Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2010, Az. II ZR 159/09

II. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7261

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.]/09 vom 26. April 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 745 Abs. 1 a) Die Kündigung eines Mietverhältnisses über ein gemeinschaftliches Grundstück kann Gegenstand einer Verwaltungsentscheidung sein, die unter den Vorausset-zungen des § 745 Abs. 1 BGB mehrheitlich getroffen werden kann. b) Ist eine mehrheitlich beschlossene Kündigung der Miteigentümergemeinschaft im Außenverhältnis zum Mieter unwirksam, steht dies ihrer Beurteilung als Maßnah-me ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinn von § 745 Abs. 1 BGB jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Rechtslage bei der [X.]ussfassung auch nach [X.] anwaltlichen Rates nicht zuverlässig einzuschätzen war. [X.], [X.]uss vom 26. April 2010 - [X.]/09 - [X.]

LG Kiel

- 2 - Der II. Zivilsenat des [X.] hat am 26. April 2010 durch [X.] und [X.] Strohn, [X.], [X.] und [X.] einstimmig beschlossen: 1. Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass der [X.]at beab-sichtigt, die Revision gemäß § 552 a ZPO durch [X.]uss zurückzuweisen. 2. Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 20.000,00 • festgesetzt. Gründe: Das Berufungsgericht hat die Revision zu Unrecht zugelassen. Die [X.] für eine Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. 1 1. Zulassungsgründe liegen nicht vor. 2 a) Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung und allgemeiner Auf-fassung in der Literatur, dass die Kündigung eines Mietverhältnisses über ein gemeinschaftliches Grundstück Gegenstand einer Verwaltungsentscheidung sein kann, die unter den Voraussetzungen des § 745 Abs. 1 BGB mehrheitlich getroffen werden kann (vgl. [X.], [X.]. v. 30. Januar 1951 - [X.], [X.] zu § 2038 BGB; Urt. v. 11. November 2009 - [X.], [X.], 429, 431 [X.]. 20, 26; v. 28. April 2006 - [X.] 10/05, [X.], 150, 151 3 - 3 - [X.]. 18, jeweils zur Miterbengemeinschaft; [X.] NJW-RR 1998, 11; [X.]/[X.], [X.] Aufl. § 745 Rdn. 2, [X.]/[X.], 5. Aufl. §§ 744, 745 Rdn. 5, [X.]/[X.], BGB Neubearbeitung 2008 § 745 Rdn. 6; Soergel/[X.], [X.]. § 745 Rdn. 2; RGRK/v. [X.], [X.]. § 745 Rdn. 7). Die von der Revision herangezogene Entschei-dung ([X.], Urt. v. 28. April 2006 - [X.] 10/05 aaO) gibt zu einer abweichen-den Beurteilung keinen Anlass. Dass der [X.] in diesem Urteil - in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung ([X.], [X.]. v. 30. Januar 1951 - [X.], [X.] zu § 2038 BGB) - die Kündigung ei-nes Pachtverhältnisses als Verfügung im Sinne von § 2040 Abs. 1 BGB qualifi-ziert hat, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn es ent-spricht höchstrichterlicher Rechtsprechung ([X.] 101, 25, 26 f.; 140, 63, 68; [X.] 164, 181, 184 f. zur Miterbengemeinschaft) und allgemeiner Meinung (RGRK/v. [X.] aaO § 746 Rdn. 7; [X.]/[X.] aaO §§ 744, 745 Rdn. 4; [X.]/[X.] aaO § 744 Rdn. 9; [X.] in [X.] 5. Aufl. § 745 Rdn. 3; [X.], Die [X.] nach Bruchteilen [§§ 741-758 BGB], zugl. Habilitationsschrift [2004], S. 218 f.; [X.], [X.], 152), dass [X.] zu den Verwaltungsmaßnahmen im Sinne von §§ 745 Abs. 1 BGB zählen können. Davon abgesehen war Ge-genstand der genannten Entscheidung die - dort offen gelassene und zwi-schenzeitlich vom [X.] Zivilsenat ([X.], Urt. v. 11. November 2009 - [X.], [X.], 429, 431 [X.]. 26 ff.) entschiedene - Frage, ob die Kündigung eines Pachtvertrags über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück im Außenverhältnis von allen Miterben gemeinschaftlich erklärt werden muss oder ob ein von den Miterben ([X.]ern) mehrheitlich gefasster Kündi-gungsbeschluss die Mehrheit auch berechtigt, diesen für die [X.] im Außenverhältnis umzusetzen. Darum geht es hier jedoch nicht. Vielmehr ist im vorliegenden Fall die - das Innenverhältnis der [X.] betreffende - - 4 - Frage zu entscheiden, ob die mehrheitlich gefassten [X.]