Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2017, Az. 5 StR 548/16

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 17511

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Gegenstand

Strafverfahren: Führung des Protokolls durch einen Rechtsreferendar


Leitsatz

Weder aus § 153 Abs. 2 und 5 Satz 1 GVG noch aus § 20 Bremisches AGGVG ergibt sich, dass nur der erkennenden Strafkammer zugewiesene "Stationsreferendare" für Aufgaben der Protokollführung herangezogen werden dürfen.

Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. Mai 2016 werden verworfen, da die Nach-prüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels so-wie die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die den Neben- und Adhäsionsklägern im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen, der Angeklagte [X.]     jedoch nur hinsichtlich der Neben- und Adhäsionskläger                K.    sowie           [X.].   .

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen Anstiftung zum versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten [X.]hat es wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verhängt. Ferner hat es [X.] getroffen. Die auf eine Verfahrensbeanstandung sowie die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.

2

1. Ein Verstoß gegen § 226 Abs. 1, § 338 Nr. 5 StPO liegt nicht vor. Die Auffassung der Beschwerdeführer, die Hauptverhandlung habe zeitweise ohne einen ordnungsgemäß bestellten [X.]n der Geschäftsstelle stattgefunden, weil an zwei Hauptverhandlungstagen Rechtsreferendare das Protokoll geführt hätten, geht fehl.

3

a) Die Revisionen wollen den Entscheidungen des [X.] vom 20. April 1982 (5 StR 521/81) und vom 3. April 1984 (5 [X.], [X.], 327) entnehmen, dass Referendare nicht mit Aufgaben des [X.]n der Geschäftsstelle betraut werden dürften, wenn sie – wie hier – im Zeitpunkt der Protokollführung nicht der erkennenden Strafkammer als „Stationsreferendare” zugewiesen seien. Indessen lässt sich den genannten Entscheidungen kein solcher Rechtssatz entnehmen. Der [X.] legt § 153 Abs. 5 Satz 1 GVG vielmehr in ständiger Rechtsprechung gemäß seinem Wortlaut und in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des [X.]n der Geschäftsstelle, BT-Drucks. 8/2024 S. 18; [X.], [X.] 1984, 110) dahin aus, dass die Einzelheiten der Betrauung der betroffenen Personen, zu denen auch Referendare gehören können, grundsätzlich nach dem jeweiligen Landesrecht zu beurteilen sind (vgl. [X.], aaO, sowie Urteil vom 4. Juni 1985 – 1 StR 18/85, [X.] 1985, 492; siehe auch [X.], Rpfleger 1985, 77; MüKoStPO/[X.] 2016, § 226 Rn. 13 mwN). Die in [X.] geltenden Vorschriften enthalten die von den Beschwerdeführern behauptete Einschränkung nicht.

4

Der [X.] hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 23. November 2016 zutreffend ausgeführt:

„In [X.] ist insoweit Folgendes geregelt:

Nach § 20 Abs. 1 [X.] können Referendare mit der selbstständigen Wahrnehmung von Aufgaben des [X.]n der Geschäftsstelle beauftragt werden. Nach § 20 Abs. 3 [X.] sind zuständig für die Beauftragung der Senator für Justiz und Verfassung und die von ihm bestimmten Stellen.

Die ‚Allgemeine Verfügung des Senators für Rechtspflege und Strafvollzug zur Ausführung der §§ 19 bis 21 des [X.]‘ lautet unter anderem:

(1) Mit der Wahrnehmung von Aufgaben des [X.]n der Geschäftsstelle können

a) gemäß § 20 Abs. 1 [X.] Referendare sowie Anwärter für den gehobenen oder den mittleren Justizdienst beauftragt werden. Die Beauftragung setzt gemäß § 8 der Anordnung über die Geschäftsstellen der Gerichte und Staatsanwaltschaften voraus, dass die Personen auf dem Sachgebiet, das ihnen zur Erledigung übertragen werden soll, einen Wissens- und Leistungsstand aufweisen, der dem der Beamten des mittleren [X.] gleichwertig ist (§ 153 Abs. 5 GVG).

