Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.12.2014, Az. 10 AZR 63/14

10. Senat | REWIS RS 2014, 507

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Gegenstand

Auslegung eines Prozessvergleichs - Nachtschicht - Direktionsrecht


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 15. November 2013 - 14 Sa 1619/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung von [X.] für die Zeit von Mai 2011 bis August 2012 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

2

Der Kläger ist bei der [X.], die [X.] befördert, seit dem 1. September 1987 auf Grundlage des mit ihrer Rechtsvorgängerin abgeschlossenen Arbeitsvertrags vom 20. August 1987 und der Zusatzvereinbarung vom 30. Juni 1988 als [X.]“ in der Betriebsstätte am [X.] beschäftigt. Eine Vereinbarung über die Lage der Arbeitszeit enthalten weder der Vertrag noch die Zusatzvereinbarung.

3

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der von der [X.] mit dem [X.] abgeschlossene Manteltarifvertrag vom 6. Februar 2004 ([X.]) Anwendung. Dieser enthält auszugsweise folgende Regelungen:

        

§ 7 Zeitzuschläge

        

1.    

Die Mehrarbeitszuschläge werden monatlich akkumuliert und wie folgt vergütet

                 

für die 1. bis 15. Mehrarbeitsstunde im Monat

25 %   

                 

ab 16. bis 20. Mehrarbeitsstunde im Monat

50 %   

                 

für Arbeit an Sonntagen

125 % 

                 

für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen

125 % 

                 

für Nachtarbeit

33 %   

                                   
                 

für Arbeit am Heiligabend oder [X.] ab 12.00 Uhr

125 % 

        

2.    

Beim Zusammentreffen mehrerer Zeitzuschläge für eine Arbeitsleistung wird nur der jeweils höchste Zeitzuschlag gezahlt.

        

3.    

Der Berechnung der Zeitzuschläge ist die tatsächliche Vergütung zugrunde zu legen.“

4

Im Betrieb bestand darüber hinaus eine Betriebsvereinbarung Schichtarbeit vom 25. August 1993 ([X.]), die zum 15. Mai 1997 gekündigt wurde, ohne dass es zum Neuabschluss kam. Diese lautet auszugsweise:

        

„10.   

[X.]-/ERSCHWERNISZULAGEN

                 

Arbeitnehmer, die nicht zu den unter Punkt 2a.) definierten [X.] Arbeitszeiten arbeiten, erhalten wie folgt eine Schicht-/Erschwerniszulage:

                 

a.)     

…       

                 

b.)     

[X.]/NACHTARBEIT

                          

Mitarbeiter, deren Arbeitsbeginn zwischen 20.00 Uhr und 5.00 Uhr liegt, und/oder die an Wochenenden eingeteilt werden, erhalten pauschal eine Erschwerniszulage in Höhe von 150,- DM brutto pro Monat.

                 

c.)     

…“    

5

Der Kläger wurde seit dem 1. Juli 1988 in der Abteilung [X.] eingesetzt, in der Import-Zollabfertigungen durchgeführt werden. Sendungen, bei denen die für die Abfertigung notwendigen Daten nicht vorab bekannt gegeben worden waren, wurden dabei nach ihrem Eintreffen in der Nachtschicht („post-flight“) abgewickelt; die anderen Sendungen bereits vorher („[X.]“). Für diese „post-flight“ Abfertigung führte die Beklagte im Jahr 2000 eine sog. Dauernachtschicht ein, in der sie Mitarbeiter beschäftigte, die freiwillig ausschließlich in der Nachtschicht tätig werden wollten. Dazu gehörte auch der Kläger.

6

Im Februar 2002 bat der Kläger die Beklagte darum, seine Arbeitszeit ab dem 1. Juni 2002 von 40 auf 32 Wochenstunden zu verringern und die Arbeitszeit von montags bis donnerstags möglichst auf 8 bis 10 Stunden in der Nacht (20:00 Uhr bis 06:00 Uhr) zu verteilen, um einen zusammenhängenden Freizeitblock von Freitag bis Sonntag zu haben. Die Beklagte berief sich hiergegen auf betriebliche Gründe und strebte hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit eine höhere Flexibilität an. In einem daraufhin vom Kläger eingeleiteten Klageverfahren (- 15 Ca 3249/02 -) zur Durchsetzung der von ihm gewünschten Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit schlossen die Parteien vor dem [X.] am 4. Dezember 2002 folgenden Vergleich:

        

„1.     