üsse, die [X.] zu kündigen und von den Mieterinnen Räumung des Mietobjekts zu verlangen, Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung betrafen und wirksam waren. b) Die Frage, ob eine etwaige Unwirksamkeit der Kündigungen im [X.] zu den Mieterinnen dazu führt, dass die Kündigungen keine Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung darstellen, ist ebenfalls nicht [X.] klärungsfähig. Wann eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung vor-liegt und in welchen Grenzen Mehrheitsentscheidungen gemäß § 745 Abs. 1 BGB überprüfbar sind, ist abstrakt geklärt. Ob diese Voraussetzungen vorlie-gen, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab und ist einer abstrakt-generellen Klärung nicht zugänglich. 4 c) Da sich die Revision ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungs-gerichts wendet, die Kündigungen entsprächen ordnungsgemäßer Verwaltung, ohne dass es darauf ankomme, ob sie gegenüber den Mieterinnen wirksam seien (vgl. unten II. 2 c), scheiden etwaige Zulassungsgründe in diesem Zu-sammenhang mangels Entscheidungserheblichkeit von vornherein aus. [X.] Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. 6 1. Die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der mit Mehrheit der Bruchteilseigentümer gefassten [X.]üsse ist gem. § 256 ZPO zulässig. Zwar ist die Geltendmachung der Unwirksamkeit von [X.]üssen im Recht der [X.] nicht geregelt. Nach allgemeiner Auffassung kann aber auf Feststel-lung der Unwirksamkeit geklagt werden (vgl. [X.], [X.].Urt. v. 14. November 1994 - [X.], [X.], 649, 651 a.E.; BayObLG, NJW-RR 1995, 588, 589; [X.]/[X.] aaO § 745 Rdn. 1; [X.]/[X.] aaO § 745 Rdn. 48; [X.]/[X.] aaO §§ 744, 745 Rdn. 33). 7 - 5 - 8 2. Das Berufungsgericht ([X.] 2010, 103) hat zu Recht angenommen, dass die Entscheidung, die Mietverträge zu kündigen, eine Maßnahme ord-nungsgemäßer Benutzung und Verwaltung gem. § 745 Abs. 1 BGB darstellt, die mehrheitlich beschlossen werden konnte. a) Ein Mehrheitsbeschluss, die Mietverhältnisse zu kündigen, war nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Abschluss der Mietverträge auf einer einstimmig beschlossenen Benutzungsregelung beruhte (vgl. dazu [X.]/[X.] aaO §§ 744, 745 Rdn. 17; [X.]/[X.] aaO § 744 Rdn. 15 m.w.Nachw.; RGRK/v. [X.] aaO §§ 745, 746 Rdn. 4). Eine einstimmige Benutzungsregelung ergibt sich weder aus dem "[X.]" von 1968, mit dem den Beklagten Bruchteilseigentum übertragen und der Mut-ter der Nießbrauch eingeräumt worden ist, noch aus den mehr als zwanzig [X.] später von der Mutter der Parteien als Nießbraucherin ohne Beteiligung der Beklagten geschlossenen Mietverträgen. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, lässt sich dem [X.] keine Verpflichtung der [X.] entnehmen, den Café- und Konditoreibetrieb dauerhaft an dem Stand-ort in der H.
straße zu erhalten. 9 b) § 745 Abs. 3 BGB steht einer Mehrheitsentscheidung, die [X.] zu kündigen, ebenfalls nicht entgegen. 10 Die Kündigung der Mietverhältnisse führt nicht zu einer - der [X.] [X.]ussfassung vorbehaltenen - wesentlichen Veränderung des gemein-schaftlichen Grundstücks gemäß § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB. Durch die [X.] wird weder die Gestalt noch die Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Gegenstandes erheblich verändert ([X.], [X.].Urt. v. 14. November 1994 aaO [X.], 649, 650). Denn es bleibt den [X.]ern unbenommen, die betreffenden Räume wieder so zu vermieten, dass das Grundstück nicht wesentlich verändert wird. 11 - 6 - 12 Ebenso wenig wird durch die Kündigungen die Stellung des [X.] als Bruchteilseigentümer beeinträchtigt, § 745 Abs. 3 Satz 2 BGB. Das Gegenteil ist der Fall. Erzielt nach Beendigung der bestehenden Mietverhältnisse die [X.] durch eine Neuvermietung der Räume zu dann [X.] Bedingungen höhere Mieterträge, ist auch der Anteil des [X.] an den Nutzungen höher. Dass der Kläger wegen seiner gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an den Mieterinnen ein Interesse daran haben kann, die Mieten möglichst gering zu halten, berührt seine Stellung als Miteigentümer nicht. c) Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Auffassung des [X.], dass die [X.]