Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.06.2010, Az. VIII R 14/09

8. Senat | REWIS RS 2010, 5888

ÖFFENTLICHES RECHT

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Gegenstand

Berufsbetreuer und Verfahrenspfleger: keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit


Leitsatz

Eine Volljuristin ohne anwaltliche Zulassung, die als Berufsbetreuerin und Verfahrenspflegerin tätig ist, erzielt Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Änderung der Rechtsprechung)      .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Volljuristin und war im Streitjahr als berufsmäßige Betreuerin und Verfahrenspflegerin tätig. In ihrer Einkommensteuererklärung 2000 deklarierte sie die von ihr erzielten Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) beurteilte die von der Klägerin erzielten Einkünfte indes als solche aus Gewerbebetrieb und setzte für das Streitjahr einen entsprechenden Gewerbesteuermessbetrag fest. Den gegen den [X.] eingelegten Einspruch der Klägerin wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 28. März 2003 als unbegründet zurück. Nachdem das [X.] den [X.] bereits im August 2002 geändert hatte, korrigierte es den Gewerbesteuermessbescheid nochmals am 3. Juli 2007.

2

Mit der dagegen erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, sie erziele als Berufsbetreuerin und Verfahrenspflegerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Sie übe einen einem Katalogberuf gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnlichen Beruf aus; dieser entspreche in den typischen wesentlichen Merkmalen demjenigen eines Rechtsanwalts. Als Volljuristin würden ihr speziell Betreuungen übertragen, die einen starken juristischen Bezug hätten; bei ihrer Tätigkeit als Verfahrenspflegerin sei zu beachten, dass sie diese ohne detaillierte Kenntnisse des Unterbringungsrechts und des Sorgerechts nicht ausüben könnte. Sie vertrete die Betreuten gegenüber Dienstleistern und Behörden, führe vor Gericht Rechtsstreitigkeiten für sie durch, entwerfe Verträge und sei als Vertreterin von Betreuten an Erbauseinandersetzungen beteiligt. Als Verfahrenspflegerin vertrete sie die Betroffenen wie ein Rechtsanwalt nach § 50 Abs. 3 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ([X.]); sie übe daher mindestens eine sonstige selbständige Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus. Sie habe zudem im Streitjahr mindestens 3/4 ihrer Einkünfte mit Betreuungen erzielt, die überwiegend in der Vermögensverwaltung bestünden.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 21. August 2007  6 K 2787/03 G ab. Es entschied, die Klägerin habe als berufsmäßige Betreuerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 2 des [X.] ([X.]) erzielt. Weder ihre Tätigkeit als Berufsbetreuerin noch als Verfahrenspflegerin erfüllte die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 EStG.

4

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Ihre Tätigkeit sei eine freiberufliche i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, zumindest aber als sonstige selbständige Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu bewerten.

5

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des [X.] vom 21. August 2007  6 K 2787/03 G und den [X.] in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 28. März 2003 sowie den Änderungsbescheid vom 3. Juli 2007 aufzuheben.

6

Das [X.] beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

7

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

8

II. Die [X.]ision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). [X.] sind ferner der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung sowie der letztmalige Änderungsbescheid vom 3. Juli 2007.

9

Zu Unrecht hat das [X.] die Tätigkeit der Klägerin als Berufsbetreuerin und Verfahrenspflegerin als gewerblich i.S. des § 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG beurteilt. Vielmehr hat die Klägerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt.

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG unterliegen der Gewerbesteuer nur (inländische) gewerbliche Unternehmen i.S. des EStG; nicht gewerblich sind danach Unternehmen, deren Betätigung als Ausübung eines freien Berufs oder als eine selbständige Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG) anzusehen ist.