Die Arbeitszeit des Klägers wird ab 01.01.2003 auf 32 Wochenstunden verringert; der Lohn reduziert sich entsprechend.

        

2.    

Die tägliche Arbeitszeit variiert je nach betrieblichen Bedürfnissen zwischen 8 und 10 Stunden; die tägliche Mindestarbeitszeit liegt bei 8 Stunden.

        

3.    

Der Kläger verbleibt im Dauernachtdienst und verpflichtet sich, im Rahmen des [X.] auf Anforderung der [X.] und in Absprache mit den vorgesetzten Managern seine Arbeitskraft in der jeweils geltenden Schichteinteilung zur Verfügung zu stellen.

        

4.    

[X.] soll nach Möglichkeit und vorbehaltlich der jeweiligen Zustimmung des Betriebsrates so erfolgen, dass Freizeitblöcke nicht durch einzelne Arbeitstage unterbrochen werden.

        

5.    

Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

        

6.    

Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.“

7

Der Kläger wurde dementsprechend in der Dauernachtschicht eingesetzt und erhielt [X.] und die Schichtzulage. Ab Juni/Juli 2010 wurde der [X.] im Zuge einer [X.] zum Hauptumschlagplatz der [X.]. Seit diesem Zeitpunkt wird am [X.] keine „post-flight“ Abfertigung mehr durchgeführt. Die Beklagte löste daraufhin die Dauernachtschicht in der Abteilung [X.] auf und setzte den Kläger und die anderen dort beschäftigten Mitarbeiter in der „[X.]“ Abfertigung im ([X.] ein. Bis Ende 2010 leistete die Beklagte Ausgleichszahlungen für entgangene Zuschläge, bis einschließlich Dezember 2011 erhielt der Kläger die monatliche Schichtzulage von 76,69 Euro brutto. Mit Schreiben vom 29. November 2011 verlangte er von der [X.] unter Hinweis auf die aus seiner Sicht nicht vertragsgemäße Beschäftigung die Zahlung von Zeitzuschlägen in näher [X.]. Seit Januar 2012 setzt die Beklagte den Kläger zu festen Arbeitszeiten montags bis freitags von 08:00 Uhr bis 18:00 Uhr ein und zahlt ihm keine Schichtzulage mehr.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich in dem [X.] verpflichtet, ihn dauerhaft in der Nachtschicht einzusetzen. Soweit sie dies nicht getan habe, schulde sie ihm die entgangenen Schichtzulagen und [X.] unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

9

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.921,61 Euro brutto nebst Zinsen in näher bestimmter gestaffelter Höhe zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, im Vergleich sei hinsichtlich der Beschäftigung in der Nachtschicht lediglich der damalige Status quo beschrieben worden, ohne eine Änderung der [X.] vorzunehmen. Die Lage der Arbeitszeit sei nur insoweit Gegenstand des Verfahrens nach § 8 [X.] gewesen, als der Kläger eine Verteilung auf vier aufeinanderfolgende Tage habe erreichen wollen. Die Änderung der zeitlichen Lage seiner Arbeitszeit wegen des Wegfalls der Nachtschicht habe die Grenzen billigen Ermessens gewahrt. Jedenfalls habe ihr gemäß § 8 Abs. 5 Satz 4 [X.] das Recht zugestanden, die Lage der Arbeitszeit des [X.] einseitig zu ändern.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im noch streitgegenständlichen Umfang stattgegeben, das [X.] hat sie insgesamt abgewiesen. Mit der vom [X.] insoweit zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat für den Streitzeitraum keinen Anspruch auf die Zahlung von [X.] und [X.] aus § 615 BGB iVm. § 7 [X.], Ziff. 10 BV Schichtarbeit. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich im Ergebnis als zutreffend.

