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Zu den Voraussetzungen der Erledigung einer Wahlprüfungsbeschwerde nach Ablauf der Wahlperiode
L e i t s a t z
zum Beschluss des [X.] vom 15. Januar 2009
- 2 BvC 4/04 -
Im Wahlprüfungsverfahren kann auch nach Ablauf einer Wahlperiode ein öffentliches Interesse an einer Entscheidung des [X.] über die Verfassungsgemäßheit von Wahlrechtsnormen und die Anwendung des geltenden Wahlrechts bestehen, soweit ein möglicher Wahlfehler über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung hat.
[X.]
- 2 BvC 4/04 -
des Herrn S…,
gegen | den Beschluss des [X.] vom 6. November 2003 - [X.] -, BTDrucks 15/1850, [X.] 57 ff. <Anlage 11>; Stenografischer Bericht vom 6. November 2003, [X.] 6188 B ff. |
hat das [X.] - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der [X.]innen und [X.]
Vizepräsident Voßkuhle,
Broß,
Osterloh,
[X.],
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt,
Landau
am 15. Januar 2009 beschlossen:
Die Wahlprüfungsbeschwerde hat sich erledigt.
1. Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 22. November 2002 und ergänzenden Schreiben vom 22. Mai 2003, 29. Mai 2003 und 25. Juni 2003 beim [X.] Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. [X.] am 22. September 2002.
Zur Begründung machte er geltend, das gesamte Wahlrecht sei verfassungswidrig, weil es nicht in der Verfassung selbst normiert sei. Die in Art. 38 Abs. 2 Halbsatz 1 GG geregelte Altersgrenze für das aktive Wahlrecht verletze die Wahlrechtsgrundsätze. Gleiches gelte für die Fünf-Prozent-Sperrklausel (§ 6 Abs. 6 Satz 1 [X.]), die Zuteilung von Überhangmandaten (§ 6 Abs. 5 [X.]), die Aufstellung „starrer“ Landeslisten (§ 27 Abs. 1 [X.]) und die Verbindung von Verhältnis- und Personenwahl. Die auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgenommene Berücksichtigung der Zweitstimmen von Wählern, die in zwei [X.] Wahlkreisen mit ihrer Erststimme der jeweiligen [X.] der [X.]([X.]) zu einem Mandat verholfen, mit ihrer Zweitstimme jedoch für eine andere Landesliste gestimmt haben (sogenannte [X.] Zweitstimmen), verstoße gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Darüber hinaus sei es im Vorfeld der Wahlen zum 15. [X.] durch ein Täuschungsverhalten von Regierungsmitgliedern zu erheblichen Einflussnahmen auf die Wähler gekommen. Die [X.]regierung habe ferner durch Veröffentlichungen vor der Wahl ihre Pflicht zur Wahrung parteipolitischer Neutralität verletzt. Auch der Einfluss auf die Willensbildung der Wähler durch Meinungsumfragen unmittelbar vor der Wahl sei verfassungswidrig. Zudem sei die aufgrund einer Verletzung von [X.] unzulässige Finanzierung von Wahlwerbung durch die [X.] ([X.]) für den Wahlausgang maßgeblich gewesen. Schließlich stelle eine rechtswidrige Datennutzung seitens der [X.] ([X.]) für [X.] einen Wahlfehler dar.
2. Der [X.] wies den Wahleinspruch in seiner 72. Sitzung vom 6. November 2003 als offensichtlich unbegründet zurück (vgl. Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses vom 23. Oktober 2003, BTDrucks 15/1850, [X.] 57 ff. <Anlage 11>; Stenografischer Bericht vom 6. November 2003, [X.] 6188 B ff.).
3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 5. Januar 2004 erhobene Beschwerde. Sie wird von mehr als einhundert Wahlberechtigten unterstützt. Der Beschwerdeführer wiederholt seine Rügen aus dem Einspruchsverfahren.
4. Am 21. Juli 2005 hat der [X.]präsident den 15. [X.] auf Vorschlag des [X.]kanzlers gemäß Art. 68 GG aufgelöst (BGBl I [X.] 2169). Am 18. September 2005 hat die Wahl zum 16. [X.] stattgefunden und der 16. [X.] hat sich konstituiert.
