Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2018, Az. 1 StR 404/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 11953

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:210318U1STR404.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
404/17

vom
21. März 2018
in der Strafsache
gegen

wegen Misshandlung von [X.] u.a.

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-
Der 1.
Strafsenat des [X.]s hat in der Sitzung vom 21. März 2018, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Raum,
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. [X.],
[X.]in am [X.]
Dr. Fischer
und [X.] am [X.]
Dr. Bär,

Richterin am [X.]

als Vertreterin der [X.],

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger,

die gesetzliche Vertreterin H.

des [X.]

in der Verhandlung ,
Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Vertreter des [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
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-

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16.
Mai 2017 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstande-nen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von [X.] zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hier-gegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.
Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte ist der leibliche Vater des am 14. Februar 2015 gebore-nen [X.] D.

. Zusammen mit der Kindsmutter hat er das ge-1
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meinsame Sorgerecht für das Kind und wohnte zum Zeitpunkt der Tat mit der Familie in einer gemeinsamen Wohnung. D.

war bis zum Tattag ein ruhiges und im Wesentlichen ziemlich pflegeleichtes Kind und vollkommen gesund. Nur die operativ behandelten Verformungen der Füße führten dazu, dass er [X.] tragen und den größten Teil des Tages anbehalten sollte.
Am 24. August 2015 vertraute die Mutter gegen 17.00 Uhr den gemein-samen [X.] dem Angeklagten an und begab sich für circa zwei Stunden außer Haus. Der Angeklagte sollte dem Kind den Rest des Fläschchens geben und ihm seine Spezialschuhe anziehen. Als der Angeklagte gegen 18.00 Uhr [X.], dem Kind diese Schuhe anzuziehen, wehrte es sich dagegen, so dass dies geraume Zeit dauerte. In der Folge wurde das Kind weinerlich, so dass der Angeklagte
gegen 18.30 Uhr das Kind auf den Arm nahm, um es zu beruhigen, was aber nicht gelang. Das Kind machte plötzlich eine Vorwärtsbewegung mit dem Kopf, wobei es versehentlich den Angeklagten mit dem Kopf an der Nase traf, was diesem geringe Schmerzen zufügte.
Der Angeklagte, der durch die vorherigen Probleme mit dem Kind schon aufgebracht und überfordert war, ge-riet nun in [X.], packte es mit beiden Händen unter den Achseln und [X.] es mehrfach mit ganz erheblichem Krafteinsatz in schneller Abfolge, wobei er das Kind heftig, ruckartig und sehr schnell vor seinem eigenen Körper hin und her bewegte. Durch dieses unkontrollierte Vor-
und Zurückschlagen und durch Rotationsbewegungen des Kopfes kam es bei dem Kind zu einem schweren [X.] mit Subduralblutungen, einer Hirnschwellung, schweren Sub-stanzverletzungen des Gehirns und Netzhautblutungen an beiden Augen. Dem Angeklagten war zuvor bekannt, dass ein solches heftiges Schütteln von [X.] lebensgefährlich ist und zu schwersten Verletzungen bis hin zum Tod [X.] kann.
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Nachdem sich der Angeklagte nach wenigen Sekunden des [X.] wieder beruhigt hatte, bemerkte er, dass sein [X.] leblos war, nur noch Schnappatmung aufwies und unkontrolliert mit den Extremitäten zuckte. [X.] stellte der Angeklagte sich mit seinem [X.] gegen 18.40 Uhr unter die kalte Dusche, um diesen wieder zu beleben und begann mit [X.] und Mund-zu-Nase-Beatmung. Nachdem diese Maßnahmen keinen Erfolg zeigten, verständigte er den Rettungsdienst, der das Kind in die Klinik [X.], wo wegen akuter Lebensgefahr auf Grund der durch Blutungen [X.] eine Notoperation durchgeführt wurde. Durch das Schüt-teltrauma kam es beim Kind zu irreversiblen Schädigungen mit einem vollstän-digen Verlust des Sehvermögens, des Sprechvermögens, einer erheblichen Verminderung des Hörvermögens sowie zu schweren spastischen Lähmungen, einer schweren geistigen Behinderung und einer durch die Hirnschädigung [X.] hervorgerufene Epilepsie, so dass das Kind für den Rest seines Lebens ein voller Pflegefall mit 24-stündiger Betreuungsnotwendigkeit bleiben wird.

