Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2012, Az. 2 StR 398/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 7615

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

2 StR 398/11
vom
28.
März 2012
in der Strafsache
gegen

wegen bandenmäßigen Verbreitens [X.] Schriften u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 28.
März 2012, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr.
[X.],

[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr.
Berger,
Dr.
Eschelbach,
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr.
[X.],

[X.] am [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.]s Darmstadt vom 7.
April 2011 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass im Fall C
II.
12 der Urteilsgründe eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten festgesetzt wird.

Der Angeklagte hat die
Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Verbreitens [X.] Schriften in zwölf Fällen und wegen bandenmäßigen
Unternehmens des Drittbesitzverschaffens [X.] Schriften in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf Verfahrensrügen sowie die Sachbeschwerde gestützte Revision. Das Rechtsmittel führt
nur zu
der aus dem Tenor ersichtlichen Ergänzung im Straf-ausspruch; im Übrigen ist es unbegründet.
1.
Nach den Feststellungen des [X.]s war der Angeklagte in eine Gruppierung von "[X.]"
eingebunden, die sich zusammengeschlossen hatte, um arbeitsteilig eine Internetplattform für Gleichgesinnte zu betreiben. Diese Grup-pe unterhielt von Frühjahr 2007 bis September 2008 unter Nutzung ausländischer Server zunächst das Internetboard "Z.

"
nebst dazugehörigen Chat-Räumen. Die Mitglieder der Gruppe kannten sich nur teilweise untereinander aus persönlichen Kontakten mit ihren Namen und kommunizierten auf der [X.] anonymisiert unter Verwendung von Pseudonymen. Das Board fungierte dabei 1
2
-
4
-
als "schwarzes Brett", auf dem Mitglieder Mitteilungen
(sog. Postings) hinterließen und insbesondere dauerhaft und ungestört kinderpornographische Bild-
und Video-dateien austauschten. Hierzu wurden von den Nutzern [X.]s zu den Speicherorten der meist auf ausländischen Servern abgelegten Dateien eingestellt. Das Board war in verschiedene Bereiche unterteilt. Ein Teil hiervon war jedermann zugänglich, im Übrigen war das Board nur den Mitgliedern vorbehalten, die -
graduell abgestuft
-
durch verschiedene Aktivitäten, insbesondere das eigene Posten von [X.]s zu kin-derpornographischen Dateien, eine entsprechende Zugangsberechtigung erhalten hatten.
Nach seinem Beitritt engagierte sich der Angeklagte von Beginn an in be-sonderem Maße für das Board
mit dem Ziel, zügig in der Hierarchie aufzusteigen und selbst eine tragende Rolle in der Führungsriege zu übernehmen.
Der [X.] erhielt daraufhin Ende April 2008 eine Leitungsfunktion zunächst für den ersten zugangsgeschützten Bereich "S.

-Z.

", für den er "Administrator"
wurde. Administratoren waren für Betrieb, Technik und Weiterentwicklung des Boards zu-ständig; sie
hatten zusätzlich
auch sämtliche
Befugnisse der ihnen untergeordneten
sog.
"Moderatoren", die
u.a.
für die Mitgliederbetreuung zu sorgen hatten. Dem An-geklagten
oblag als Administrator insbesondere die Entscheidung über die Vergabe und den Entzug von Zugangsberechtigungen;
es gelang ihm in kurzer [X.], über 90 neue Mitglieder für den "S.

-Z.

"
hinzuzugewinnen. Der Angeklagte
be-kam
sodann ab Anfang Juni 2008 die "Chef"-Rolle eines Administrators auch für den frei zugänglichen "O.

-Z.

". Dieser Bereich hatte bei seiner Schlie-ßung Ende September 2008 nach
der Festnahme eines Board-Mitglieds 340
registrierte Mitglieder, der "S.

-Z.

"
119
registrierte Mitglieder. [X.]weise verzeichnete das gesamte "Z.

"-Board bis zu 4.000 Zugriffe pro Tag.
Neben seiner Tätigkeit als Administrator des "Z.

"-Boards (Fall
B
I.) machte
der Angeklagte
auch weiterhin selbst Einträge mit [X.]s zu kinderpornogra-phischem Bild-
und Videomaterial, um dadurch den möglichst langfristigen Betrieb 3
4
-
5
-
des Boards aufrechtzuerhalten;
so setzte er am 16.
August
2008 zwei [X.] [X.]s auf das "S.

-Z.

"-Board
(Fall
B
II.).
Bereits bei Schließung des "Z.

"-Boards waren sich alle Beteiligten darüber einig, dass alsbald ein Board neu geschaffen bzw. wieder geöffnet werden sollte. Nachdem viele ehemalige Mitglieder zwischenzeitlich über diverse [X.] weiterhin Kontakt zueinander gehalten hatten, war am
23.
März 2009 die
neue In-ternetplattform der [X.]-Gruppe unter Nutzung des schon zuvor verwende-ten Servers eingerichtet. Das Board wurde nunmehr unter
dem
Namen "S.