Der Beschwerdeführer verfolgt seine Beschwerde weiter.
Die Wahlprüfungsbeschwerde hat sich erledigt.
1. Das Wahlprüfungsverfahren soll die gesetzmäßige Zusammensetzung des [X.]es gewährleisten (vgl. [X.] 1, 430 <433>; 103, 111 <134>; stRspr). Da der 15. [X.] aufgelöst worden ist und sich ein neuer [X.] konstituiert hat, kann eine Entscheidung über die Wahlprüfungsbeschwerde keine Auswirkungen mehr auf die ordnungsgemäße Zusammensetzung des 15. Deutschen [X.]es haben. Die Wahlprüfungsbeschwerde ist insoweit gegenstandslos geworden (vgl. [X.] 22, 277 <280 f.>; 34, 201 <203>).
2. Das [X.] bleibt grundsätzlich auch nach der Auflösung eines [X.]es oder dem regulären Ablauf einer Wahlperiode befugt, die im Rahmen einer zulässigen Wahlprüfungsbeschwerde erhobenen Rügen der Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsnormen und wichtige wahlrechtliche Zweifelsfragen zu prüfen.
a) Ob eine Wahlprüfungsbeschwerde eingelegt wird, obliegt der freien Entscheidung jedes Beschwerdeberechtigten. Das [X.] kann nicht von Amts wegen tätig werden. Die Wahlprüfungsbeschwerde hat demgemäß eine Anstoßfunktion. Über den weiteren Verlauf des überwiegend objektiven Verfahrens (vgl. [X.] 34, 81 <97>) entscheidet jedoch das [X.]. Insoweit kommt es auf das öffentliche Interesse an (vgl. [X.] 89, 291 <299>).
b) Nach Ablauf einer Wahlperiode kann ein öffentliches Interesse an einer Entscheidung des [X.] über die Verfassungsgemäßheit von Wahlrechtsnormen und die Anwendung des geltenden Wahlrechts bestehen, soweit ein möglicher Wahlfehler über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung hat.
aa) Die strikte rechtliche Regelung der Vorbereitung und Durchführung der Wahl und eine Kontrolle der Anwendung dieser Vorschriften entsprechen der Bedeutung der Wahl zum [X.] als Ausgangspunkt aller [X.] Legitimation wie auch der Gewährleistung des aktiven und passiven Wahlrechts durch Art. 38 GG (vgl. [X.] 89, 243 <250 f.>). In der durch das Grundgesetz verfassten freiheitlichen Demokratie der [X.]republik Deutschland geht alle Staatsgewalt vom Volke aus (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Volk übt sie in Wahlen und Abstimmungen aus (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). Im demokratisch verfassten Staat des Grundgesetzes können die Abgeordneten ihre Legitimation zur Repräsentation nur aus der Wahl durch das Volk beziehen (vgl. [X.] 97, 317 <323>); die Wahlen zur Volksvertretung sind der [X.] [X.] Legitimation (vgl. [X.] 44, 125 <142>). Die Ausübung des Wahlrechts stellt sich essentiell als Teilhabe an der Staatsgewalt, als ein Stück Ausübung von Staatsgewalt im status activus dar (vgl. [X.] 8, 104 <115>; 83, 60 <71>).
bb) Das [X.] prüft im Wahlprüfungsverfahren nicht nur den angegriffenen Beschluss des [X.]es in formeller Hinsicht und darauf, ob Vorschriften des materiellen Rechts zutreffend angewandt worden sind (vgl. [X.] 97, 317 <322>), sondern darüber hinaus, ob das angewandte Wahlgesetz mit der Verfassung in Einklang steht (vgl. [X.] 16, 130 <136>; 21, 200 <204>; 34, 81 <95>). Als letzte und in der Regel einzige Instanz hat das [X.] im Wahlprüfungsverfahren eine mittelbare Normenkontrolle angewandter Wahlrechtsnormen durchzuführen. Der [X.] prüft in ständiger Übung im Einspruchsverfahren nicht abschließend die Verfassungsmäßigkeit der angewandten Wahlrechtsnormen (vgl. nur BTDrucks 15/1150, [X.] 1; 16/1800, [X.] 229). Ihm fehlt insoweit die [X.]. Eine Pflicht des [X.]es zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Normen im [X.]besteht dementsprechend nicht (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2008 - 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07 -, NVwZ 2008, [X.] 991 <992>).