2. Entgegen der Auffassung des [X.] gehört die hier zu beurteilende Tätigkeit der Klägerin als berufsmäßige Betreuerin und Verfahrenspflegerin zu den Tätigkeiten, die den Einkünften aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG zuzurechnen sind.

a) Berufsbetreuer übernehmen rechtliche Betreuungen (§§ 1896 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--), ohne dass dafür eine bestimmte Ausbildung oder ein Studium erforderlich ist. Deshalb nehmen nicht nur Juristen oder Steuerberater (vgl. [X.] --BGH--, Beschluss vom 21. Oktober 2009 [X.], Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 2010, 199; [X.], [X.], 1322), sondern auch andere Berufsgruppen (wie [X.], Alten- und Krankenpfleger sowie Erzieher, aber auch [X.] und Kaufleute) diese Aufgabe wahr. Berufsbetreuer werden durch die Vormundschaftsgerichte (heute: [X.]) als Betreuer (§ 1836 Abs. 1 BGB, § 1897 Abs. 6 BGB) bestellt; im Bestellungsbeschluss wird die Betreuung als beruflich geführt bezeichnet.

Gegenstand des Berufsbilds der Berufsbetreuer ist die Unterstützung und Beratung volljähriger Menschen, die in ihrer Entscheidungs- oder Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind und deshalb nicht selbst für ihre Angelegenheiten sorgen können. Die Betreuer unterstützen die Betroffenen rechtlich oder handeln "stellvertretend für sie, zum Beispiel durch Regelung der Finanzen, Vertretung gegenüber Behörden, Organisation von pflegerischen Diensten oder Einwilligung in ärztliche Behandlungen" (vgl. [X.]). Dabei gehört zur Betreuung insbesondere auch die Vertretung in Vermögensangelegenheiten (vgl. [X.] vom 9. Januar 2008 [X.], [X.], 680; vom 30. April 2008 [X.], Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2008, 2333; BGH-Beschluss in [X.], 199; [X.], [X.], 1027; Wilde, [X.] 2010, 123).

b) Ob diese danach schon zu einem eigenen Berufsbild verdichtete Tätigkeit als "Berufsbetreuer" den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzuordnen ist, ist streitig.

aa) Der in der Vergangenheit für die Besteuerung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit zuständig gewesene IV. Senat des [X.] ([X.]) hat die Berufsbetreuertätigkeit mit Urteil vom 4. November 2004 [X.] ([X.]E 208, 280, [X.] 2005, 288 mit [X.]. [X.], NJW 2005, 1257) unter Bezugnahme auf die [X.]-Urteile vom 2. September 1988 [X.]/85, [X.]E 154, 332, [X.] 1989, 24; vom 28. August 2003 IV R 1/03, [X.]E 203, 438, [X.] 2004, 112) als gewerbliche und nicht als sonstige selbständige Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG angesehen, weil diese Vorschrift nur vermögensverwaltende Tätigkeiten erfasse. Diese Voraussetzung erfülle die Tätigkeit eines berufsmäßigen Betreuers nicht, da sie nicht nur Vermögensfragen, sondern auch persönliche Angelegenheiten (z.B. Gesundheitsangelegenheiten, Wohnungsfragen, Bestimmung des Aufenthalts oder des Umgangs; vgl. etwa [X.]/[X.], 5. Aufl., § 1896 [X.] 62 ff.) umfasse.

Diese Auffassung wird auch in einer Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen (vgl. [X.] Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25. August 1999  1 K 472/98, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 1999, 1080; [X.] Köln, Urteil vom 16. Oktober 2003  7 K 1576/02, E[X.] 2004, 119; [X.] Düsseldorf, Urteil vom 23. September 2003  9 K 7943/00 F, [X.], E[X.] 2004, 36; [X.] Münster, Urteil vom 12. Mai 2004  1 K 842/03 G, E[X.] 2004, 1459; vom 17. Juni 2008 1 K 5087/06 G, E[X.] 2008, 1729 als Vorinstanz dieses Verfahrens; [X.] Hamburg, Urteil vom 17. November 2008  6 [X.], E[X.] 2009, 412; [X.] Münster, Urteil vom 21. August 2007  6 K 2787/03 G, juris, [X.]. VIII R 14/09) und von der Finanzverwaltung vertreten (vgl. Verfügungen der [X.] --OFD-- [X.] vom 30. Januar 2006 -S 2248 A, juris; vom 15. Dezember 2006 -S 2240 [X.], Der Betrieb 2007, 255; Verfügung der [X.] vom 11. Februar 2005 -S 2248-8-St 213, juris) sowie im Schrifttum geteilt (vgl. [X.], [X.], 1501; [X.], [X.] Praxis 1999, 133; [X.], NJW 2008, 121).

