Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2004, Az. XII ZB 27/99

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3915

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[X.][X.]/99
vom 24. März 2004 in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB § 1587 [X.] Zum Ausschluß des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit (§ 1587 [X.] BGB), wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte während der Ehezeit weder erwerbstätig war, noch den gemeinsamen Haushalt überwiegend versorgt, sondern auf Kosten des anderen Ehegatten eine Berufsausbildung absolviert hat, die es ihm ermöglicht, sich im Rahmen einer späteren Berufsausübung eine eigene Alterssiche-rung zu verschaffen. [X.], Beschluß vom 24. März 2004 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 24. März 2004 durch die Vorsitzende [X.]in [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und [X.]

beschlossen: Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des 4. [X.] des [X.] vom 26. November 1998 aufgehoben. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - [X.] vom 18. Mai 1998 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens der weiteren Beschwerde werden gegeneinander aufgehoben. [X.]: bis 3.000 •

Gründe: [X.] Die Parteien haben am 12. Juli 1985 geheiratet. Der Scheidungsantrag der Ehefrau (Antragstellerin; geboren am 5. Januar 1954) ist dem Ehemann (Antragsgegner; geboren am 13. Dezember 1957) am 12. März 1996 zugestellt - 3 - worden. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat durch Urteil die Ehe geschie-den (insoweit rechtskräftig), nachdem der Versorgungsausgleich abgetrennt worden war. Im weiteren hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich durch Beschluß gemäß § 1587 [X.] BGB ausgeschlossen. Dabei hat es nach den Auskünften der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 beamtenrechtliche Versor-gungsanwartschaften der Ehefrau beim [X.] und [X.] ([X.]; weiterer Beteiligter zu 2) in Höhe von monat-lich 971,03 DM sowie gesetzliche Rentenanwartschaften des Ehemannes bei der [X.] ([X.]; weitere Beteiligte zu 1) in Höhe von monatlich 151,05 DM, bezogen auf den 29. Februar 1996, zu Grunde gelegt. Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das [X.] die Entscheidung des Amtsgerichts dahin gehend abgeändert, daß zu Lasten der für die Ehefrau beim [X.] bestehenden Anwartschaften auf dem Versiche-rungskonto des Ehemannes bei der [X.] monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 377,92 DM, bezogen auf den 29. Februar 1996, begründet werden. Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde möchte die Ehefrau die Wiederher-stellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen. Der Ehemann beantragt die Zurückweisung der weiteren Beschwerde. Die weiteren Beteiligten haben sich im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht geäußert.