cc) [X.] entfalten über die jeweilige Wahlperiode hinaus solange Wirkung, bis sie vom Gesetzgeber geändert oder vom [X.] für nichtig oder für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt werden. Die Fortsetzung einer durch die Wahlprüfungsbeschwerde veranlassten mittelbaren verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle liegt daher grundsätzlich auch nach Ablauf der Wahlperiode im öffentlichen Interesse. Gleiches gilt für sonstige wahlrechtliche Zweifelsfragen, die über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung haben.
c) Ein öffentliches Interesse an einer Sachentscheidung nach Ablauf der Wahlperiode besteht nicht, soweit eine Wahlprüfungsbeschwerde von Anfang an unzulässig ist. Insoweit wäre auch vor Ablauf der Wahlperiode keine Sachentscheidung des [X.] ergangen.
Das öffentliche Interesse an einer Sachentscheidung kann ferner insbesondere dann entfallen, wenn das [X.] bereits in anderem Zusammenhang die Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Vorschrift oder vom Beschwerdeführer aufgeworfene wahlrechtliche Zweifelsfragen geklärt und der Beschwerdeführer keine Gesichtspunkte vorgetragen hat, die Anlass zu einer abweichenden Beurteilung geben könnten. Gleiches gilt, wenn der gerügte Mangel durch Änderung der Vorschrift zwischenzeitlich behoben wurde oder die Vorschrift in einem engen sachlichen Zusammenhang mit Normen steht, deren Verfassungswidrigkeit das [X.] bereits festgestellt hat. Ein öffentliches Sachentscheidungsinteresse kann auch entfallen, wenn der [X.] einen vom Beschwerdeführer gerügten Verstoß gegen eine Wahlrechtsnorm bereits im Einspruchsverfahren festgestellt hat.
3. Danach hat sich die Wahlprüfungsbeschwerde des Beschwerdeführers erledigt. Das öffentliche Interesse steht einer Beendigung des Verfahrens ohne Entscheidung zur Sache nicht entgegen.
a) Zum Teil sind die vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen unzulässig, weil sie den Begründungsanforderungen nicht genügen.
Nach § 23 Abs. 1 [X.]G sind Anträge, die ein Verfahren vor dem [X.] einleiten, zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben. § 23 Abs. 1 [X.]G gilt als allgemeine Verfahrensvorschrift auch für Wahlprüfungsbeschwerden (vgl. [X.] 21, 359 <361>; 24, 252 <258>). Eine ordnungsgemäße Begründung verlangt eine hinreichend substantiierte und aus sich heraus verständliche Darlegung eines Sachverhalts, aus dem erkennbar ist, worin ein Wahlfehler liegen soll, der Einfluss auf die Mandatsverteilung haben kann (vgl. [X.] 58, 175 <175 f.>). Die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern oder die Äußerung einer dahingehenden, nicht belegten Vermutung genügen nicht (vgl. [X.] 40, 11 <31 f.>; 66, 369 <378 f.>; 89, 291 <304 f., 308 f.>). Der Grundsatz der Amtsermittlung befreit den Beschwerdeführer nicht davon, die Gründe der Wahlprüfungsbeschwerde in substantiierter Weise darzulegen (vgl. [X.] 40, 11 <30>), mag dies im Einzelfall auch mit Schwierigkeiten insbesondere im tatsächlichen Bereich verbunden sein (vgl. [X.] 40, 11 <32>; 59, 119 <124>; 66, 369 <379>).
