Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.10.2019, Az. XI B 49/19

11. Senat | REWIS RS 2019, 2899

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Gegenstand

Umsatzsteuerbefreiung für Schul- und Hochschulunterricht; Leistungen, die den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben; kein Beweisantrag zu Rechtsfragen


Leitsatz

1. NV: Handwerkskurse für Kinder, die den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben, sind nicht umsatzsteuerfrei .

2. NV: Rechtsfragen, die nicht das in einem anderen Staat geltende Recht, Gewohnheitsrecht oder Statuten (vgl. § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 ZPO) betreffen, sind einer Beweiserhebung nicht zugänglich .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom [X.] - 7 K 7024/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine inzwischen aufgelöste GbR, führte in den Streitjahren (2012 und 2013) Handwerkskurse für Kinder durch.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) rechnete der Klägerin in den [X.] für die Streitjahre vom 20.03.2015 auch die Umsätze zu, die aus Sicht der Klägerin zwei andere GbR ausgeführt haben. Außerdem sah es die Umsätze als umsatzsteuerpflichtig an. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 27.12.2016).

3

Das Finanzgericht ([X.]) Berlin-Brandenburg wies die Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgte und sich außerdem auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) berief, mit Urteil vom [X.] - 7 K 7024/17 zum weit überwiegenden Teil ab und ließ die Revision nicht zu. Es führte u.a. aus, dass die Umsätze der Klägerin  nicht umsatzsteuerfrei seien. Eine Anwendung des § 4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) scheide schon mangels Genehmigung, Erlaubnis oder auf die Klägerin lautender Bescheinigung aus. Die Berufung der Klägerin auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und [X.] bleibe erfolglos, weil ihre Kurse bereits nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) vor Ergehen des Urteils A & G Fahrschul- Akademie vom 14.03.2019 – [X.] ([X.]:C:2019:202, [X.], 620) kein Schul- oder Hochschulunterricht gewesen seien. Die Kurse seien vielmehr freizeitnah gewesen. Deshalb könne offen bleiben, ob eine Steuerbefreiung für spezialisierten Unterricht seit dem [X.]-Urteil ohnehin ausscheide. Außerdem fehlten zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL jegliche Nachweise zu Kostenübernahmen durch öffentliche Träger. Die Klägerin sei daher auch keine anerkannte Einrichtung. Allerdings sei die Umsatzsteuer des Jahres 2013 zu hoch festgesetzt worden.

4

Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen eines Verfahrensfehlers des [X.] zuzulassen.

Entscheidungsgründe

[X.]

5

Die Beschwerde ist --bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit sie überhaupt hinreichend dargelegt sind, nicht vor.

6

1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht hinreichend dargelegt.

7

a) Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, hat der Beschwerdeführer zur Erfüllung der [X.] eine hinreichend bestimmte und für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 26.04.2018 – XI B 117/17, [X.], 953, Rz 50; vom 13.03.2019 - XI B 97/18, [X.], 711, Rz 3). Sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, ist eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf. einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (vgl. z.B. [X.] vom 07.07.2015 - I B 114/14, [X.], 1425, Rz 7; vom 18.11.2015 – XI B 61/15, [X.], 435, Rz 18).

8

b) Wird die Unvereinbarkeit einer Rechtsnorm mit dem Unionsrecht geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer u.a. substantiiert darlegen, mit welcher Vorschrift des Unionsrechts die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Norm seiner Ansicht nach unvereinbar ist. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den Vorgaben des Unionsrechts und der dazu ergangenen Rechtsprechung des [X.] sowie des [X.] und ggf. auch eine Befassung mit der dazu vom [X.] im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung (vgl. [X.] vom 09.11.2007 - IV B 169/06, [X.]/NV 2008, 390, unter 1.a, Rz 5; vom 21.03.2018 – I B 63/17, [X.], 838, Rz 8).

