Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.12.2010, Az. 29 W (pat) 161/10

29. Senat | REWIS RS 2010, 909

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "gelbgewinnt" - Unterscheidungskraft - kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 021 863.3

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2010 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.] Kortbein und die Richterin Kortge

beschlossen:

Die Beschlüsse des [X.] vom 16. Oktober 2009 und 14. Mai 2010 werden aufgrund des geänderten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

gelbgewinnt

3

ist am 9. April 2009 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

[X.]: Computersoftware; CD-ROMs; Datenbanken (Software) oder elektronische oder über das [X.] gelieferte Veröffentlichungen (herunterladbar); optoelektronische Verzeichnisse, insbesondere [X.] und Verzeichnisse auf CD-ROM; elektronische gespeicherte und lesbare Verzeichnisse auf CD-ROM; Computer-Hardware; Apparate zum Empfang, zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten;

5

Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Schreibwaren; [X.], insbesondere gedruckte [X.] und [X.], Buchbinderartikel;

6

Klasse 35: Werbung, insbesondere in bzw. für elektronische und gedruckte [X.] und [X.]; Zusammenstellung von Verzeichnissen zur Veröffentlichung im [X.]; Unternehmensverwaltung; Geschäftsführung; Zusammenstellen, Systematisieren und Pflege von Daten und Informationen in [X.]; Büroarbeiten; Aktualisierung (Update) von Daten in [X.] und Software;

7

Klasse 38: Telekommunikation; Übermittlung von Informationen (einschließlich Webseiten) und anderen Daten; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken und Informationen über ein globales Computernetz; Verschaffen des Zugriffs auf einen zentralen Datenbankrech-ner; Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken, insbesondere auch im [X.];

8

[X.]: Unterhaltung, [X.] nicht herunter-ladbar elektronischer Veröffentlichungen; Veröffentlichung und Herausgabe von Verlagsdruckerzeugnissen (ausgenommen für Werbezwecke);

9

Klasse 42: Programmierung und Design von Webseiten im [X.]; Bereitstellung von Suchmaschinen im [X.]; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Design und Konstruktion von Software; Aktualisierung (Update) von Software; Installation und Wartung von Software; Speicherung von Daten in [X.]; elektronische Speicherung von Daten für Dritte; Wartung von Datenbanken, nämlich Aktualisieren des Inhalts.

Mit Beschlüssen vom 16. Oktober 2009 und 14. Mai 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, der [X.] aus Wörtern der [X.] Alltagssprache gebildete Werbeslogan werde von den hier angesprochenen breiten Verkehrskreisen als Sachhinweis darauf verstanden, dass man durch den Erwerb von in gelber Farbe gehaltenen Waren, wie den beanspruchten gedruckten und elektronischen [X.]n, oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, welche dem Angebot solcher gelben Waren dienten, einen Vorteil erlange. Der Wortbestandteil "gelb" sei die wörtliche Benennung einer Grundfarbe und beziehe sich auf die konkrete Farbe der Druckseiten von [X.]n und [X.]n sowie anderer Medienträger, z. B. gelbe [X.]seiten, zumal die Wortverbindung "gelbe Seiten" als allgemeine Bezeichnung für [X.] in den [X.] Sprachgebrauch eingegangen sei. Das [X.] "gewinnt" sei ein in der 3. Person Singular Präsens konjugiertes Verb mit der Bedeutung, dass jemand einen Wettstreit oder eine Auseinandersetzung zu seinen Gunsten entscheide. In seiner Gesamtbedeutung bringe das angemeldete Zeichen "gelbgewinnt" daher zum Ausdruck, dass der Verbraucher, der Waren und Dienstleistungen in der Farbe Gelb wähle, auf der Gewinnerseite stehe. Aufgrund dieses vermittelten [X.] komme dem Anmeldezeichen ausschließlich die Funktion eines Werbeversprechens und nicht eines betrieblichen Herkunftszeichens zu. [X.] und [X.] dienten auch als Werbeträger und die Werbung in elektronischen und gedruckten [X.]n könne auch in gelber Farbe erfolgen. Da die beanspruchte Dienstleistung "Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken und Informationen über ein globales Computernetz" [X.] und [X.] betreffen könne, sei das angemeldete Zeichen auch für den angemeldeten Oberbegriff "Telekommunikation" von der Eintragung ausgeschlossen. Bei der Formulierung "etwas gewinnt" handele es sich zudem inzwischen um eine in der Werbung sehr weit verbreitete Floskel, mit der in den unterschiedlichsten Waren- und Dienstleistungsbereichen auf ein erfolgreiches Handeln hingewiesen werde. Auch die Vielzahl inländischer Voreintragungen mit den [X.]en "gelb" oder "gewinnt" könnten mangels Vergleichbarkeit keinen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten Zeichens begründen. Wegen der Einzelheiten dieser Voreintragungen wird auf die Seiten 2 und 3 des Schriftsatzes der Anmelderin vom 3. August 2009 ([X.]. 22 f. VA) sowie auf dessen Anlagen [X.] und [X.] ([X.]. 30 -71 VA) Bezug genommen. Entweder handele es sich bei diesen um andere Markenformen, nämlich Wort-/Bildmarken, um bereits gelöschte oder zurückgewiesene Marken, um Marken, die sich noch im Löschungsverfahren befänden, um Marken, die andere Waren beträfen, oder um Marken, die einen anderen Begriffsgehalt besäßen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Nach einer Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses in der mündlichen Verhandlung soll das angemeldete Zeichen nur noch für die Waren und Dienstleistungen der