"
mit den dazugehörigen Chat-Räumen bis zu seiner Schließung aufgrund
poli-zeilicher Maßnahmen am 29.
September 2009 betrieben; bis zu diesem [X.]punkt war die Zahl der Mitglieder des "S.

"-Boards auf 476 angewachsen.
Mitglied in dem "S.

"-Board konnte jedermann werden, der in einem der zugehörigen Chat-Räume einen [X.] auf eine kinderpornographische
"Hardcore"-Datei einstellte. Wenn die Administratoren die betreffende
Datei hin-sichtlich des Alters des Kindes und der gezeigten sexuellen Handlungen als geeig-net befanden, kam es zur Aufnahme als (einfaches) Mitglied. Um höhere
Mitglieder-ränge mit Zugangsberechtigung zu weiteren Bereichen des Boards zu erreichen, mussten die Mitglieder entsprechend mehr [X.]s zu kinderpornographischen
Bild-
und Videodateien posten. Sofern die Mitglieder innerhalb eines bestimmten [X.]-raums keine
Aktivitäten entfalteten, wurde ihr Zugang deaktiviert, um passive [X.] von dem Board fernzuhalten.
Bei Aufnahme des Betriebs des "S.

"-Boards im März 2009 war auch der Angeklagte dort unter seinem zuvor verwendeten Pseudonym registriert und hatte weiterhin den Status eines Administrators mit den damit verbundenen Rechten. Da sich der Angeklagte aufgrund vorausgegangener Streitigkeiten im Zu-sammenhang mit der Schließung des "Z.

"-Boards jedoch Anfeindungen innerhalb der Führungsriege ausgesetzt sah,
beschloss er bereits nach zwei
Tagen, 5
6
7
-
6
-
die neu geöffnete Internetplattform zu verlassen
und sich stattdessen anderen Boards der [X.]-Szene zuzuwenden. Hiervon unterrichtete
er einen
der
Mit-begründer der
Internetplattform,
der dort weiterhin die Führungsposition innehatte.
Ende Mai 2009 entschloss sich der Angeklagte, zum "S.

"-Board zurück-zukehren. Dessen
Führungsriege ließ er seinen Wunsch ausrichten, erneut eine Administratorenrolle übernehmen zu wollen. Sein
Ansinnen stieß jedoch auf Ableh-nung bei den Führungspersonen, die den Angeklagten auf seine nach wie vor [X.] einfache Mitgliedschaft verwiesen. Verärgert über die Zurückweisung durch seine früheren Weggefährten entschloss sich der Angeklagte, das
"S.

"-Board zu "unterwandern". Er trat in der Folgezeit nicht mehr unter seinem zuvor
verwendeten Pseudonym auf, sondern
legte sich zur Verschleierung seiner Identität nacheinander mehrere neue Pseudonyme zu, unter denen er nach Bestehen der Aufnahmeprüfung jeweils sogleich
zum "VIP"-Mitglied aufstieg und mit entsprechenden Privilegien auf dem Board agierte.
Um die Internetplattform möglichst langfristig aufrecht zu erhalten,
sich dort weiter hochzuarbeiten und wieder eine tragende Rolle zu
erlangen,
stellte der An-geklagte in dem "S.

"-Board und in den zugehörigen [X.] eine Vielzahl von [X.]s auf kinderpornographisches Bild-
und Videomaterial
ein. Mit seinen Ein-trägen verschaffte er nicht nur anderen Mitgliedern den Zugang zu dem [X.] kinderpornographischen Material, sondern animierte diese selbst zum Posten von [X.]s zu entsprechenden Dateien. Nach den Feststellungen zu den Fällen
C
II.
1 bis 12
der Urteilsgründe postete der Angeklagte in der [X.] vom 1.
Juli bis 12.
September 2009 an zwölf Tagen insgesamt 26 solcher [X.]s, davon an zehn Tagen auf das "S.

"-Board und an zwei Tagen in
dazugehörigen Chat-räumen.
2.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die Verfahrensrügen ha-ben aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift vom 9.
September 2011 genannten Gründen keinen Erfolg. Auch die Sachrüge zeigt keinen Rechts-8
9
-
7
-
fehler auf. Der [X.] hat durch Urteil vom 18.
Januar 2012 im Parallelverfahren 2
StR 151/11 bereits entschieden, dass das Betreiben eines [X.] nebst den dazugehörigen [X.] zum Austausch [X.] Bild-
und Video-dateien und das eigene Bereitstellen entsprechender [X.]s auf dem Board rechtlich als (bandenmäßige) Verbreitung [X.] Schriften
in der Variante des öffentlichen
Zugänglichmachens (§
184b Abs.
1 Nr.
2 Var. 4, Abs.
3 Alt.
2 StGB) zu werten ist und dass das eigene Posten von [X.]s auf kinderpornographi-sche Dateien in den zu dem Board gehörenden [X.] den Tatbestand des (ban-denmäßigen)
Unternehmens des Drittbesitzverschaffens [X.] Schriften (§
184b Abs.
2, Abs.
3 Alt.
2 StGB) erfüllt. Hierauf wird Bezug genommen.
Der ergänzenden Erörterung bedarf daher hier nur
der Schuldspruch jeweils wegen einer [X.] auch in
Fällen C
II.
1 bis 12 der Urteilsgründe.
a)
Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der sog. [X.]. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] setzt eine Bande den Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Willen voraus, künftig für eine gewisse Dauer mehrere [X.], im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Delikttyps zu begehen ([X.]St 46, 321, 325; 47, 214, 216;
50, 160, 164). Als Bandenmitglied ist anzusehen, wer in die [X.] eingebunden ist, die dort gelten-den Regeln akzeptiert, zum Fortbestand der Bande beiträgt und sich an den Strafta-ten beteiligt. Nicht erforderlich für eine -
ausdrücklich oder konkludent getroffene
-
[X.] ist hingegen, dass sich alle Bandenmitglieder persönlich miteinander verabreden oder einander kennen
([X.]St 50, 160, 164, 168; [X.] [X.]R §
30 BtMG Abs.
1 Nr.
1 -
Bande
9; [X.], 347). Weiterhin ist -
anders als es
das [X.] bei seiner rechtlichen Würdigung angenommen hat (UA
S.
114)
-
für den [X.] ein "Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse"
nach der Entscheidung des [X.] [X.] 10
-
8
-
vom 22.
März 2001