I[X.] Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der Beschwerde des Antragsgegners. - 4 - 1. Das [X.] hat ausgeführt, daß die Anwendung der Härte-klausel nach § 1587 [X.] BGB vorliegend nicht gerechtfertigt sei, weil unter Berücksichtigung aller hier zu bewertenden Umstände die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht als grob unbillig erscheine. Zwar habe die Ehefrau dem Ehemann das Studium finanziert und - als Ausgleichspflichtige - den grö-ßeren Anteil an der Hausarbeit und der Kinderbetreuung wahrgenommen. Die Besonderheiten des vorliegenden Falles lägen jedoch darin, daß die Ehefrau das Studium des Ehemannes nur bis zu seinem erfolgreichen Abschluß im [X.] finanziert habe. Von September 1992 bis Dezember 1993 habe der Ehemann eine eigene Erwerbstätigkeit ausgeübt. Anschließende [X.]en der Arbeitslosigkeit seien unschädlich. Der Ehemann habe sich während seines Studiums nach seinen Kräften auch um Haushalt und Kinderbetreuung geküm-mert, woraus die Ehefrau jedenfalls insoweit auf eine partnerschaftliche Gesin-nung des Ehemannes habe schließen können. Im übrigen habe der Ehemann in gewissem Umfang zum Lebensunterhalt der Familie beigetragen, wenn er auch aus der Nachbetrachtung heraus offensichtlich den finanziellen Erfolg [X.] zeitweiligen Berufstätigkeiten während seines Studiums überschätze. Schließlich seien dem Ehemann durch seine Übersiedlung nach [X.] ebenfalls berufliche Nachteile entstanden. 2. Diese Erwägungen werden der Sachlage nicht gerecht. Zwar unterliegt es in erster Linie der tatrichterlichen Beurteilung, ob und inwieweit die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig nach § 1587 [X.] BGB erscheint. Die tatrichterliche Bewertung ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur daraufhin zu überprüfen, ob alle wesentlichen Um-stände berücksichtigt worden sind und das Gericht sein Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt hat (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 4. September 2002 - [X.] ZB 130/98 - FamRZ 2003, 437, 438; vom 5. Sep-- 5 - tember 2001 - [X.] ZB 56/98 - FPR 2002, 86; vom 12. April 1989 - [X.] - FamRZ 1989, 1060, 1061; vom 9. März 1988 - [X.] - FamRZ 1988, 600; vom 18. Februar 1987 - [X.] - NJW-RR 1987, 578, 579; vom 12. November 1986 - [X.] - FamRZ 1978, 362, 364 und vom 5. Oktober 1983 - [X.] 807/81 - FamRZ 1983, 1217, 1218). Dabei hat das [X.] indes nicht ausreichend gewürdigt, daß die Ehefrau nicht nur für die gesamte Ausbildung des Ehemannes in [X.] aufgekommen ist, sondern daß er auch nach Abschluß des Studiums le-diglich für den [X.]raum von September 1992 bis Dezember 1993 einer eigenen Beschäftigung nachgegangen ist, während er ansonsten weiterhin vom Ein-kommen der Ehefrau gelebt hat, ohne sich seinerseits in angemessener Weise in den Dienst der Familie zu stellen. Nach den Feststellungen des Oberlandes-gerichts hat die Ehefrau sogar nach der Geburt der Tochter der Parteien am 10. Oktober 1987 im Erziehungsurlaub (6. Dezember 1987 bis 9. Oktober 1988) weiter gearbeitet (vom 1. Februar 1988 bis 9. Oktober 1988 als [X.]), um den Unterhaltsbedarf der Familie sicherzustellen. Die Ehefrau hat während sieben der [X.], die die Parteien nach der Eheschließung zu-sammengelebt haben, durch ihre Erwerbstätigkeit nahezu allein für den Unter-halt der Familie gesorgt. Die geringen und sehr unregelmäßigen Einkünfte, die der Ehemann während seines Studiums durch Gelegenheitsarbeiten erzielt hat, fallen demgegenüber nicht ins Gewicht. Die Ehefrau hat somit sowohl das [X.] finanziert als ihn auch in der anschließenden [X.] seiner Arbeitslosigkeit unterhalten. Auf der anderen Seite kann nach den [X.] des [X.]s nicht davon ausgegangen werden, daß der [X.] etwa die Führung des Haushaltes übernommen hätte. Die Mithilfe, die er geleistet hat, hat sich im Wesentlichen auf die Kindesbetreuung unmittelbar nach der Geburt der Tochter beschränkt. Denn er räumt selbst ein, daß in den Jahren 1990 bis 1992 eine Betreuerin für die Tochter herangezogen werden - 6 - mußte, da seine Examensvorbereitungen ihn daran gehindert hätten, die [X.] selbst zu versorgen. Entgegen der Auffassung des [X.]s kann die fehlende Haushaltstätigkeit des Ehemannes auch nicht etwa durch eine partnerschaftliche Gesinnung ausgeglichen werden. Indem das [X.] selbst unter diesen Umständen nicht von der Härteklausel des § 1587 [X.] BGB Gebrauch gemacht hat, hat es an das Vorliegen einer groben Unbilligkeit im Sinne dieser Bestimmung zu strenge An-forderungen gestellt. Die Anwendung der Härteklausel kommt jeweils in [X.], wenn aufgrund besonderer Verhältnisse die uneingeschränkte [X.] des Versorgungsausgleichs dem Grundgedanken des [X.] in unerträglicher Weise widersprechen würde (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 5. Sep-tember 2001 aaO; vom 12. April 1989 aaO 1061; vom 9. März 1988 aaO; vom 18. Februar 1987 aaO 579 und vom 5. Oktober 1983 aaO 1218; [X.] Der Ver-sorgungsausgleich 2004 Rdn. 240). So liegt der Fall hier. Der Gesetzgeber wollte mit dem Versorgungsausgleich vornehmlich die [X.] Lage desjenigen Ehegatten verbessern, der wegen in der Ehe über-nommener anderer Aufgaben Einschränkungen in seiner beruflichen Entfaltung auf sich genommen und dadurch ehebedingte Nachteile in seiner versorgungs-rechtlichen Lage erlitten hat (st. Rspr. des [X.]s seit [X.] 74, 38, 42 ff.). Das trifft nicht auf einen Ehegatten