Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2019, Az. I ZB 54/19

I. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 1580

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[X.]:[X.]:[X.]:2019:141119BIZB54.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 54/19
vom
14. November 2019
in dem Verfahren
auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs

-
2
-
Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 14. November 2019
durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Koch, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Löffler, Feddersen
und die Richterin Dr.
Schmaltz
beschlossen:

Der Antrag der Antragsgegnerin, die Zwangsvollstreckung der Antrag-stellerin
aus dem Beschluss des [X.] -
26. Zivilsenat -
vom 4.
Juni 2019 bis zur Entscheidung des Senats über die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin
gegen Sicherheitsleis-tung einzustellen, wird abgelehnt.

Gründe:
[X.] Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs, durch den die Antragsgegnerin zum Ausgleich von offenen Forde-rungen aus Warenlieferungen sowie zur Zahlung einer Vertragsstrafe an die Antrag-stellerin verpflichtet wurde. Die Antragsgegnerin hat im Schiedsverfahren vor dem [X.] bei der Industrie-
und Handelskammer der [X.] im Wege der Widerklage und der Aufrechnung [X.] wegen Mängeln
der gelieferten Produkte und einer Verletzung des Alleinver-triebsrechts geltend gemacht. Das Schiedsgericht hat die Bearbeitung der [X.] eingestellt, nachdem eine nach der Schiedsordnung zu leistende Schiedsge-richtsgebühr nicht eingezahlt worden war.
Die vom Schiedsgericht angewendeten Regeln des Schiedsverfahrens der
in-ternationalen Handelsstreitigkeiten ([X.], Appendix
No. [X.]. 6 of the Chamber of Commerce and Industry of the Russian
Federation; vgl. Seite 23 des Schiedsspruchs) sehen in
§
7 Abs.
4 1
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vor, dass sowohl für die Widerklage ("[X.]") als auch für die Aufrechnung ("set-off") die Vorschriften eingehalten werden müssen, die für den [X.] ("principal claim") gelten. Nach §
8 Abs.
2 Satz
2 der Regeln des Schiedsverfahrens wird ein Verfahren nicht bearbeitet, bis der Kostenvorschuss in Bezug auf die Schiedsgebühren gezahlt worden ist. In §
7 der [X.] ([X.], [X.]. 6 to Order No. 6 of the Chamber of Commerce and Industry of the Russian
Federation) ist ferner festgelegt, dass Widerklage und
Aufrechnung denselben Gebührenregelungen unterliegen wie die Klage.
Das [X.] hat dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung stattgege-ben und diesen Beschluss für vorläufig vollstreckbar erklärt. Dagegen hat die An-tragsgegnerin Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie hat ferner beantragt, die Zwangs-vollstreckung aus dem Beschluss gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen.
I[X.] Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Wird gegen die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs die Rechtsbe-schwerde erhoben, so kann das Rechtsbeschwerdegericht nach § 1065 Abs. 2 Satz 2 ZPO in entsprechender Anwendung von § 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf Antrag an-ordnen, dass die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstwei-len eingestellt wird oder nur gegen Sicherheitsleistung stattfindet.
2. Bei der Entscheidung über den [X.] sind die widerstreitenden Interessen von Schuldner und Gläubiger gegeneinander abzuwägen und dabei die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs summarisch zu prüfen. Nur wenn der Angriff gegen den Titel Aussicht auf Erfolg hat, kann dem Gläubiger zugemutet werden, mit der Vollstreckung zuzuwarten. Diese Prüfung setzt voraus, dass der Antragsteller die Gründe vorgebracht hat, die seiner Ansicht nach die Abänderung oder Aufhebung des Titels rechtfertigen. Bei der Interessenabwägung räumt das gesetzliche Leitbild grundsätzlich dem [X.] des Gläubigers den Vorrang ein; soll demgegenüber das Schutzinteresse des Schuldners überwiegen, bedarf es hierfür 3
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besonderer Gründe (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
Mai 2019 -
I [X.], juris Rn. 5
mwN).
3. Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist danach abzulehnen. Aus der Begründung der Rechtsbeschwerde ergibt sich keine Erfolgs-aussicht für die
Rechtsbeschwerde
der Antragsgegnerin. Diese ist zwar von [X.] wegen statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO). Gegen die in §
1062 Abs.
1 Nr.
4 Fall
2 ZPO genannte Entscheidung des [X.]s
über einen Antrag betreffend die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs (§
1061 ZPO) findet gemäß §
1025 Abs.
4 in Verbindung mit §
1065 Abs.
1 Satz
1 ZPO die Rechtsbeschwerde statt. Die Antragsgegnerin hat aber nicht dargelegt, dass die Rechtsbeschwerde zulässig ist, weil die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
574 Abs.
2 Nr.
1 ZPO) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Senatsentscheidung erfordert (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO).
Die Antragsgegnerin macht vergeblich geltend, die Sicherung einer einheitli-chen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des [X.], weil das [X.] ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) verletzt habe.
a) Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt voraus, dass im Einzelfall be-sondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen von
Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht in Erwägung gezogen worden ist. Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf [X.] des [X.] zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtbe-rücksichtigung des Vortrags schließen, sofern dieser nicht nach dem Rechtsstand-punkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. [X.], [X.] vom 22. November 2017 -
I [X.]/17, [X.] 2018, 192 Rn. 5 mwN).

