Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 06.10.2010, Az. 9 A 12/09

9. Senat | REWIS RS 2010, 2654

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Gegenstand

Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der Ortsumgehung B 247n; Planungskompetenz des Vorhabenträgers; Zusammentreffen selbstständiger Vorhaben


Leitsatz

Die für fernstraßenrechtliche Planfeststellungen zuständigen Behörden haben nicht die Kompetenz, bei Gelegenheit der fernstraßenrechtlichen Planung selbstständige städtebauliche Planungsaufgaben, die über den Verknüpfungsbereich zwischen dem fernstraßenrechtlichen Vorhaben und dem übrigen Straßennetz weit hinausreichen, als notwendige Folgemaßnahme mitzuerledigen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des [X.]eklagten für den Neubau der Ortsumgehung [X.] 247n [X.]-[X.].

2

Die [X.] 247 führt in Nord-Süd-Richtung vom Raum [X.] im südlichen [X.] bis in den [X.]. Namentlich für den Verkehr aus dem Raum [X.] und dem [X.] dient sie als Zubringer zur [X.]. Die Ortsdurchfahrten, mit denen die bestehende [X.] 247 die Ortsteile [X.] und [X.] der [X.] [X.]-[X.] quert, sind gekennzeichnet durch enge Querschnitte, hohe Verkehrsbelastung und teilweise fehlende Gehwege. In die Ortsdurchfahrt [X.] mündet die von Norden aus dem Raum [X.]ischofferode/[X.] heranführende L 1012 ein.

3

Mit der geplanten Straße soll der Verkehr westlich um [X.] und [X.] herumgeführt werden. Sie beginnt südwestlich von [X.], wo sie an die Ortsumgehung [X.] der [X.] 247 anbindet, umfährt die beiden Ortsteile und geht im Norden auf die bestehende [X.] 247 in Richtung [X.] über. Das Vorhaben umfasst zusätzlich den [X.]au eines [X.] zwischen der Ortslage [X.] und der [X.] 247n; es ist geplant, ihn in einem [X.] mit der [X.]ahnhofstraße zu verknüpfen, die Teil der bisherigen Ortsdurchfahrt der [X.] 247 ist. Sowohl der Zubringer als auch der sich nach Osten anschließende Abschnitt der [X.]ahnhofstraße sollen künftig [X.]estandteile der L 1012 werden. Der [X.]edarfsplan für die [X.]undesfernstraßen weist das Vorhaben als vordringlichen [X.]edarf aus.

4

Die Klägerin ist Eigentümerin der einander gegenüberliegenden, durch die [X.]ahnhofstraße voneinander getrennten Grundstücke [X.] 2 - 4 und [X.]ahnhofstraße 32 in [X.]. Auf dem Grundstück [X.] 2 - 4 hat sie ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet, in dem ein Einkaufsmarkt betrieben wird; auf dem Grundstück [X.]ahnhofstraße 32 befindet sich ein vom [X.]etreiber des Einkaufsmarktes als Getränkemarkt genutztes Hallengebäude. Im Zusammenwirken mit der [X.] [X.]-[X.] hat die Klägerin ein Verkehrskonzept entwickelt, das den Rückbau des zwischen ihren Grundstücken verlaufenden Abschnitts der [X.]ahnhofstraße und dessen Verlegung auf den Teil einer stillgelegten [X.]ahnstrecke parallel zur jetzigen Straßenführung vorsieht.

5

Im Rahmen des auf Antrag des [X.] vom 19. Dezember 2005 eingeleiteten Planfeststellungsverfahrens lagen die Planunterlagen bei der [X.]verwaltung [X.]-[X.] in der [X.] vom 31. März bis 5. Mai 2006 zur Einsichtnahme aus, nachdem die [X.] die [X.] zuvor ortsüblich bekanntgemacht und dabei auf die Möglichkeit, fristgebunden Einwendungen zu erheben, sowie die Rechtsfolgen verspäteter Einwendungen hingewiesen hatte. Mit fristgerecht bei der [X.] eingegangenem Schreiben vom 3. Mai 2006 erhob die Klägerin Einwendungen gegen das Vorhaben: Die Planung ändere nichts an der Zerschneidung ihrer beiden Grundstücke, sondern schreibe diese für immer fest. Damit verstoße sie gegen das gemeinsam mit der [X.] entwickelte Verkehrskonzept, das die Verlegung der vorhandenen [X.] 247 auf die andere Seite des [X.] vorsehe. Die städtische Zusage, dieses Konzept zu realisieren, sei Grundlage ihrer eigenen Investitionen auf den Grundstücken geworden. In dem am 16./17. Januar 2007 durchgeführten Erörterungstermin erhielt die Klägerin ihre Einwendungen aufrecht.

