Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 06.10.2011, Az. 6 AZN 815/11

6. Senat | REWIS RS 2011, 2619

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Gegenstand

Keine Diskriminierung durch Einstellung der Überbrückungsbeihilfe nach TV SozSich bei Berechtigung zum Bezug einer vorzeitigen Altersrente


Leitsatz

Eine Regelung, die eine tarifliche Leistung des Arbeitgebers zur Sicherung des Lebensunterhalts von Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz betriebsbedingt verloren haben, auf die Zeit bis zum Erwerb einer wirtschaftlichen Absicherung durch den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beschränkt, diskriminiert behinderte Arbeitnehmer, die eine vorgezogene gesetzliche Altersrente in Anspruch nehmen können, weder wegen ihres Alters noch wegen ihrer Behinderung.

Tenor

1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 28. April 2011 - 16 [X.] 854/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 25.270,92 Euro festgesetzt.

Gründe

1

A. Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur [X.] Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der [X.] vom 31. August 1971 ([X.]). Die Beklagte stellte die Zahlung dieser tariflichen Leistung seit dem 1. Juni 2009 ein, weil der 1949 geborene, schwerbehinderte Kläger seit diesem [X.]punkt Anspruch auf gesetzliche Altersrente hatte. Gemäß § 8 Ziff. 1 Buchst. [X.]. 1 [X.] wird die Überbrückungsbeihilfe nicht gezahlt für [X.]en nach Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen zum Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt. Der Kläger hat geltend gemacht, diese Regelung verletze das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 2 AGG. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das [X.] hat gegen sein Urteil die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.

2

B. Die Beschwerde ist unbegründet.

3

I. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage nur zuzulassen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage abhängt (§ 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG). Das ist der Fall, wenn die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt. Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren ([X.] 5. Oktober 2010 - 5 [X.]/10 - [X.] ArbGG 1979 § 72a Nr. 74 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 43).

4

II. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

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1. Die Beschwerdebegründung geht zu Unrecht noch von den Zulassungsvoraussetzungen des § 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung aus. Sie führt zu den Zulassungsvoraussetzungen lediglich aus, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und die Parteien stritten über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk des [X.]s Niedersachsen hinaus erstrecke. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich jedoch eindeutig, dass der Kläger die Rechtsfrage geklärt wissen will, ob die Einstellung der Zahlung der Überbrückungsbeihilfe bei Bestehen eines Anspruchs auf die gesetzliche Altersrente gemäß § 8 Ziff. 1 Buchst. [X.]. 1 [X.] zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters oder einer Behinderung führt und diese Tarifvorschrift deshalb gegebenenfalls nicht angewendet werden darf. Damit hat er auch hinreichend die Entscheidungserheblichkeit der Frage dargetan. Aus den weiteren Ausführungen der Beschwerdebegründung ergibt sich die Darlegung, dass der aufgeworfenen Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt und die Frage im Hinblick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 12. Oktober 2010 (- [X.]/08 - [[X.]] [X.] 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17) klärungsbedürftig erscheint.

6

2. Entgegen der Ansicht des [X.] ist die angesprochene Frage nicht klärungsbedürftig, weil der [X.] bereits entschieden hat, dass der Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe aufgrund der Regelung in § 2 Ziff. 2 Buchst. d [X.] auch bei Anspruch auf eine Altersrente wegen Schwerbehinderung nicht entsteht und dies nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen der Behinderung führt. Für das Erlöschen des Anspruchs auf die Überbrückungsbeihilfe gemäß § 8 Ziff. 1 Buchst. [X.]. 1 [X.] gilt nichts anderes. Der [X.] hat ferner entschieden, dass die Überbrückungsbeihilfe bereits dann nicht mehr zu zahlen ist, wenn lediglich die Möglichkeit des Bezugs der vorzeitigen Altersrente besteht, ohne dass es darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer die Rente tatsächlich erhält oder beantragt hat (18. Mai 2006 - 6 [X.] - [X.]E 118, 196; 30. März 2000 - 6 [X.] - [X.] TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 33 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 7).

7

3. Die von der Beschwerde angeführte Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 12. Oktober 2010 (- [X.]/08 - [[X.]] [X.] 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17) führt ebenso wenig zu einem Klärungsbedarf wie die Entscheidungen des [X.] vom 15. Februar 2011 (- 9 [X.] - und - 9 [X.]/09 - [X.] 2011, 740). § 8 Ziff. 1 Buchst. [X.]. 1 [X.] diskriminiert die davon betroffenen Arbeitnehmer weder unmittelbar noch mittelbar wegen ihres Alters oder einer Behinderung.