9

c) Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie wirft mit dem Vortrag, die Klägerin erfülle mit ihrer Tätigkeit Elemente des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und [X.] und mit der Versagung der Steuerbefreiung ergäben sich begründete Zweifel an der zutreffenden Auslegung des Unionsrechts, schon keine abstrakte Rechtsfrage auf. Außerdem fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die befreiten Leistungen, wonach es sich um Unterrichtseinheiten zur Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende handeln muss (vgl. [X.]-Urteile Haderer vom 14.06.2007 - [X.]/05, [X.]:[X.], [X.]/NV 2007, Beilage 4, 394, Rz 26; [X.] vom 28.01.2010 - [X.]/08, [X.]:[X.], [X.]/NV 2010, 583, Rz 32; [X.] vom 16.03.2017 - V R 38/16, [X.]E 258, 167, [X.], 1017, Rz 31; vom 25.10.2018 – [X.], [X.], 130), d.h. um eine Aus- und Fortbildung, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat ([X.]-Urteil vom 20.03.2014 - V R 3/13, [X.]E 245, 391, [X.]/NV 2014, 1175, Rz 20). Von Letzterem ist das [X.] indes ausgegangen.

d) Deshalb hat die Sache auch nicht im Hinblick auf die Frage 1 des [X.]-Beschlusses vom [X.] – V R 32/18 ([X.]E 264, 95, [X.], 457) offensichtlich grundsätzliche Bedeutung. Das [X.] konnte wegen des [X.] der Kurse in [X.] (juris) der Vorentscheidung zu Recht offen lassen, ob spezialisierter Unterricht (noch) befreit ist (vgl. dazu auch [X.]-Beschluss Finanzamt [X.] vom 07.10.2019 - [X.]/19, [X.]:[X.], Rz 30 ff., 33).

2. Soweit die Beschwerde geltend macht, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Abweichung von mehreren Urteilen zuzulassen, hat die Klägerin nicht, was zur Darlegung erforderlich gewesen wäre (vgl. [X.] vom 26.09.2017 – XI B 65/17, [X.], 240, Rz 25; vom 05.07.2018 – XI B 17/18, [X.], 1139, Rz 19), abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausgearbeitet und einander so gegenübergestellt, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird.

3. Die behauptete Abweichung liegt überdies nicht vor; denn die behaupteten Divergenzentscheidungen betreffen allesamt andere Sachverhalte; das [X.] ist von denselben Rechtsgrundsätzen ausgegangen wie der [X.] und die anderen [X.].

a) Im [X.]-Urteil vom 05.06.2014 – V R 19/13 ([X.]E 245, 433) ging es um Schwimmunterricht; der [X.] hat dort in Rz 18 ausgeführt, dass Schwimmunterricht, der den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung hat, nicht steuerfrei ist. Davon ist auch das [X.] ausgegangen; es hat den Freizeitcharakter der Handwerkskurse bejaht.

b) Aus den gleichen Gründen liegt keine Abweichung vom Urteil des [X.] München vom 13.09.2018 - 3 K 1868/17 (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2018, 1920) vor; denn das [X.] München hat in Rz 35 (juris) verneint, dass die dortigen Schwimmkurse der bloßen Freizeitgestaltung dienten (vgl. ebenso nachfolgend [X.]-Beschluss in [X.]E 264, 95, [X.], 457, Rz 17).

c) Ebenfalls aus den genannten Gründen ist die Vorinstanz nicht vom Urteil des [X.] Münster vom 15.08.2017 - 15 K 2689/14 U (E[X.] 2017, 1699) abgewichen. Schwimmunterricht, der der bloßen Freizeitgestaltung dient, ist auch nach Auffassung des [X.] Münster nicht steuerfrei, wie sich aus den Ausführungen der Rz 20 ff. (juris) ergibt. Hier hat das [X.] bezüglich der Kurse der Klägerin den Freizeitcharakter bejaht.

