Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2008, Az. IV ZR 148/08

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 470

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 148/08 Verkündet am:

3. Dezember 2008

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 -

[X.] hat durch [X.], [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] auf die mündliche [X.] vom 3. Dezember 2008 für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 12. Zi-vilsenats des [X.] vom 5. Juni 2008 im Rahmen der Zulassung der [X.]. Das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 15. Juli 2005 wird geändert und wie folgt neu gefasst: Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei der Berechnung der Startgutschrift des [X.] § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S anzuwenden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte. Im Übrigen tragen der Kläger ein Viertel und die [X.] drei Viertel der Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen
- 3 -

Tatbestand:
1 I. Die beklagte [X.] und der Länder ([X.]) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versi-cherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebe-nenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. No-vember 2002 ([X.]. [X.] vom 3. Januar 2003) hat die Beklagte ihr [X.] rückwirkend zum 31. Dezember 2001 ([X.]) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertrags-parteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 ([X.]) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem [X.] vom 4. November 1966 ([X.]) beruhen-de - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem er-setzt. Die neue Satzung der [X.] ([X.]S) enthält [X.] zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen [X.]. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen [X.] übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in [X.] und [X.] Versicherte unterschie-den. [X.] ist, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des [X.] unterfiel oder [X.] in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen konnte. Die Anwartschaften der [X.]n Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen (§§ 78 Abs. 1 und 2, 2 - 4 -

79 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 [X.]S), wohingegen sich die Anwartschaften der [X.]n Versicherten nach § 18 Abs. 2 [X.] berechnen (§§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 [X.]S). Seit der Satzungsänderung vom 26. Juni 2003 ([X.]. [X.]32 vom 19. Juli 2003), die auf dem [X.] zum [X.]/[X.]-K vom 12. März 2003 beruht, sieht die [X.]S auch für schwerbehinderte Versicherte, die am 31. Dezember 2001 das 52. Lebensjahr vollendet hatten, unter den Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S eine Startgutschriftberechnung nach den für [X.] Versicherte gelten-den Grundsätzen vor. § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S lautet: 3 Die Sätze 1 bis 3 gelten für Beschäftigte, die am 31. De-zember 2001 das 52. Lebensjahr vollendet haben und eine Rente für schwerbehinderte Menschen [X.] könnten, wenn sie zu diesem Zeitpunkt bereits das 60. Lebensjahr vollendet hätten, entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des 63. Lebensjahres das entsprechende, für sie individuell frühestmögliche Ein-trittsalter in die abschlagsfreie Rente für schwerbehinder-te Menschen maßgeblich ist. Ein Anspruch auf eine gesetzliche Altersrente für schwerbehinder-te Menschen setzte nach § 236a Abs. 4 Nr. 3 [X.] in der am [X.] geltenden Fassung insbesondere die Erfüllung einer War-tezeit voraus, die in den Fällen der von § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S betrof-fenen Versicherten 35 Jahre (420 Monate) betrug. Durch das [X.] ([X.] I 403) wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2002 die Höchstdauer der Anrechnungszeiten für schulische Ausbildung (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 [X.]) von drei Jahren auf acht Jahre erhöht. 4 - 5 -

5 II. Der am 22. März 1947 geborene und bei der [X.] renten-berechtigte Kläger ist spätestens seit dem 16. November 2000 schwer-behindert. Mit der Revision begehrt er von der [X.] nunmehr noch die Erteilung einer Startgutschrift gemäß § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S nach den Grundsätzen für [X.] Versicherte anstatt der erteilten [X.], die nach den Grundsätzen für [X.] Versicherte [X.] wurde.
Bis zum Ablauf des [X.] legte der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung 339 Monate an Beitragszeiten (§§ 54 Abs. 1 [X.], 55 [X.]) und weitere 9 Monate an Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.]) zurück. Zudem verwendete er nach Vollendung seines 17. Lebensjahres mindestens 117 Monate für schulische Ausbildung i.S. des § 58 Abs. 1 Nr. 4 [X.], von denen in der Rentenauskunft der [X.] ([X.]) zum 31. Dezember 2001 wegen Überschreitung der Höchst-anrechnungsdauer von drei Jahren nur 36 Monate als Anrechnungszei-ten berücksichtigt wurden. Von der Möglichkeit, für nicht angerechnete Ausbildungszeiten freiwillige Nachzahlungen zu erbringen (§ 207 [X.]), hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. 6 Der Kläger ist der Auffassung, die erforderliche Wartezeit durch die Erweiterung der Anrechnungszeiten zum 1. Januar 2002 und die Möglichkeit der Nachzahlung erfüllt zu haben. Bei anderer, engerer Aus-legung des § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S wäre dieser unwirksam, soweit die Erfüllung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf gesetzliche Alters-rente für schwerbehinderte Menschen bereits zum [X.] verlangt werde. 7 - 6 -