aa) Soweit der Beschwerdeführer die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht als verfassungswidrig rügt, genügt sein pauschales Vorbringen den genannten Mindestanforderungen nicht. Diese Altersgrenze ist an den Wahlrechtsgrundsätzen des Art. 38 Abs. 1 GG nicht zu messen, weil sie in Art. 38 Abs. 2 Halbsatz 1 GG auf gleicher Rangebene wie diese geregelt ist (vgl. [X.] 3, 225 <231 f.>).
bb) Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich auch nicht die Möglichkeit eines Wahlfehlers aufgrund von Zeitungs- und [X.], die von der [X.]regierung vor der Wahl veranlasst worden waren. Der Beschwerdeführer hat die betreffenden Veröffentlichungen weder vorgelegt noch ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben. Es ist nicht Aufgabe des [X.], Handlungen im Umfeld von Wahlen umfassend aufzuklären und auf einen möglichen Verstoß gegen wahlrechtliche Vorschriften zu prüfen. Der Vortrag des Beschwerdeführers allein lässt nicht auf eine Überschreitung der Grenze zur unzulässigen Wahlwerbung (vgl. dazu [X.] 44, 125 <138 ff., 154>) schließen.
cc) Soweit der Beschwerdeführer Meinungsumfragen vor der Wahl als verfassungswidrig beanstandet, genügt sein Vorbringen ebenfalls nicht den Begründungsanforderungen. Es erschöpft sich in der Vermutung, dass viele Bürger ihr Wahlverhalten nach den Darstellungen in den Medien ausrichteten und viele Meinungsforschungsinstitute mit [X.]en verwoben seien und daher Umfrageergebnisse fälschten. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Wahlfehlers lässt sich dieser nicht weiter belegten Vermutung nicht entnehmen.
[X.]) Schließlich hat der Beschwerdeführer auch einen Wahlfehler aufgrund einer wegen Verstoßes gegen die Rechenschaftspflicht unzulässig finanzierten Wahlwerbung durch die [X.] nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Der Beschwerdeführer verweist zur Begründung auf einen nicht beigefügten Zeitschriftenartikel, dessen Inhalt er nicht wiedergibt. Darüber hinaus nimmt er Bezug auf seine Einspruchsschreiben an den [X.]. Derartige Bezugnahmen reichen zur Begründung einer Wahlprüfungsbeschwerde jedoch nicht aus (vgl. [X.] 21, 359 <361>).
b) Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass die Entstehung von Überhangmandaten und die Berücksichtigung der Zweitstimmen von Wählern, die in zwei [X.] Wahlkreisen mit ihrer Erststimme der jeweiligen [X.] der [X.] zu einem Mandat verholfen haben, mit ihrer Zweitstimme jedoch für eine andere Landesliste gestimmt haben (sogenannte [X.] Zweitstimmen), die Gleichheit der Wahl verletzen, besteht aufgrund der Entscheidung des Senats vom 3. Juli 2008 - 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07 - (NVwZ 2008, [X.] 991 ff.) kein öffentliches Interesse an der Weiterführung des Wahlprüfungsverfahrens.
aa) Es muss nicht entschieden werden, ob § 6 Abs. 5 Satz 2 und § 7 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 5 Satz 2 [X.] insoweit gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen, als sie die Zuteilung von Überhangmandaten ohne Verrechnung oder Ausgleich zulassen. Denn das [X.] hat die vom Beschwerdeführer beanstandeten Regelungen aus einem anderen Grund für verfassungswidrig erklärt. In seinem Urteil zum sogenannten negativen Stimmgewicht (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2008, a.a.[X.]) hat es festgestellt, dass § 7 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 4 und 5 [X.] in der Fassung des Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des [X.] vom 11. März 2005 (BGBl I [X.] 674) den Grundsatz der Gleichheit der Wahl gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verletzen, soweit hierdurch ermöglicht wird, dass ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Verlust an Sitzen der Landeslisten oder ein Verlust an Zweitstimmen zu einem Zuwachs an Sitzen der Landeslisten führen kann (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2008, a.a.[X.], [X.] 997 f.). Zugleich hat es einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlich verbürgte Unmittelbarkeit der Wahl festgestellt, weil der Wähler unter Geltung dieser Vorschriften nicht erkennen kann, ob sich seine Stimme stets für die zu wählende [X.] und deren Wahlbewerber positiv auswirkt oder ob er durch seine Stimme den Misserfolg eines Kandidaten seiner eigenen [X.] verursacht (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2008, a.a.[X.], [X.] 996).