8

a) Die Regelung in § 8 Ziff. 1 Buchst. [X.]. 1 [X.] knüpft nicht unmittelbar an die [X.] oder an das Alter, sondern an die Voraussetzungen für den Bezug einer vorgezogenen Altersrente und damit auch für die vorzeitige Inanspruchnahme der gesetzlichen Rente wegen Schwerbehinderung an. Anspruch auf vorzeitige Inanspruchnahme von Altersrente haben nicht nur Schwerbehinderte (§ 37 bzw. § 236a [X.]). Altersrente können vielmehr auch langjährig Versicherte vorzeitig in Anspruch nehmen (§ 36 bzw. § 236 [X.]), ebenso arbeitslose Arbeitnehmer und solche in Altersteilzeit unter den Voraussetzungen des § 237 [X.], Frauen unter den Voraussetzungen des § 237a [X.], ferner langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute (§ 40 bzw. § 238 [X.]). § 8 Ziff. 1 Buchst. [X.]. 1 [X.] knüpft also nicht ausdrücklich an das Alter und/oder die Behinderung des Arbeitnehmers an. Ebenso wenig betrifft diese Regelung ausschließlich Träger von Diskriminierungsmerkmalen oder steht in untrennbarem Zusammenhang mit einem der Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG (vgl. [X.] 12. Oktober 2010 - [X.]/08 - [[X.]] Rn. 23, [X.] 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17; [X.]/[X.] 3. Aufl. Bd. 1 § 14 Rn. 55; [X.] RdA 2009, 307, 308 f.). Eine unmittelbare Diskriminierung scheidet damit aus (vgl. bereits [X.] 30. März 2000 - 6 [X.] - zu II 3 c cc der Gründe, [X.] TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 33 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 7; [X.] 2011, 181, 187).

9

b) § 8 Ziff. 1 Buchst. [X.]. 1 [X.] führt auch nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen der Merkmale Alter oder Behinderung.

aa) Es fehlt bereits an einer tatbestandlichen Benachteiligung vergleichbarer Personen (ebenso [X.] 2011, 181, 187). Das Verbot mittelbarer Diskriminierung ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes, so dass eine mittelbare Diskriminierung nur vorliegen kann, wenn die benachteiligten und die begünstigten Personen vergleichbar sind ([X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] - Rn. 33, [X.], 357).

Die finanzielle Lage Behinderter und Nichtbehinderter ist nur bis zu dem [X.]punkt vergleichbar, in dem für den Behinderten erstmals eine Rentenberechtigung besteht. Danach ändert sich die objektive Ausgangslage. Der Behinderte hat anders als der Nichtbehinderte Anspruch auf eine gesetzliche Rente. Dies führt bei Leistungen wie der Überbrückungsbeihilfe nach dem [X.], die im hier interessierenden Zusammenhang dazu dienen, den Lebensstandard bis zum Beginn des Anspruchs auf eine gesetzliche Rente zu sichern, notwendigerweise zu einer unterschiedlichen Behandlung von Arbeitnehmern, die Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben, und von Arbeitnehmern, die weiterhin auf die vom ehemaligen Arbeitgeber finanzierte Überbrückungsbeihilfe angewiesen sind. Arbeitnehmer mit einer Rentenberechtigung und solche ohne eine derartige Berechtigung befinden sich hinsichtlich des [X.] nicht mehr in einer vergleichbaren Lage. Mit der Übernahme der sozialversicherungsrechtlichen Altersgrenze enthält § 8 Ziff. 1 Buchst. [X.]. 1 [X.] somit ein neutrales Kriterium, so dass eine Diskriminierung ausscheidet (vgl. [X.] 9. Dezember 2004 - [X.]-19/02 - [[X.]] Rn. 49, Slg. 2004, [X.]; 9. November 1993 - [X.] - [[X.].] Rn. 18, 20, 23, Slg. 1993, I-5579).

[X.]) Darüber hinaus wäre die vom Kläger angenommene besondere Benachteiligung rentenberechtigter Behinderter ebenso wie die darin nach seiner Auffassung liegende mittelbare Altersdifferenzierung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels wären erforderlich und angemessen (§ 3 Abs. 2 AGG).

