Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.04.2022, Az. 28 W (pat) 536/20

28. Senat | REWIS RS 2022, 126

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Gegenstand

Markenbeschwerdesache – "Radialpresse RP (Wortzeichen)" - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 112 969.5

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 28. April 2022 unter Mitwirkung des Richters [X.] sowie der Richterinnen [X.] und Uhlmann

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 7 des [X.] vom 26. Februar 2020 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.] [X.]

3

ist am 2. Oktober 2019 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 7: Pressen [Maschinen] für die [X.]; Pressen für Industriemaschinen für die [X.]; [X.] für Betonrohre für die [X.]; Maschine zur Herstellung von Rohren aus Beton; Produktionsanlage für Großrohre aus Beton; Produktionsanlage für Druckrohre aus Beton; Ersatzteile für die vorgenannten Maschinen und Anlagen, soweit in Klasse 7 enthalten;

5

[X.]: Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Produktions- und Bearbeitungsmaschinen für die [X.] sowie Ersatzteile und Werkzeuge für derartige Maschinen; Großhandelsdienstleistungen in Bezug 2019100219271100DE 02.10.2019 [X.] Direkt auf Produktions- und Bearbeitungsmaschinen für die [X.] sowie Ersatzteile und Werkzeuge für derartige Maschinen;

6

Klasse 37: Demontage von industriellen Maschinen; Demontage von Maschinen; Wartung für Maschinen; Montieren von Maschinenanlagen [Installationsarbeiten]; Installation, Wartung und Reparatur von Maschinen.

7

Die Anmeldung wird beim [X.] unter der Nummer 30 2019 112 969.5 geführt.

8

Mit Beschluss vom 26. Februar 2020 hat die Markenstelle für Klasse 7 des [X.] durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Wortkombination "[X.]" stelle die sprachübliche Bezeichnung für eine Presse dar, welche von einem Mittelpunkt ausgehend im [X.] arbeite. Solche Maschinen fänden insbesondere bei der Fertigung von Betonrohren Verwendung, so dass der Begriff "[X.]" für diese unmittelbar beschreibend sei. Die beanspruchten Dienstleistungen könnten auf diese Art von Maschinen bezogen sein. Die Buchstabenkombination "[X.]" sei die Kurzform des Wortes "[X.]" und wiederhole nur den beschreibenden Sinngehalt des vorangehenden Wortes.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, der Begriff "[X.]" werde nicht mit der Buchstabenfolge "[X.]" abgekürzt, da das Akronym eines einzelnen Wortes niemals aus zwei Buchstaben gebildet werde. Die Annahme einer Abkürzung erschließe sich vorliegend nur bei einer analysierenden Betrachtungsweise. Die Buchstabenkombination "[X.]" werde im Inland ausschließlich von der Anmelderin und nur in kennzeichenmäßiger Form verwendet.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 7 des [X.]s vom 26. Februar 2020 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 [X.] statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Der Eintragung des Wortzeichens "[X.] [X.]" für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 35 und 37 stehen keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt dem Anmeldezeichen nicht jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a) Unterscheidungskraft im Sinne der eben genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.] 2015, 1198 [X.]. 59 f. – [X.]/[X.]]; [X.], 932 [X.]. 7 – #darferdas?; [X.] 2018, 301 [X.]. 11 – [X.]; [X.] 2016, 934 [X.]. 9 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.] 2010, 228 [X.]. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], a. a. [X.] – #darferdas?; a. a. [X.] – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], a. a. [X.] – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.] 2004, 428 [X.]. 53 – [X.]; [X.], a. a. [X.], [X.]. 15 – [X.]).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] [X.] 2013, 1143 [X.]. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.] 2006, 411 [X.]. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.] [X.] 2014, 376 [X.]. 11 – grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.] 2004, 674 [X.]. 86 – Postkantoor; [X.], a. a. [X.], [X.]. 8 – #darferdas?; [X.] 2012, 270 [X.]. 11 – Link economy) oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.], a. a. [X.] – #darferdas?; a. a. [X.], [X.]. 12 – [X.]; [X.] 2014, 872 [X.]. 21 – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne Weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht ([X.], a. a. [X.] – #darferdas?; a. a. [X.] – [X.]). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.] [X.] 2004, 146 [X.]. 32 – [X.]; [X.] [X.] 2014, 569 [X.]. 18 – [X.]). Dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer [X.] entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der [X.] wegführt ([X.] [X.] 2007, 204 [X.]. 77 f. – [X.]; [X.] [X.] 2014, 1204 [X.]. 16 – DüsseldorfCongress).

Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] genügt das Wortzeichen "[X.] [X.]", weil es weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt noch einen engen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 35 und 37 aufweist.

b) Die beanspruchten Waren und Dienstleistungen richten sich an Unternehmer und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene von Unternehmen, insbesondere der Betonindustrie.

c) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden Bestandteilen "Radial" und "presse" sowie den Buchstaben "[X.]" zusammen.

aa) Das Adjektiv "radial" bedeutet "den Radius betreffend; in der Richtung eines Radius verlaufend; von einem Mittelpunkt [strahlenförmig] ausgehend oder auf ihn hinzielend". Synonyme hierzu sind "strahlenförmig, strahlig; (Fachsprache) radiär". Das Substantiv "Presse" beschreibt u. a. eine "Vorrichtung, Maschine, durch die etwas unter Druck zusammengepresst, zerkleinert, geglättet oder in eine Form gepresst wird" (www.duden.de). In seiner Gesamtheit hat das sprachüblich gebildete Kompositum "[X.]" die Bedeutung "Maschine, durch die etwas unter von einem Mittelpunkt [strahlenförmig] ausgehenden oder auf ihn hinzielenden Druck in eine Form gepresst wird". Das Wort ist den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres verständlich.