Das [X.] hat dem Gesetzgeber aufgegeben, den [X.], der zum Auftreten des sogenannten negativen Stimmgewichts führen kann, bis spätestens zum 30. Juni 2011 zu ändern, damit der [X.] in Zukunft aufgrund eines in [X.]mit der Verfassung stehenden Gesetzes gewählt werden kann. Im Hinblick darauf, dass der genannte Effekt untrennbar mit den Überhangmandaten und der Möglichkeit von Listenverbindungen zusammenhängt, kann eine Neuregelung beim Entstehen der Überhangmandate oder bei der Verrechnung von [X.]mit den Zweitstimmenmandaten oder auch bei der Möglichkeit von Listenverbindungen ansetzen (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2008, a.a.[X.], [X.] 998). Der Gesetzgeber ist aufgerufen, das für den Wähler kaum noch nachzuvollziehende Regelungsgeflecht der Berechnung der Sitzzuteilung im [X.] auf eine neue, normenklare und verständliche Grundlage zu stellen (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2008, a.a.[X.]).
Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage der Verfassungswidrigkeit von Überhangmandaten wird sich nach einer Neuregelung nicht mehr in der gleichen Weise stellen. Ob und inwieweit die Mandatsverteilung im [X.] mit der Verfassung vereinbar ist, lässt sich nur unter Würdigung des Zusammenspiels der verschiedenen Wahlrechtsnormen und mit Blick auf das vom Gesetzgeber gewählte Wahlsystem beurteilen. Im Rahmen des dem Gesetzgeber nach Art. 38 Abs. 3 GG zustehenden Gestaltungsspielraums wäre bei einer Neuregelung zum Beispiel eine Berücksichtigung von Überhangmandaten bei der Oberverteilung, der Verzicht auf Listenverbindungen nach § 7 [X.] oder eine Wahl des [X.]es hälftig nach dem Mehrheits- und hälftig nach dem Verhältniswahlprinzip (Grabensystem) denkbar (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2008, a.a.[X.], [X.] 996). Je nachdem für welche Lösung sich der Gesetzgeber entscheidet, ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Mandatsverteilung dann auf der Grundlage des neuen [X.]es zu beurteilen.
bb) Die Rüge, die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] erfolgte Berücksichtigung der Zweitstimmen von Wählern, die in zwei [X.] Wahlkreisen mit ihrer Erststimme der jeweiligen [X.] der [X.] zu einem Mandat verholfen haben, mit ihrer Zweitstimme jedoch für eine andere Landesliste gestimmt haben (sogenannte [X.] Zweitstimmen), verstoße gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl, steht in einem sachlichen Zusammenhang mit den vom [X.] im Urteil zum sogenannten negativen Stimmgewicht für verfassungswidrig erachteten Vorschriften. Die Frage, ob durch das „Splitten“ von Erst- und Zweitstimme ein doppelter Stimmerfolg erzielt werden kann, wenn die für politische [X.]en abgegebenen Zweitstimmen diesen zu Listenplätzen verhelfen, obwohl die Erststimmen der Wähler schon zur Zuteilung eines [X.]ssitzes geführt haben, der nicht im Wege des Verhältnisausgleichs verrechnet werden kann, hängt ebenfalls von der künftigen Ausgestaltung der [X.]ab, die der Gesetzgeber im Hinblick auf das Urteil des Senats zum sogenannten negativen Stimmgewicht zu überprüfen hat. In Anbetracht der angeordneten Neuregelung des Vorschriftenkomplexes, der auch zum Phänomen der „[X.] Zweitstimmen“ geführt hat, bedarf es hierzu keiner Sachentscheidung mehr.
