Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.01.2017, Az. IX R 10/16

9. Senat | REWIS RS 2017, 16396

STEUERRECHT STEUERN RICHTER BUNDESFINANZHOF (BFH) EHRENAMT SCHÖFFEN

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Gegenstand

Besteuerung von Entschädigungen für ehrenamtliche Richterinnen und Richter


Leitsatz

1. Eine Entschädigung für Verdienstausfall gemäß § 18 JVEG ist nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar, wenn sie als Ersatz für entgangene Einnahmen aus einer nichtselbständigen Tätigkeit gezahlt wird .

2. Die Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 16 JVEG ist nicht steuerbar .

3. Auf die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter findet die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 26a EStG dann keine Anwendung, wenn nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfreier Aufwendungsersatz gezahlt worden ist .

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des [X.]vom 10. Februar 2016 12 K 1205/14 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 6. März 2014 aufgehoben.

Die Einkommensteuer wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2010 des Beklagten vom 10. Juli 2012 auf den Betrag festgesetzt, der sich bei Berücksichtigung von Einkünften des [X.]aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von ... € ergibt.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger mit 80 % und der Beklagte mit 20 % zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Steuerbarkeit von Entschädigungen nach dem Justizvergütungs- und Justizentschädigungsgesetz (JVEG).

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger ist [X.]tätiger Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und erzielte im Streitjahr u.a. Einkünfte nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von ... €. Der Kläger war überdies im Streitjahr 2010 als [X.]am [X.]tätig. Er erhielt dafür Entschädigungen nach dem JVEG; ihm wurde eine Entschädigung in Höhe von 565 € für [X.]und in Höhe von 2.320 € für Verdienstausfall (insgesamt 2.885 €) gezahlt. Daneben erhielt der Kläger noch Fahrtkostenersatz nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 JVEG in Höhe von 239,40 € (Fahrtkosten) und 175 € (Parkgebühren) und Aufwandsersatz nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 6 JVEG in Höhe von 30 €.

3

Die Kläger erklärten in ihrer Einkommensteuererklärung 2010 die o.g. Entschädigungen nach dem [X.]in Höhe von 2.860 € als Arbeitslohn ohne Steuerabzug. Den Fahrtkostenersatz und den Ersatz sonstiger Aufwendungen wie Parkgebühren erklärten sie nicht. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfasste die Entschädigungen nach § 16 und § 18 JVEG im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 10. Juli 2012 als steuerpflichtige Einnahmen. Der dagegen von den Klägern eingelegte Einspruch blieb im Ergebnis ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 6. März 2014 behandelte das [X.]die Entschädigung für [X.](565 €) nach § 16 JVEG als sonstige selbständige Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und die Entschädigung für Verdienstausfall (2.320 €) nach § 18 JVEG als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Eine Änderung der Steuerfestsetzung erfolgte mangels steuerlicher Auswirkung in der Einspruchsentscheidung nicht.

4

Das Finanzgericht (FG) wies mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 994 veröffentlichten Entscheidung die Klage als unbegründet ab. Die dem Kläger zugeflossenen Leistungen nach dem [X.]gehörten zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Aus der abweichenden Einordnung ergebe sich keine steuerliche Auswirkung. Die Einnahmen seien nicht nach § 3 Nr. 12 EStG oder § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei.

5

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Die streitigen Einnahmen (Entschädigung für [X.]nach § 16 JVEG, Entschädigung für Verdienstausfall nach § 18 JVEG) flössen nicht im Rahmen einer Einkunftsart zu und seien daher nicht steuerbar. Das [X.]habe die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG verkannt und damit Bundesrecht verletzt. Die Tätigkeit als [X.]sei nicht zu dem Zweck ausgeübt worden, Einnahmen zu erzielen. Die Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht stehe hier im Vordergrund, so dass die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit nicht als Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit angesehen werden könne. Für die Annahme einer Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG fehle es daran, dass die Rechtsgrundlage für eine Einnahme weggefallen und an ihre Stelle eine neue Rechts- und Billigkeitsgrundlage für den Ersatzanspruch getreten sei.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.]Baden-Württemberg 12 K 1205/14 vom 10. Februar 2016 sowie die Einspruchsentscheidung vom 6. März 2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 10. Juli 2012 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des [X.]aus nichtselbständiger Arbeit um 2.860 € gemindert werden.

