Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.08.2023, Az. 7 A 1/22

7. Senat | REWIS RS 2023, 7608

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Gegenstand

Planfeststellungsbeschluss "ABS Berlin - Frankfurt/Oder - Grenze D/PL, PRA 1, PA 16, Bahnhof Berlin Köpenick und Parallelmaßnahmen S3 Ost"; Einwendungen gegen die Verlegung einer Eisenbahnüberführung


Leitsatz

1. Der Begriff der Betriebsanlage in § 2 Abs. 6 und § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG wird auch nach Einfügung des Begriffs der Eisenbahnanlagen in § 1 Abs. 5 ERegG und § 2 Abs. 6a AEG im Sinne der Begriffe der Schienenwege in § 36 BBahnG 1993 und der Bahnanlagen in § 4 EBO verstanden. Der nachträglich eingefügte Begriff der Eisenbahnanlagen hat eine regulierungsrechtliche Bedeutung.

2. Als notwendige Folgemaßnahme im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist eine Maßnahme anzusehen, die für eine angemessene Entscheidung über die durch die anlassgebende Maßnahme aufgeworfenen Konflikte erforderlich ist; dabei darf sie nicht wesentlich über Anschluss und Anpassung hinausgehen und unterliegt insoweit räumlichen und sachlichen Beschränkungen. Eine Folgemaßnahme ist abzugrenzen von anderen Anlagen, die ein umfassendes Planungskonzept benötigen.

3. Eine Summationsbetrachtung der Lärmimmissionen durch zwei Planvorhaben verschiedener Planungsträger ist jedenfalls dann nicht sachgerecht, wenn die durch das eine Vorhaben verursachten Immissionen dem anderen Planungsträger nicht zugerechnet werden können und insbesondere, wenn diese Immissionen zum Zeitpunkt der Entscheidung über das andere Vorhaben in sachlicher und zeitlicher Hinsicht noch nicht hinreichend konkretisiert sind.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des [X.] vom 27. Januar 2022 für das Vorhaben der Beigeladenen "ABS [X.]-[X.]/Oder - Grenze D/[X.], [X.] 1, [X.], [X.] und Parallelmaßnahmen [X.] Ost" ([X.] 10,360 - 13,580 der Strecken 6153 [X.] bzw. 6004 [X.]-Erkner).

2

Die gesamte Ausbaustrecke [X.] - [X.]/Oder - Grenze D/[X.] ist als Korridor [X.] - Baltic Bestandteil des [X.] ([X.]) Transport. Im [X.] wurde diese Ausbaustrecke in den [X.] Bedarf eingeordnet. Die Realisierung der Ausbauziele umfasst auf der Südseite der durchgehenden Hauptgleise der Strecke 6153 zwischen ~km 10,7 (Bahnhofsteil Stadtforst) und ~km 11,9 (Einfahrweichen Güterbahnhof) ein weiteres Hauptgleis.

3

Teil des Vorhabens sind Ersatzneubauten mehrerer [X.], unter anderem auch der [X.]. Die auf Höhe von km 11,119 bestehende, bisher schiefwinklige Eisenbahnüberführung über die [X.] (Baujahr 1910/11) wird zurückgebaut. Auf Höhe von km [X.] wird ein rechtwinkliges [X.] errichtet und die darunter verlaufende Straße nördlich an den bestehenden Knotenpunkt [X.]/[X.]/Am Bahndamm angebunden. Südlich wird die [X.] parallel zur Bahn nach Nordwesten abgeschwenkt und bis an die neue Eisenbahnüberführung herangeführt. Die Abmaße der neuen Eisenbahnüberführung berücksichtigen das Straßenbauvorhaben "Westumfahrung Bahnhofstraße" (ehemals "Ost-West-Trasse"), das die [X.]er [X.], Verbraucher- und Klimaschutz plant. Die geplante Trasse kann durch das [X.] [X.] geführt werden.

4

Die Klägerin hat als Wohnungsbaugenossenschaft einen Bestand von 5 400 Mietwohnungen, auch entlang der neu zu bauenden Bahnstrecke. Wohneinheiten der Klägerin werden nördlich und südlich der Trasse insbesondere in der [X.], der [X.], der [X.] und der Straße Am Bahndamm [X.] sein. Insgesamt sind dies 18 Wohnhäuser mit einer Lärmbelastung nachts von 50 bis zu 56 dB(A). Das planfestgestellte Schallschutzkonzept sieht vor, entlang eines Großteils der bislang unabgeschirmten Strecke Schallschutzwände (Außen- und Mittelwände mit Höhen von 2 bis 6 m über [X.]) zu errichten, in ausgewählten Abschnitten das Verfahren "Besonders überwachtes Gleis" anzuwenden und Schienenstegdämpfer einzubauen.