4. Der gerügte Verfahrensfehler liegt ebenfalls nicht vor.

a) Das [X.] muss einem Beweisantrag nicht nachkommen, wenn dieser unsubstantiiert ist (z.B. [X.] vom 09.01.2019 - I B 138/17, [X.], 681, Rz 19; vom 31.01.2019 - VIII B 41/18, [X.], 702, Rz 16). Die Substantiierung eines Beweisantrags setzt voraus, dass das Beweisthema und das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf einzelne konkrete Tatsachen genau angegeben wurden (z.B. [X.]-Beschluss vom 17.07.2014 – XI B 87/13, [X.]/NV 2014, 1891, Rz 22, m.w.N.). Keine Tatsachen sind Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere Rechtsfragen und juristische Subsumtionen, sofern es nicht um ausländisches Recht geht (vgl. [X.] vom 22.02.2007 – III B 70/05, [X.]/NV 2007, 1083, unter [X.], Rz 11; vom 09.03.2007 - IV B 1/06, juris, Rz 3). Rechtsfragen, die nicht das in einem anderen Staat geltende Recht, Gewohnheitsrecht oder Statuten (vgl. § 155 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O-- [X.]. § 293 der Zivilprozessordnung --ZPO--) betreffen, sind einer Beweiserhebung nicht zugänglich (vgl. [X.]-Beschluss vom [X.], [X.]/NV 2013, 703, Rz 8).

b) Die Klägerin macht geltend, sie habe in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass Bescheinigungen i.S. des § 4 Nr. 21 UStG nachträglich erteilt werden können. Den dazu gestellten Beweisantrag habe das [X.] nicht in ausreichendem Maße beachtet. Die nicht erfolgte Beweiserhebung werde gerügt.

c) Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom [X.] hat die Klägerin ihren Sachantrag gestellt und außerdem --hilfsweise-- beantragt, ein Gutachten des [X.] des [X.] dazu einzuholen, dass die Klägerin ausschließlich Leistungen erbracht hat, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 UStG erfüllen.

d) Dieser Beweisantrag betrifft eine Rechtsfrage; ob die Leistungen der Klägerin unter § 4 Nr. 21 UStG fallen, hat nicht das [X.] des [X.] zu beurteilen, sondern das [X.].

e) Es stand der Klägerin allerdings frei, bei der zuständigen Behörde eine Bescheinigung [X.] 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] UStG des Inhalts zu beantragen, dass die Klägerin in den Streitjahren auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet hat. Sollte diese Bescheinigung nach Überprüfung der hierfür erforderlichen Voraussetzungen von der zuständigen Behörde (für die Streitjahre) erteilt werden bzw. am [X.] erteilt worden sein, könnte ihr Rückwirkung zukommen (vgl. [X.]-Urteile vom 21.02.2013 – V R 27/11, [X.]E 240, 487, [X.], 529, Rz 17; vom 20.04.2016 – XI R 6/14, [X.]E 253, 499, [X.], 828, Rz 21). Nach deren Erteilung weiterhin vom [X.] zu beurteilen wäre allerdings, ob die Leistungen der Klägerin i.S. des § 4 Nr. 21 UStG unmittelbar dem Schul- und [X.] dienen. Dies hat das [X.] ebenfalls verneint.

5. Indem die Klägerin mit ihrem Beschwerdevorbringen im [X.] die Rechtsauffassung des [X.] für falsch hält, stellt sie die materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage. Dies vermag die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (vgl. [X.] vom 11.12.2014 - XI B 49/14, [X.], 363, Rz 18; vom 19.12.2016 - XI B 57/16, [X.]/NV 2017, 599, Rz 39).

Einen schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O ausnahmsweise zur Zulassung der Revision führen könnte, hat die Klägerin mit ihren Einwendungen nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O gebotenen Form (vgl. zu den Anforderungen z.B. [X.] vom 20.02.2018 – XI B 129/17, [X.], 641, Rz 12; in [X.], 953, Rz 59) dargelegt. Insbesondere ist angesichts des Alters der Kinder und der beharrlichen Weigerung der Klägerin, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, sowohl der vom [X.] gezogene Schluss, dass alle Leistungen der Klägerin zuzurechnen sind, als auch die Annahme, die Kurse hätten den Charakter bloßer Freizeitgestaltung, nicht greifbar gesetzeswidrig, sondern zumindest vertretbar.

6. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O).

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI B 49/19

08.10.2019

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 8. Mai 2019, Az: 7 K 7024/17, Urteil

§ 4 Nr 21 UStG 2005, Art 132 Abs 1 Buchst i EGRL 112/2006, Art 132 Abs 1 Buchst j EGRL 112/2006, UStG VZ 2012, UStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.10.2019, Az. XI B 49/19 (REWIS RS 2019, 2899)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2899

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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