I. Die Klage ist mit den noch anhängigen Anträgen unbegründet. Ansprüche auf Zahlung von [X.] und [X.] wegen Annahmeverzugs (§ 615 Satz 1 BGB) sind nicht entstanden. Der Kläger hatte keinen vertraglichen Anspruch auf eine Beschäftigung in der [X.] (zu 1.). Die Beklagte durfte ihn in Ausübung ihres Direktionsrechts außerhalb der Nachtschicht einsetzen. Die Grenzen billigen Ermessens (§ 106 [X.], § 315 BGB) hat sie dabei gewahrt (zu 2.).

1. Aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ergibt sich kein Anspruch des [X.] auf eine dauerhafte Beschäftigung in der Nachtschicht. Entgegen der Auffassung des [X.] ergibt sich ein solcher Anspruch insbesondere nicht aus Ziff. 3 des [X.]s vom 4. Dezember 2002.

a) Die Beklagte ist weder aus dem Arbeitsvertrag vom 20. August 1987 noch aus der Zusatzvereinbarung vom 30. Juni 1988 verpflichtet, den Kläger dauerhaft in der Nachtschicht zu beschäftigen. Beide Vereinbarungen enthalten keine Regelung zur Lage der Arbeitszeit. Nach dem Vortrag der Parteien bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine im Zusammenhang mit der „freiwilligen“ Übernahme der [X.] erfolgten ausdrücklichen oder konkludenten Beschränkung des Direktionsrechts. Auch die langjährige Beschäftigung in der [X.] führt für sich genommen nicht zu einer entsprechenden Konkretisierung des Arbeitsvertrags. Alleine die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum genügt hierfür nicht. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (st. Rspr., vgl. zB [X.] 17. August 2011 - 10 [X.] - Rn. 19 mwN). Solche Umstände hat der Kläger nicht behauptet.

b) Ein Anspruch auf Einsatz in der [X.] ergibt sich nicht aus Ziff. 3 des [X.]s vom 4. Dezember 2002.

aa) Der gerichtliche Vergleich beinhaltet nichttypische, individuelle Regelungen, die auf die konkrete Arbeitssituation des [X.] im Jahre 2002 zugeschnitten waren. Der [X.] kann offen lassen, ob die Auslegung des materiell-rechtlichen Inhalts eines solchen [X.]s durch das [X.] der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt (so zB [X.] 31. Juli 2002 - 10 [X.] - zu II 3 a der Gründe, [X.]E 102, 103; 9. Oktober 1996 - 5 [X.] - zu 4 der Gründe) oder ob sie nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (so zB [X.] 21. Januar 2014 - 3 [X.] 362/11 - Rn. 55; 15. September 2004 - 4 [X.] 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, [X.]E 112, 50; vgl. zum Streitstand GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 22). Das Berufungsurteil hält auch einer solchermaßen eingeschränkten Überprüfung nicht stand.

(1) Das [X.] hat angenommen, die Parteien hätten sich im [X.] verbindlich mit vertragsändernder Wirkung auf die Beschäftigung des [X.] in der [X.] geeinigt. Es hat dies unter anderem damit begründet, es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger in einem verfahrensbeendenden Vergleich hinter dem Ergebnis [X.], welches sich bei einem Obsiegen mit seinem Antrag nach § 8 [X.] ergeben hätte, nämlich einer Änderung der Verteilung der Arbeitszeit auf der Vertragsebene.

(2) Diese Annahme verstößt gegen allgemeine Erfahrungssätze über das Zustandekommen von [X.]en; auf sie durfte die Auslegung bei der gegebenen Sachlage nicht gestützt werden. Gemäß § 779 BGB gehört zum Wesen des Vergleichs das gegenseitige Nachgeben der Parteien bei einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis (Abs. 1) oder die Verwirklichung eines Anspruchs (Abs. 2). Dabei gibt es nach aller Erfahrung gerade im bestehenden Arbeitsverhältnis vielfältige Motive, von einer ursprünglich eingenommenen Rechtsposition im Vergleichswege abzurücken. Diese können rechtlicher oder wirtschaftlicher Natur sein, aber auch im Bestreben nach einer möglichst harmonischen Fortsetzung des Vertragsverhältnisses begründet sein oder schlicht der als notwendig erkannten Gesichtswahrung des Vertragspartners dienen. Selbst bei (vermeintlich) klarer Rechtslage scheidet daher ein (teilweises) Nachgeben trotz möglichem Obsiegen im Verfahren keinesfalls aus. Wieso das in einem Prozess über die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit nach § 8 [X.] anders sein sollte, begründet das [X.] nicht. Ebenso wenig benennt es Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit der von ihm gewünschten Verteilung der verringerten Arbeitszeit in jedem Fall obsiegt hätte. Aus dem Protokoll der Verhandlung vom 4. Dezember 2002 oder aus dem Vortrag der Parteien im vorliegenden Verfahren ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine solche Annahme.