7

Das [X.]beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Entschädigungen nach dem [X.]gehörten regelmäßig zu den Einkünften aus sonstiger selbständiger Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Könne [X.]infolge der Heranziehung zum Richteramt seiner Beschäftigung aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG nicht nachgehen und erhalte er deswegen eine Entschädigung, handele es sich um eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Diese sei der Einkunftsart zuzuordnen, bei der der Verdienst- oder Einnahmeausfall eintrete. Eine Steuerbefreiung der Entschädigungen nach § 3 Nr. 12 Satz 1 oder 2 EStG oder nach § 3 Nr. 26a EStG komme nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur teilweisen Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das [X.]hat zu Unrecht entschieden, dass die nach § 16 und § 18 JVEG gezahlten Entschädigungen als Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) steuerlich zu erfassen sind (1.). Vielmehr handelt es sich bei der nach § 18 JVEG gezahlten Entschädigung für Verdienstausfall um eine steuerbare Einnahme nach § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (2.). Die Entschädigung für [X.]nach § 16 JVEG ist nicht steuerbar (3.). Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 12 Satz 1 und 2, § 3 Nr. 26 und § 3 Nr. 26a EStG kommen nicht in Betracht (4.). Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist teilweise stattzugeben. Sie ist im Übrigen abzuweisen, soweit die gezahlten Entschädigungen nach § 18 JVEG zu den steuerbaren und steuerpflichtigen Einkünften zählen (5.).

1. Die auf der Grundlage von § 16 und § 18 JVEG gezahlten Entschädigungen für [X.]und Verdienstausfall sind nicht als Einnahmen aus einer sonstigen selbständigen Arbeit [X.]des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG steuerbar.

a) Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG auch die Einkünfte aus sonstiger selbständiger Tätigkeit, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Die Vorschrift enthält keinen abschließenden Katalog in Betracht kommender "Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit", sondern lediglich die Auflistung der Regelbeispiele "Testamentsvollstreckervergütung", "Vermögensverwaltung", "Aufsichtsratstätigkeit" (vgl. Urteil des [X.]--BFH-- vom 15. Juni 2010 VIII R 10/09, BFHE 230, 47, [X.]2010, 906, unter II.2.c bb; [X.]in Herrmann/Heuer/[X.]--HHR--, § 18 EStG Rz 251 f.; Schmidt/Wacker, EStG, 35. Aufl., § 18 Rz 140; Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz 171; [X.]in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 18 Rz 97). Weitere Tätigkeiten fallen danach in den Anwendungsbereich der Regelung, wenn sie ihrer Art nach den Regelbeispielen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ähnlich sind (Grundsatz der sog. Gruppenähnlichkeit; vgl. BFH-Urteile vom 3. Dezember 1987 IV R 41/85, BFHE 151, 446, [X.]1988, 266, betreffend die Tätigkeit als ehrenamtlicher Oberbürgermeister; vom 28. Juni 2001 IV R 10/00, BFHE 196, 84, [X.]2002, 338; vom 8. Oktober 2008 VIII R 58/06, BFHE 223, 139, [X.]2009, 405, betreffend die Tätigkeit als kommunaler Mandatsträger, und in BFHE 230, 47, [X.]2010, 906, unter II.2.c bb; HHR/Brandt, § 18 EStG Rz 252; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 18 Rz 140; Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz 172; [X.]in Kirchhof, a.a.O., § 18 Rz 97). Das ist z.B. der Fall, wenn die Tätigkeit die Betreuung fremder Vermögensinteressen umfasst, aber darüber hinaus auch dann, wenn es sich um eine selbständig ausgeübte fremdnützige Tätigkeit in einem fremden [X.]handelt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 230, 47, [X.]2010, 906, unter II.2.c bb; vom 17. Oktober 2012 VIII R 57/09, BFHE 239, 261, [X.]2013, 799, unter II.1.). Für die Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist es danach ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Tätigkeit den im Gesetz genannten Tätigkeiten ähnlich ist, denn die dort angeführten Beispiele sollen den Begriff der sonstigen selbständigen Tätigkeit charakterisieren (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile in BFHE 196, 84, [X.]2002, 338, unter 2.a; vom 28. August 2003 IV R 1/03, BFHE 203, 438, [X.]2004, 112, unter 2.a).