zu, der während der Ehezeit weder erwerbstätig war, noch den Haushalt versorgt, sondern sich - wie hier der Ehemann - einer Ausbildung gewidmet hat, die es ihm zudem ermöglicht, sich im Rahmen einer späteren Berufsausübung eine Alterssicherung zu verschaffen. Er erleidet dann keine ehebedingten Nachteile im Aufbau eigener Versorgungsanwartschaften, sondern steht insoweit nicht anders da, als wenn er nicht geheiratet hätte. [X.] vermag es für sich allein noch keine "grobe" Unbilligkeit im Sinne von § 1587 [X.] BGB zu begründen, daß der Fall von der Grundkonstellation ab-- 7 - weicht, die dem Gesetzgeber bei der Einführung des Versorgungsausgleichs vor Augen stand. Entscheidend ist vielmehr, wie der [X.] bereits mehrfach ausgesprochen hat, der Umstand, daß der erwerbstätige Teil das Studium des anderen finanziert und ihm damit die Basis für ein eigenes berufliches Fort-kommen und den Aufbau einer eigenen Altersversorgung verschafft hat. Es [X.] grob unbillig, ihn ohne Rücksicht darauf dem Versorgungsausgleich zu un-terwerfen, daß er sein Einkommen bereits in dieser Form für den anderen [X.] zur Verfügung gestellt hat. Dieser würde dann aus dem Einkommen des erwerbstätigen Teils gleichsam zum [X.] Nutzen ziehen (vgl. [X.] vom 12. April 1989 aaO 1061; vom 9. März 1988 aaO 600; vom 18. Februar 1987 aaO 579 und vom 5. Oktober 1983 aaO 1218; [X.]/[X.]/[X.] Eherecht 4. Aufl. § 1587 [X.]. 21; [X.] aaO Rdn. 248). Danach war vorliegend die Durchführung des Versorgungsausgleichs insgesamt auszuschließen. Von der Heirat im Juli 1985 bis zur Trennung der Parteien im Oktober 1993 lebte der Ehemann bis auf die [X.] ab September 1992 nahezu ausschließlich vom Einkommen der Ehefrau. Auch hatte er nach den Feststellungen des [X.]s weder die Haushaltsführung über-nommen, noch sich überwiegend der Kindesbetreuung gewidmet. Unter diesen Umständen wäre es grob unbillig, wenn man die Ehefrau gleichwohl zusätzlich zum Versorgungsausgleich heranziehen würde. Daß der Ehemann nach seinen Angaben sein Studium in [X.] bis 1985 hätte abschließen können, vermag keine andere Beurteilung zu rechtferti-gen, da die Parteien erst im Juli 1985 geheiratet haben. Damit kann der [X.] in [X.] nicht als [X.] Nachteil gewertet wer-den. - 8 - 3. Einer Zurückverweisung der Sache an den Tatrichter bedarf es nicht. Der [X.] sieht sich auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsge-richts zu einer abschließenden Entscheidung in der Lage. Zwar können die Voraussetzungen des § 1587 [X.] BGB in der Regel erst dann geprüft wer-den, wenn ermittelt ist, welche Versorgungsanrechte die Ehegatten in der Ehe-zeit erworben haben. Denn erst dann wird eine Abwägung aller Umstände mög-lich sein (vgl. [X.]/[X.]/[X.] aaO § 1587 [X.]. 6 m.w.[X.]). Vorliegend berücksichtigen die Auskünfte der weiteren Beteiligten zu 1 und 2, die das Berufungsgericht seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat, naturgemäß noch nicht die zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 24. Februar 1997 ([X.]) und die Absenkung des [X.] nach § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des Versor-gungsänderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 ([X.] [X.] 3926) und den [X.] Bemessungsfaktor von 50 % für 2004 hinsichtlich der Sonderzuwendung (Gesetz über die Anpassung von Dienst- und [X.] in [X.] und [X.] 2003/2004 sowie zur Änderung dienst-rechtlicher Vorschriften vom 10. September 2003 - [X.] [X.] 1798 - in Verbin-dung mit § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung an Beamte, [X.] und Versorgungsempfänger für das [X.] vom 20. November 2003 - GVBl. [X.]) sowie die Absenkung des [X.] in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeck-ten Altersvorsorgevermögens ([X.]/[X.] - vom 26. Juni 2001, [X.] [X.] 1310) und das Gesetz zur Ergänzung des [X.] und zur Förderung eines kapitalge-deckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz/AVmEG - vom 21. März 2001, [X.] [X.] 403; zur Anwendung des zur [X.] der Ent-- 9 - scheidung geltenden Versorgungsrechts, sofern es seinem zeitlichen [X.] nach auch das ehezeitlich erworbene Versorgungsanrecht umfaßt, vgl. etwa [X.]sbeschluß vom 4. September 2002 - [X.] ZB 46/98 - FamRZ 2003, 435 ff. m.w.[X.]). Auch mit Rücksicht darauf, daß die zum Ruhegehalt gezahlte jährliche Sonderzuwendung als einheitlicher Bestandteil der Beamtenversorgung keiner Dynamisierung bedarf (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 3. Februar 1999 - [X.] ZB 124/98 - FamRZ 1999, 713 f.; vom 9. Februar 2000 - [X.] ZB 24/96 - [X.], 748, 749 und vom 4. September 2002 - [X.] ZB 46/98 und [X.] ZB 130/98 - FamRZ 2003, 435, 437; 437, 438), wird aufgrund der genannten [X.] weder eine gravierende Änderung des ermittelten Betrages noch eine Umkehr des Versorgungsausgleichs zu Gunsten der Ehefrau in Betracht [X.]. Der [X.] erachtet es deswegen für ausgeschlossen, daß das Beschwer-degericht bei den vorliegenden Gegebenheiten nach Ermittlung der zutreffen-den Beträge sein Ermessen in anderer Weise ausübt, als den Versorgungsaus-gleich insgesamt auszuschließen, und entscheidet daher selbst abschließend. [X.] [X.] [X.] Wagenitz [X.]

Meta

XII ZB 27/99

24.03.2004

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2004, Az. XII ZB 27/99 (REWIS RS 2004, 3915)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3915

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