Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.10.2019, Az. 26 W (pat) 14/18

26. Senat | REWIS RS 2019, 2992

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 010 212.7

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 2. Oktober 2019 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.] und Dr. von Hartz

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des [X.] vom 9. Januar 2018 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]

3

ist am 25. April 2017 unter der Nummer 30 2017 010 212.7 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für Waren der Klassen 9, 14, 16, 18, 20, 25 und 28 angemeldet worden.

4

Mit Beschluss vom 9. Januar 2018 hat die Markenstelle für Klasse 18 des [X.] die Anmeldung teilweise wegen eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zurückgewiesen, nämlich für die Waren der

5

Klasse 9: elektronische Bücher;

6

Klasse 16: Bücher.

7

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Buchstabenfolge sei die Abkürzung für ein medizinisches Verfahren auf dem Gebiet der Schönheitschirurgie, nämlich beim Facelifting. Bei einem [X.]-Facelift werde neben der oberflächlichen Haut auch die darunter liegende Muskel- und Bindegewebsplatte, das „[X.] ([X.])“, gehoben und redynamisiert. Bei dem Anmeldezeichen handele es sich daher insbesondere für den medizinischen Fachverkehr um eine sofort verständliche Abkürzung. Im Hinblick auf die zurückgewiesenen Waren stelle das Zeichen eine sinnvolle Inhaltsangabe dar, denn diese könnten das spezielle Gesichtsstraffungsverfahren erläutern oder Informationen dazu vermitteln.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat auf die gerichtlichen Hinweise vom 15. April 2019 und 8. August 2019 nebst [X.] (Anlagen 1 bis 3, [X.]. 14 – 16, 31 – 42 [X.]) ihr Verzeichnis am 3. September 2019 hinsichtlich der zurückgewiesenen Waren in den Klassen 9 und 16 wie folgt eingeschränkt:

9

Klasse 9: elektronische Kinderbücher; elektronische [X.];

Klasse 16: Kinderbücher; [X.].

Sie vertritt die Ansicht, mit der Beschränkung des Verzeichnisses eigne sich das Anmeldezeichen nicht mehr als Inhaltsangabe. Kinderbücher und [X.] beschäftigten sich regelmäßig nicht mit Themen der Schönheitschirurgie.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des [X.]s vom 9. Januar 2018 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nach Einschränkung des beschwerdegegenständlichen Warenverzeichnisses begründet.

[X.]“ als Marke stehen für die noch beschwerdegegenständlichen Waren der Klassen 9 und 16 keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt es dem Zeichen nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

1. a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.] 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – [X.]/[X.]]; [X.], 932 Rdnr. 7 – #darferdas?; [X.] 2018, 301 Rdnr. 11 – [X.]; [X.] 2016, 934 Rdnr. 9 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.] 2010, 228 Rdnr. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] – #darferdas?; a. a. O. – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.] 2004, 428 Rdnr. 53 – [X.]; [X.] Rdnr. 15 – [X.]).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] [X.] 2013, 1143 Rdnr. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.] 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.] [X.] 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.] 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; [X.] Rdnr. 8 – #darferdas?; [X.] 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] – #darferdas?; a. a. [X.]. 12 – [X.]; [X.] 2014, 872 Rdnr. 21 – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht ([X.] – #darferdas?; a. a. O. – [X.]). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.] [X.] 2004, 146 Rdnr. 32 – [X.]; [X.] [X.] 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT).

Auch Buchstaben und Buchstabenkombinationen kann die erforderliche Unterscheidungskraft fehlen, wenn sie gebräuchliche und für die angesprochenen Verkehrskreise verständliche Abkürzungen beschreibender Angaben darstellen. Es muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme bestehen, dass derartige Buchstaben auf dem einschlägigen Gebiet als beschreibende Angaben benutzt und benötigt werden können (vgl. [X.] [X.] 2003, 343, 344 – Buchstabe Z; [X.] 2002, 261, 262 – AC).

[X.]”, weil es weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt noch einen engen beschreibenden Bezug zu den noch beschwerdegegenständlichen Waren der Klassen 9 und 16 aufweist.

aa) Die angesprochenen inländischen Verkehrskreise sind die Endverbraucher und der Fachhandel für Bücher und elektronische Medien.

bb) Die Buchstabenfolge „[X.]“ ist die Abkürzung für den [X.] Ausdruck „superficial musculoaponeurotic system“, der mit „oberflächliches muskulär-aponeurotisches System“ übersetzt wird. Dabei handelt es sich um die fibromuskuläre Gewebeschicht des Kopfbereichs, die oberflächliche mimische Muskeln, [X.] und im Gesichtsbereich eine faszienartige Bindegewebsplatte beinhaltet, die das subkutane Binde- und Fettgewebe in eine oberflächliche und eine tiefe, die Äste des Nervus facialis führende Schicht teilt. Es fixiert die Nervenäste an oberflächlichen Knochenstrukturen, z. B. [X.], seitlicher Orbitarand, die hier bei chirurgischen Eingriffen stärker verletzungsgefährdet sind ([X.], Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl. 2014; s. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis vom 8. August 2019).

cc) Nach der Recherche des Senats findet die Abkürzung „[X.]“ in diesem Sinne sowohl in Alleinstellung als auch in zusammengesetzten Wörtern in der Fachliteratur zu ästhetischer Medizin im Bereich Facelifting umfangreiche Verwendung. Unter einem „[X.]-Facelift(-ing)“ versteht man Gesichtsoperationen, bei denen altersbedingte Hautfalten durch das Herausheben und Redynamisieren der darunter liegenden Muskel- und Bindegewebsplatte beseitigt werden (s. Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis vom 8. August 2019). Daher hat zumindest der medizinische Fachverkehr, dessen Verständnis allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann ([X.] [X.] 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.] 2004, 682 Rdnr. 26 – [X.]; BPatG 26 W (pat) 507/17 – [X.]; 24 W (pat) 18/13 – [X.]; 26 W (pat) 550/10 – Responsible Furniture; [X.] 2007, 527, 529 f. – [X.]), die Buchstabenfolge „[X.]“ zum Anmeldezeitpunkt, dem 25. April 2017, trotz der Kleinschreibung des Buchstaben „m“ als geläufige Abkürzung eines medizinischen Fachbegriffs aufgefasst.

dd) Im Hinblick auf die zurückgewiesenen Waren „

ee) Durch die zulässige positive Einschränkung des Verzeichnisses auf die Waren „

aaa) An Kinder adressierte Bücher – auch in elektronischer Form – enthalten grundsätzlich keine komplizierten medizinischen Themen. Für spezielle Methoden des Faceliftings interessieren sich nur ärztliches Fachpersonal und Menschen im vorangeschrittenen Erwachsenenalter.

bbb) Auch „

2. Wegen der fehlenden Eignung des Anmeldezeichens zur unmittelbaren Beschreibung der noch beschwerdegegenständlichen Waren kann auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht bejaht werden.

Meta

26 W (pat) 14/18

02.10.2019

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.10.2019, Az. 26 W (pat) 14/18 (REWIS RS 2019, 2992)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2992

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