Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.01.2018, Az. 9 AZR 854/16

9. Senat | REWIS RS 2018, 15184

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Ausschlussfrist des § 16 Abs. 1 Satz 1 BBTV - Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses bei zwei aufeinander aufbauenden Berufsausbildungen


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 20. Oktober 2016 - 5 [X.]/16 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt für die Monate September 2012 bis August 2014 noch weitere Ausbildungsvergütung iHv. 3.943,67 Euro brutto und restliches Urlaubsgeld iHv. 44,77 Euro brutto.

2

Der Kläger sollte nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien im Betrieb der Beklagten als Zimmerer ausgebildet werden. Dazu war er bei der Beklagten zunächst aufgrund eines Berufsausbildungsvertrags vom 8. März 2012, der für die [X.] vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2014 geschlossen war, als Auszubildender für den Ausbildungsberuf eines Ausbaufacharbeiters, Fachrichtung Zimmerarbeiten, tätig. Darin vereinbarten die Parteien eine monatliche Ausbildungsvergütung für das erste Ausbildungsjahr iHv. 518,40 Euro brutto und für das zweite Ausbildungsjahr iHv. 796,80 Euro brutto.

3

Auf das Ausbildungsverhältnis fanden [X.] die für die Berufsbildung im Baugewerbe geltenden Tarifverträge Anwendung. Der Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe ([X.]) vom 29. Jan[X.]r 1987 enthielt in den Fassungen vom 6. August 2010 und 3. Mai 2013 [X.]. folgende inhaltsgleiche Regelungen:

        

§ 11 

        

Urlaubsvergütung für gewerblich Auszubildende

        

(1) Als Urlaubsentgelt ist die Ausbildungsvergütung weiterzuzahlen; erhöht sie sich während des Urlaubs, so ist vom [X.]punkt des Eintritts der Erhöhung an bei der Bemessung des [X.] von der erhöhten Ausbildungsvergütung auszugehen.

        

(2) Der Auszubildende erhält ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 25 v.H. des [X.]. Das auf einen Urlaubstag entfallende zusätzliche Urlaubsgeld beträgt 1,14 v.H. der Ausbildungsvergütung, die der Bemessung des [X.] zugrunde liegt.

        

…       

        

§ 16   

        

Ausschlussfristen

        

(1) In Abweichung von § 14 [X.] und § 13 [X.] Angestellte verfallen alle beiderseitigen noch nicht verjährten Ansprüche aus dem Ausbildungsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 14 Abs. 2 verfällt jedoch erst dann, wenn er nicht bis zum 30. September des auf das Auslernjahr folgenden Kalenderjahres gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben wird.

        

(2) Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“

4

Die Ausbildungsvergütung nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der [X.] mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des [X.] ([X.]) betrug während der zweijährigen Ausbildungszeit:

        

•       

vom 1. September 2012 bis zum

        
                 

30. April 2013

648,00 Euro brutto,

        

•       

vom 1. Mai 2013 bis zum

        
                 

31. August 2013

669,00 Euro brutto,

        

•       

vom 1. September 2013 bis zum

        
                 

31. Mai 2014

1.028,00 Euro brutto,

        

•       

vom 1. Juni 2014 bis zum

        
                 

31. August 2014

1.060,00 Euro brutto.

5

Die in diesem [X.]raum tatsächlich an den Kläger gezahlte laufende Ausbildungsvergütung unterschritt die tarifliche Ausbildungsvergütung um 3.943,67 Euro brutto. Ferner besteht eine Differenz zwischen dem tatsächlich an den Kläger gezahlten und dem tariflichen Urlaubsgeld iHv. 44,77 Euro brutto.

6

Unter dem Datum des 29. August 2014 schlossen die Parteien für die [X.] vom 1. September 2014 bis zum 31. August 2015 einen weiteren Berufsausbildungsvertrag über die Ausbildung zum Zimmerer, in dem es [X.]. heißt:

        

„A.     

Die Ausbildungszeit beträgt nach der [X.].

                 

Diese verringert sich um 24 Monate durch:

                 

2-jährige Ausbildung (Anschlussvertrag).

        

…       

        
        

[X.]    