5

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin ausdrücklich nicht gegen den Planfeststellungsbeschluss als solchen, sondern gegen den Ersatzbau der [X.]. Zur Begründung führt sie aus, dass es für die Verlegung der [X.] an einer eisenbahnrechtlichen Rechtsgrundlage fehle. Weder stelle diese eine Betriebsanlage einer Eisenbahn noch eine Folgemaßnahme des [X.] dar. Vielmehr handele es sich um ein landesstraßenrechtlich planfestzustellendes Vorhaben. Der Planfeststellungsbeschluss sei auch insoweit rechtswidrig, als die Verkehrslärmbelastungen durch das Straßenbauvorhaben "Westumfahrung Bahnhofstraße" nicht mit einbezogen worden seien. Die Alternativenprüfung sei fehlerhaft, weil sich die Wiederherstellung der vorhandenen [X.] als beste Lösung hätte aufdrängen müssen.

6

Die Klägerin beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben "ABS [X.]-[X.]/Oder - Grenze D/[X.], [X.] 1, [X.], [X.] und Parallelmaßnahmen [X.] Ost" vom 27. Januar 2022 aufzuheben,

hilfsweise,

den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,

weiter hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, über die Ansprüche auf Schutz vor Immissionen aus dem Bau und Betrieb in einem ergänzenden Verfahren zum Planfeststellungsbeschluss vom 27. Januar 2022 erneut zu bescheiden.

7

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

8

Die Beklagte macht geltend, dass wegen der planfestgestellten Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes grundsätzlich mit einer Reduzierung der bestehenden Lärmbelastung zu rechnen sei. Lediglich an einem Grundstück der Klägerin erhöhe sich die Lärmbelastung in wesentlichem Umfang; dort sei passiver Lärmschutz vorgesehen. Die vorhandene Eisenbahnüberführung sei derzeit in schlechtem Zustand und müsse ersetzt werden. Die Verlegung um wenige Meter ermögliche es, die neue Überführung zu errichten, während die alte noch in Betrieb sei. Außerdem müsse die neue Überführung zwingend nach Süden hin erweitert werden, weil zum planfestgestellten Vorhaben ein weiteres Gleis gehöre. Die von der Klägerin vorgeschlagene Variante, die [X.] nur als sogenanntes Vorsorgebauwerk mit Seitenwänden und Deckel auszuführen, sei nicht geeignet, die vom Vorhaben aufgeworfenen Probleme zu lösen. Ob und wo die geplante Westumfahrung Bahnhofstraße den Bahndamm queren werde, sei noch nicht festgelegt.

9

Die Beigeladene ergänzt, dass die Klägerin zu Unrecht eine Einbeziehung der Straßenverkehrsimmissionen durch die Westumfahrung Bahnhofstraße fordere. Die Bewältigung dieser Immissionen sei Gegenstand des straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahrens.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

A. Das [X.] ist gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i. V. m. Nr. 25 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 [X.] erst- und letztinstanzlich zur Entscheidung über die Klage zuständig.

B. Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie kann wegen der Lärmbetroffenheit von Grundstücken, die in ihrem Eigentum stehen, geltend machen, möglicherweise in ihrem Schutzanspruch aus § 41 Abs. 1 BImSchG verletzt zu sein (vgl. [X.], Urteile vom 5. Oktober 2021 - 7 A 13.20 - [X.]E 173, 296 Rn. 24, und vom 23. November 2022 - 7 A 9.21 - NVwZ 2023, 1090 Rn. 18). Nach dieser Vorschrift ist beim Bau oder der wesentlichen Änderung unter anderem von Eisenbahnen sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind.

Die Klägerin ist allerdings nicht [X.]; ihre Grundstücke werden für das Vorhaben nicht in Anspruch genommen. Deswegen steht ihr im Hinblick auf den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss kein sogenannter Vollüberprüfungsanspruch zu (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 5. Oktober 2021 - 7 A 13.20 - [X.]E 173, 296 Rn. 23).

C. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an Fehlern, die zu seiner Aufhebung, zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit oder zur Anordnung weiterer Schutzauflagen führten.

I. Der Beklagten stand eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses auch im Hinblick auf die Eisenbahnüberführung ([X.]) [X.] und der Anbindung der darunter verlaufenden Straße an das vorhandene Straßennetz zur Verfügung.

1. § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] sieht die Planfeststellung für alle Betriebsanlagen einer Eisenbahn vor. Bei der Eisenbahnüberführung bestehend aus einem zweifeldrigen Stahlbetonrahmen mit mittigen Pfeilerscheiben ([X.] lfd. Nr. 051) handelt es sich um eine solche Betriebsanlage. Der Begriff der Betriebsanlage ist im [X.] nicht näher definiert. § 18 Abs. 1 Satz 1 wie auch § 2 Abs. 6 [X.] verwenden ihn ohne nähere Bestimmung. Er ist gleichbedeutend mit dem Begriff der "Bahnanlagen" im Sinne des früheren § 36 Abs. 1 Satz 1 des [X.] - [X.] - und der [X.] - [X.] – ([X.], Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - [X.]E 170, 33 Rn. 238; Beschluss vom 16. Juli 2008 - 9 A 21.08 - [X.], 449 Rn. 7).

§ 36 [X.] in der Fassung vom 17. Dezember 1993 ([X.] I S. 2123) umfasst ausdrücklich auch die für den "Betrieb der Schienenwege notwendigen Anlagen". § 4 [X.] bezieht sich auf alle (aber auch nur solche) Anlagen, die unmittelbar mit dem technischen Bahnbetrieb in räumlicher und funktionaler Verbindung stehen. Dazu zählen neben dem eigentlichen Schienenweg auch alle Nebenanlagen der Schienenwege, die dazu dienen, den Eisenbahntransport abzuwickeln und zu sichern, zum Beispiel Bahnhöfe und Haltepunkte, aber auch die gesamte Infrastruktur der freien Strecke mit ihren Betriebsleit- und Sicherungssystemen ([X.], Beschluss vom 16. Juli 2008 - 9 A 21.08 - [X.] 310 § 48 VwGO Nr. 3 Rn. 7). Maßgeblich ist die sogenannte Eisenbahnbetriebsbezogenheit, d. h. die [X.] und der räumliche Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb ([X.], Urteil vom 27. November 1996 - 11 A 2.96 - [X.]E 102, 269 <273>). Entsprechend werden auch Brücken, Tunnel und Überführungsbauwerke von diesem Begriff erfasst (vgl. Seegmüller, in: [X.], Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 12 Rn. 28).

Dieses Begriffsverständnis hat sich auch nicht mit dem durch das Gesetz zur Stärkung des [X.] im [X.] vom 29. August 2016 ([X.] I S. 2082) eingeführten Begriff der Eisenbahnanlagen in § 1 Abs. 5 Eisenbahnregulierungsgesetz ([X.]), der in dem Verzeichnis der Eisenbahnanlagen in Anlage 1 des [X.] näher konkretisiert wird, verändert. Denn diese Begriffswahl diente der Umsetzung der Richtlinie 2012/34/[X.] des [X.] und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen [X.] Eisenbahnraums ([X.] L 343 S. 32) und entfaltet allein eisenbahnregulierungsrechtliche Wirkungen; mit ihr zielte der Gesetzgeber gerade auf eine Abgrenzung zu den die "Betriebsanlagen" in dem hier in Rede stehenden Sinn umfassenden Begriff der Eisenbahninfrastruktur gemäß § 2 Abs. 6 [X.] ([X.]. 18/8334 S. 246, zu § 2 Abs. 6 [X.]-E). § 2 Abs. 6 [X.], der den Begriff der Betriebsanlagen enthält, ist durch diese Gesetzesnovelle unverändert geblieben.

Gleiches gilt für das Gesetz zur Weiterentwicklung des [X.] vom 9. Juni 2021 ([X.] I S. 1737), durch dessen Art. 3 Nr. 1 Buchst. a Abs. 6a in § 2 des [X.]es eingefügt wurde und der eine Definition des Begriffs der Eisenbahnanlagen entsprechend § 1 Abs. 5 [X.] enthält. Der Begriff der Betriebsanlagen in Absatz 6 derselben Vorschrift ist auch hierdurch unverändert geblieben.