(1) Die Überbrückungsbeihilfe ist eine Sonderleistung, durch die ein während eines Arbeitsverhältnisses oder der Arbeitslosigkeit auftretender wirtschaftlicher Bedarf älterer Arbeitnehmer oder Arbeitsloser überbrückt werden soll. Diesen Arbeitnehmern soll längstens bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ein angemessener Lebensunterhalt gesichert werden. Dafür werden für einen Übergangszeitraum die [X.] nach einer Bemessungsgrundlage gewährleistet, die auf die tarifliche Grundvergütung Bezug nimmt ([X.] 18. Mai 2006 - 6 [X.] - Rn. 12, [X.]E 118, 196; 30. März 2000 - 6 [X.] - zu II 3 [X.] der Gründe, [X.] TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 33 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 7). Die Überbrückungsbeihilfe verfolgt also im hier interessierenden Zusammenhang das Ziel, den Lebensunterhalt von Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz unter den Voraussetzungen des § 2 [X.] verloren haben, bis zum Erwerb einer wirtschaftlichen Absicherung durch den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu gewährleisten. Ein solches Ziel des Schutzes langjährig beschäftigter Arbeitnehmer ist rechtmäßig ([X.] 12. Oktober 2010 - [X.]/08 - [[X.]] Rn. 29, [X.] 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17).

(2) Das zur Erreichung dieses Ziels eingesetzte Mittel, nämlich die Beschränkung der Zahlung der Überbrückungsbeihilfe auf die [X.] bis zum Bestehen des Anspruchs auf gesetzliche Altersrente, ist auch angemessen und erforderlich.

(a) Ausgehend vom Zweck der Überbrückungsbeihilfe, die nur solange gewährt werden soll, wie der Lebensunterhalt nicht durch den Anspruch auf eine gesetzliche Altersrente gesichert ist, ist es erforderlich, diese Zahlung auch dann nicht mehr zu gewähren, wenn der [X.] die gesetzliche Altersrente nicht beantragt.

(b) Die Regelung in § 8 Ziff. 1 Buchst. [X.]. 1 [X.] geht auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung der von den Tarifvertragsparteien verfolgten Ziele erforderlich ist, und ist damit angemessen. Die Tarifvertragsparteien wollten einen zeitlich begrenzten Überbrückungsbedarf befriedigen. Sie haben dabei in typisierender Weise auf den Personenkreis abgestellt, der besonders von Arbeitslosigkeit bedroht ist und deshalb wirtschaftlicher Absicherung bedarf. Sie durften im Hinblick auf die Tarifautonomie, die auch im Unionsrecht Anerkennung gefunden hat und bei dessen Anwendung zu berücksichtigen ist (vgl. [X.] 8. September 2011 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 65, 92; ausführlich [X.] 19. Januar 2011 - 3 [X.] - Rn. 47 ff.), dabei an die bloße Berechtigung zum Bezug einer vorgezogenen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anknüpfen, ohne im Einzelfall darauf abstellen zu müssen, ob die zu erwartende Rente tatsächlich die Aufrechterhaltung des Lebensstandards gewährleistet ([X.] 30. März 2000 - 6 [X.] - zu II 3 [X.] der Gründe, [X.] TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 33 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 7).

Die Tarifvertragsparteien mussten sich auch nicht darauf beschränken, die Überbrückungsbeihilfe lediglich um den hypothetischen Rentenbetrag zu kürzen, der bei einem frühestmöglichen Rentenantrag gezahlt würde. Ebenso wenig mussten sie sich auf die Anrechnung tatsächlich bezogener Renten beschränken oder den durch den vorzeitigen Rentenbezug entstehenden Nachteil ausgleichen (so aber wohl von Roetteken [X.]. 1 [X.] 3/2007 unter [X.]). Eine solche Kürzungs- oder Anrechnungsregelung würde dem Zweck der Überbrückungsbeihilfe nicht gerecht und wäre deshalb kein ebenso geeignetes, milderes Mittel. Die Überbrückungsbeihilfe soll nicht eine nach Beendigung des Arbeitslebens zustehende, als unzureichend empfundene Altersrente ergänzen. Soweit eine ausreichende Versorgung durch die gesetzliche Rente aufgrund etwaiger Rentenminderungen nicht besteht, ist die daraus entstehende Unterversorgung mit anderen Mitteln als der vom Arbeitgeber zu zahlenden Überbrückungsbeihilfe auszugleichen ([X.] 18. Mai 2006 - 6 [X.] - Rn. 12, [X.]E 118, 196).

(c) Schließlich wird § 8 Ziff. 1 Buchst. [X.]. 1 [X.] den mit dieser Regelung verfolgten Zielen auch in kohärenter und systematischer Weise gerecht.