6

Mit [X.]eschluss vom 20. März 2009 stellte der [X.]eklagte den Plan für das Vorhaben fest. Zur Rechtfertigung der Planung im [X.]ereich [X.] berief er sich auf die Entlastungswirkung der Umgehungsstraße für die Ortslage. Während die Ortsdurchfahrt [X.] der [X.] 247 ohne Ortsumgehung im Jahr 2015 mit 17 700 bis 18 500 Kfz/d belastet wäre, sei für den genannten [X.] mit Ortsumgehung eine [X.]elastung von 8 700 bis 9 500 Kfz/d berechnet worden. Die Einwendungen der Klägerin wies der Planfeststellungsbeschluss zurück: Die Planung entspreche den verfolgten Zielen, eine Ortsumgehung zu schaffen und die bestehenden Straßenzüge mit der neuen Trasse zu verknüpfen. Innerstädtische Änderungen der Verkehrsführung bzw. die Realisierung von Verkehrskonzepten der [X.] könnten hingegen nicht Inhalt der Planung sein. Außerdem sei der [X.], der den geplanten Zubringer mit dem innerstädtischen Straßennetz verknüpfen solle, bewusst so konzipiert worden, dass er die Anbindung einer weiteren Straße erlaube und damit der [X.] die Möglichkeit belasse, entsprechend ihrer Verkehrskonzeption die [X.]ahnhofstraße zu verlegen.

7

Die Klägerin hat gegen den ihr am 16. April 2009 zugestellten Planfeststellungsbeschluss am 15. Mai 2009 Klage erhoben und zur [X.]egründung ausgeführt: Die Verkehrsuntersuchung, auf die der Planfeststellungsbeschluss sich stütze, sei nicht [X.]estandteil der Planfeststellungsunterlagen. Darin liege ein rechtlicher Mangel, da die Planbetroffenen sich nicht über diese Untersuchung hätten informieren und dazu äußern können. Darüber hinaus leide der [X.]eschluss an einem [X.]. Da die L 1012 künftig über den Zubringer auf kurzer Strecke an die [X.] 247 und über diese an die [X.] angebunden sein werde, müsse damit gerechnet werden, dass die Landesstraße zusätzlichen Verkehr anziehe, der dann zwischen den Grundstücken der Klägerin hindurchfließe. Das sei im Planfeststellungsverfahren nicht ausreichend untersucht worden. Darüber hinaus verstoße die Planung gegen den Grundsatz der Problembewältigung. Infolge der gesteigerten Attraktivität der L 1012 insbesondere für den Schwerlastverkehr von der [X.] zur [X.] werde sich die Zerschneidungswirkung der [X.]ahnhofstraße für die Grundstücke deutlich verschärfen. Dieses Problem lasse der [X.]eschluss ungelöst. Zu dem Verkehrskonzept, das eine Verlegung der zwischen den Grundstücken verlaufenden Straße vorsehe, habe es im Vorfeld der Planfeststellung Zusagen nicht nur seitens der früheren [X.] [X.], sondern auch seitens des [X.] gegeben. Dass der [X.]eklagte im Planfeststellungsbeschluss den Standpunkt eingenommen habe, für die Verlegung der [X.]ahnhofstraße nicht zuständig zu sein, stehe im Widerspruch zu seiner früheren Haltung und verstoße gegen [X.] und Glauben.

8

Die Klägerin beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss vom 20. März 2009 aufzuheben.