[X.]: Computersoftware, nämlich für die Herausgabe und die Veröffentlichung von Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]n; Datenbanken (Software) oder elektronische oder über das [X.] gelieferte Veröffentlichungen (herunterladbar), nämlich Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]; elektronische gespeicherte und lesbare Verzeichnisse auf CD-ROM, nämlich Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.];

Klasse 16: [X.], nämlich Telefon-, Auskunfts-, und Branchen[X.];

Klasse 35: Werbung, nämlich für und im Zusammenhang mit Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]n; Zusammenstellung von Verzeichnissen zur Veröffentlichung im [X.], nämlich Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]; Zusammenstellen, Systematisieren und Pflege von Daten und Informationen in [X.], nämlich für und im Zusammenhang mit Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]n;

Klasse 38: Telekommunikation, nämlich für und im Zusammenhang mit Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]n; Übermittlung von Informationen (einschließlich Webseiten) und anderen Daten, nämlich für und im Zusammenhang mit Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]n; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken und Informationen über ein globales Computernetz, nämlich auf Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]; Verschaffen des Zugriffs auf einen zentralen Datenbankrechner; Verschaffen des Zugriffs auf Datenbanken, insbesondere auch im [X.], nämlich auf Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.];

[X.]: [X.] nicht herunterladbarer elektronischer Veröffentlichungen, nämlich Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]; Veröffentlichung und Herausgabe von Verlagsdruckerzeugnissen (ausgenommen für Werbezwecke), nämlich von Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]n;

Klasse 42: Bereitstellung von Suchmaschinen im [X.], nämlich für Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]; Speicherung von Daten in [X.], nämlich für Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]; elektronische Speicherung von Daten für Dritte, nämlich von Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.]n

in das Markenregister eingetragen werden.

Die Anmelderin beantragt,

auf der Grundlage des vorgelegten eingeschränkten Verzeichnisses die Beschlüsse des [X.]es vom 16. Oktober 2009 und 14. Mai 2010 aufzuheben.