(aa) Eine Regelung ist nur dann geeignet, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, das verfolgte Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen ([X.] 10. März 2009 - [X.]-169/07 - [[X.]] Rn. 55, Slg. 2009, [X.]). Ausnahmen von den Bestimmungen einer Norm können in bestimmten Fällen deren Kohärenz beeinträchtigen, insbesondere wenn sie wegen ihres Umfangs zu einem Ergebnis führen, das dem mit dem Gesetz verfolgten Ziel widerspricht ([X.] 21. Juli 2011 - [X.]-159/10 - [X.]] Rn. 86). In seiner jüngeren Rechtsprechung zur Altersdiskriminierung hat der Gerichtshof der [X.] dieses Erfordernis eines inneren Zusammenhangs von Inhalt und Ziel einer benachteiligenden Regelung in den Vordergrund seiner Rechtmäßigkeitsprüfung gestellt (21. Juli 2011 - [X.]-159/10 - [X.]] Rn. 85 ff.; 18. November 2010 - [X.]-250/09 und [X.]-268/09 - [[X.]] Rn. 55, [X.] 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 18; 12. Januar 2010 - [X.]-341/08 - [[X.]] Rn. 53, [X.] Richtlinie 2000/78/[X.] Nr. 15; ausführlich [X.] 2011, 181, 182 ff. mwN).

([X.]) Diesem Erfordernis genügt § 8 Ziff. 1 Buchst. [X.]. 1 [X.] im Unterschied zu der Regelung in § 2a Abs. 3 Funktionærlov, die der Gerichtshof der [X.] als nicht vereinbar mit Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/[X.] des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ([X.] 2000/78/[X.]) angesehen hat.

([X.]) Anders als die Beschwerde ohne Weiteres unterstellt, hat der Gerichtshof der [X.] die seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2010 (- [X.]/08 - [[X.]] [X.] 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17) zugrunde liegende Regelung in § 2a Abs. 3 Funktionærlov nicht allein deswegen als altersdiskriminierend angesehen, weil sie den Anspruch auf eine Leistung des Arbeitsgebers an den (möglichen) Bezug einer Altersrente knüpft. Diese Bestimmung führt vielmehr ausschließlich wegen des Widerspruchs zwischen dem Zweck der Leistung und dem Inhalt der Ausschlussregelung zu einer Diskriminierung (vgl. [X.] 2011, 181, 184).

Die Entlassungsabfindung nach dem Funktionærlov hat das Ziel, den Übergang älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer in eine neue Beschäftigung zu erleichtern. Die Regelung in § 2a Abs. 3 Funktionærlov, wonach der Anspruch entfällt, wenn der Angestellte bei seinem Ausscheiden eine Vollrente erhält, soll vermeiden, dass die Abfindung Personen zugute kommt, die keine neue Stelle suchen, sondern aus dem Erwerbsleben ausscheiden und eine Altersrente beziehen wollen ([X.] 12. Oktober 2010 - [X.]/08 - [[X.]] Rn. 27, 44, [X.] 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17). Für diesen Personenkreis besteht kein Bedürfnis zur Zahlung einer Entlassungsabfindung, die den Übergang älterer Arbeitnehmer in eine neue Beschäftigung erleichtern soll. Ob ein solcher Wille vorliegt, wird nach dem [X.] Recht allerdings nicht am tatsächlichen Bezug der Altersrente festgemacht. Die Regelung beruht vielmehr auf dem Gedanken, dass Arbeitnehmer im Allgemeinen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, wenn sie Rente beziehen können. Sie knüpft also allein an den unterstellten Willen der rentenberechtigten Arbeitnehmer an, auch tatsächlich aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden zu wollen. Mit diesem auf den mutmaßlichen Willen des Arbeitnehmers abstellenden Regelungszweck ist es nicht in Einklang zu bringen, die Abfindung gerade den Arbeitnehmern vorzuenthalten, die sich nicht mit der Rente begnügen, sondern tatsächlich weiter arbeiten wollen und deshalb des Schutzes durch die Entlassungsabfindung besonders bedürfen ([X.] 12. Oktober 2010 - [X.]/08 - [[X.]] Rn. 44, aaO). Der Inhalt und der dem Gerichtshof der [X.] mitgeteilte Zweck der Abfindungsregelung in § 2a Abs. 3 Funktionærlov in ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte stehen also nicht nur nicht im Einklang, sondern widersprechen sich. Dem Arbeitnehmer, der seinen Willen dokumentiert, weiter arbeiten zu wollen, indem er keinen Rentenantrag stellt, darf deshalb die Abfindung nach dem Regelungszweck der [X.] Regelung nicht vorenthalten werden (vgl. auch [X.] 2011, 181, 184, 186).