(2) Für die Beauftragung gemäß Absatz 1 werden als zuständig bestimmt:

der Präsident des [X.] in [X.], der [X.], der Präsident des [X.]s, der Leitende Oberstaatsanwalt,

die Präsidenten der Amtsgerichte in [X.] und [X.] sowie [X.] des Amtsgerichts in [X.]-Blumenthal jeweils für das Gericht oder die Staatsanwaltschaft, denen sie vorstehen, für Referendare und Rechtspraktikanten darüber hinaus [X.] oder Staatsanwalt des Referendars oder Rechtspraktikanten.

Die im vorliegenden Verfahren tätig gewordenen Referendare sind von der Präsidentin des [X.]s ordnungsgemäß mit der Protokollführung beauftragt worden. Soweit die Revision meint, dass nur ‚Stationsreferendare‘ Aufgaben des [X.]n wahrnehmen dürfen, ist ihr zu widersprechen. Der Wortlaut der in Rede stehenden Vorschrift enthält eine solche Einschränkung nicht. Diese ist auch aus sonstigen Gründen nicht geboten. Ferner spricht der Umstand, dass zuständig für die Beauftragung unter anderem ‚der Präsident des [X.]s‘ und der ‚ausbildende Richter‘ sind, für die Sichtweise des [X.]s [X.].“

5

b) Zweifel an der erforderlichen Befähigung der eingesetzten Referendare (vgl. § 153 Abs. 2 und 5 Satz 1 GVG) hegt der Senat nicht. Dem entspricht es, dass die Beschwerdeführer Mängel der Protokollführung nicht aufzeigen; solche sind auch nicht ersichtlich. Nach der Stellungnahme der Präsidentin des [X.]s [X.] hatten die Referendare die mehrmonatige Pflichtstation in Zivilsachen absolviert und befanden sich im strafrechtlichen Ausbildungsabschnitt. Sie waren durch [X.] der Geschäftsstelle in die Tätigkeit des Protokollführers theoretisch und praktisch eingewiesen worden. Die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des § 153 Abs. 2 und 5 Satz 1 GVG war damit gewährleistet. Dass den Referendaren die so erworbene Befähigung nur bei aktueller Zuweisung an die jeweils erkennende Strafkammer oder an das betroffene [X.] (vgl. insoweit auch [X.], Urteil vom 22. Januar 1981 – 4 [X.]) zukommen könnte, liegt fern. Es ist auch ansonsten kein sachlicher Grund vorhanden, der die von den Beschwerdeführern vertretene Rechtsansicht stützen könnte.

6

c) Nach den Ausführungen der Präsidentin des [X.]s wurde die (Neben-)Tätigkeit als Protokollführer aufgrund eines mit den Referendaren geschlossenen Vertrags mit 12 € pro Stunde vergütet. Aus welchem Grund dieser Umstand zu Mängeln der Betrauung und damit zu einem Verfahrensfehler geführt haben könnte, erschließt sich dem Senat nicht. Namentlich ließ die übernommene Nebentätigkeit deren Stellung als Referendare unberührt. Unbehelflich sind ferner der Hinweis der Beschwerdeführer auf die nach ihrer Meinung inadäquate Bezahlung sowie die – sehr abstrakte – Erwägung, es seien Interessenkonflikte denkbar.

7

2. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrügen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufgedeckt.

Mutzbauer      

        

Sander      

        

Dölp   

        

König      

        

Mosbacher      

        

Meta

5 StR 548/16

12.01.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bremen, 18. Mai 2016, Az: 21 Ks (3/15) 3 AR 155/16

§ 153 Abs 2 GVG, § 153 Abs 5 S 1 GVG, § 20 GVGAG BR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2017, Az. 5 StR 548/16 (REWIS RS 2017, 17511)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1126 REWIS RS 2017, 17511

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Referenzen
Wird zitiert von

5 StR 493/16

5 StR 493/16

5 StR 605/16

5 StR 548/16

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