Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2017, Az. 5 StR 112/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 8277

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:110717U5STR112.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
5 StR 112/17

vom
11. Juli 2017
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.

-
2
-
Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 11. Juli 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter [X.],

[X.] [X.],
Richterin Dr. [X.],
[X.],
[X.] Dr. König

als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt C.

als Verteidiger,

Rechtsanwältin T.

als Vertreterin der Nebenklägerin A.

M.

,

Rechtsanwältin S.

als Vertreterin der Nebenklägerin D.

M.

,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,
-
3
-
für Recht erkannt:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29. September 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

-
Von Rechts wegen
-

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in fünf Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs von [X.] in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in vier Fäl-len

unter Freispruch im Übrigen

zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Seine in der Hauptverhandlung auf die Fälle 6 bis 9 der [X.] beschränkte Revision hat keinen Erfolg.
1. Nach den
Feststellungen lebte der Angeklagte von Anfang 2000 bis Ende 2013 in häuslicher Gemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinen Stieftöch-tern, den Nebenklägerinnen D.

M.

, geboren am 2. Oktober 1993, und
A.

M.

, geboren am 6. Januar 1997.

1
2
-
4
-
In Absprache mit seiner Ehefrau, der Mutter der Nebenklägerinnen, nahm er gegenüber den [X.] von Beginn an die Vaterrolle wahr, indem er Betreuungs-
und Erziehungsaufgaben übernahm. In der Familie übte er eine beherrschende Rolle aus. Diese nutzte der Angeklagte mit der [X.] auch dazu, um seine sexuellen Wünsche gegenüber den beiden kindlichen [X.] durchzusetzen. Ab einem nicht mehr näher feststellbaren [X.]punkt zwischen [X.] 2003 und Februar 2004 näherte er sich D.

M.

in
unterschiedlicher
Weise, indem er sie beim morgendlichen Wecken oder Ankleiden häufig mit der Hand an der Brust oder ihrer unbedeckten Scheide berührte und gelegentlich Nacktfotos von ihr fertigte, für die sie eigens vor einer Art Leinwand posieren musste; diese Taten sind nicht Gegenstand der Anklage. Ab dem [X.] seine jüngere Stieftochter A.

. Regelmäßig an den Sonntagen wusch er
sie im Badezimmer und nutzte dies jeweils dazu aus, das nackte Mädchen

auch gegen dessen erklärten Wunsch

im [X.] zu massieren und einen Finger in ihre Scheide und ihren Anus einzuführen, um sich sexuell zu durch A.

reagierte er mit Vorhaltungen, Beschimpfungen und Drohungen
gegenüber den Stiefkindern und seiner Ehefrau; er beruhigte sich in der Regel erst wieder, wenn A.

seinem Verlangen nachkam. A.

gab seinen Forde-
rungen zumeist nach, um den [X.] nicht zu gefährden.
Das [X.] konnte eine konkrete Tat zwischen Ende Dezem-ber
2006 und Anfang August 2008 zulasten der damals dreizehn-
oder vier-zehnjährigen D.

M.

feststellen, der gegenüber der Angeklagte vorgab,
sie auf
das Vorliegen einer Schwangerschaft untersuchen zu wollen. Gegen seinen Versuch, mit seinem Finger in ihre Scheide einzudringen, wehrte sie 3
4
-
5
-
sich zunächst. Nachdem der Angeklagte ihr eine häusliche Strafe angedroht hatte, ließ sie es zu.
Die [X.] hat weitere acht Taten zulasten der Nebenklägerin A.

M.

festgestellt. In der [X.] zwischen Anfang
2009 und dem 5. Janu-
ar
2011 drang der Angeklagte in vier Fällen im Rahmen des geschilderten

den After des Kindes ein (Fälle 2 bis 5). An einem nicht mehr näher feststellbarem Tag zwischen dem 7.

r-zehn-

.

auf, sie solle sich mit entblößtem Unterleib in

,
und führte sein erigier-tes Glied an den [X.] (Fall 6). An mindestens zwei unterschied-lichen Tagen im [X.]raum zwischen Anfang 2011 und Ende 2013 forderte der Angeklagte seine Stieftochter A.

auf, ihre Brüste zu entblößen, weil er sie zur

und massierte
der
Angeklagte einige Minuten ihre Brüste, um sich sexuell zu erregen (Fälle 7 und 8). Schließlich duschte der Angeklagte zwischen Ende No-vember
2013 und dem 15. Dezember 2013 seine Stieftochter A.

letztmals im
Badezimmer der Familienwohnung in üblicher Weise ab. Wieder führte er sei-nen Finger in die Scheide des Mädchens ein. Im [X.] an diese Tat
offen-barte A.

sich einem Sozialarbeiter eines Jugendzentrums.
2. [X.] hat im Ergebnis

entgegen dem Antrag des [X.]