8 Die Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S seien nicht erfüllt, da am 31. Dezember 2001 nach der zu diesem Zeitpunkt gültigen Rechtslage die Voraussetzungen eines ge-setzlichen Rentenanspruchs nicht vorgelegen hätten.
Das [X.] hat - neben weiteren, in der Revisionsinstanz nicht streitgegenständlichen Feststellungen - antragsgemäß festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, bei der Berechnung der Startgutschrift des [X.] § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S anzuwenden. Auf die umfassende Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die von der [X.] gemäß ihrer Satzung erteilte Startgutschrift den Wert der vom Kläger bis zum 31. Dezember 2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalls zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlege, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Beschränkt auf den Streit um die Maßgeblichkeit des § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S hat es die Revision zugelassen. Der Kläger begehrt in diesem Rahmen die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. 9 Entscheidungsgründe:

Die auf den Umfang ihrer Zulassung beschränkte Revision des [X.] hat Erfolg. 10 I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Kläger habe die Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S nicht erfüllt, da er am 31. Dezember 2001 in der gesetzlichen Rentenversicherung die [X.] tatsächlich noch nicht erreicht gehabt habe. Eine 11 - 7 -

Auslegung am Maßstab des durchschnittlichen Versicherten ergebe, dass die Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S bereits am [X.] selbst erfüllt gewesen sein müssen. Daher komme es weder auf ein Erreichen der Wartezeit zu einem späteren Zeitpunkt noch auf die erhöhte Anrechnung nach dem ab 1. Januar 2002 geltenden Recht an. § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S, der auf einer Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien beruhe und deshalb einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entzogen sei, verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG oder die Gebote von [X.] und Glauben. II. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 12 1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen Versicher-ten die Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S bereits am [X.] erfüllt sein mussten. Es zieht jedoch daraus den unzu-lässigen Schluss, dass deswegen auch sämtliche Voraussetzungen ei-nes Anspruchs auf eine gesetzliche Rente für schwerbehinderte Men-schen, soweit sie nicht in der Bestimmung selbst fingiert werden, am [X.] tatsächlich vorgelegen haben mussten. 13 Damit verkennt das Berufungsgericht, dass bei zutreffender Ausle-gung des § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S der Versicherte eine gesetzliche Ren-te auch dann "hätte beanspruchen können", wenn er zum Umstellungs-stichtag deren Voraussetzungen einseitig hätte schaffen können - unter-stellt, er hätte das Renteneintrittsalter bereits erreicht gehabt. Wie der Senat im Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 104/06 (zur [X.] vorgesehen) erkannt hat, setzt diese, am Maßstab des [X.]

schnittlichen Versicherten entwickelte Auslegung insbesondere das [X.] aus dem gesetzlichen Rentenversicherungsrecht in ein sachgerechtes Verhältnis zu dem in § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S vorausge-setzten Mindestlebensalter von 52 Jahren. Zudem wahrt sie die Verein-barkeit der Bestimmung mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Im Einzelnen wird auf die Ausführungen im genannten Senatsurteil verwiesen.
2. Der Kläger hatte die Möglichkeit, durch eine entsprechende Nachzahlung nach § 207 [X.] seine Anrechnungszeiten für schulische Ausbildung so zu erhöhen, dass er bereits am 31. Dezember 2001 die Wartezeit des § 236a Abs. 4 Nr. 3 [X.] erfüllt gehabt hätte. Er hätte daher - das Erreichen des Renteneintrittsalters unterstellt - am [X.] die Voraussetzungen für eine gesetzliche Altersrente für schwerbehinderte Menschen schaffen und somit i.S. von § 79 Abs. 2 Satz 4 [X.]S beanspruchen können, weshalb seine Startgutschrift gemäß dieser Bestimmung nach den für [X.] Versicherte geltenden Grundsätzen (§§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 [X.]S) zu [X.] - 9 -

folgen hat. Die durch das Berufungsgericht getroffene Feststellung der Unverbindlichkeit der erteilten Startgutschrift, die auf einer Behandlung nach den für [X.] Versicherte geltenden Grundsätzen beruht, ist damit gegenstandslos.
[X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 15.07.2005 - 6 O 190/04 - [X.], Entscheidung vom 05.06.2008 - 12 U 204/05 (08) -

Meta

IV ZR 148/08

03.12.2008

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2008, Az. IV ZR 148/08 (REWIS RS 2008, 470)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 470

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