II.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Der Schuldspruch wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefoh-lenen ist rechtsfehlerfrei. Der Erörterung bedarf allein die Frage der [X.] des Angeklagten wegen Misshandlung von [X.].
a) Eine rohe Misshandlung im Sinne des §
225 Abs. 1 StGB ist anzu-nehmen,
wenn der Täter einem anderen eine Körperverletzung aus gefühlloser Gesinnung zufügt, die sich in erheblichen Handlungsfolgen äußert ([X.], Urteil 5
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6
-
vom 23. Juli 2015

3 [X.], [X.], 369, 370 f.; Beschlüsse
vom 19.
Januar 2016

4 StR 511/15, [X.], 472;
vom 28. Februar 2007

5 StR 44/07, [X.], 405 und
vom 22. April 1997

4 StR 140/97
Rn. 8
mwN), wobei sich diese Tatalternative

anders als das Quälen

auf ein ein-zelnes Körperverletzungsgeschehen bezieht. Eine solche für die rohe Miss-handlung notwendige gefühllose Gesinnung liegt nur vor, wenn der Täter bei der Misshandlung das notwendig als Hemmung wirkende Gefühl für das Leiden des Misshandelten verloren hat, das sich bei jedem menschlich und verständ-lich Denkenden eingestellt haben
würde ([X.], Urteil
vom 23. Juli 2015

3
[X.], [X.], 369, 371
und
Beschluss
vom 28. Februar 2007

5 StR 44/07, [X.], 405; [X.]/Sternberg-Lieben
in Schönke/[X.], StGB,
29. Aufl.,
§
225 Rn. 13).
b) Gemessen daran kann aus dem Gesamtzusammenhang der Urteils-gründe den Feststellungen und Wertungen des [X.]s noch zweifelsfrei entnommen werden, dass der Angeklagte die Tat aus einer gefühllosen Gesin-nung heraus begangen hat.
Insbesondere ist der vom [X.]
gezogene Schluss, dass es dem Angeklagten
bei
seinem sich nur über einen Zeitraum von wenigen Sekunden
heftigen
[X.] hinziehenden Vorgehens ([X.]) in subjektiver Hinsicht darum ging, "das Kind zu maßregeln und ohne Rücksicht auf Verluste zur Ruhe zu bringen, ohne dass eine besonders belastende Situation für den Angeklag-ten selbst vorgelegen hätte"
(UA S. 13), nicht zu beanstanden. Den
engen
zeit-lichen
Zusammenhang zwischen dem Schreien und dem unmittelbar darauf folgenden Schütteln des Kindes mit massivster Gewalt aus einem relativ nichti-gen Anlass, ohne dass es nach den Feststellungen des [X.]s (UA S.
13)

anders als im Fall von [X.], Beschluss vom 28. Februar 2007

5 StR 44/07, [X.], 405, Rn. 8

zuvor zu einem dauerhaften Einwirken auf das 9
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7
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Nervenkostüm des Angeklagten mit einer besonders belastenden Situation der Überforderung über einen längeren Zeitraum gekommen war, durfte das [X.] als Zeichen dafür werten, dass der Angeklagte bei der Tatausführung das als Hemmung wirkende Gefühl für das Leiden seines [X.]es verloren [X.].
Er handelte mithin aus gefühlloser Gesinnung, was eine
rohe Misshandlung kennzeichnet (vgl. [X.] aaO Rn. 6).
2. Auch der Strafausspruch weist, wie im Antrag des [X.] näher ausgeführt, keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Raum Jäger [X.]

Fischer Bär
11

Meta

1 StR 404/17

21.03.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2018, Az. 1 StR 404/17 (REWIS RS 2018, 11953)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11953

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