bb) Davon abweichend hat das [X.] Thüringen mit Urteil vom 27. September 2000 IV 1485/98 ([X.]Entscheidungsdienst --[X.]-- 2001, 965, rechtskräftig) unter Hinweis darauf, dass für die Zuordnung zum Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG eine Gruppenähnlichkeit zu den Tätigkeiten des Testamentsvollstreckers, Vermögensverwalters und [X.] genüge, auch für die Tätigkeit der Berufsbetreuer eine Anwendbarkeit der Nr. 3 bejaht, weil sie ebenso wie diese drei Regelbeispiele deren gemeinsames Leitbild der [X.], der Tätigkeit in einem fremden [X.] und der weitestgehenden selbständigen Ausübung aufweise.

c) Verfahrenspfleger wurden im Streitjahr nach den Vorschriften des [X.]G bestellt. Heute gilt insoweit das Gesetz über die Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 --Fam[X.]-- ([X.], 2587). Verfahrenspfleger werden von den Gerichten bestellt in [X.] (§ 276 Fam[X.]), [X.] (§ 317 Fam[X.]) und Freiheitsentziehungssachen (§ 419 Fam[X.]). In Betracht kommt eine Bestellung ferner in [X.] (§ 50 [X.]G, nunmehr Verfahrensbeistand i.S. des § 158 Fam[X.]) und in [X.] (§ 56f [X.]G, nunmehr Verfahrensbeistand gemäß § 191 Fam[X.]). Verfahrenspfleger kann grundsätzlich jede volljährige natürliche Person, aber auch die Betreuungsbehörde oder ein Betreuungsverein oder deren Mitarbeiter sein (Rausch in [X.]/Weinreich, Fam[X.] Kommentar, § 276 [X.] 10). Bestimmte persönliche oder fachliche Qualifikationen für die Person des Verfahrenspflegers hat der Gesetzgeber nicht festgelegt. Bei gravierenden Eingriffen wird entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalls, sofern nicht eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt geboten ist, eine erforderliche Sachkunde des zu bestellenden Verfahrenspflegers verlangt (vgl. [X.] in [X.]/Weinreich, a.a.[X.], § 419 [X.] 7 f.; Rausch in [X.]/Weinreich, a.a.[X.], § 276 [X.] 10).

In [X.] ist der Verfahrenspfleger als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen mit allen Rechten und Pflichten eines Beteiligten ausgestattet (vgl. Rausch in [X.]/ Weinreich, a.a.[X.], § 274 [X.] 10); im Unterbringungsverfahren wie im Freiheitsentziehungsverfahren hat der Verfahrenspfleger ebenfalls die Rechtsstellung eines Beteiligten (vgl. [X.] in [X.]/Weinreich, a.a.[X.], § 317 [X.] 10, § 419 [X.] 10); das gilt gleichermaßen im Adoptionsverfahren (Sieghörtner in [X.]/Weinreich, a.a.[X.], § 191 [X.] 10).