bb) Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bedarf es indes gemäß § 563 Abs. 3 ZPO nicht. Der [X.] kann vielmehr die Auslegung des Vergleichs selbst vornehmen, da der für die Auslegung maßgebliche Sachverhalt feststeht und weiterer Sachvortrag nicht zu erwarten ist (vgl. [X.] 28. Mai 2014 - 7 [X.] - Rn. 29; 14. Mai 2013 - 9 [X.] 844/11 - Rn. 11, [X.]E 145, 107). Diese führt zu dem Ergebnis, dass Ziff. 3 des [X.]s die Beschäftigung in der Nachtschicht nicht auf vertraglicher Ebene konstitutiv festlegt.

(1) Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge und damit auch [X.]e so auszulegen, wie die Parteien sie nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. zB [X.] 21. Januar 2014 - 3 [X.] 362/11 - Rn. 57 mwN).

(2) Der Wortlaut des [X.]s spricht deutlich gegen die Annahme, dass Ziff. 3 des Vergleichs konstitutiv wirken sollte. Nach Ziff. 1 des Vergleichs „wird“ die Arbeitszeit des [X.] von Vollzeit auf 32 Wochenstunden bei entsprechender [X.] ab dem 1. Januar 2003 verringert. Diese Regelung schafft zukunftsgerichtet eine neue [X.]; dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Gleiches gilt für Ziff. 2 des Vergleichs, in der mit der Formulierung „die tägliche Mindestarbeitszeit liegt bei 8 Stunden“ erstmals die Mindestdauer der einzelnen Schicht vertraglich normiert wird. Demgegenüber heißt es in Ziff. 3, der Kläger „verbleibt im Dauernachtdienst“. Verbleiben kann in diesem Zusammenhang nur iSv. „bleiben“, also „eine Lage nicht verändern, etwas nicht verändern, in seinem augenblicklichen Zustand verharren“, verstanden werden ([X.] Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl. Stichworte „verbleiben“ und „bleiben“). In dieser Formulierung kommt der Wille der Parteien zur Fortführung bereits bestehender Rechtspflichten zum Ausdruck, nicht jedoch der Entschluss, eine neue ([X.] herbeizuführen. Der Wortlaut schließt zwar nicht aus, dass mit der getroffenen Regelung eine bestehende tatsächliche Situation, die fortgeführt wird, auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt werden soll. Hierfür bedarf es jedoch deutlicher Anhaltspunkte, die den Schluss auf einen solchen Willen zulassen. Daran fehlt es.

(3) Für dieses Verständnis spricht des Weiteren der Umstand, dass in Ziff. 3 eine gegenüber Ziff. 1 und Ziff. 2 des Vergleichs abweichende Formulierung verwendet wurde. Hierfür hätte kein Anlass bestanden, wenn auch mit Ziff. 3 eine konstitutive vertragsändernde Regelung hätte getroffen werden sollen. Der zweite Halbsatz der Ziff. 3, wonach der Kläger sich verpflichtet, im Rahmen der jeweils geltenden Schichteinteilung zu arbeiten, bestärkt entgegen der Auffassung der Revision diesen Befund. Auch dieser Satzteil beschreibt lediglich die für das Arbeitsverhältnis geltende Rechtslage. Die Verknüpfung beider Satzteile durch die Konjunktion „und“ stellt beide Aussagen in einen einheitlichen inhaltlichen Kontext, und zwar den der Beschreibung des tatsächlichen und rechtlichen Ist-Zustands.

