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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Strafverfahren: Anforderungen an die Beweiswürdigung bei Konstellation „Aussage gegen Aussage“
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Juni 2020 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Das [X.] hat den Angeklagten ‒ unter Freispruch im Übrigen ‒ wegen „schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung in drei Fällen, sexueller Nötigung in zwei weiteren Fällen, schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit dem sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in einem weiteren Fall, schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei weiteren Fällen, sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit dem sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei weiteren Fällen sowie sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei weiteren Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensbeanstandungen kommt es nicht an.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s nahm der Angeklagte im Zeitraum zwischen 1997 und 2004 an seinen damaligen Stieftöchtern, den beiden [X.], wiederholt sexuelle Handlungen vor und ließ solche Handlungen von ihnen an sich vornehmen.
a) Zum Nachteil der Nebenklägerin [X.] , die im Tatzeitraum zwischen acht und 15 Jahre alt war, kam es zu folgenden Tathandlungen (Fälle 1 bis 10 der Urteilsgründe): Der Angeklagte berührte die Nebenklägerin in vier Fällen mit der Hand im unbekleideten Vaginalbereich, wobei er in zwei Fällen zudem mit einem Finger in ihre Vagina eindrang. In einem weiteren Fall führte er ebenfalls einen Finger in die Vagina der Nebenklägerin ein, berührte sie zusätzlich im Vaginalbereich mit dem Mund und veranlasste sie, ihn manuell zu befriedigen. In fünf Fällen vollzog der Angeklagte den Analverkehr mit der Nebenklägerin, wobei er sie in zwei Fällen zudem erneut mit der Hand im Vaginalbereich berührte.
Darüber hinaus brachte der Angeklagte die zwischen acht und elf Jahre alte Nebenklägerin [X.] in den Jahren 1999 bis 2002 durch das Führen ihrer Hand in zwei Fällen dazu, ihn bis zum Samenerguss manuell zu befriedigen. In einem weiteren Fall berührte er zusätzlich den Vaginalbereich der Nebenklägerin und drang mit einem Finger in ihre Vagina ein (Fälle 11 bis 13 der Urteilsgründe).
Von den Tathandlungen und den entkleideten [X.] fertigte der Angeklagte Fotos und [X.]. Er drohte seinen damaligen Stieftöchtern damit, die Bilder im [X.] zu veröffentlichen, wenn sie jemandem von den Handlungen berichten würden. Als [X.] volljährig war und in [X.] lebte, suchte sie im [X.] nach Aufnahmen, die der Angeklagte während der Übergriffe von ihr angefertigt hatte, und sichtete kinderpornographische Inhalte. [X.] kam es zu strafrechtlichen Ermittlungen und der Sicherstellung von Speichermedien mit kinderpornographischen Inhalten. Diese ordneten die [X.] Behörden und Gerichte allerdings nicht der Nebenklägerin [X.] , sondern deren neuem Stiefvater zu.
b) Die nicht sachverständig beratene [X.] hat sich von der Täterschaft des Angeklagten, der sich nicht zur Sache eingelassen hat, im Wesentlichen auf Grund der Zeugenaussagen der [X.] in der Hauptverhandlung überzeugt, die nach der Würdigung der [X.] jeweils vollumfänglich glaubhaft waren.
a) In Fällen, in denen – wie hier auch bei einem schweigenden Angeklagten (vgl. KK-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 261 Rn. 100 mwN) – „Aussage gegen Aussage“ steht, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung beeinflussen können, in seine Überlegungen einbezogen hat. Unter den hier gegebenen Umständen ist die Beweiswürdigung der [X.] bereits deshalb lückenhaft, weil es an einer Darstellung der früheren Angaben der [X.] fehlt und die vorgenommene Inhalts- und [X.]analyse deshalb nicht überprüft werden kann (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 20. Dezember 2017 – 1 StR 408/17 Rn. 11; Urteil vom 22. Oktober 2014 – 2 [X.] Rn. 10).
Die [X.] hat ihre Überzeugung maßgeblich darauf gestützt, die Angaben der [X.] zum Kerngeschehen seien jeweils „weitgehend stringent“, womit sie nach dem Kontext der Ausführungen auf die hohe [X.] der Aussagen abgestellt hat. In Bezug auf die Nebenklägerin [X.] hat das [X.] dabei dargelegt, sie habe im Vergleich zu ihrer Vernehmung durch die [X.] Polizei in der Hauptverhandlung deutlich weniger konkrete Einzelfälle und Tatorte benennen können; zudem liege eine Abnahme der „Detaildichte“ vor. Zwar hat die [X.] die Angaben der Zeugin in der Hauptverhandlung in allen – auch unwichtigen – Einzelheiten mitgeteilt. Eine Darstellung der angeführten Abweichungen im Verhältnis zu den polizeilichen Angaben ist den Urteilsgründen aber auch in ihrer Gesamtheit nicht zu entnehmen. Aufgrund dieser Lücke ist dem Senat die Überprüfung der Wertung des [X.]s verwehrt, die hohe [X.] der Aussage zum Kerngeschehen stütze die Glaubhaftigkeit der Angaben.