Sie vertritt die Ansicht, die Rechtsauffassung des Amtes stehe im Widerspruch zu dem Beschluss der [X.] vom 29. März 2010 ([X.]), wonach die für nahezu identische Waren und Dienstleistungen eingetragene Wortmarke "gelb.de" ein unterscheidungskräftiges Zeichen sei. Denn der Bestandteil "gelb" sei zu ungenau, als dass er die Waren und Dienstleistungen oder deren Merkmale beschreiben könne. Bei "gelbgewinnt" handele es sich nicht um einen Begriff, der sich dem Verkehr ohne weitere Interpretation erschließe. Das angemeldete Zeichen werde fantasievoll und überraschend in einen neuen Sachzusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen gestellt. Es sei ausweislich des aktuellen [X.] ([X.] 3) und des Online-Wörterbuchs Wikipedia ([X.] 4) eine in [X.] bislang nicht gebräuchliche, kreative Wortneuschöpfung. Ihm wohne weder eine inhaltsbezogene Aussage in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen inne, noch werde es vom Verkehr ausschließlich als Werbeslogan verstanden. Dienstleistungen und eine Vielzahl der angemeldeten Waren seien zudem farbneutral bzw. nicht originär mit einer Farbangabe verknüpft. Selbst wenn es die Aussage enthielte, dass "gelb" Erfolg bedeute, sei diese sinnentleert, weil die hier in Anspruch genommenen Waren und Dienstleistungen keinen Bezug zum Glücks- oder Gesellschaftsspiel aufwiesen. Es sei daher nicht aus sich heraus verständlich und interpretationsbedürftig. Es sei unklar, um welchen Vorteil oder Gewinn es gehe, wer der Gewinner sei, "gelb" oder derjenige, der auf Gelb setze. Es lasse offen, wer oder was gewinne und warum und ob es sich um einen einmaligen Gewinn oder eine andauernde Gewinnmöglichkeit handele. Es bedürfe auch einer Interpretation, ob der Gewinn von der Eigenschaft eines Produktes oder einem bestimmten Einsatz oder der personengebundenen Eigenschaft eines Verbrauchers abhänge oder ob, um zu gewinnen, gar eine weitere Voraussetzung erforderlich sei, etwa ein gelbes Kleidungsstück zu tragen etc.. Im Gegensatz zu "weißer Ware" für Küchenartikel und "brauner Ware" für Unterhaltungselektronik sei der Begriff der "gelben Ware" nicht gebräuchlich und weise nicht auf eine bestimmte Gattung hin, schon gar nicht im Zusammenhang mit "gewinnt". Es sei völlig fernliegend, dass ein Produkt wegen einer Farbe irgendwelche Vorteile gegenüber einem andersfarbigen Produkt aufweise. Es gebe [X.] auch in blauer und roter Farbe ([X.] 6). Ferner weist die Anmelderin auf weitere Voreintragungen hin, die in Struktur und Gehalt der vorliegenden Anmeldung sehr ähnelten, wie "MB VIER GEWINNT" (30750936) für Waren der [X.], "Wer es weiß - gewinnt!" (30093142) für Dienstleistungen der Klasse 35, "Das Wir gewinnt" (30316454) für Dienstleistungen der Klassen 36 und 41 ([X.] 5), "Integration gewinnt" (3020090164894) für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 38, 41 und 42, "[X.] [X.] GEWINNT" (30235664) für Dienstleistungen der Klasse 35 sowie "und das Leben gewinnt" (302008041014) für Dienstleistungen der [X.] ([X.] 2). Vorsorglich macht die Anmelderin geltend, dass sich der Bestandteil "gelb" des angemeldeten Zeichens im Verkehr durchgesetzt habe. Bereits im Jahre 1986 habe sie die Gelben Seiten als "Das Gelbe" beworben ([X.] 7). Verschiedentlich sei in Werbeanzeigen auch von dem "gelben Trick" gesprochen worden ([X.] 7). Mit dem Ausruf "Wir sind die Gelben" habe sie im Jahre 1997 Werbung für die Gelben Seiten gemacht ([X.] 7). Ausweislich eines von dem [X.] im September/Oktober 2009 durchgeführten Gutachtens von November 2009 zur Verkehrsdurchsetzung des Begriffs "gelb" im Zusammenhang mit einem gedruckten Branchentelefonbuch/einem Branchenbuch im [X.] ([X.] 8) besitze das Wort "gelb" beim [X.]/Nutzer von [X.]n eine Kennzeichnungskraft von 64 % und beim [X.] von Branchen[X.]n im [X.] 62,1 %.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses Erfolg.

Der Eintragung des angemeldeten [X.] "gelbgewinnt" als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 [X.] steht in Bezug auf die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 [X.], entgegen.

1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. [X.] [X.], 233, 235 [X.]. 45 - Standbeutel; 229, 230 [X.]. 27 - BioID; [X.], 608, 611 [X.]. 66 - [X.]; [X.], 850, 854 [X.]. 18 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 710 [X.]. 12 - [X.]; [X.], 949 [X.]. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] - [X.]; [X.], 1093 [X.]. 13 - [X.]; [X.], 949 f. [X.]. 10 - My World). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2004, 943, 944 [X.]. 24 - [X.] 2; [X.], 411, 412 [X.]. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.] - [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 428, 431 [X.]. 53 - [X.]; [X.], 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 674, 678 [X.]. 86 - [X.]kantoor; [X.] - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 850, 854 [X.]. 19 - [X.]; [X.], 952, 953 [X.]. 10 - [X.]Card) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] GRUR 2001, 1043, 1044 - [X.]; [X.] GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; a. a. [X.] - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] 855 [X.]. 28 f. - [X.]).