Das hier in Rede stehende Überführungsbauwerk erfüllt die beschriebenen Voraussetzungen. Es dient dem Betrieb der [X.] und steht mit dem Gleisbett in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang.

2. Die provisorische Straßenanbindung ([X.] lfd. [X.]), d. h. die Straße unterhalb der Eisenbahnüberführung wie auch die knapp 50 m lange Straßenverbindung vom südlichen Ausgang der Eisenbahnüberführung parallel zum Bahndamm bis zur bestehenden [X.], ist als notwendige Folgemaßnahme im Sinne von § 75 Abs. 1 Satz 1 [X.] ebenfalls von der Beklagten und nicht vom [X.] planfestzustellen. Die Vorschrift ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3, § 18c [X.] neben den spezielleren Vorschriften des [X.]es anwendbar. Sie enthält einen gesetzlich angeordneten Zuständigkeitswechsel ([X.], Urteil vom 27. Oktober 1999 - 11 A 31.98 - [X.] 316 § 74 [X.] Nr. 53 S. 10). Als notwendige Folgemaßnahme ist eine Maßnahme anzusehen, die für eine angemessene Entscheidung über die durch die anlassgebende Maßnahme aufgeworfenen Konflikte erforderlich ist; dabei darf sie nicht wesentlich über [X.] und Anpassung hinausgehen und unterliegt insoweit räumlichen und sachlichen Beschränkungen. Eine Folgemaßnahme ist abzugrenzen von Maßnahmen, die ein umfassendes Planungskonzept benötigen (vgl. [X.], Urteil vom 19. Februar 2015 - 7 C 11.12 - [X.]E 151, 213 Rn. 31; Beschluss vom 13. Juli 2010 - 9 [X.] - [X.] 316 § 75 [X.] Nr. 35 Rn. 4). Hat sich ein Planungskonzept des anderen [X.] bereits hinreichend konkretisiert und verfestigt, so hat der anlassgebende Vorhabenträger hierauf auch und insbesondere mit den Folgemaßnahmen Rücksicht zu nehmen (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Juli 2010 - 9 [X.] - a. a. [X.] Rn. 5).

Die provisorische Straßenanbindung der [X.] im Zuge der neu zu errichtenden Eisenbahnüberführung ist zur Konfliktbewältigung erforderlich. Mit dem Neubau der Eisenbahnüberführung bei gleichzeitig planfestgestelltem Rückbau der bestehenden Eisenbahnüberführung wird die [X.] ohne sonstige Querungsmöglichkeit am Bahndamm unpassierbar unterbrochen. Die Verschwenkung der [X.] und Unterführung unter der neu zu errichtenden Eisenbahnüberführung wird damit zu einer Notwendigkeit, um die durch das Vorhaben im Bereich des Straßennetzes verursachten Probleme zu bewältigen. Die Maßnahme verlässt mit dem knapp 50 m langen [X.]stück und der Unterführung auch nicht den unmittelbaren räumlichen und sachlichen Zusammenhang zum Gesamtvorhaben. Ein umfassendes Planungskonzept ist hierfür nicht erforderlich. Hiermit wird zudem auf das Planungskonzept der straßenrechtlichen Planfeststellungsbehörde Rücksicht genommen, die für ihr Konzept der Westumfahrung Bahnhofstraße eine entsprechende Querung des Bahndamms in Aussicht nimmt.

Liegt demnach eine notwendige Folgemaßnahme gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor, bleibt für die Annahme kumulierender Verfahren gemäß § 78 Abs. 1 [X.] kein Raum (vgl. Neumann/Külpmann, in: [X.]/Bonk/Sachs, [X.], 10. Aufl. 2023, § 78 Rn. 4).

II. Der Planfeststellungsbeschluss leidet auch an keinem Fehler im Hinblick auf das Lärmschutzkonzept. Methodische Fehler bei der Erstellung der Lärmprognose sind nicht erkennbar (1.). Es war auch keine Summationsbetrachtung mit den Lärmimmissionen durchzuführen, die von dem noch planfestzustellenden Vorhaben des [X.] für eine Westumfahrung Bahnhofstraße ausgehen werden (2.).

1. Gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen sowie von Eisenbahnen sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Grenzwerte und Berechnungsmethoden sind in der auf § 43 Abs. 1 BImSchG beruhenden 16. BImSchV geregelt, die nach ihrem § 6 hier in der vor dem 28. Februar 2021 geltenden Fassung Anwendung findet, somit es um die Beurteilung von [X.] geht. Die Beurteilungspegel für Straßen sind gemäß § 3 Satz 1 dieser Fassung der 16. BImSchV nach Anlage 1 zur 16. BImSchV zu berechnen. Der Beurteilungspegel für Schienenwege richtet sich gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 16. BImSchV nach Anlage 2.

Der Vorhabenträger hat bei der Lärmprognose sowohl den Lärm durch den Schienenverkehr als auch den Lärm durch den Straßenverkehr betrachtet, unter Berücksichtigung der Verlegung der Eisenbahnüberführung sowie des provisorischen Straßenanschlusses.

Im Hinblick auf die Lärmprognose betreffend den Schienenverkehr sind Beanstandungen nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Nach den errechneten Schallpegeln (siehe Unterlage 15.1.4) führt das Vorhaben bei den meisten [X.] schon durch aktiven Lärmschutz zu einer Verbesserung im Vergleich zum Nullfall. Unter Berücksichtigung des planfestgestellten passiven Lärmschutzes gilt dies für alle Immissionspunkte.

Auch betreffend den [X.] ist das Vorgehen methodisch nicht zu beanstanden. Die erstellte Lärmprognose basiert auf der Verkehrsprognose, welche ihrerseits auf der schalltechnischen Untersuchung beruht, die für das Vorhaben Ost-West-Trasse ([X.]) – nunmehr bezeichnet als Westumfahrung Bahnhofstraße - erstellt wurde. Dabei wurden die für 2025 angenommenen DTV-Werte in der Projektion für das [X.] um 50 % erhöht (Unterlage 15.6.1, S. 12), was angesichts der geringen Veränderung der Verkehrsführung zur Konstruktion eines "[X.]" nachvollziehbar erscheint. Gestützt wird diese Einschätzung auch dadurch, dass die Klägerin, die die pauschale Erhöhung der [X.] um 50 % als sachwidrig erachtet, selbst von geringeren [X.] für das [X.] ausgeht. Sie stützt sich dabei auf eine Unterlage der [X.] des [X.], in welcher für die Westumfahrung Bahnhofstraße eine Prognose 2030 erstellt wurde. Diese sieht eine werktägliche Verkehrsbelastung an der [X.] mit 5 500 Kfz zuzüglich 200 Lkw und an der Straße Am Bahndamm mit 4 000 Kfz zuzüglich 100 Lkw vor (Schriftsatz der Klägerin vom 13. Februar 2023). Die demgegenüber von der [X.] in die Berechnung eingestellten Werte von 7 800 Fahrzeugen täglich für die [X.] und 6 900 Fahrzeugen für die Straße Am Bahndamm liegen - dem Gedanken eines "[X.]" entsprechend - deutlich darüber. Im Ergebnis führt die auf diesen Daten basierende Prognose 2030 und die hierauf gestützte Berechnung, welche verschiedene Gebäudeseiten und Geschosse gesondert berücksichtigt, nur an einem einzigen Immissionspunkt zu einer Erhöhung um 2,1 dB(A) – gerundet = 3,0 dB(A) = Relevanzschwelle nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 16. [X.] Hier ist entsprechend passiver Lärmschutz vorgesehen.

Der weitere Einwand der Klägerin, wegen der größeren lichten Höhe des geplanten Eisenbahnüberführungsbauwerks im Vergleich zu dem bestehenden würde künftig der gesamte durch [X.] führende Lkw-Verkehr über die [X.] abgewickelt, ist schon nicht hinreichend substantiiert begründet worden. Vor allem steht er im Widerspruch zu den Prognosewerten, die die Klägerin selbst vorgelegt hat und aus denen sich eine tägliche Anzahl von 200 Lkw ergibt. Außerdem hat die Beklagte im Planfeststellungsbeschluss ([X.]) dargelegt, dass die Durchfahrthöhe wegen der Straßenbahnfahrleitung im Vergleich zu der vorhandenen Eisenbahnüberführung nicht größer sein wird.

Anders als von der Klägerin angenommen, sind die Lärmbelastungen durch die Schiene und der veränderten Straßenführung auch gemeinsam betrachtet worden. Dies ist in Unterlage 15.6.1, S. 14 f. dargestellt. Im Ergebnis führt die Gesamtmaßnahme danach an allen [X.] zu reduzierten Immissionspegeln.