(4) Aus der Vorgeschichte des Vergleichs und den Umständen seines Zustandekommens ergeben sich keine hinreichend deutlichen Anhaltspunkte, die auf ein anderes gemeinsames Verständnis der Parteien schließen ließen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Arbeitsvertrag des [X.] keine Beschränkung des Direktionsrechts der [X.] hinsichtlich der zeitlichen Lage der Arbeitszeit vorsah. [X.] hat sich der Kläger dann auf entsprechende Anfrage der [X.] freiwillig bereit erklärt, in der [X.] tätig zu werden, ohne dass er dies etwa zum Anlass genommen hätte, von der [X.] die vertragliche Festschreibung eines solchen Einsatzes zu verlangen. Der Einsatz in der [X.] stand - wie die Beklagte mehrfach unwidersprochen vorgetragen hat - zwischen den Parteien auch nicht im Streit, als der Kläger im Jahre 2002 seinen Antrag nach § 8 [X.] stellte. Deshalb bestand auch kein Grund, dies in dem Vergleich festzuschreiben.

(5) Der Arbeitnehmer, der einen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 [X.] stellt, hat ein Wahlrecht, ob er ausschließlich die Verringerung der Arbeitszeit (§ 8 Abs. 2 Satz 1 [X.]) beantragt und es dem Arbeitgeber überlässt, die verbleibende Arbeitszeit zu verteilen (§ 106 Satz 1 [X.]), oder ob er eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit wünscht (§ 8 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Der Arbeitnehmer hat es also schon bei der Antragstellung in der Hand, ob er die Frage der Verteilung der reduzierten Arbeitszeit überhaupt aufwirft und wenn ja, in welchem Umfang er insoweit eine Vertragsänderung (und damit eine Beschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers) anstrebt. Zwar ist häufig die Interessenlage auf eine bestimmte konkrete Verteilung gerichtet, zwingend ist dies aber nicht. Gleiches gilt später, also zB im Rahmen der Einigungsverhandlungen nach § 8 Abs. 3 [X.] oder auch in einem vom Arbeitnehmer eingeleiteten Gerichtsverfahren. Auch wenn er dort zusätzlich zur Verringerung der Arbeitszeit die Festlegung einer bestimmten Arbeitszeitverteilung begehrt, ist er frei, im Rahmen einer vergleichsweisen Einigung hiervon ganz oder teilweise wieder Abstand zu nehmen. § 8 [X.] gibt zwar einen Anspruch auf die vertragliche Festlegung einer Verteilung der reduzierten Arbeitszeit, erzwingt eine solche jedoch nicht.

(6) Die Interessenlage beider am [X.] beteiligten Parteien spricht hier gegen die Annahme einer Festschreibung der Beschäftigung des [X.] in der [X.]. Dafür, dass die Beklagte eine solche Beschränkung ihres Direktionsrechts unabhängig von späteren wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen im Bereich der Zollabfertigung vereinbaren wollte, sind keine Gründe vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Auf Seiten des [X.] mag zwar ein Interesse daran bestanden haben, weiterhin in Nachtschicht zu arbeiten. Hierfür spricht, dass er sich im [X.] freiwillig zur Verfügung gestellt hat und die [X.] ersichtlich finanzielle Vorteile bot. Daraus lässt sich aber noch nicht ohne Weiteres ableiten, dass er seinen vertraglichen [X.] dauerhaft - ggf. mit entsprechenden Folgen für die [X.] im Fall einer Kündigung ([X.] 31. Mai 2007 - 2 [X.] 276/06 - Rn. 49 mwN, [X.]E 123, 1) - hierauf begrenzen und sich ausschließlich den mit der [X.] verbundenen Belastungen (vgl. dazu zB [X.] 9. April 2014 - 10 [X.] 637/13 -) aussetzen wollte. Vor diesem Hintergrund spiegelt der geschlossene gerichtliche Vergleich in der hier gefundenen Auslegung einen angemessenen Ausgleich beider Interessen wider.