Von diesen Grundsätzen ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von (sloganartigen) Wortfolgen auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortzeichen gerechtfertigt sind ([X.] GRUR 2010, 228, 231 [X.]. 36 - Vorsprung durch Technik; GRUR 2004, 1027, 1029 [X.]. 32 u. 36, 1030 [X.]. 44 - DAS [X.] DER BEQUEMLICHKEIT; [X.] [X.]. 12 - My World; [X.], 778, 779 [X.]. 12 - [X.]; GRUR 2010, 935 [X.]. 9 - [X.]). Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt ([X.] - My World, [X.] u. [X.]). Selbst wenn aber Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, [X.] oder Aufforderungen zum Kauf der in Bezug genommenen Waren und Dienstleistungen verwendet werden, eine Sachaussage in mehr oder weniger großem Umfang enthalten, ohne unmittelbar beschreibend zu sein, können sie dennoch geeignet sein, den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der in Bezug genommenen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen ([X.] a. a. [X.] [X.]. 56 - Vorsprung durch Technik). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen ([X.] a. a. [X.] [X.]. 57 - Vorsprung durch Technik; [X.] - My World).

Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] genügt das eine sloganartige Wortfolge enthaltende Wortzeichen "gelbgewinnt" für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen. Denn es ist aufgrund seiner Kürze prägnant, einfach gehalten und eingängig. Es vermittelt den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen entgegen der Ansicht der Markenstelle eine mehrdeutige, interpretationsbedürftige Aussage, ohne dass ein beschreibender Begriffsinhalt für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen erkennbar ist. Somit weist es die erforderliche Eigenart auf, um vom Verkehr als [X.] für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen aufgefasst zu werden.

Trotz der grammatikalisch nicht korrekten Zusammenschreibung erkennt der Verkehr sofort, dass sich das Wortzeichen aus den allgemein bekannten [X.] Wörtern "gelb" und "gewinnt" zusammensetzt und somit eine Wortfolge bildet.

Bei dem Bestandteil "gelb" handelt es sich um die Angabe einer Grundfarbe (http://de.wikipedia.org/wiki/gelb).

Das Element "gewinnt" stellt die in der dritten Person Singular Präsens konjugierte Form des Verbs "gewinnen" dar. "Gewinnen" kommt die Bedeutung zu, einen Kampf, einen Wettstreit, eine Auseinandersetzung oder Ähnliches zu seinen Gunsten zu entscheiden. "Gewinnen" bedeutet aber auch, beim Spiel Geld oder einen Sachwert als Preis zu erhalten, durch eigene Anstrengung und günstige Umstände etwas Wünschenswertes zu bekommen, ein räumliches Ziel (mit Mühe) zu erreichen, sich zu seinem Vorteil zu verändern oder jemanden dazu zu bringen, sich an etwas zu beteiligen, sich für etwas einzusetzen oder für etwas einzunehmen. Ferner kann "gewinnen" im Zusammenhang mit Bodenschätzen "abbauen, fördern" und in Verbindung mit einem Naturprodukt auch "erzeugen, herstellen" bedeuten ([X.] - [X.], 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]).

Der Gesamtbegriff "gelbgewinnt" ist allerdings lexikalisch nicht nachweisbar und stellt daher eine sprachliche Neuschöpfung dar, wie Auszüge aus dem aktuellen [X.] ([X.] 3) und dem [X.] ([X.] 4) belegen.