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5
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b) Die Antragsgegnerin macht geltend, das Schiedsgericht habe die
im Schiedsverfahren neben der Widerklage schriftsätzlich erklärte
Aufrechnung mit [X.] übergangen. Das [X.] habe eine
Gehörsverletzung durch das Schiedsgericht verneint
und
diese
damit perpetuiert. Soweit es die [X.] vertreten habe, die Antragsgegnerin habe es versäumt, dem Schiedsgericht gegenüber deutlich zu machen, dass sie die im Rahmen der Widerklage geltend ge-machten Ansprüche trotz Nichtzahlung der angeforderten [X.]en außerhalb des [X.] der Widerklage innerhalb eines nach [X.] Recht eröffneten Aufrechnungsrechts geltend machen wolle, übersehe es, dass die Antragsgegnerin ohne entsprechende Nachfrage des Schiedsgerichts nicht gehalten gewesen sei, die aus ihrer Sicht eindeutigen schriftsätzlichen Aufrechnungserklärun-gen näher zu erläutern.

c) Damit hat die Antragsgegnerin keinen Erfolg. Das [X.] hat die Rüge einer Verletzung rechtlichen Gehörs mit Recht zurückgewiesen. Eine
Gehörs-verletzung durch das Schiedsgericht liegt nicht vor.
aa) Das
Schiedsgericht hat den Vortrag der Antragsgegnerin zu den von ihr geltend gemachten Gegenforderungen einschließlich der Aufrechnung
im Schieds-spruch wiedergegeben
und sich mit dem Vorbringen der Antragsgegnerin zu den Gegenforderungen befasst
(Seiten 8, 9, 15 und 31 des Schiedsspruchs). Aus verfah-rensrechtlichen Gründen hat es das Vorbringen jedoch unberücksichtigt
gelassen, weil die Antragsgegnerin die [X.] für die Widerklage nicht bezahlt
hatte
(Seite
36 des Schiedsspruchs).
Dass das Schiedsgericht in diesem [X.] die Aufrechnung nicht gesondert erwähnt hat, begründet keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
[X.]) Das verfahrensrechtliche Hindernis betraf auch die zur Aufrechnung ge-stellten Gegenforderungen, für die ebenfalls eine [X.] hätte [X.] werden müssen. Nach §
7 Abs.
4 der anwendbaren Regeln des Schiedsverfah-9
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rens der internationalen Handelsstreitigkeiten müssen sowohl für die Widerklage als auch für die Aufrechnung die für den [X.] geltenden Vorschriften einge-halten werden. Damit ist auch die Vorschrift des §
8 Abs.
2 Satz
2 der Regeln des Schiedsverfahrens anwendbar, nach der ein Verfahren nicht bearbeitet
wird, bis der Kostenvorschuss für
die Schiedsgebühren gezahlt worden ist.
Die Widerklage und die Aufrechnung unterliegen gemäß §
7 der [X.] denselben Gebührenregelungen
wie die Klage.
[X.]) Danach musste die Antragsgegnerin unabhängig davon eine Schiedsge-richtsgebühr einzahlen, ob sie die Gegenforderungen zum Gegenstand einer Wider-klage
machen wollte
oder mit diesen Forderungen
im Schiedsverfahren aufrechnen wollte. Da
sie die vom Schiedsgericht angeforderte [X.] nicht [X.] hat, war dem Schiedsgericht gemäß §
8 Abs.
2 Satz
2 der Regeln des Schieds-verfahrens eine weitere Behandlung der Gegenforderungen aus verfahrensrechtli-chen Gründen verwehrt.
dd) Eines (weiteren) Hinweises durch das Schiedsgericht bedurfte es insoweit nicht. Die Antragsgegnerin hat vor dem [X.] vorgetragen, sie sei vom Schiedsgericht aufgefordert worden, für eine Gegenklage über 300.000

25.000

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(Seite
4 des Schriftsatzes vom 28.
Februar 2019). Soweit sie danach eine "[X.]" über 1.000.000

Gegenforderungen enthalten. Daraus war für die Antragsgegnerin ersichtlich, dass eine Aufrechnung ebenfalls eine [X.] auslöst.
Koch
Schaffert
Löffler

Feddersen
Schmaltz
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 04.06.2019 -
26 Sch 1/19 -

Meta

I ZB 54/19

14.11.2019

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2019, Az. I ZB 54/19 (REWIS RS 2019, 1580)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1580

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