Mit diesem Bedeutungsinhalt ist das Wort geeignet, die in Klasse 7 beanspruchten Maschinen in ihrer Wirkweise unmittelbar zu beschreiben. Hinsichtlich der ([X.] und Wartungsdienstleistungen der Klasse 37 eignet sich das Wort als sachliche Angabe, dass der Erbringer dieser Dienstleistungen sich auf [X.]n spezialisiert hat. Im Rahmen der beanspruchten Einzel- und Großhandelsdienstleistungen der [X.] kann das Wort wegen der funktionellen Nähe dieser Dienstleistungen zu den Waren, mit denen Handel getrieben werden soll, nur als Sachhinweis auf den Gegenstand des Einzel- oder Großhandels verstanden werden (vgl. BPatG 29 W (pat) 41/12 – [X.]; 29 W (pat) 525/10 – fashion.de; 26 W (pat) 49/14 – matratzendirekt).

bb) Die zur Eintragung als Marke erforderliche Unterscheidungskraft erlangt das Anmeldzeichen durch die Buchstabenfolge "[X.]".

Die Verbindung mehrerer Buchstaben kann grundsätzlich unterscheidungskräftig sein (vgl. [X.] [X.] 2002, 261, 262 – [X.]; [X.] 2011, 831 [X.]. 18 – [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 8 [X.]. 251). Eine Ausnahme gilt dann, wenn zu der Buchstabenkombination ein weiterer beschreibender [X.] hinzutritt und der Verkehr bei der Wahrnehmung der Gesamtmarke die Buchstabenfolge lediglich als Abkürzung bzw. Akronym des vorangegangenen Worts erfasst und ihr deshalb ebenfalls nur eine beschreibende Bedeutung beimisst. Aufgrund der "Akzessorietät" verliert die Buchstabenfolge ihre Schutzfähigkeit. Das gilt vor allem für Akronyme, die aus den Anfangsbuchstaben mehrerer beschreibender Angaben gebildet sind (vgl. [X.] [X.] 2012, 616 – [X.]/[X.] und [X.]/öko-Invest [Multi Markets Fund MMF und [X.] – [X.]]; BPatG 25 W (pat) 532/18 – [X.]). Wie alle Ausnahmetatbestände ist auch diese Rechtskonstruktion nicht erweiternd auszulegen. Eine lediglich akzessorische Stellung einer beigefügten Buchstabenkombination kann nicht schematisch angenommen werden, sondern muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung festgestellt werden. Hierbei kommt es darauf an, ob sich der Charakter der Buchstabenfolge als bloßer Abkürzung der beschreibenden Angabe den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres aufdrängt, oder ob ihr auch eine eigene kennzeichnende Bedeutung beigemessen werden kann (vgl. [X.] [X.] 2016, 80 [X.]. 31-34 – [X.]/[X.]; BPatG 27 W (pat) 539/14 – ume; 25 W (pat) 41/17 – [X.] DEUTSCHER [X.]; 27 W (pat) 60/17 – [X.]; [X.], a. a. [X.], § 8 [X.]. 236).

Die Buchstabenkombination "[X.]" ist steht nicht in Zusammenhang mit einer Wortfolge, sondern mit dem sprachüblich gebildeten Kompositum "[X.]". Dieses wird üblicherweise nicht mit den Großbuchstaben "[X.]" abgekürzt. Ebenso wenig wird es in der Maschinenbaubranche verwendet. Die Recherche des Senats erbrachte insoweit lediglich einen einzigen Treffer, noch dazu nur in Kombination mit der Zahl "110" ("[X.] [X.] 110", [X.]). Den angesprochenen Verkehrskreisen drängt sich daher nicht ohne Weiteres auf, dass mit der Buchstabenfolge "[X.]" lediglich der vorangehende schutzunfähige Bestandteil "[X.]" wiederholt wird. Vielmehr erwecken die Buchstaben "[X.]" den Eindruck einer kennzeichnenden Typenbezeichnung.

2. Aus vorgenannten Gründen kann darüber hinaus nicht davon ausgegangen werden, dass an dem Anmeldezeichen ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] besteht.

Diesem Schutzhindernis unterfallen solche Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben zusammengesetzt sind, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. [X.] [X.] 2004, 680 - [X.]; [X.] 1999, 723 - Chiemsee).

Der unklare Aussagegehalt der Buchstabenfolge "[X.]" lässt nicht erwarten, dass sie Mitbewerber der Anmelderin als unmittelbar beschreibende Angabe benötigen.

3. Weitere Schutzhindernisse sind nicht erkennbar, so dass der Beschwerde stattzugeben war.

Meta

28 W (pat) 536/20

28.04.2022

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.04.2022, Az. 28 W (pat) 536/20 (REWIS RS 2022, 126)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 126

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