www.flickr.com/photos ; bei Accessoires: "[X.] gewinnt!" [X.] ). Auch zur Bezeichnung des Siegers eines marktwirtschaftlichen [X.] wird die Formulierung "Gelb gewinnt" benutzt, wobei mit der Farbe "gelb" dann ein bestimmtes Unternehmen gemeint ist ( www.n-tv.de/archiv vom 25. März 2001 "Gelb gewinnt [X.] verdient besser als erwartet"; www.spiegel.de/wirtschaft vom 14. Mai 2004 "[X.] vs. [X.] Gelb gewinnt"; [X.] vom 22. Juli 2009 "[X.] 1. HJ 2009: Gelb gewinnt - Oberösterreichs regionale Nummer 1 freut sich über Hörerzuwachs"; www.wige.de/redaktion vom 20. April 2010 "Gelber [X.] 2010 - Gelb gewinnt"; www.sharp.de 2010 "Gelb gewinnt! Innovations Award für [X.] LCD-TVs mit Quattron-Technologie"). Mit der Wortfolge "Gelb gewinnt" wird aber auch auf Erleichterungen zum Auffinden von gelben Briefkästen ( [X.] vom 30. September 2009 "Gelb gewinnt: Briefkästen online finden") und auf günstige Angebote an Aktionstagen ( www.group-technologies.com "Gelb gewinnt: [X.] unterstützt den [X.]") hingewiesen.

Aber in Bezug auf die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist der Aussagegehalt der angemeldeten Wortfolge nicht aus sich heraus verständlich, sondern interpretationsbedürftig und ohne jeden beschreibenden Charakter. Es bedarf zumindest mehrerer analysierender Zwischenschritte, um ihr insoweit überhaupt einen Bedeutungsinhalt entnehmen zu können.

Denn es bleibt offen, wer oder was mit "gelb" gemeint ist - die Eigenschaft des Wettbewerbers, des eingesetzten Produkts oder einer weiteren Voraussetzung -, aus welchem Grund "gelb" gewinnt und ob es sich um einen einmaligen Gewinn oder eine andauernde Gewinnmöglichkeit handelt. Es ist auch ohne ergänzende Hinweise nicht nachvollziehbar, warum eine Farbe gegenüber anderen Vorteile aufweisen und allein zum Erfolg von was führen soll. Zudem sind eine Vielzahl der angemeldeten Waren und sämtliche Dienstleistungen farbneutral bzw. nicht originär mit einer Farbangabe verbunden. Keine weist einen Bezug zum Glücks- oder Gesellschaftsspiel oder zu einem sonstigen Wettbewerb auf.

Auch in Bezug auf die gedruckten, elektronischen und optoelektronischen Telefon-, Auskunfts-, Branchen- und Online[X.] sowie die damit unmittelbar in Verbindung stehenden Waren und Dienstleistungen lässt sich erst nach mehreren Gedankenschritten ein sinnvoller Aussagegehalt ermitteln. Der Verkehr versteht unter dem Begriff "Gelbe Seiten" das als Ergänzungsband zum Telefonbuch herausgegebene entsprechend betitelte Branchenverzeichnis ([X.] - [X.], a. a. [X.]), so dass der Bestandteil "gelb" in der angemeldeten Wortfolge auf diese Verzeichnisse hinweisen oder mit ihnen gleichgesetzt werden könnte. Aber auch dies erfordert bereits analysierende Zwischenschritte. Denn der Begriff "Seiten" und die attributive Verwendung des Adjektivs "gelb" müssen hinzugedacht werden. Selbst dann ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum, was und in welcher Weise [X.] gewinnen sollen. Es bedarf eines längeren Denkprozesses und einiger Zusatzerwägungen, um die Wortfolge im Zusammenhang mit den Verzeichnissen dahingehend interpretieren zu können, dass der Benutzer der "Gelben Seiten" als Gewinner und somit als erfolgreicher Akteur im fiktiven Verbraucherwettbewerb anzusehen ist, weil er mit Hilfe dieser Verzeichnisse besonders schnell Anbieter der gewünschten Waren oder Dienstleistungen finden kann. Hinzu kommt, dass auch die Interpretation naheliegend ist, die in den "Gelben Seiten" aufgeführten und inserierenden Unternehmen erzielten dadurch wirtschaftlichen Gewinn, dass Kunden in den "Gelben Seiten" auf sie aufmerksam und ihnen zugeführt werden.

www.slogans.de ergeben hat, in seiner konkreten Form außer von der Anmelderin bisher nicht und auch nicht mit einer anderen Farbe benutzt worden ist, noch als so hinreichend phantasievoll ansehen, dass ihm nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann.

2. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen kann bei der angemeldeten Wortfolge auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht bejaht werden.

Meta

29 W (pat) 161/10

01.12.2010

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.12.2010, Az. 29 W (pat) 161/10 (REWIS RS 2010, 909)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 909

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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