9

Der [X.]eklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erwidert: Es sei nicht erkennbar, in welchen geschützten Rechten das Vorhaben die Klägerin verletzen könnte. Deren Ziel, die Einziehung und den Rückbau der [X.] 247 alt zu erreichen, werde durch die Planung nicht behindert. Insoweit handle es sich um eine städtebauliche Angelegenheit, die nicht - auch nicht als notwendige Folgemaßnahme - zum [X.]estandteil des fernstraßenrechtlichen Vorhabens gemacht werden könne. Im Übrigen scheide ein Abwägungsmangel zu Lasten der Klägerin auch deshalb aus, weil deren Vorstellungen mit der planerischen Ausgestaltung des [X.]es Rechnung getragen worden sei. Die Ausführungen der Klägerin zu den Auswirkungen des Vorhabens auf die [X.]elastung der L 1012 mit Schwerverkehr seien nicht nachvollziehbar. Dem Schwerverkehr, der von der [X.] aus die [X.] erreichen wolle, stünden wesentlich attraktivere Verbindungen zur Verfügung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leidet an keinem Rechtsfehler, der die Klägerin in ihren Rechten verletzt und die - vollständige oder teilweise - Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses bzw. Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit rechtfertigt. Da der Beschluss der Klägerin gegenüber keine enteignende Vorwirkung entfaltet, ist er nur einer beschränkten Überprüfung darauf zu unterziehen, ob ihrem Schutz dienende formellrechtliche Vorschriften beachtet sind, ob eine Planrechtfertigung für das Vorhaben gegeben ist, ob dem Vorhaben keine unüberwindbaren Abwehrrechte der Klägerin entgegenstehen und ob ihre Belange in der Abwägung fehlerfrei berücksichtigt worden sind. Unter keinem dieser Aspekte begegnet der Planfeststellungsbeschluss durchgreifenden Bedenken.

1. Ein Verstoß gegen dem Schutz der Klägerin dienende formellrechtliche Vorschriften, der sich auf die Sachentscheidung ausgewirkt haben kann, ist zu verneinen. Namentlich ist nicht zu beanstanden, dass die Anhörungsbehörde darauf verzichtet hat, die der Planung zugrunde liegende Verkehrsuntersuchung mit auszulegen. Nach der Rechtsprechung des [X.] müssen nicht alle Unterlagen ausgelegt werden, die möglicherweise zur umfassenden Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Planung nötig sind, sondern nur solche, die - aus der Sicht der potentiell Betroffenen - erforderlich sind, um den Betroffenen das Interesse an der Erhebung von Einwendungen bewusst zu machen. Ob Gutachten dazugehören, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls. Anlass, sie auszulegen, besteht nur, wenn die Behörde erkennt oder erkennen muss, dass ohne diese Unterlagen Betroffenheiten nicht oder nicht vollständig geltend gemacht werden können (vgl. Urteil vom 8. Juni 1995 - BVerwG 4 [X.] 4.94 - BVerwGE 98, 339 <344 f.>). Für die Verkehrsuntersuchung trifft dies nicht zu. Die Querschnittsbelastung der [X.] alt im Bereich der Ortslage [X.] ließ sich bezogen auf den [X.] 2015 sowohl für den Nullfall als auch für den Planfall dem ausgelegten Erläuterungsbericht entnehmen. Der Erläuterungsbericht wies darüber hinaus für den Planfall den [X.]kw-Anteil an der Gesamtbelastung dieser Straße aus. Die Klägerin konnte somit auch ohne Einsichtnahme in die Verkehrsuntersuchung erkennen, welches Verkehrsaufkommen für die Bahnhofstraße im Bereich zwischen ihren Grundstücken nach Verwirklichung des Vorhabens prognostiziert war. Soweit sie die Prognosewerte aufgrund der Angaben im Erläuterungsbericht nicht nachzuvollziehen vermochte, stellt dies nicht eine hinreichende Anstoßwirkung der ausgelegten Planunterlagen in Frage, sondern gab vielmehr Anlass, eine entsprechende Einwendung zu erheben.

2. Die Einwände der Klägerin zeigen auch keine entscheidungserheblichen materiellrechtlichen Mängel des Planfeststellungsbeschlusses auf.

a) Der Klägerin stehen gegenüber dem [X.], dessen Planrechtfertigung schon wegen seiner Aufnahme in den gesetzlichen Bedarfsplan für die [X.] keinen Bedenken unterliegt und von ihr auch nicht in Frage gestellt wird, keine abwägungsfesten Abwehrrechte zu. Namentlich kann sie sich nicht auf eine Zusicherung berufen, im Planfeststellungsbeschluss die Verlegung des zwischen ihren Grundstücken verlaufenden Teils der Bahnhofstraße [X.]. Eine wirksame Zusicherung dieses Inhalts würde voraussetzen, dass eine entsprechende Erklärung von der Planfeststellungsbehörde in schriftlicher Form abgegeben worden wäre (§ 72 Abs. 1 i.V.m. § 38 Abs. 1 Satz 1 [X.]; zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Zusicherung von [X.] vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 10 [X.] 1.06 - BVerwGE 128, 87). Dass dies geschehen sei, hat die Klägerin selbst nicht vorgetragen, sondern sich nur auf eine Zusage des für den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nicht zuständigen [X.] berufen, worauf im Rahmen der [X.] zurückzukommen sein wird.

b) Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht in einer seine Aufhebung oder die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit rechtfertigenden Weise gegen das fachplanungsrechtliche [X.] (§ 17 Satz 2 [X.]). Er leidet an keinem zu [X.]asten der Klägerin gehenden Abwägungsmangel, der offensichtlich, auf das [X.] von Einfluss gewesen und nicht durch Planergänzung behebbar ist (§ 17e Abs. 6 [X.]). Die Planfeststellungsbehörde hat die Bedeutung des wirtschaftlichen Interesses der Klägerin, von einer Vertiefung der mit dem bisherigen Verlauf der Bahnhofstraße verbundenen Trennung ihrer Grundstücke verschont zu bleiben und darüber hinaus die Beseitigung dieser Trennung zu erreichen, weder verkannt noch im Verhältnis zu entgegenstehenden anderen Belangen objektiv fehlgewichtet.

aa) Mit ihren Einwänden, die Planung beruhe auf einer defizitären Verkehrsprognose und widerspreche dem Gebot der Problembewältigung, vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Sie rügt insoweit, die Verkehrsuntersuchung habe es versäumt, der Frage nachzugehen, wie sich das [X.] auf die Belastung der [X.] 1012 einschließlich der Bahnhofstraße namentlich mit Schwerverkehr zwischen der [X.] und [X.] auswirke, und macht vorhabenbedingte Erschwernisse für die [X.] der Bahnhofstraße zwischen ihren Grundstücken geltend, die in der Planung nicht bewältigt worden seien. Diese Einwände sind präkludiert (§ 17a Nr. 7 Satz 1 [X.]), greifen aber auch in der Sache nicht durch.

Die Klägerin hat in ihrem Einwendungsschreiben weder ausdrücklich noch sinngemäß geltend gemacht, die der Planung zugrunde liegende Verkehrsprognose sei defizitär, weil darin nicht ermittelt worden sei, ob die durch das Vorhaben bewirkte günstigere Verbindung zwischen der [X.] 1012 und der [X.] zu einer verstärkten Belastung der Bahnhofstraße namentlich mit Schwerverkehr führe. Ebenso wenig ist dem Schreiben zu entnehmen, dass von einer durch stärkere Verkehrsbelastung erschwerten [X.] der Bahnhofstraße auszugehen sei, also gerade durch das Vorhaben ein bewältigungsbedürftiger Konflikt geschaffen werde. [X.] Vortrag konnte von der Klägerin bereits innerhalb der Einwendungsfrist erwartet werden, weil die ausgelegten Planunterlagen auch hinsichtlich dieser Einwände eine hinreichende Anstoßwirkung entfalteten. Den Angaben im Erläuterungsbericht zur Verkehrsbelastung der [X.] alt im Null- und im Planfall 2015 zufolge war - wie bereits erwähnt - eine vorhabenbedingte Halbierung des Verkehrs auf der zwischen den Grundstücken der Klägerin verlaufenden Bahnhofstraße ermittelt worden. Aus dem Erläuterungsbericht ging weiter hervor, welche Verkehrsbelastung die Verkehrsuntersuchung für die [X.] 1012 außerhalb der Ortslage prognostiziert hatte (7 200 Kfz/d) und dass der Anteil des [X.] an dieser Belastung mit 3 % sehr gering war. Diese Angaben ließen nur den Schluss zu, dass die Untersuchung weder in nennenswertem Umfang die [X.] 1012 belastenden Schwerverkehr zwischen der [X.] und der [X.] noch eine im Planfall verstärkte Verkehrsbelastung der Bahnhofstraße in Rechnung gestellt hatte. Ausgehend von ihrer Einschätzung, aufgrund der verbesserten Anbindung der [X.]andesstraße an die [X.]n werde eine attraktive Fernverkehrsverbindung von der [X.] zur [X.] geschaffen, hätten der Klägerin diese Angaben Anlass geben müssen, die behördlicherseits zugrunde gelegte Prognose schon im Anhörungsverfahren anzugreifen. Da die Klägerin in der ortsüblichen Bekanntmachung der Planauslegung auf die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben, die Einwendungsfrist und die Folgen verspäteter Einwendungen hingewiesen worden ist, liegen auch die formellen Präklusionsvoraussetzungen vor.