[X.] (Auszubildenden) eine angemessene Vergütung. Sie beträgt [X.]. Monatlich brutto:

                          
                 

3.    

2.    

3.    

4.    

        

im    

Ausbildungsjahr

Ausbildungsjahr

Ausbildungsjahr

Ausbildungsjahr

        

[X.]   

1.339,00

                          
        

…“    

        

7

Mit Schreiben der Industriegewerkschaft [X.] vom 19. Oktober 2015 ließ der Kläger die Beklagte zur Zahlung restlicher tariflicher Ausbildungsvergütung, restlichen tariflichen Urlaubsgelds, restlichen 13. [X.] und von Überstundenvergütung auffordern. Die offenen Gesamtansprüche wurden auf 4.245,72 Euro beziffert. Dem Aufforderungsschreiben waren Berechnungsbögen beigefügt, die [X.]. die streitgegenständlichen Ansprüche monatsbezogen auswiesen.

8

Mit seiner am 22. Dezember 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger [X.]. die noch streitigen Forderungen weiterverfolgt. Er hat die Rechtsauffassung vertreten, diese rechtzeitig iSv. § 16 Abs. 1 [X.] geltend gemacht zu haben. Die für den Lauf der Ausschlussfrist maßgebliche Beendigung des [X.] sei erst mit Abschluss der Ausbildung zum Zimmerer eingetreten. Die Ausbildung zum Ausbaufacharbeiter und die darauf aufbauende Ausbildung zum Zimmerer seien zwei Abschnitte einer einheitlichen (Stufen-)Ausbildung.

9

Der Kläger hat zuletzt - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.988,44 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 3. November 2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, dass die zuletzt noch geltend gemachten Ansprüche nach § 16 Abs. 1 [X.] verfallen seien. Zwischen den Parteien hätten zwei eigenständige [X.] bestanden. Das erste Berufsausbildungsverhältnis über den Ausbildungsberuf des Ausbaufacharbeiters habe mit Bestehen der Abschlussprüfung geendet. Damit sei die tarifliche Ausschlussfrist für die Ansprüche aus diesem Berufsausbildungsverhältnis in Gang gesetzt worden. Durch den weiteren Berufsausbildungsvertrag über die Ausbildung zum Zimmerer sei ein neues, selbstständiges Berufsausbildungsverhältnis begründet worden. Dieser Beurteilung stehe auch die Anrechnung der zweijährigen Ausbildung zum Ausbaufacharbeiter auf die dreijährige Ausbildungszeit für den Ausbildungsberuf des Zimmerers nicht entgegen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit für die Revision von Interesse, abgewiesen. Das [X.] hat ihr stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf weitere Ausbildungsvergütung und restliches Urlaubsgeld in der vom [X.] zugesprochenen Höhe.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie ist auf die Zahlung konkreter Vergütungsdifferenzen für einen [X.]raum von 24 Monaten gerichtet und für den streitbefangenen [X.]raum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. [X.] 26. Oktober 2016 - 5 [X.] - Rn. 13; 19. März 2014 - 7 [X.] - Rn. 11).

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 2 Abs. 1 [X.] sowie dem [X.] einen Anspruch auf die weitere Ausbildungsvergütung für die Monate September 2012 bis August 2014 iHv. 3.943,67 [X.] brutto und gemäß § 11 Abs. 2 [X.] Anspruch auf restliches Urlaubsgeld iHv. 44,77 [X.] brutto.

1. Auf das Ausbildungsverhältnis der [X.]en finden nach nicht angegriffener Feststellung des [X.]s kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die für die Berufsbildung im Baugewerbe geltenden Tarifverträge mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 TVG).

2. Nach § 2 Abs. 1 [X.] haben Auszubildende Anspruch auf eine monatliche Ausbildungsvergütung, deren Höhe in den Lohn- und Gehaltstarifverträgen für das Baugewerbe festgelegt wird. Die monatliche Ausbildungsvergütung im ersten Ausbildungsjahr betrug nach dem [X.] vom 1. September 2012 bis zum 30. April 2013 648,00 [X.] brutto und vom 1. Mai 2013 bis zum 31. August 2013 669,00 [X.] brutto. Im zweiten Ausbildungsjahr belief sie sich in der [X.] vom 1. September 2013 bis zum 31. Mai 2014 auf 1.028,00 [X.] brutto und vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 auf 1.060,00 [X.] brutto. Für die Monate September 2012 bis August 2014 ergibt sich daraus für den Kläger eine restliche Ausbildungsvergütung in unstreitiger Höhe von 3.943,67 [X.] brutto.