2. Die Beklagte war befugt, den Kläger ab Juli 2010 außerhalb der [X.] einzusetzen. Sie hat hierdurch die Grenzen des Direktionsrechts iSv. § 106 Satz 1 [X.] nicht überschritten.

a) Der angeordnete Einsatz des [X.] außerhalb der [X.] ist nicht an § 8 Abs. 5 Satz 4 [X.] zu messen. Dabei kann dahinstehen, ob dem Arbeitgeber dieses Recht auch dann zusteht, wenn eine Einigung über die Verteilung der Arbeitszeit erst im Zuge eines gerichtlichen Verfahrens erfolgt oder ob der Anwendungsbereich der Norm auf die unmittelbar in § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] und § 8 Abs. 5 Satz 3 [X.] angesprochenen Fallgestaltungen beschränkt ist. Jedenfalls greift es nur dann ein, wenn die zu ändernde Verteilung der Arbeitszeit infolge eines Verlangens des Arbeitnehmers einvernehmlich mit vertragsändernder Wirkung festgelegt wurde ([X.] 17. Juli 2007 - 9 [X.] 819/06 - Rn. 26 f.). An einer solchen vertraglichen Festlegung der ausschließlichen Beschäftigung in der [X.] fehlt es jedoch, wie unter 1. dargelegt.

b) Grundlage und Maßstab für den von der [X.] angeordneten Einsatz des [X.] außerhalb der [X.] ist deshalb das arbeitgeberseitige Direktionsrecht (§ 106 Satz 1 [X.]). Die Beklagte hat bei dessen Ausübung billiges Ermessen (§ 315 Abs. 3 BGB) gewahrt. Hiervon ist das [X.] im Ergebnis zutreffend ausgegangen.

aa) Nach § 106 Satz 1 [X.] kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz festgelegt sind. Fehlt es an einer solchen Festlegung der Lage der Arbeitszeit, ergibt sich der Umfang der arbeitgeberseitigen Weisungsrechte aus § 106 [X.]. [X.] unterliegt dann einer Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 [X.] iVm. § 315 Abs. 3 BGB ([X.] 28. August 2013 - 10 [X.] 569/12 - Rn. 20 [zur Bestimmung des Arbeitsortes]).

bb) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 [X.], § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie [X.] Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (st. Rspr., zuletzt zB [X.] 28. August 2013 - 10 [X.] 569/12 - Rn. 40 mwN).

cc) Nach diesen Grundsätzen ist die Ermessensausübung der [X.], wie auch das [X.] im Zusammenhang mit der von ihm vorgenommenen Prüfung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 [X.] zu Recht angenommen hat, nicht zu beanstanden. Der Grund für die Streichung der [X.] und die daraus folgende neue zeitliche Lage der Arbeitszeit des [X.] beruht auf einer Kapazitätsverlagerung vom [X.] zum [X.]. Damit bestand kein Bedarf mehr, die „post-flight“ Abfertigung am Standort [X.] in der Nachtschicht durchzuführen und die Beklagte entschloss sich zur Abschaffung der [X.]. Dieser unternehmerischen Entscheidung kommt besonderes Gewicht zu ([X.] 28. August 2013 - 10 [X.] 569/12 - Rn. 41 f.). Anhaltspunkte dafür, dass eine Beschäftigung des [X.] in der [X.] auch bei Umsetzung des unternehmerischen Konzepts möglich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich und vom Kläger nicht hinreichend konkret benannt. Dem betrieblichen Interesse der [X.], keine Schichtart aufrechterhalten zu müssen, für die es kein betriebliches Bedürfnis gibt, steht auf Seiten des [X.] (alleine) das Interesse gegenüber, weiterhin die mit der [X.] verbundenen Zuschläge und Zulagen zu verdienen. Darüber hinausgehende Umstände oder schutzwürdige Belange hat er nicht aufgezeigt. Dabei ist zu beachten, dass die streitgegenständlichen Zuschläge und Zulagen besondere Erschwernisse durch Nacht- und Schichtarbeit ausgleichen sollen und diese Erschwernisse mit dem Wegfall der Nachtschicht ebenfalls entfallen. Insgesamt gesehen überwiegen daher erkennbar die Interessen der [X.] an der vorgenommenen Weisung.

II. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Thiel    

        

    Schumann    

                 

Meta

10 AZR 63/14

10.12.2014

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt, 27. September 2012, Az: 19 Ca 144/12, Urteil

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 615 S 1 BGB, § 779 BGB, § 106 GewO, § 8 Abs 5 TzBfG, § 8 Abs 3 TzBfG, § 8 Abs 2 TzBfG, § 315 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.12.2014, Az. 10 AZR 63/14 (REWIS RS 2014, 507)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 507

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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