([X.]b) Demgegenüber ist Zweck des § 8 Ziff. 1 Buchst. [X.]. 1 [X.], wie ausgeführt, die wirtschaftliche Absicherung der begünstigten Arbeitnehmer längstens bis zum frühestmöglichen Anspruch auf gesetzliche Rente. Die tarifliche Regelung stellt also nicht auf den Willen des Arbeitnehmers ab, jedenfalls potentiell dem Arbeitsmarkt weiter zur Verfügung zu stehen und deshalb keinen Rentenantrag zu stellen, sondern auf den nach Einschätzung der Tarifvertragsparteien mit Beginn des Rentenanspruchs nicht mehr gegebenen Sicherungsbedarf. Die Wertungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2010 (- [X.]/08 - [[X.]] [X.] 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17) lassen sich damit auf tarifliche Regelungen wie die vorliegende nicht übertragen (ebenso [X.] 2011, 181, 186 mwN in [X.]. 58 für den Sozialplan). Im Gegenteil wäre es gerade inkohärent und stünde im Widerspruch zum tariflichen Regelungszweck, wenn die Überbrückungsbeihilfe - ungekürzt oder um die fiktive gesetzliche Rente gekürzt - auch nach Eintritt der Rentenberechtigung weitergezahlt würde. Eine Kompensation von [X.], die im Einzelfall aufgrund der Erwerbsbiographie eines Arbeitnehmers eintreten oder die, anders als im Fall des [X.], der noch von der Vertrauensschutzregelung in § 236a Abs. 4 [X.] profitiert, auf Rentenabschlägen beruhen, liegt außerhalb des [X.] der Tarifvertragsparteien. Bereits die Überbrückungsbeihilfe stellt eine [X.] Sonderleistung dar, die weit über die im Arbeitsleben üblichen Leistungen des Arbeitgebers hinausgeht. Mit ihr erhalten ältere, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer, die betriebsbedingt und damit wirksam entlassen worden sind, noch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus Unterstützungsleistungen durch ihren früheren Arbeitgeber. Bereits mit der Möglichkeit des Bezugs einer vorgezogenen staatlichen Altersrente entfällt das Bedürfnis für eine derartige Unterstützung (vgl. [X.] 18. Mai 2006 - 6 [X.] - Rn. 21, [X.]E 118, 196). Darin liegt der Unterschied zu betrieblichen oder tariflichen Leistungen, die dazu dienen, Versorgungslücken zu überbrücken, die durch die Beendigung der Erwerbstätigkeit eintreten. Die Versorgungslücken der Arbeitnehmer, die vorzeitig Altersrente beanspruchen können, sind nicht geringer als die Lücken der Arbeitnehmer, die lediglich die Regelaltersrente beanspruchen können. Bei derartigen Leistungen ist es darum nach der Rechtsprechung des Neunten [X.]s des [X.] (vgl. 15. Februar 20119 [X.] - Rn. 46 ff. und - 9 [X.]/09 - Rn. 32 ff., [X.] 2011, 740, für eine Benachteiligung von Frauen) mit dem Regelungszweck nicht zu vereinbaren, die Zahlungen ab dem Alter, von dem an Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden können, einzustellen. Angesichts der unterschiedlichen Regelungsziele der tariflichen Überbrückungsbeihilfe nach dem [X.] und der Leistungen, die den Entscheidungen des [X.] vom 15. Februar 2011 zugrunde lagen, besteht auch insoweit kein Klärungsbedarf (vgl. [X.] 15. Februar 2011 - 9 [X.] - Rn. 49 und - 9 [X.]/09 - Rn. 36, aaO). Die Tarifvertragsparteien durften deshalb diese [X.] Leistung, die aus Mitteln des ehemaligen Arbeitgebers finanziert wird, auf die [X.] bis zum frühestmöglichen Bezug einer gesetzlichen, solidarisch finanzierten Altersrente beschränken.

[X.]. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die [X.] beruht auf § 63 GKG und wurde in Höhe des 36-fachen des zuletzt gezahlten [X.] von 701,97 Euro festgesetzt.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Lorenz    

                 

Meta

6 AZN 815/11

06.10.2011

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZN

vorgehend ArbG Osnabrück, 19. Januar 2010, Az: 3 Ca 599/09, Urteil

§ 3 Abs 2 AGG, Art 2 EGRL 78/2000, Art 6 Abs 1 EGRL 78/2000, § 3 Abs 1 AGG, § 1 AGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 06.10.2011, Az. 6 AZN 815/11 (REWIS RS 2011, 2619)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2619

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

8 Sa 26/18

14 Sa 312/16

15 Sa 414/13

4 Sa 668/11

4 BV 36/20

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