3. § 11 Abs. 2 [X.] räumt Auszubildenden einen Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld iHv. [X.] des [X.] ein. Das auf einen Urlaubstag entfallende zusätzliche Urlaubsgeld beträgt [X.] der Ausbildungsvergütung, die der Bemessung des [X.] zugrunde liegt. Für die Monate September 2012 bis August 2014 steht dem Kläger danach noch ein restliches tarifliches Urlaubsgeld in unstreitiger Höhe von 44,77 [X.] brutto zu.

4. Die Ansprüche sind nicht nach § 16 [X.] verfallen.

a) Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] verfallen alle beiderseitigen noch nicht verjährten Ansprüche aus dem Ausbildungsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser nach § 16 Abs. 2 [X.], wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

b) Maßgebend für den Fristbeginn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist die rechtliche Beendigung des [X.].

aa) Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Tarifnorm, der ausdrücklich auf die „Beendigung des Ausbildungsverhältnisses“ abstellt. Die Beendigung des [X.] ist tariflich nicht geregelt. Sie ergibt sich aus § 21 BBiG. Dort wird bestimmt, aus welchen Gründen und zu welchem [X.]punkt das Berufsausbildungsverhältnis rechtlich endet. Es endet gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 BBiG regelmäßig mit Ablauf der Ausbildungszeit. Beginn und Dauer werden nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BBiG im Berufsausbildungsvertrag niedergelegt. Im Falle der Stufenausbildung endet es mit Ablauf der letzten Stufe (§ 21 Abs. 1 Satz 2 BBiG). Für die [X.] der tariflichen Ausschlussfrist haben die Tarifverträge an den im BBiG verwendeten Begriff der „Beendigung des Ausbildungsverhältnisses“ angeknüpft. Wird in einem Tarifvertrag ohne eigene Definition ein Begriff übernommen, der in einem Gesetz verwandt wird, mit dem ein Sachzusammenhang besteht, ist grundsätzlich die fachspezifische gesetzliche Bedeutung zugrunde zu legen ([X.] 19. April 2016 - 3 [X.] - Rn. 12; 21. Jan[X.]r 2011 - 9 [X.] - Rn. 42). In [X.]. 5 des BBiG „Beginn und Beendigung des Ausbildungsverhältnisses“ ist in § 23 ein Anspruch auf Schadensersatz bei vorzeitiger Beendigung des [X.] geregelt. Der Anspruch erlischt nach § 23 Abs. 2 BBiG, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des [X.] geltend gemacht wird. Auch diese Ausschlussfrist beginnt erst mit dem vertragsgemäßen rechtlichen Ende des [X.] zu laufen (vgl. [X.] 17. Juli 2007 - 9 [X.] - Rn. 21, [X.]E 123, 247).

bb) Das Auslegungsergebnis wird durch die tarifliche Systematik bestätigt. § 14 Abs. 1 [X.] regelt abweichend von § 7 [X.] das Schicksal der im Urlaubsjahr entstandenen Urlaubsansprüche, wenn sie „wegen der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses“ nicht mehr gewährt werden können. Die Tarifnorm modifiziert den gesetzlichen Anspruch auf Urlaubsabgeltung, der nach § 7 Abs. 4 [X.] erst mit der rechtlichen Beendigung des Arbeits- bzw. [X.] entsteht (vgl. [X.] 16. Mai 2017 - 9 [X.] - Rn. 15; 16. Oktober 2012 - 9 [X.] - Rn. 19).