Ob die Tätigkeit als Verfahrenspfleger zu Einkünften aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG führt, ist höchstrichterlich bislang nicht entschieden. Bei der Bewertung dieser Tätigkeit ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Verfahrenspfleger ähnlich wie ein Betreuer die (objektiven) Interessen des Betroffenen wahrzunehmen und diese im jeweiligen Verfahren zu wahren hat. Im Betreuungsverfahren z.B. kann es um die Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen oder die Erweiterung des [X.] hierauf gehen (vgl. § 276 Abs. 1 Nr. 2 Fam[X.]) einschließlich der mit der Betreuung im Zusammenhang stehenden weiteren Verfahren, wie z.B. der Kostenentscheidungen und des [X.] gegen den Betroffenen (vgl. Rausch in [X.]/Weinreich, a.a.[X.], § 276 [X.] 2). [X.] hingegen betreffen die zivilrechtliche Unterbringung Volljähriger gemäß § 1906 BGB, die Genehmigung freiheitsentziehender Maßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB bzw. die Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Volljährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker (§ 312 Fam[X.]). Im Freiheitsentziehungsverfahren nach § 415 Fam[X.], einem Verfahren, aufgrund dessen einer Person gegen ihren Willen oder im Zustand der [X.] die Freiheit entzogen wird, hat der Verfahrenspfleger als Beteiligter in vollem Umfang die Belange des Betroffenen zu gewährleisten und diesen fachkundig zu beraten und zu vertreten. Auch wenn es im Unterbringungsverfahren wie im Verfahren der Freiheitsentziehung vornehmlich um Eingriffe in höchstpersönliche Angelegenheiten des Betroffenen, seine persönliche Freiheit, geht, hat das zwangsläufig Konsequenzen auch für dessen vermögensrechtliche Position. Insgesamt umfasst die Interessenwahrnehmung für den Betroffenen damit rechtliches wie tatsächliches Handeln einschließlich der Wahrnehmung von Vermögensangelegenheiten; es handelt sich um eine selbständige [X.]e Tätigkeit in einem fremden [X.].

d) Der erkennende Senat, auf den die alleinige Zuständigkeit für die Besteuerung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit übergegangen ist, geht unter Aufgabe der bisherigen [X.]-Rechtsprechung (im Urteil des [X.] des [X.] in [X.]E 208, 280, [X.] 2005, 288) davon aus, dass die Einnahmen eines Berufsbetreuers ihrer Art nach nicht den Einkünften aus Gewerbebetrieb, sondern den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzuordnen sind. Das gilt gleichermaßen für den berufsmäßigen Verfahrenspfleger, der Kraft seiner speziellen Kenntnisse --wie hier die [X.] insbesondere für Verfahren bestellt wird, die besondere Sachkunde erfordern.

Die Einnahmen aus [X.] sind ebenso wie diejenigen, welche die Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Verfahrenspflegerin erzielt hat, den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnen.

Danach gehören zu den freiberuflichen Einkünften auch

"Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied".

aa) Die Vorschrift enthält keinen abschließenden Katalog in Betracht kommender "Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit", sondern lediglich die Auflistung der Regelbeispiele "[X.]", "Vermögensverwaltung", "Aufsichtsratstätigkeit" (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 18 EStG [X.] 251). Weitere Tätigkeiten fallen danach in den Anwendungsbereich der Regelung, wenn sie ihrer Art nach den Regelbeispielen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ähnlich sind (Grundsatz der sog. Gruppenähnlichkeit; vgl. [X.]-Urteil vom 28. Juni 2001 IV R 10/00, [X.]E 196, 84, [X.] 2002, 338). Das ist z.B. der Fall, wenn die Tätigkeit die Betreuung fremder Vermögensinteressen umfasst, aber darüber hinaus auch dann, wenn es sich um eine selbständig ausgeübte [X.]e Tätigkeit in einem fremden [X.] handelt (so [X.] Thüringen, Urteil in [X.] 2001, 965).

bb) Auf dieser Grundlage ist die Tätigkeit eines Berufsbetreuers den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit zuzuordnen, weil sie ebenso wie die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG bezeichneten Regelbeispiele --berufsbildtypisch-- durch eine selbständige [X.]e Tätigkeit in einem fremden [X.] sowie durch Aufgaben der Vermögensverwaltung geprägt ist.