Die Verkehrsprognose leidet im Übrigen nicht an den von der Klägerin geltend gemachten Fehlern. Das für die Verkehrsuntersuchung verwandte, vom [X.]n im Klageverfahren näher erläuterte Prognoseverfahren entspricht anerkannten Regeln der Prognosetechnik; das zu erwartende Verkehrsaufkommen ist auf der Basis aussagekräftiger Strukturdaten ermittelt und auf das Straßennetz umgelegt worden. Umstände, die die Plausibilität der auf diese Weise gewonnenen Prognosewerte der Verkehrsbelastung der Bahnhofstraße in Frage stellen würden, sind weder von der Klägerin substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich. Der Bau der Umgehungsstraße einschließlich des [X.] von [X.] schafft für den Verkehr auf der [X.] 1012 zwar eine deutlich leistungsfähigere Verbindung zur [X.], als sie über die bisherige [X.] bestand. Bei einer Gesamtbetrachtung des Straßennetzes kommt diesem Vorteil aber kein maßgebliches Gewicht zu. Dem Fernverkehr auf der [X.] aus Richtung Norden stehen, wie der [X.] in seiner Klageerwiderung überzeugend ausgeführt hat, gleich mehrere leistungsfähige Strecken zur Verfügung, um die [X.] zu erreichen. Dies gilt zum einen für die unmittelbare Verknüpfung der beiden Autobahnen bei [X.], zum zweiten für die Verbindung ab [X.] über die [X.] nach [X.] und zum dritten für die Verbindung ab [X.] über die [X.] und die [X.] nach [X.]einefelde-[X.]. Demgegenüber weist die [X.] 1012 den unwidersprochenen Darlegungen des [X.]n zufolge zum Teil enge Ortsdurchfahrten auf und bindet nach Norden hin nicht einmal unmittelbar an eine Bundesstraße an. Unter diesen Umständen überzeugt die Einschätzung des [X.]n, dass die Annahme realitätsfremd sei, eine singuläre Situationsverbesserung auf der durch die [X.] 1012 vermittelten Verbindung könnte in nennenswertem Umfang Fernverkehr auf sich ziehen. Erst recht spricht nichts dafür, dass eine Mehrbelastung der Bahnhofstraße mit Verkehr der [X.] 1012 die nachvollziehbare gravierende Entlastung durch die [X.]n überkompensieren und damit ein im Rahmen der Planfeststellung zu bewältigendes Problem schaffen würde. Angesichts dessen sind weder die der Planfeststellung zugrunde liegenden Ermittlungen defizitär, noch bleibt ein durch die Planung [X.] Konflikt ungelöst.

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der [X.] ihrem Interesse an der Beseitigung der Trennung ihrer Grundstücke in der planerischen Abwägung angemessen Rechnung getragen. Dies belegt die Ausgestaltung des Kreisverkehrsplatzes am Anfang des [X.] zur Umgehungsstraße. Mit der gewählten [X.]ösung wird die Verlegung der Bahnhofstraße gemäß dem von der Klägerin und der [X.] entwickelten Verkehrskonzept nicht endgültig verbaut, sondern im Gegenteil gezielt offengehalten. Der Kreisel ist nämlich so konzipiert, dass sich die Straße auch auf entsprechend verlegter Trasse ohne Weiteres anschließen lässt. Eine auf die Realisierung des Verkehrskonzepts gerichtete städtische Planung wird durch das streitige [X.] mithin nicht be- oder gar verhindert.