cc) Auch der Sinn und Zweck der tariflichen Regelung spricht dafür, dass auf die rechtliche Beendigung des Ausbildungsverhältnisses abzustellen ist. § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] stellt für den Beginn der Ausschlussfrist nicht auf die Fälligkeit der einzelnen Ansprüche aus dem Berufsausbildungsverhältnis, sondern auf die „Beendigung des Ausbildungsverhältnisses“ ab. Damit wird verhindert, dass das Berufsausbildungsverhältnis dadurch belastet und ggf. der Ausbildungserfolg dadurch gefährdet wird, dass eine [X.] zur Vermeidung des Verfalls von Ansprüchen diese im Verlauf des [X.] gegenüber der anderen Seite geltend machen muss. Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe von Ansprüchen sollen auf einen [X.]punkt nach der Beendigung der Berufsausbildung verlagert werden.

dd) Ein etwaiges der rechtlichen Beendigung vorgelagertes tatsächliches Ende des [X.] ist aus Gründen der Rechtssicherheit als Anknüpfungspunkt für den Beginn der Ausschlussfrist ungeeignet. Eine Abgrenzung zwischen tatsächlichem Ende und lediglich tatsächlicher Unterbrechung der Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis ist erst am Ende der vertraglich vereinbarten Ausbildungszeit oder mit rechtskräftig feststehender vorzeitiger Beendigung des [X.] möglich. Bleibt der Auszubildende zB unentschuldigt der Ausbildung fern, weiß der Ausbildende zunächst nicht, ob der Auszubildende endgültig der Ausbildung fernbleibt oder zu einem späteren [X.]punkt wieder zur Ausbildung erscheint. Erst eine Vergangenheitsbetrachtung bringt die notwendige Klarheit (vgl. [X.] 17. Juli 2007 - 9 [X.] - Rn. 25, [X.]E 123, 247). Zu diesem [X.]punkt könnte die tarifliche Ausschlussfrist aber bereits abgelaufen sein.

c) Wird die Berufsausbildung aufgrund getrennt geschlossener [X.] bei demselben Ausbildenden in mehreren Stufen durchgeführt, sind beide Ausbildungsabschnitte als rechtliche Einheit und damit als ein Berufsausbildungsverhältnis iSv. § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu betrachten, wenn zwischen den einzelnen [X.] ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht. Somit führt nicht jede kurzfristige Unterbrechung bis zur Fortsetzung der Ausbildung auf der nächsten Stufe zu einer rechtlichen Beendigung des [X.] iSd. Ausschlussfristenregelung. Die Tarifnorm gebietet es nicht, dass die Ausschlussfrist bei jeder rechtlichen Unterbrechung einer bei einer wertenden Betrachtung als Einheit zu beurteilenden Berufsausbildung zu laufen beginnt. Selbst die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG, dessen Wortlaut ausdrücklich das Bestehen des Arbeitsverhältnisses ohne Unterbrechung verlangt, läuft bei Fehlen einer nahtlosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht aufs Neue an, wenn die Dauer der tatsächlichen Unterbrechung verhältnismäßig kurz ist und zwischen den aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht ([X.] 23. Mai 2013 - 2 [X.] - Rn. 20, [X.]E 145, 184). Würde die kurzfristige rechtliche Unterbrechung zwischen zwei [X.] dazu führen, dass die Ausschlussfrist für den ersten Ausbildungsabschnitt in Gang gesetzt würde, widerspräche dies dem Sinn und Zweck der Ausschlussfristenregelung, weil dann Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe von Ansprüchen während der laufenden Berufsausbildung ausgetragen werden müssten. Dass die Tarifvertragsparteien ein solches Ergebnis vermeiden wollten, wird daraus deutlich, dass sie ausdrücklich „in Abweichung von § 14 [X.] und § 13 [X.] Angestellte“ für den Beginn der Ausschlussfrist nicht auf die Fälligkeit des Anspruchs, sondern auf die Beendigung des [X.] abgestellt haben.