GSSt
1/00 ([X.]St 46, 321, 325, 331; vgl. auch [X.] NStZ 2004, 398,
399; 2005, 230, 231) nicht mehr erforderlich.
b)
Nach
diesem rechtlichen Maßstab
unterliegt das Bestehen
einer Banden-abrede auch für die Fälle C
II.
1 bis 12 keinem Zweifel;
gleiches gilt für die banden-mäßige Begehung dieser Taten.
Das [X.] hat sich zwar nicht näher mit der Frage befasst, ob durch die mit Streitigkeiten einhergehende Schließung des
"Z.

"-Boards Ende September 2008 oder die vorübergehende Aufkündi-gung seiner Beteiligung an der wieder eingerichteten Internetplattform am 25.
März 2009 gegenüber dem Kopf der Bande, dem gesondert verfolgten Beschuldigten
E.

,
die frühere [X.] hat
hinfällig werden lassen. Aber auch
bei einer Beendigung der ursprünglichen Bandenmitgliedschaft
lag
nach den Feststellungen des [X.]s den nachfolgenden Taten jedenfalls eine neue [X.] zugrunde. Mit seinen erneuten Anmeldungen in dem zum "S.

"-Board zu-gehörigen Chat und dem jeweiligen Absolvieren der "[X.]", die zur Re-gistrierung als Mitglied auf dem Board führte, erfolgte jeweils ein verbindlicher An-schluss an die
bereits bestehende Bande. Die Eingliederung in diese Bande, deren Struktur und Vorgaben für eine Fortdauer der Mitgliedschaft dem Angeklagten aus seiner vorherigen Zugehörigkeit bekannt war, beruhte auch auf seinem Willen, an-deren Bandenmitgliedern künftig wiederholt kinderpornographisches Material zu-gänglich zu machen. Demgegenüber steht seine "Unterwanderung"
des Boards mit der (weiteren)
Verschleierung seiner ohnehin von Anfang an verdeckten Identität durch die wiederholte Wahl neuer Pseudonyme seiner Einbindung in die Bande nicht entgegen, da es -
wie dargelegt
-
für das Zustandekommen einer [X.] nicht darauf ankommt, dass sich die Beteiligten untereinander persönlich [X.]
(vgl. auch [X.]St 50, 160, 161
f., 168
f. zum Fall eines "verstoßenen"
Ban-denmitgliedes).

3.
Das [X.]
hat es allerdings
versäumt, im Fall C
II.
12 der Entschei-dungsgründe eine Einzelstrafe zu bestimmen. Der [X.], der dort in einem
zum 11
12
-
9
-
"S.

"-Board zugehörigen Chatraum
eingestellt
war,
führte wie jener im Fall C
II.
11
zu einer Bildergalerie
mit kinderpornographischen Abbildungen, die u.a. auch schweren sexuellen Missbrauch von fünf bis acht Jahre alten Mädchen
zei-gen. Der [X.] kann im Hinblick auf die ebenfalls hohe
Anzahl dieser Abbildungen ausschließen, dass die Strafkammer
im Fall C
II.
12 eine andere Strafe als die im Fall C
II.
11
ausgeurteilte von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt hätte und holt die
unterbliebene Festsetzung in entsprechender Anwendung des §
354 Abs.
1 StPO nach (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Juli 2011 -
2 [X.]; [X.],
Beschluss vom 16.
Dezember 2010 -
4 [X.] mwN).

[X.]

Fischer

Berger

Eschelbach

[X.]

Meta

2 StR 398/11

28.03.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2012, Az. 2 StR 398/11 (REWIS RS 2012, 7615)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7615

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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16a D 14.121 (VGH München)

Beamtenverhältnis, Disziplinarverfahren, Keine Bindungswirkung, Außerdienstliches Dienstvergehen


64 KLs-12 Js 561/20-20/20 (Landgericht Essen)


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