     

      

von [X.]     

      

[X.]

      

Allgayer     

      

Linder     

      

Meta

VI ZR 466/19

05.03.2024

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 21. Oktober 2019, Az: 12 U 246/19, Urteil

§ 249 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 826 BGB, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 1 EGV 715/2007, Art 5 Abs 2 EGV 715/2007, § 6 Abs 1 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.03.2024, Az. VI ZR 466/19 (REWIS RS 2024, 1365)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1365

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