Das [X.] hat im Übrigen bereits darauf hingewiesen, dass das [X.] in seiner jetzigen Form keine ausdrückliche Regelung für den Fall enthält, dass Kandidaten einer [X.], die gemäß § 6 Abs. 6 [X.] bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nicht zu berücksichtigen sind, ein oder zwei Wahlkreismandate erhalten haben, und der Gesetzgeber mit Blick auf die im Wahlrecht in besonderem Maße gebotene Rechtsklarheit eine entsprechende Ergänzung von § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu erwägen haben wird (vgl. [X.] 79, 161 <168>).
c) Soweit der Beschwerdeführer eine rechtswidrige Datennutzung seitens der [X.] für [X.] rügt, besteht kein öffentliches Sachentscheidungsinteresse, weil der [X.] bereits im Einspruchsverfahren festgestellt hat, dass die Übermittlung der Daten aller Wahlberechtigten der betreffenden Wahlkreise seitens der Stadt Köln an die [X.] rechtswidrig war. Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat dies inzwischen auch durch eine Gesetzesänderung klargestellt.
Nach § 35 Abs. 1 des Meldegesetzes für das [X.] ([X.]) in der seinerzeit maßgeblichen Bekanntmachung der Neufassung vom 16. September 1997 (GVBl NW [X.] 332) durfte die Meldebehörde [X.]en, Wählergruppen und anderen Trägern von Wahlvorschlägen im Zusammenhang mit Parlaments- und Kommunalwahlen in den sechs der Wahl vorangehenden Monaten Auskunft aus dem Melderegister über die in § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.] bezeichneten Daten (Vor- und Familienname, Doktorgrad und Anschrift) von Gruppen von Wahlberechtigten erteilen, für deren Zusammensetzung das Lebensalter der Betroffenen bestimmend war, sofern keine Übermittlungssperre bestand (§ 35 Abs. 5 [X.]) und die Betroffenen nicht widersprochen hatten (§ 35 Abs. 6 [X.]). Die Vorschrift wurde in Ziff. 15.3.3 der Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Meldegesetzes NW (Runderlass des Ministeriums für Inneres und Justiz vom 2. Oktober 1998 - [X.]/41.12 -, MBl NW [X.] 1149) in dem Sinne verstanden, dass eine Auskunft über alle Wahlberechtigten unzulässig war; Auskünfte durften nur über Wahlberechtigte einzelner oder mehrerer Altersjahrgänge, soweit beantragt, erteilt werden. Da der in mehrere Gruppenauskunftsersuchen geteilte Antrag des Kreisverbands der [X.] vom 2. Juli 2002 insgesamt auf die Übermittlung der Daten aller Wahlberechtigten der betreffenden Wahlkreise gerichtet war, hat der Deutsche [X.] in Übereinstimmung mit der Landeswahlleiterin und dem Datenschutzbeauftragen des Landes [X.] sowie der Landesregierung [X.] festgestellt, dass gegen § 35 Abs. 1 [X.] verstoßen wurde (vgl. BTDrucks 15/1850 [X.] 61; Stenografischer Bericht vom 6. November 2003, [X.] 6188 B ff.). Der Landesgesetzgeber hat § 35 Abs. 1 [X.] durch Gesetz vom 5. April 2005 (GVBl NW [X.] 263) dahingehend ergänzt, dass die Auskunft auf zwei Gruppen zu beschränken ist, die ihrerseits nicht mehr als zehn Geburtsjahrgänge umfassen dürfen. Spätestens seit dieser Gesetzesänderung steht fest, dass eine Übermittlung der Daten aller Wahlberechtigten der jeweiligen Wahlkreise seitens der Meldebehörde an [X.]en im Vorfeld von Wahlen in [X.] unzulässig ist. Ob und inwieweit die Übermittlung der Daten aller Wahlberechtigten in der Vergangenheit einen erheblichen Wahlfehler begründen konnte, bedarf daher keiner Entscheidung mehr.
d) Die verbleibenden Rügen des Beschwerdeführers betreffen Wahlrechtsnormen, deren Verfassungsmäßigkeit das [X.] bereits festgestellt, und wahlrechtliche Zweifelsfragen, die das [X.] schon entschieden hat. Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich keine Gesichtspunkte vorgetragen, die Anlass zu einer anderweitigen Beurteilung geben könnten.