d) Nach diesen Grundsätzen ist von einem einheitlichen Berufsausbildungsverhältnis auszugehen, dessen rechtliche Beendigung mit Ablauf des 31. August 2015 eingetreten ist. Bei dem Abschluss des zweiten [X.] vom 29. August 2014 über die Ausbildung zum Zimmerer handelte es sich um die rechtliche Fortsetzung der durch den Berufsausbildungsvertrag vom 8. März 2012 begonnenen Berufsausbildung, die nach dem übereinstimmenden Vorbringen der [X.]en in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit dem Bestehen der Abschlussprüfung zum Ausbaufacharbeiter am 25. August 2014 endete. Die sechstägige Unterbrechung zwischen den beiden Abschnitten der Berufsausbildung ist unschädlich. Die zeitnahe Aneinanderreihung der [X.] über die einzelnen aufeinander aufbauenden Berufsausbildungen begründet einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der vertraglichen Beziehungen der [X.]en, der es verbietet, diese Beziehungen iSv. § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] rechtlich getrennt zu behandeln. Dies ergibt die Auslegung des Vertragswerks der [X.]en unter Einbeziehung der Bestimmungen der einschlägigen Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 2. Juni 1999 ([X.]I S. 1102) idF vom 20. Febr[X.]r 2009 ([X.]I S. 399), im Folgenden [X.].

aa) Gegenstand der [X.] vom 8. März 2012 und 29. August 2014 sind die durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und Nr. 3 Buchst. a [X.] staatlich anerkannten Ausbildungsberufe des [X.] und des Zimmerers. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a [X.] baut der Ausbildungsberuf des Zimmerers auf dem des [X.] auf. Diese „Stufenausbildung in der Bauwirtschaft“ dauert gemäß § 2 Abs. 1 [X.] insgesamt 36 Monate, von denen auf die Ausbildung in der ersten Stufe zum Ausbildungsberuf des [X.] 24 Monate und auf den Ausbildungsberuf in der darauf aufbauenden zweiten Stufe weitere zwölf Monate entfallen. Ob es sich bei dieser Form der Berufsausbildung um eine Stufenausbildung iSv. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBiG, § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HwO handelt (so [X.]/[X.] BBiG 2. Aufl. § 5 Rn. 35) oder diese dem Anrechnungsmodell des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BBiG, § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HwO entspricht (so [X.]/[X.] BBiG Stand November 2017 § 5 Rn. 34a; [X.] HwO/[X.] Stand 1. Jan[X.]r 2018 § 26 Rn. 13.1) und ob der Abschluss von Kurzverträgen, die sich - wie hier - jeweils nur auf die einzelnen Ausbildungsstufen beziehen, unter Beachtung des § 21 Abs. 1 Satz 2 BBiG rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu [X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 32, 42; [X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 38 ff.; [X.] in Lakies/[X.] BBiG 5. Aufl. § 5 Rn. 33), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Im Bereich der Bauwirtschaft handelt es sich bei der Berufsausbildung in der zweiten Stufe jedenfalls bezüglich der Ausschlussfrist des § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] sachlich um die Fortsetzung der in der ersten Stufe begonnenen Berufsausbildung, wenn die weitere Ausbildung - wie hier - bei demselben Ausbildenden durchgeführt wird.

(1) Dies folgt bereits aus dem engen sachlichen Zusammenhang zwischen den einzelnen Stufen, der durch die [X.] begründet wird. § 11 [X.] definiert die in der Berufsausbildung zum Ausbaufacharbeiter zu vermittelnden Fertigkeiten und Kenntnisse. Diese werden nach § 12 [X.] [X.]. für den Schwerpunkt „Zimmerarbeiten“ durch den Ausbildungsrahmenplan in sachlicher und zeitlicher Hinsicht in der Anlage 2 zur [X.] konkretisiert. Die für die darauf aufbauende Berufsausbildung zum Zimmerer in § 38 [X.] genannten Fertigkeiten und Kenntnisse sollen gemäß § 39 [X.] nach dem Ausbildungsrahmenplan in der Anlage 7 zur [X.] vermittelt werden. Dieser gründet auf dem Ausbildungsrahmenplan in der Anlage 2 zur [X.]. Er beschreibt die sachliche und zeitliche Gliederung der Berufsausbildung im dritten Ausbildungsjahr. Die zweite Stufe der Berufsausbildung baut somit auf den in der vorhergehenden Stufe erworbenen Fertigkeiten und Kenntnissen auf, sodass bei Fortsetzung der Berufsausbildung bei demselben Ausbildenden beide Stufen integraler Bestandteil einer einheitlichen Berufsausbildung sind. Bereits in der ersten Stufe werden nicht nur praktische Kenntnisse vermittelt, sondern auch bereits konkrete Fertigkeiten, die in der zweiten Stufe spezialisiert aufgegriffen werden. Dies zeigt, dass die zweite Stufe nicht von der ersten Stufe getrennt werden kann, sondern es sich sachlich um die Fortführung einer zusammenhängenden Berufsausbildung handelt (vgl. [X.] 27. November 1991 - 2 [X.] - zu [X.] 2 b der Gründe).