2. Es war auch keine Summationsbetrachtung mit dem Vorhaben Westumfahrung Bahnhofstraße durchzuführen. Für die Planfeststellung dieses Vorhabens ist das [X.] zuständig. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegt insoweit ein Planungskonzept vor. Planfeststellungsunterlagen sind noch nicht ausgelegt worden.

a) Schon aus dem Wortlaut des § 41 Abs. 1 BImSchG folgt, dass dem Grundsatz nach jedes Vorhaben im Hinblick auf die Lärmbelastung getrennt zu betrachten ist. Denn dort heißt es, dass "bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung" von Straßen sowie von Eisenbahnen keine schädlichen Umwelteinwirkungen "durch diese" hervorgerufen werden sollen. Die Einbeziehung schädlicher Umwelteinwirkungen anderer Vorhaben widerspräche dem Wortlaut der hier maßgeblichen Vorschrift (vgl. [X.], Urteile vom 23. Februar 2005 - 4 A 5.04 - [X.]E 123, 23 <33> und vom 19. März 2014 - 7 A 24.12 - [X.] 406.25 § 41 BImSchG Nr. 63 Rn. 23 ff.). Hierbei geht es um die Frage eines adäquaten Ursachenzusammenhangs und der Zurechnung von Lärmverantwortlichkeiten (vgl. [X.], Urteil vom 23. November 2005 - 9 A 28.04 - [X.]E 124, 334 <339>). Eine Summationsbetrachtung kann vor diesem Hintergrund allenfalls dann sachgerecht sein, wenn ein Vorhaben zu einem zwingenden Anpassungsbedarf an einem schon vorhandenen Verkehrsweg führt ([X.], Urteil vom 19. März 2014 - 7 A 24.12 - a. a. [X.] Rn. 25) oder wenn mittelbare Lärmbelastungen durch eine andere Lärmquelle absehbar und maßgeblich auf die Realisierung des geplanten Vorhabens zurückzuführen sind ([X.], Urteil vom 23. November 2005 - 9 A 28.04 - a. a. [X.]). Beides setzt zudem voraus, dass das weitere Vorhaben in sachlicher und zeitlicher Hinsicht hinreichend konkretisiert ist, damit die von ihm ausgehenden Lärmemissionen mit in die Betrachtung einbezogen werden können.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es kann schon nicht angenommen werden, dass der geplante Neubau der Eisenbahnüberführung [X.] als solcher bestimmte, zusätzlichen Straßenlärm verursachende Verkehrsströme nach sich ziehen wird. Dessen ungeachtet sind das Straßenbauvorhaben und seine Lärmwirkungen vor Erlass des diesbezüglichen Planfeststellungsbeschlusses nicht konkret absehbar. Es wäre auch nicht sachgerecht, solche Lärmimmissionen der Beklagten zuzurechnen, da sie auf einem autonomen planerischen Willen eines anderen Planungsträgers beruhten.

b) Eine Summationsbetrachtung kann auch dann geboten sein, wenn der neue oder der zu ändernde Verkehrsweg zusammen mit vorhandenen Vorbelastungen anderer Verkehrswege insgesamt zu einer gesundheits- oder die Substanz des Eigentums gefährdenden Belastung führt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 30. November 2006 - 4 [X.] 14.06 - [X.] 406.11 § 1 BauGB Nr. 125 Rn. 6 und vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl. 2018, 1426 Rn. 85). Das kann hier aber gerade nicht festgestellt werden. Die Lärmbelastungen durch das nach Auffassung der Klägerin einzubeziehende Vorhaben stehen noch nicht fest; sie ist noch nicht vorhanden. Eine etwaige Summationsbetrachtung hätte im zukünftigen straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren zu erfolgen.

c) Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, ihr würde effektiver Rechtsschutz verwehrt, weil, so ihre Argumentation, ohne die Berücksichtigung des Vorhabens Westumfahrung Bahnhofstraße die Lärmpegel sich in mehreren Schritten um Werte unter 2,1 dB(A) erhöhen könnten, die jeweils für sich betrachtet irrelevant, in der Summe aber relevant wären; da jede einzelne Erhöhung bei der nächsten als Vorbelastung hinzunehmen sei, könnte die Relevanzschwelle von 3,0 dB(A) auf diese Weise umgangen werden.