An der Auffassung des [X.] im Urteil in [X.]E 208, 280, [X.] 2005, 288, dass eine Zuordnung der Betreuung zur sonstigen selbständigen Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht in Betracht komme, weil die Betreuung durch den Umfang der Personensorge über die Vermögensverwaltung hinausreiche, hält der erkennende Senat nicht mehr fest. Die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele erschöpfen sich nicht in der bloßen Vermögensverwaltung, sondern umfassen zusätzliche Aufgaben, wie etwa Leistung von Rechtsbeistand durch den Testamentsvollstrecker ([X.]/[X.], [X.], 68. Aufl., § 2203 [X.] 1; vgl. auch § 2209 Satz 1 BGB) oder unternehmerische Kontrolle durch das Aufsichtsratsmitglied.

Hinzu kommt, dass bei einer umfassend angeordneten Betreuung eine Trennbarkeit der vermögensbetreuenden und sonstigen persönlichen Tätigkeiten in einer Vielzahl von Fällen kaum gegeben ist. So stellt die Entscheidung über eine mögliche Heilbehandlung zugleich --wegen der damit verbundenen Kosten für den [X.] stets auch eine vermögensrelevante Entscheidung dar. Im Hinblick darauf, dass vermögensrechtliche Aspekte in derartigen Fällen zumindest mittelbar mit berührt werden, steht der Zurechnung der Berufsbetreuertätigkeit zum Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nichts entgegen, selbst wenn im Einzelfall die Betreuung in Vermögens- und sonstige persönliche Angelegenheiten aufgeteilt worden ist.

cc) Nämliches gilt für die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit eines Verfahrenspflegers, der seine Tätigkeit ebenfalls [X.] und selbständig in einem fremden [X.] ausübt. Für Betreuungsverfahren hat der Senat vorstehend unter II.2.d bb bereits ausgeführt, dass eine Trennbarkeit zwischen vermögensbetreuenden und sonstigen persönlichen Tätigkeiten in einer Vielzahl von Fällen kaum möglich ist. Das gilt naturgemäß auch für den für solche Verfahren bestellten Pfleger. Z.B. bei [X.] nach § 312 Nr. 3 Fam[X.], d.h. bei freiheitsentziehenden Unterbringungen Volljähriger nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker, bei denen die Klägerin mehrfach als Pflegerin bestellt wurde, hat eine Entscheidung des Betreuungsgerichts für den Betroffenen nicht nur persönliche, sondern auch vermögensrechtliche Konsequenzen; vermögensrechtliche Aspekte werden in derartigen Fällen zumindest mittelbar mit berührt. Angesichts dieser Umstände unterfällt die Tätigkeit der Klägerin als Verfahrenspflegerin ebenfalls dem Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

3. Die Sache ist spruchreif. Die Klägerin hat nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) --im Umfang zwischen den Beteiligten unstreitige-- Betreuungstätigkeiten nach dem Betreuungsgesetz sowie Verfahrenspflegschaften in Unterbringungs- und Betreuungsverfahren wahrgenommen. Sie hat damit Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt.

Der Senat kann ohne Anfrage bei anderen Senaten entscheiden, da er zum einen die Zuordnung der Betreuungstätigkeit zur anwaltstypischen Berufstätigkeit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.] verneint hat (vgl. [X.]-Urteile vom 4. Dezember 1980 [X.], [X.]E 132, 136, [X.] 1981, 193, und vom 28. Februar 1991 [X.]/86, [X.]/NV 1991, 632) und zum anderen --soweit er von der Entscheidung des [X.] in [X.]E 208, 280, [X.] 2005, 288 zur fehlenden Freiberuflichkeit einer Betreuertätigkeit abweicht-- aufgrund geänderter Geschäftsverteilung ausschließlich für die Auslegung des § 18 EStG zuständig geworden ist.

Meta

VIII R 14/09

15.06.2010

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 21. August 2007, Az: 6 K 2787/03 G, Urteil

§ 18 Abs 1 Nr 3 EStG 1997, § 2 Abs 1 GewStG 1999, § 15 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.06.2010, Az. VIII R 14/09 (REWIS RS 2010, 5888)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5888

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