üsse, die Mietverhältnisse zu kündigen, auch dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen haben, wenn die Kündigun-gen im Außenverhältnis zu den Mieterinnen unwirksam gewesen sein sollten. 13 Ordnungsgemäßer Verwaltung i.S.d. § 745 Abs. 1 BGB entsprechen nicht nur notwendige Maßregeln nach § 744 Abs. 2 BGB, sondern alle [X.], die nach den individuellen Gegebenheiten im Zeitpunkt der [X.]uss-fassung vernünftig erscheinen. Eine allgemeine Zweckmäßigkeits- oder [X.], bei der die Minderheit oder das Gericht die Auffassung der Mehrheit ersetzen könnte, findet nicht statt (vgl. [X.]/[X.] aaO §§ 744, 745 Rdn. 22; [X.]/[X.] aaO § 745 Rdn. 5; RGRK/v. [X.] aaO § 746 Rdn. 5; Soergel/[X.] aaO § 745 Rdn. 8). 14 Jedoch dürfen die berechtigten Interessen der Minderheit nicht übergan-gen werden (vgl. [X.]/[X.] aaO § 745 Rdn. 5). Nach diesen Maß-stäben handelte es sich bei den beschlossenen Kündigungen um Maßnahmen nach § 745 Abs. 1 BGB. Die Kündigung der bestehenden Mietverhältnisse war wirtschaftlich vernünftig, weil der [X.] hierdurch die Möglichkeit eröff-net wurde, die Räume anderweitig zu vermieten und künftig für die Bruchteils-gemeinschaft marktgerechte Mieterträge zu erzielen. 15 - 7 - 16 Ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Kündigung der [X.] vorlagen, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Denn die Vertragswidrigkeit mehrheitlich beschlossener Maßnahmen im [X.] steht ihrer Beurteilung als Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwal-tung im Sinn von § 745 Abs. 1 BGB jedenfalls dann nicht entgegen, wenn zum Zeitpunkt der [X.]ussfassung die Rechtslage auch nach Einholung von Rechtsrat nicht zuverlässig einzuschätzen war. Könnten vernünftige Maßnah-men nur dann mehrheitlich beschlossen werden, wenn ihre Umsetzung recht-lich unzweifelhaft ist, liefe dies auf eine - die Entscheidungsbefugnisse der Mehrheit weitgehend einschränkende - unzulässige Zweckmäßigkeitskontrolle hinaus. Dass eine etwaige Unwirksamkeit der Kündigungen für die Beklagten bei der [X.]ussfassung nicht ohne weiteres erkennbar war, ist schon daraus er-sichtlich, dass mehrere Gerichte diese Frage unterschiedlich beurteilt haben. 17 Anders als die Revision meint, waren die Beklagten nicht gehalten, vorab - verbindlich - klären zu lassen, ob die Eigentümergemeinschaft gegenüber den Mieterinnen zur Kündigung berechtigt war. Eine derartige Verpflichtung scheidet schon deshalb aus, weil die hier allein in Betracht kommende Kündigungsmög-lichkeit gemäß § 1056 Abs. 2 BGB nach der Aufforderung der Mieterinnen, in-nerhalb der gesetzten Frist von etwa zwei Wochen zu erklären, ob von dem in dieser Vorschrift geregelten Kündigungsrecht Gebrauch gemacht werde, zeitlich beschränkt war (§ 1056 Abs. 3 BGB), und eine vorherige gerichtliche Entschei-dung der Frage, ob die Kündigungen zulässig waren, somit nicht abgewartet werden konnte. 18 d) Nach den dargelegten Grundsätzen begegnen auch die mehrheitlich gefassten [X.]üsse zur Durchsetzung der Räumung gegen die Mieterinnen keinen Bedenken. Um das Grundstück neu zu vermieten, muss es geräumt 19 - 8 - werden. Da die Klage, mit denen sich die Mieterinnen gegen die Kündigungen zur Wehr gesetzt hatten, in erster Instanz abgewiesen worden und hierdurch die Rechtsauffassung der Beklagten bestätigt worden war, durften die [X.] bei der [X.]ussfassung über diese Maßnahmen ohne weitere Prüfung von der Rechtswirksamkeit der Kündigungen ausgehen. [X.]Strohn

Reichart [X.]

[X.] Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom 28. Juni 2010 erledigt worden. Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 25.07.2008 - 13 O 221/05 - [X.], Entscheidung vom 29.05.2009 - 4 U 100/08 -

Meta

II ZR 159/09

26.04.2010

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2010, Az. II ZR 159/09 (REWIS RS 2010, 7261)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7261

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