Dass der [X.] von einer weitergehenden, die Verlegung der Bahnhofstraße in die fernstraßenrechtliche Planfeststellung einbeziehenden Regelung abgesehen hat, ist nicht abwägungsfehlerhaft; denn zu einer solchen Regelung wäre er rechtlich gar nicht befugt gewesen. Da die Bahnhofstraße nach dem Bau der Ortsumgehung nur noch die Funktion einer [X.]andesstraße wahrnehmen soll, würden mit einem auf die Verlegung dieser Straße gerichteten Vorhaben keine fernstraßenrechtlichen Zielsetzungen verfolgt. Deshalb würde es sich nicht um ein Vorhaben handeln, das Gegenstand der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung sein kann (vgl. Beschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 9 B 104.09 - juris Rn. 5 f. ). Über das eigentliche fernstraßenrechtliche Vorhaben hätte die Planfeststellung nur ausnahmsweise hinausgreifen dürfen, wenn ein Anwendungsfall des § 75 Abs. 1 Satz 1 [X.] oder des § 78 Abs. 1 [X.] vorläge. Beides trifft jedoch nicht zu.

Bei der Verlegung der Bahnhofstraße würde es sich nicht um eine notwendige Folgemaßnahme im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 [X.] handeln. Folgemaßnahmen sind zu treffen, um die Probleme zu lösen, die durch das Vorhaben für die Funktionsfähigkeit anderer Anlagen entstehen. Sie dürfen daher über [X.] und Anpassung nicht wesentlich hinausgehen (Beschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 9 [X.] - NVwZ 2010, 1244 Rn. 4 m.w.N.). Die Verlegung der Bahnhofstraße würde hingegen nicht dazu dienen, durch [X.]- und Anpassungsmaßnahmen an das vorhandene Straßennetz von [X.] die durch den Bau der Umgehungsstraße einschließlich des [X.] für dieses Netz entstehenden Probleme zu lösen, sondern sich darauf richten, bei Gelegenheit der fernstraßenrechtlichen Planung selbstständige städtebauliche Planungsaufgaben mitzuerledigen, die über den Verknüpfungsbereich zwischen dem fernstraßenrechtlichen Vorhaben und dem übrigen Straßennetz weit hinausreichen. Die Kompetenz für eine solche Planung lässt sich aus § 75 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht ableiten.

Eine Einbeziehung der Verlegung der Bahnhofstraße in die Planfeststellung kam auch nicht nach § 78 [X.] in Betracht. Diese Regelung führt zur Konzentration auf ein Planfeststellungsverfahren, wenn mehrere selbstständige Vorhaben, für deren Durchführung jeweils Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben sind, derart zusammentreffen, dass für sie nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist, und wenn mindestens eines der an sich durchzuführenden Planfeststellungsverfahren bundesrechtlich geregelt ist.

Diese Voraussetzungen sind nicht vollständig erfüllt. § 38 Abs. 1 Satz 1 ThürStrG schreibt für [X.]andesstraßen ebenso wie § 17 Satz 1 [X.] für [X.] die Planfeststellungsbedürftigkeit ihres Baus bzw. ihrer Änderung vor. Ungeachtet der Möglichkeit, die Planfeststellung für [X.]andesstraßen durch einen Bebauungsplan nach § 9 BauGB zu ersetzen (§ 38 Abs. 4 Satz 1 ThürStrG; ebenso für [X.] § 17b Abs. 2 Satz 1 [X.]), kann § 78 [X.] deshalb auf das Zusammentreffen planfestzustellender Bau- oder Änderungsvorhaben für Bundes- und [X.] [X.]andesstraßen zur Anwendung kommen. Hier fehlt es aber an den weiteren Voraussetzungen für die in der Vorschrift vorgesehene Verfahrenskonzentration. Zum einen bestünde keine Notwendigkeit, über das Vorhaben der Ortsumgehung und das der Verlegung der Bahnhofstraße einheitlich zu entscheiden. Die Ausgestaltung des Kreisverkehrsplatzes, die die Möglichkeit einer späteren Verlegung der Bahnhofstraße offenhält, verdeutlicht nämlich, dass eine sachgerechte Verwirklichung beider Planungskonzepte nicht auf eine einheitliche Zulassungsentscheidung angewiesen wäre (vgl. Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 11 A 86.95 - BVerwGE 101, 73 <78>). Zum anderen fehlt es auch an dem in § 78 Abs. 1 [X.] vorausgesetzten zeitlichen Zusammentreffen der Vorhaben. Für die Verlegung der Bahnhofstraße gibt es kein ausgearbeitetes eigenes Planungskonzept des [X.]n als Vorhabenträger, das zum Gegenstand eines einheitlichen Planfeststellungsverfahrens hätte gemacht werden können. Im Gegenteil sieht der [X.] gar keinen Anlass, ein solches Konzept selbst zu erarbeiten oder sich zu eigen zu machen, da für die Verlegung der Bahnhofstraße kein verkehrlicher Bedarf erkennbar ist, sondern nur städtebauliche Zielsetzungen sprechen können. Sie aufzugreifen und planerisch zu verfolgen, wäre Sache der [X.] [X.]einefelde-[X.], der dafür die Bauleitplanung als Handlungsinstrument zur Verfügung steht (§ 38 Abs. 4 Satz 1 ThürStrG i.V.m. § 9 BauGB).