Das von der Klägerin beschriebene Phänomen der Möglichkeit einer schleichenden Lärmerhöhung bei verschiedenen konsekutiv durchgeführten Vorhaben ist sachlich richtig. Es stellt aber kein Problem effektiven Rechtsschutzes dar. Denn Rechtsschutz wird gegen jedes Einzelvorhaben gewährt. Die Klagemöglichkeit steht jedem [X.]n offen. Es ist vielmehr eine Frage des materiellen Rechts, dass Rechtsbehelfe gegen die verschiedenen Vorhaben erfolglos bleiben können, wenn die für eine Anspruchsbegründung erforderlichen Lärmpegel jeweils nicht erreicht werden. Das sieht das geltende Recht so vor (vgl. Storost, [X.], 121 <124>). [X.] werden gleichwohl vor ausuferndem Lärm durch die Rechtsordnung geschützt, weil aus der Schutzpflicht des Staates für die Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) eine absolute Obergrenze der Lärmbelastung herzuleiten ist (vgl. [X.], Urteil vom 13. Mai 2009 - 9 A 72.07 - [X.]E 134, 45 Rn. 69). Schutzpflichten ergeben sich auch gegenüber hier allein in Betracht kommenden Lärmbeeinträchtigungen des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 GG ([X.], Urteil vom 10. Oktober 2012 - 9 A 20.11 - [X.] 407.4 § 17 [X.] Nr. 229 Rn. 28; Beschluss vom 30. November 2006 - 4 [X.] 14.06 - [X.] 406.11 § 1 BauGB Nr. 125 Rn. 6).

III. Der Planfeststellungsbeschluss weist auch keinen Fehler betreffend die [X.] auf. Das fachplanerische Abwägungsgebot (§ 18 Abs. 1 Satz 2 [X.]) verlangt, sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials zu berücksichtigen und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange einzustellen ([X.], Beschluss vom 12. Juli 2018 - 7 [X.] - [X.] 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 16). Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit wären nur überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge fehlerhafter Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen wäre oder sich eine andere Variante unter Berücksichtigung aller Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen ([X.], Urteile vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - NVwZ 2014, 1008 Rn. 117 und vom 5. Oktober 2021 - 7 A 13.20 - [X.]E 173, 296 Rn. 69).

Danach hat die Beklagte die ihr zustehende planerische Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Namentlich ist es vertretbar, anstatt der Instandsetzung der vorhandenen Eisenbahnüberführung eine neue zu planen. Das vorhandene Bauwerk ist über 100 Jahre alt und in sehr schlechtem baulichen Zustand. Zudem wäre es wegen der Erweiterung der Trasse um ein weiteres Gleis in seinen Dimensionen nicht ausreichend. Auch durfte die Beklagte berücksichtigen, dass der Straßenverkehrsbetrieb während der Bauphase geschont wird, wenn zunächst die neue Überführung gebaut und dann die vorhandene rückgebaut wird. Schließlich ist es nicht sachwidrig, sondern geradezu geboten, bei der [X.] auch auf die Belange anderer Planungsträger Rücksicht zu nehmen (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Juli 2010 - 9 [X.] - [X.] 316 § 75 [X.] Nr. 35 Rn. 5). Das [X.] hat die gewählte Variante im Hinblick auf das dortige Planungsverfahren Westumfahrung Bahnhofstraße bevorzugt.

Das im Übrigen von der Klägerin kursorisch angesprochene [X.], bestehend aus Seitenwänden und Deckel, musste die Beklagte nicht ernsthaft in Betracht ziehen. Es hätte die Ziele der Planfeststellung nicht erfüllen können und wäre nicht zur Konfliktbewältigung geeignet gewesen. Es hätte nicht den anfallenden Straßenverkehr aufnehmen können; die Nutzung der alten Eisenbahnüberführung wäre aber wegen des weiteren Gleises unmöglich geworden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwG[X.]

Meta

7 A 1/22

24.08.2023

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: A

§ 50 Abs 1 Nr 6 VwGO, § 18e Abs 1 AEG, § 41 Abs 1 BImSchG, § 43 BImSchG, § 2 BImSchV 16, § 3 BImSchV 16, § 75 Abs 1 S 1 VwVfG, § 78 VwVfG, § 36 Abs 1 S 1 BBahnG vom 17.12.1993, § 4 EBO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.08.2023, Az. 7 A 1/22 (REWIS RS 2023, 7608)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7608

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