Nichts anderes gilt bei den Taten zum Nachteil der Nebenklägerin [X.] . Auch insoweit lässt sich die Annahme einer hohen aussageübergreifenden [X.] nicht nachvollziehen, zumal das [X.] eine mitgeteilte Divergenz der Zeugenaussage in der Hauptverhandlung zu [X.] und -orten (vgl. [X.]) nicht gewürdigt hat.
b) Bei den Tatvorwürfen zum Nachteil der Nebenklägerin [X.] ist die Beweiswürdigung auch noch aus einem weiteren Grund lückenhaft.
Nach den Urteilsgründen sah sich die Nebenklägerin in [X.] dem Strafvorwurf einer Falschaussage gegenüber, die sie im Rahmen des gegen ihren Stiefvater u. a. wegen „Besitzes pornographischer Darstellungen minderjähriger Personen“ geführten Strafverfahrens gemacht haben soll. Den Inhalt dieses Vorwurfs, seine Berechtigung und etwaige Auswirkungen auf die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage der Nebenklägerin hat die [X.] rechtsfehlerhaft unerörtert gelassen, obgleich sie in der Strafverfolgung ihres Stiefvaters ein mögliches Motiv der Nebenklägerin gesehen hat, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten. Unter diesen Umständen wäre eine etwaige Falschaussage in dem Strafverfahren in [X.] aber näher zu erörtern gewesen.
c) Das Urteil beruht, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, auf den aufgezeigten Rechtsfehlern.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] wird bei der Nebenklägerin [X.] die Aussagegenese einschließlich ihrer Angaben gegenüber den Zeuginnen [X.] und [X.]. genauer zu prüfen haben. Hierbei sind mögliche suggestive Einflüsse durch die intensive Suche nach Dateien mit kinderpornographischem Inhalt im [X.] in den Blick zu nehmen. Aufgrund der erheblichen psychischen Auffälligkeiten erscheint ferner zumindest bei dieser Nebenklägerin, die ihrer Medikation Einfluss auf ihre Erinnerung zugeschrieben hat, die Begutachtung der Aussagetüchtigkeit und der Glaubhaftigkeit der Aussage durch einen auch medizinisch fachkundigen Sachverständigen geboten.
b) Mit den bisherigen im Fall 5 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen hat das [X.] lediglich eine der in der zugelassenen Anklage unter den Ziffern 38. bis 40. angeklagten Taten festgestellt. Die beiden weiteren Fälle dieses Tatkomplexes sind daher, auch wenn dies in den Urteilsgründen nicht ausdrücklich erwähnt ist, ebenso wie die Fälle 44 und 45 der Anklage von dem rechtskräftigen Teilfreispruch umfasst (vgl. allgemein [X.], Beschluss vom 25. Juni 1993 – 3 StR 304/93 Rn. 4; [X.] in [X.], [X.], 27. Aufl., § 260 Rn. 36).
c) Sollte sich das neue Tatgericht von den verbleibenden Tatvorwürfen überzeugen, wird es vor allem bei den bisher als Fälle 9 und 10 der Urteilsgründe festgestellten Taten zu bedenken haben, dass die rechtliche Würdigung als sexuelle Nötigung bzw. Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung vom 13. November 1998 tragfähige Feststellungen zu dem eingesetzten [X.] voraussetzt. Eine Drohung erlangt nur dann tatbestandliche Relevanz, wenn sie eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben zum Gegenstand hat.
4. Die Abfassung des angefochtenen Urteils gibt Anlass zu dem Hinweis, dass eine bloße schematische Aneinanderreihung des Inhalts der Aussagen sämtlicher vernommener Zeugen bis hin zu ersichtlich unwesentlichen Einzelheiten – auch und gerade in Fällen mit einer schwierigen Beweislage (vgl. dazu [X.], Urteil vom 13. März 2014 – 4 StR 15/14 Rn. 10 f.) – den Anforderungen an die Darstellung der Beweiswürdigung nicht gerecht wird (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 1. Juli 2003 – 4 StR 55/03 Rn. 13 f.; Beschluss vom 15. November 1984 – 4 [X.] mwN).
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Bartel |
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Meta
28.04.2022
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Dortmund, 24. Juni 2020, Az: 31 KLs 42/18
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2022, Az. 4 StR 299/21 (REWIS RS 2022, 3628)
Papierfundstellen: REWIS RS 2022, 3628
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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