Der Vortrag der Klägerin, nicht nur die [X.], sondern auch das Straßenbauamt des [X.]n als Vorhabenträger der fernstraßenrechtlichen Planung habe die Realisierung des von ihr gemeinsam mit der [X.] entwickelten Verkehrskonzepts zugesagt, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung der behördlichen Entscheidung, die Verlegung der Bahnhofstraße nicht in die Planfeststellung einzubeziehen.

Das folgt schon daraus, dass die Klägerin mit diesem Vortrag präkludiert ist (§ 17a Nr. 7 Satz 1 [X.]). In ihrem Einwendungsschreiben vom 3. Mai 2006 hat sie nur eine "Zusage der [X.] [X.]" behauptet, "die derzeitige [X.] oberhalb des [X.] zu verlegen", nicht jedoch eine entsprechende Zusage des [X.] der [X.]. Im beigefügten Schreiben des Bürgermeisters der [X.] vom 15. Juli 1999 wird zwar auf eine "entscheidende Abstimmung mit der [X.]eitung des [X.] Straßenbauamtes [X.]einefelde" vom 3. Dezember 1998 hingewiesen und weiter mitgeteilt, das Straßenbauamt habe zugesagt, die Maßnahme entsprechend einzutakten. Das mag die Bereitschaft zur Koordinierung beider Vorhaben zum Ausdruck bringen, besagt aber nicht, das Straßenbauamt habe mit Bindungswirkung erklärt, es werde eine entsprechende Planung als eigene betreiben. Erst recht ist dem Schreiben nichts dafür zu entnehmen, dass das Straßenbauamt eine verbindliche Erklärung gegenüber der Klägerin abgegeben hat. Die Klägerin hat in ihrem Einwendungsschreiben selbst keine Schlüsse dieses Inhalts aus dem Schreiben des Bürgermeisters gezogen.

Eine verbindliche Zusage des [X.] gegenüber der Klägerin, die Bahnhofstraße im Zuge des Baus der [X.]n zu verlegen, ist außerdem sachlich zu verneinen. Die Klägerin hat eine solche Zusage im Klageverfahren nur pauschal behauptet. Umstände, die eine verbindliche Verpflichtungserklärung des [X.] gegenüber der Klägerin belegen würden, sind hingegen weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung substantiiert dargelegt worden.

Unabhängig davon hätte eine Zusage des [X.], die Verlegung der Bahnhofstraße zum Gegenstand eigener Planung im Zusammenhang mit dem Vorhaben der [X.]n zu machen, eine Einbeziehung dieses Regelungsgegenstandes in das dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss vorangegangene Planfeststellungsverfahren nicht rechtfertigen können. Die engen Voraussetzungen des § 78 [X.] für die Durchführung eines einheitlichen Planfeststellungsverfahrens für mehrere Vorhaben sind nicht disponibel; die Planfeststellungsbehörde darf sich über sie nicht unter Berufung auf abweichende Zusagen eines [X.] hinwegsetzen. Angesichts der Möglichkeit, beide Vorhaben unabhängig voneinander zu verwirklichen, könnte der behaupteten Zusage ohnehin in einem gesonderten Verfahren entsprochen werden.

Meta

9 A 12/09

06.10.2010

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: A

§ 72 Abs 1 VwVfG TH, § 38 Abs 1 S 1 VwVfG TH, § 75 Abs 1 S 1 VwVfG TH, § 78 Abs 1 VwVfG TH, § 17 FStrG, § 17a Nr 7 S 1 FStrG, § 38 StrG TH

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 06.10.2010, Az. 9 A 12/09 (REWIS RS 2010, 2654)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2654

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