aa) Die vom Beschwerdeführer beanstandete Verbindung von Verhältnis- und Personenwahl hat das [X.] in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich gebilligt. Das [X.] hat diese Rechtsprechung im Urteil vom 3. Juli 2008 (a.a.[X.], [X.] 996) nochmals bekräftigt. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen auch nicht, soweit die Verhältniswahl nach „starren“ Listen erfolgt (vgl. [X.] 3, 45 <50 f.>; 7, 63 <67 ff.>; 21, 355 <355 f.>; 47, 253 <283>).
bb) Der Einwand des Beschwerdeführers, das gesamte Wahlrecht sei verfassungswidrig, weil es nicht in der Verfassung selbst geregelt sei, greift nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] ebenfalls nicht durch. Das Grundgesetz schreibt kein bestimmtes Wahlrecht vor (vgl. [X.] 6, 104 <111>). Der Verfassungsgeber hat bewusst darauf verzichtet, ein Wahlsystem und dessen Durchführung verfassungsrechtlich vorzuschreiben. Er hat damit ein Stück materiellen Verfassungsrechts offen gelassen, das vom [X.] auszufüllen ist (vgl. [X.] 95, 335 <349>; [X.], Urteil vom 3. Juli 2008, a.a.[X.], [X.] 993).
cc) Das [X.] hat auch das als verfassungswidrig gerügte, in § 6 Abs. 6 Satz 1 Alternative 1 [X.] vorgesehene Quorum von 5 vom Hundert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen, das eine [X.] erreichen muss, um bei der Verteilung der [X.]ssitze auf die Landeslisten berücksichtigt zu werden, wiederholt als verfassungskonform beurteilt (vgl. [X.] 1, 208 <247 ff.>; 4, 31 <39 ff.>; 6, 84 <92 ff.>; 51, 222 <235 ff.>; 82, 322 <337 ff.>; 95, 335 <366>; 95, 408 <417 ff.>; [X.], Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 -, NVwZ 2008, [X.] 407 <410 f.>).
[X.]) Soweit der Beschwerdeführer eine unzulässige Wahlbeeinflussung durch ein Täuschungsverhalten der [X.]regierung rügt, sind die verfassungsrechtlichen Maßstäbe in der Rechtsprechung des [X.] ebenfalls geklärt. Eine unzulässige Wahlbeeinflussung liegt vor, wenn staatliche Stellen im Vorfeld der Wahl in mehr als nur unerheblichem Maße parteiergreifend auf die Bildung des Wählerwillens eingewirkt haben, wenn private Dritte, einschließlich der [X.]en und einzelner Kandidaten, mit Mitteln des Zwangs oder Drucks die Wahlentscheidung beeinflusst haben oder wenn in ähnlich schwerwiegender Art und Weise auf die Wählerwillensbildung eingewirkt worden ist, ohne dass eine hinreichende Möglichkeit der Abwehr, zum Beispiel mit Hilfe der Gerichte oder der Polizei, oder des Ausgleichs, etwa mit Mitteln des [X.], bestanden hätte (vgl. [X.] 103, 111 <132 f.>). Einer Bewertung der vom Beschwerdeführer beschriebenen Wahlkampfäußerungen von Regierungsmitgliedern zur seinerzeitigen Haushaltslage des [X.], zur Einhaltung der Defizitgrenze der Europäischen Union, zur finanziellen Situation der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherungen, zu Steuererhöhungen, zur Beteiligung am [X.] und zur Abschaltung eines Atomkraftwerks anhand der aufgezeigten Maßstäbe bedarf es nach Ablauf der Wahlperiode nicht mehr, da es sich um in der Vergangenheit liegende, situationsbezogene Aussagen handelt.
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Voßkuhle | Broß | Osterloh |
Di Fabio | Mellinghoff | Lübbe-Wolff |
Gerhardt | Landau |
Meta
15.01.2009
Sachgebiet: BvC
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 15.01.2009, Az. 2 BvC 4/04 (REWIS RS 2009, 5666)
Papierfundstellen: REWIS RS 2009, 5666 BVerfGE 122, 304-315 REWIS RS 2009, 5666
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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