(2) Die Verzahnung der Ausbildungsberufsbilder zeigt auch die Regelung in § 16 Abs. 8 [X.]. Danach gilt die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf des [X.] bei Fortsetzung der Berufsausbildung in dem aufbauenden Beruf des Zimmerers als Zwischenprüfung iSd. BBiG. Die dadurch bewirkte Umwidmung der Abschlussprüfung in eine Zwischenprüfung bestätigt, dass die [X.] die beiden Stufen der Berufsausbildung als einheitliches Berufsausbildungsverhältnis betrachtet.

bb) Diese Würdigung entspricht auch dem Willen der [X.]en. Nach den nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des [X.]s (§ 559 Abs. 2 ZPO) war den [X.]en von vornherein bewusst, dass der Kläger im Betrieb der Beklagten als Zimmerer ausgebildet werden sollte. Tatsächliches Ausbildungsziel war somit bereits von Anfang an die Erlangung des Abschlusses als Zimmerer. Das Fortbestehen dieser übereinstimmenden Absicht über die gesamte Dauer der gestuften Berufsausbildung zeigt sich an der Bezeichnung des [X.] vom 29. August 2014 als „Anschlussvertrag“, der nur kurzen zeitlichen Unterbrechung zwischen den beiden Stufen der Berufsausbildung und daran, dass der [X.]raum der Berufsausbildung zum Zimmerer bei der Festlegung der Vergütung als „3. Ausbildungsjahr“ definiert worden ist.

cc) Ob auch bei einem größeren zeitlichen Abstand zwischen den einzelnen Ausbildungsstufen ein einheitliches Berufsausbildungsverhältnis anzunehmen ist, kann dahingestellt bleiben (vgl. dazu [X.] 12. Febr[X.]r 2015 - 6 [X.] 831/13 - Rn. 30, [X.]E 150, 380).

e) Der Kläger hat die noch streitgegenständlichen Ansprüche mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 rechtzeitig im Sinne der Ausschlussfristenregelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] schriftlich geltend gemacht.

aa) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört im Regelfall, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Dabei ist der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich zu bezeichnen und die Höhe des Anspruchs sowie der [X.]raum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich zu machen. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen zu erkennen sein, während eine Bezifferung nicht stets erforderlich ist ([X.] 19. August 2015 - 5 [X.] 1000/13 - Rn. 24, [X.]E 152, 221; 16. Jan[X.]r 2013 - 10 [X.] 863/11 - Rn. 24, [X.]E 144, 210).

bb) Diesen Anforderungen genügt das Schreiben vom 19. Oktober 2015. Darin wurde die Beklagte zur Zahlung eines Betrags von 4.245,72 [X.] aufgefordert. Dem Schreiben war ein Anlagenkonvolut beigefügt, in dem [X.]. die mit seiner Klage weiterverfolgten Ansprüche des [X.] auf Differenzvergütung und restliches Urlaubsgeld monatsweise ausgewiesen waren.

cc) Die Geltendmachung mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 erfolgte auch innerhalb von drei Monaten nach der im August 2015 eingetretenen Beendigung des [X.].

f) Mit seiner am 22. Dezember 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger auch die zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfrist gewahrt. Er hat seine Ansprüche innerhalb der Zweimonatsfrist des § 16 Abs. 2 [X.] gerichtlich geltend gemacht.

5. Der Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Zimmermann    

        

        

        

    Matth. [X.]    

        

    M. Lücke    

                 

Meta

9 AZR 854/16

23.01.2018

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Lübeck, 6. April 2016, Az: 5 Ca 3072/15, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.01.2018, Az. 9 AZR 854/16 (REWIS RS 2018, 15184)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15184

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen
Referenzen
Wird zitiert von

3 Ca 756/18

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.