Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.02.2012, Az. II B 12/12

2. Senat | REWIS RS 2012, 9223

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Gegenstand

Darlegung von Gründen für die Zulassung der Revision; Rügeverlust; Auslandszeugen


Leitsatz

1. NV: Um die Divergenz des angefochtenen Urteils des FG von einer Entscheidung des BFH ordnungsgemäß darzulegen, muss der Beschwerdeführer auch ausführen, dass es sich im Streitfall um einen gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage wie in der Entscheidung des BFH handle.

2. NV: Mit der Rüge, das FG habe bei der Tatschen- und Beweiswürdigung gegen Denkgesetze verstoßen, wird kein Verfahrensmangel, sondern ein materiell-rechtlicher Fehler geltend gemacht.

3. NV: Das Recht, die Verletzung der Pflicht des FG zur Aufklärung des Sachverhalts geltend zu machen, geht nicht nur durch ausdrücklichen Verzicht sondern bei Vertretung durch einen fachkundigen Bevollmächtigten auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge in der mündlichen Verhandlung verloren.

4. NV: Auslandzeugen sind in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zu stellen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([[X.].]O). Danach müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 [[X.].]O dargelegt werden.

2

1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben nicht hinreichend dargelegt, dass die Revision wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des [[X.].] ([[X.].]) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [[X.].]O) zuzulassen sei.

3

a) Um eine Divergenz des Urteils des Finanzgerichts ([[X.].]) von Entscheidungen des [[X.].] ordnungsgemäß darzulegen, muss der Beschwerdeführer abstrakte, die Vorentscheidung tragende Rechtsgrundsätze und abstrakte, ebenfalls tragende Rechtsgrundsätze aus den Entscheidungen des [[X.].] so gegenüberstellen, dass eine Abweichung erkennbar wird ([[X.].]-Beschlüsse vom 16. August 2011 [[X.].]/10, [[X.].]/NV 2012, 48, und vom 31. August 2011 [[X.].]/10, [[X.].]/NV 2012, 21, je m.w.N.), und zwar eine Abweichung im Grundsätzlichen ([[X.].]-Beschlüsse vom 28. März 2011 [[X.].]/09, [[X.].]/NV 2011, 1144, und vom 23. August 2011 [[X.].]/11, [[X.].]/NV 2012, 53). Des Weiteren ist auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage wie in den angeführten Entscheidungen des [[X.].] handle, von denen das [[X.].] abgewichen sein soll ([[X.].]-Beschlüsse vom 22. Juli 2008 [[X.].]/07, [[X.].]/NV 2008, 1846, und vom 22. August 2011 [[X.].]/10, [[X.].]/NV 2011, 2092). [X.]udem muss dargelegt werden, dass die nach Ansicht des Beschwerdeführers vom [[X.].] abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden könne ([[X.].]-Beschlüsse vom 31. März 2010 [[X.].]/08, [[X.].]/NV 2010, 1487, und vom 27. September 2010 [[X.].]/09, [[X.].]/NV 2011, 193). [X.]ur Darlegung einer Divergenz genügt es nicht, wenn lediglich bloße Subsumtionsfehler und die fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen des [[X.].] auf die Besonderheiten des Einzelfalls geltend gemacht werden ([[X.].]-Beschlüsse in [[X.].]/NV 2011, 1144, und in [[X.].]/NV 2012, 53). Eine fehlerhafte Einzelfallentscheidung vermag nämlich die Notwendigkeit einer [[X.].]-Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung grundsätzlich nicht zu begründen ([[X.].]-Beschluss in [[X.].]/NV 2010, 1487; vgl. unten 3.).

4

b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Mit der Rüge, die vom [[X.].] angeführten [[X.].]-Urteile seien aufgrund anders gelagerter Sachverhalte nicht einschlägig, machen die Kläger keine Abweichung der Vorentscheidung von diesen [[X.].]-Urteilen geltend. Gleiches gilt für das Vorbringen der Kläger, das [[X.].] sei zwar von den in der Rechtsprechung des [[X.].] aufgestellten Rechtsgrundsätzen ausgegangen, habe diese aber im Streitfall unzutreffend angewandt. Die Kläger haben zudem in der Beschwerdebegründung nicht berücksichtigt, dass es bei der Überprüfung eines finanzgerichtlichen Urteils grundsätzlich auf die vom [[X.].] getroffenen tatsächlichen Feststellungen ankommt (§ 118 Abs. 2 [[X.].]O) und daher Rechtsfragen, die sich nur aufgrund eines vom Beschwerdeführer anders dargestellten Sachverhalts ergeben, im Revisionsverfahren nicht geklärt werden können.

5

2. Die Kläger haben das Vorliegen eines nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 [[X.].]O zur [X.]ulassung der Revision führenden [[X.].] ebenfalls nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

6

a) Die Revision ist nach dieser Vorschrift zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Urteil des [[X.].] beruhen kann. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen solchen Mangel gestützt, so bedarf es hierfür eines genauen Vortrags der Tatsachen, die den Mangel schlüssig ergeben. [X.]udem muss außer bei den absoluten [[X.].] gemäß § 119 [[X.].]O dargelegt werden, dass die angefochtene Entscheidung --ausgehend von der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des [[X.].]-- auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen könne, sie also ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre ([[X.].]-Beschlüsse vom 19. Mai 2008 [[X.].], [[X.].]/NV 2008, 1501; vom 24. Juli 2008 [[X.].]/08, [[X.].]/NV 2008, 1817; vom 20. September 2010 [[X.].]/09, [[X.].]/NV 2011, 53; vom 4. Oktober 2010 [[X.].]/10, [[X.].]/NV 2011, 38, und vom 5. September 2011 [[X.].]/10, [[X.].]/NV 2012, 3). Das [[X.].] braucht insbesondere einen Sachverhalt, auf den es nach seiner materiell-rechtlichen Beurteilung nicht ankommt, nicht nach § 76 Abs. 1 [[X.].]O aufzuklären ([[X.].]-Beschluss vom 5. August 2011 [[X.].]/10, [[X.].]/NV 2011, 1915, m.w.N.).