Bestand.
a) Hinsichtlich der
Fälle 6 bis 9 hat das [X.] zwar in rechtsfehler-hafter Weise eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1
Nr. 1 StGB bejaht. Der [X.] hat insoweit in seiner Stellungnahme zu Recht darauf hingewie-5
6
7
-
6
-
sen, dass die Nebenklägerin bei den Taten 6 bis 8 zumindest nicht ausschließ-bar das 16.
Lebensjahr bereits vollendet hatte und dies für die Tat 9 sicher fest-steht. Entgegen diesen Feststellungen ist das [X.] in seiner rechtlichen Würdigung davon ausgegangen, dass die Nebenklägerin A.

M.

bei die-

r-spruch ist nicht auflösbar. Eine Verurteilung nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB, die ein unter 16 Jahre altes Opfer voraussetzt, ist deshalb nicht möglich.
b) Gleichwohl kann der Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen bestehen bleiben.
aa) Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass der Angeklagte bei den [X.] bis 9

entsprechend der Wertung der Anklage (vgl. § 265 StPO)

die Variante des § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt hat.
Diese Vorschrift dehnt das Schutzalter von Schutzbefohlenen bis zum 18. Lebensjahr aus, setzt allerdings voraus, dass die sexuellen Handlungen unter Missbrauch einer mit dem festgestellten Obhutsverhältnis verbundenen Abhängigkeit des Schutzbefohlenen vorgenommen werden (vgl. [X.], [X.] vom 17. Juni 1997

5 [X.]). Ein Missbrauch der Abhängigkeit liegt vor, wenn der Täter seine Macht und Überlegenheit in einer für den Ju-gendlichen erkennbar werdenden Weise als Mittel einsetzt,
um diesen gefügig zu machen (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1979

3 [X.], [X.]St 28, 365, 366 f.). Das ist insbesondere der Fall, wenn für den [X.] eine Drucksi-tuation besteht (vgl. [X.], aaO und Urteil vom 24. Oktober 1990

3 [X.], NStZ 1991, 81, 82). Beiden Beteiligten
muss dabei der Zu-sammenhang des [X.] mit den sexuellen Handlungen bewusst sein.
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9
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-
7
-
Zwar hat das [X.] nicht geprüft, ob der Angeklagte ein Abhängig-keitsverhältnis in diesem Sinne missbraucht hat. Dies ergibt sich jedoch aus einer Gesamtschau der Urteilsgründe. Die Feststellungen belegen eine beherr-a-milie
zumeist

nach seinem Belieben

lenkte (UA S.
4). Nach der im Urteil [X.] und vom [X.] ohne Rechtsfehler als glaubhaft erachteten [X.] habe, ihm am Sonntag zu entgehen. Aus diesem Grund habe sie sich ..., sich mit 16 Jahren vom Stiefvater an Brust und Scheide betatschen und be-Dementsprechend
wertet es die [X.] im Rahmen der Strafzumessung für die gegen die Nebenklägerin A.

M.

noch in kindlichem Alter begangenen Taten 2 bis 5 zulasten des Angeklagten, missbrauchte und
dies in einem eigens geschaffenem Klima der [X.] geschah, das er systematisch und rücksichtslos für sich ausnutzS.
31). Hinsichtlich der Taten 6 bis 9 stellt das [X.] im Rahmen der [X.] des § 174 Abs. 5 StGB mit darauf ab, [X.] vom Angeklagten ausging und von den geschädigten [X.]

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8
-
Die Gesamtschau der Urteilsgründe ergibt demnach, dass A.

M.

die sexuellen Handlungen des Angeklagten,
was diesem bewusst war, auch nach ihrem 16. Geburtstag entgegen ihrem Willen nur aufgrund der vom Ange-klagten aufgebauten familiären Machtverhältnisse duldete, die ihm eine beherr-schende Stellung [X.].

Mutzbauer
Sander [X.]

[X.] König

12

Meta

5 StR 112/17

11.07.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2017, Az. 5 StR 112/17 (REWIS RS 2017, 8277)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8277

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