7

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

8

aa) Die Kläger sehen einen Verfahrensfehler zunächst darin, dass das [[X.].] bei der Tatsachen- und Beweiswürdigung gegen Denkgesetze verstoßen habe. Mit dieser Rüge machen sie indes keinen Verfahrensmangel, sondern einen materiell-rechtlichen Fehler geltend, der grundsätzlich nicht zur [X.]ulassung der Revision führt ([[X.].]-Beschlüsse vom 28. August 2006 [[X.].], [[X.].]/NV 2006, 2293, und in [[X.].]/NV 2011, 1915, m.w.N.).

9

bb) [[X.].], das [[X.].] hätte den Sachverhalt durch Anordnung des persönlichen Erscheinens des [[X.].] oder von dessen Vernehmung in [X.] ([X.]) weiter aufklären müssen, ist ebenfalls nicht geeignet, das Vorliegen eines [[X.].] schlüssig darzulegen. Die Kläger führen nämlich nicht aus, aus welchen Gründen sie das Recht, dies geltend zu machen, nicht dadurch verloren haben, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem [[X.].] ausweislich der Sitzungsniederschrift keine entsprechende Rüge erhoben haben, obwohl sie durch einen Rechtsanwalt und der Kläger zu 1. zusätzlich durch einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater als Prozessbevollmächtigte vertreten waren. Die Geltendmachung der Verletzung der Pflicht des [[X.].] zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 [[X.].]O) gehört zu den verzichtbaren Verfahrensrechten (§ 155 [[X.].]O i.V.m. § 295 Abs. 1 der [X.]ivilprozessordnung; [[X.].]-Beschluss in [[X.].]/NV 2011, 1915). Das [X.] geht nicht nur durch ausdrücklichen Verzicht, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren ([[X.].]-Beschlüsse vom 7. Oktober 2010 I[X.] B 83/10, [[X.].]/NV 2011, 61, und in [[X.].]/NV 2011, 1915).

cc) Gleiches gilt für die Rüge, das [[X.].] hätte zur weiteren Erforschung des Sachverhalts den [X.] wohnenden [X.]eugen laden müssen. Auch insoweit fehlt es an Ausführungen, warum es dadurch, dass die Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem [[X.].] keine entsprechende Rüge erhoben haben, nicht zu einem Rügeverlust gekommen sein soll. Davon abgesehen ist ein im Ausland ansässiger [X.]euge vom [[X.].] nicht zu laden, sondern von dem Beteiligten, der die Vernehmung dieses [X.]eugen beantragt, gemäß § 76 Abs. 1 Satz 4 [[X.].]O i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung in der mündlichen Verhandlung vor dem [[X.].] zu stellen ([[X.].]-Beschluss vom 30. Mai 2011 [X.]I [X.]/10, [[X.].]/NV 2011, 1479, m.w.N.).

dd) [[X.].], das [[X.].] habe das Verfahren rechtsfehlerhaft auf den Einzelrichter übertragen, entspricht ebenfalls nicht den [X.] und ist daher unzulässig. Das [[X.].] hat das Verfahren mit unanfechtbarem Beschluss gemäß § 6 Abs. 1 und 4 Satz 1 [[X.].]O auf den Einzelrichter übertragen. Weshalb das "greifbar gesetzwidrig" sein sollte, ist nicht erkennbar ([[X.].]-Beschluss vom 16. November 2011 [X.]/10, nicht veröffentlicht).

3. Mit der Rüge, die Vorentscheidung beruhe auf einer fehlerhaften Tatsachen- und Beweiswürdigung und einer unzutreffenden Rechtsanwendung, machen die Kläger keinen Grund für die [X.]ulassung der Revision geltend (ständige Rechtsprechung des [[X.].], vgl. z.B. [[X.].]-Beschlüsse in [[X.].]/NV 2011, 53, und vom 24. August 2011 I[X.] B 89/11, [[X.].]/NV 2012, 11, je m.w.N.). Die Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten ([[X.].]-Beschluss vom 10. Februar 2011 II S 39/10 (PKH), [[X.].]E 232, 310, BStBl II 2011, 657, m.w.N.). Die Revision ist vielmehr nur dann nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [[X.].]O wegen besonders schwerwiegender Fehler des [[X.].] bei der Auslegung revisiblen Rechts zuzulassen, wenn das Urteil des [[X.].] objektiv willkürlich ist oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar, also greifbar gesetzwidrig und somit geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. dazu z.B. [[X.].]-Beschlüsse vom 12. Mai 2011 I[X.] B 121/10, [[X.].]/NV 2011, 1391; vom 10. August 2011 [X.] B 100/10, [[X.].]/NV 2011, 2098; in [[X.].]/NV 2012, 48; vom 17. August 2011 [X.] B 225/10, [[X.].]/NV 2011, 2083, und in [[X.].]/NV 2012, 3).

Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ergeben sich aus der Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte.

Meta

II B 12/12

13.02.2012

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend FG Hamburg, 28. Mai 2010, Az: 3 K 258/08, Urteil

§ 76 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 90 Abs 2 AO, § 295 Abs 1 ZPO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.02.2012, Az. II B 12/12 (REWIS RS 2012, 9223)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9223

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