Wie die gesetzlichen Beispiele zeigen, sind unter Einkünften "aus sonstiger selbständiger Arbeit" [X.]des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG vor allem gelegentliche Tätigkeiten und nur ausnahmsweise auch nachhaltig ausgeübte Betätigungen zu verstehen. Jedenfalls folgt aus den beispielhaft aufgezählten Aktivitäten, dass es sich um vermögensverwaltende Tätigkeiten in fremdem [X.]handeln muss (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 2. September 1988 III R 58/85, BFHE 154, 332, [X.]1989, 24, unter II.4.; in BFHE 196, 84, [X.]2002, 338, unter 2.a; in BFHE 203, 438, [X.]2004, 112, unter II.2.a; in BFHE 239, 261, [X.]2013, 799, unter 2.a; HHR/Brandt, § 18 EStG Rz 252; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 18 Rz 140; Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz 172; [X.]in Kirchhof, a.a.O., § 18 Rz 97).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den Streitfall, dass die Tätigkeit des [X.]den in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG beispielhaft aufgezählten Tätigkeiten eines Testamentsvollstreckers, Vermögensverwalters oder [X.]nicht ähnlich ist. Der Kläger übt mit seiner in § 16 FGO näher umschriebenen Tätigkeit (vgl. dazu Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 16 Rz 1 ff.) keine Tätigkeit aus, die wie die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG bezeichneten Regelbeispiele --berufsbildtypisch-- durch eine selbständige fremdnützige Tätigkeit in einem fremden [X.]sowie durch Aufgaben der Vermögensverwaltung geprägt ist. Seine Tätigkeit ist auch nicht mit der eines kommunalen Mandatsträgers vergleichbar, der die Interessen der Einwohner einer kommunalen Gebietskörperschaft zu vertreten hat und für die Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zuständig ist.

2. Bei der nach § 18 JVEG gezahlten Entschädigung für Verdienstausfall handelt es sich um eine steuerbare Einnahme nach § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.

a) Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Entschädigungen, die "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" gewährt worden sind, d.h. an die Stelle [X.]oder wegfallender Einnahmen treten. Die Entschädigung muss unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt, d.h. durch den Fortfall der erwarteten oder zu erwartenden Einnahmen sachlich begründet sein. Dies erfordert, dass die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. zuletzt BFH-Urteile vom 21. September 1993 IX R 32/90, [X.]1994, 308, unter 1.; vom 9. Juli 2002 IX R 29/98, [X.]2003, 21, unter II.4.; vom 11. Januar 2005 IX R 67/02, [X.]2005, 1044, unter II.1.a aa, und vom 10. Juli 2008 IX R 84/07, [X.]2009, 130, unter II.2.). Erforderlich ist daher, dass der Steuerpflichtige durch den Wegfall von Einnahmen einen Schaden erleidet, der durch die Zahlung unmittelbar ausgeglichen werden soll (BFH-Urteil in [X.]2003, 21, unter II.4.).

Diese Zuwendungen werden durch § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugewiesen, zu denen die weggefallenen Einnahmen im Fall ihrer Erzielung gehört hätten. Dies gilt auch, wenn der Ersatz für die entgehenden Einnahmen von einem Dritten gezahlt wird (vgl. BFH-Urteile vom 21. Januar 2004 XI R 40/02, BFHE 205, 129, [X.]2004, 716, unter II.1., und vom 8. November 2007 IV R 30/06, [X.]2008, 546, unter II.2.a). Daher ist es unerheblich, dass die Zuwendung nicht vom Arbeitgeber des Klägers, sondern aus dem Landeshaushalt geleistet worden ist.

b) Die vom Kläger vereinnahmten Beträge nach § 18 JVEG stellen daher steuerbare Einnahmen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG dar. Die an den Kläger gezahlte Entschädigung nach § 18 JVEG tritt an die Stelle von entfallenen Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit. Da nach den Feststellungen des [X.]vom Gericht zugunsten des [X.]eine Entschädigung festgesetzt und ausgezahlt worden ist, ist im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass dem Kläger ein entsprechender Einnahmeausfall entstanden ist. Das [X.]entschädigt in § 18 JVEG diesen durch die Heranziehung als [X.]verursachten konkreten Verdienstausfall (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl., § 18 JVEG Rz 1, unter Hinweis auf ein Rundschreiben des Justizministeriums Rheinland-Pfalz; ebenso Meyer/Höfer/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl., § 18 Rz 2; Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG/FamGKG/JVEG, § 18 JVEG Rz 1).

Der Senat folgt insoweit nicht der teilweise im Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach die Zahlungen nach dem [X.]von einem bestehenden Arbeitsverhältnis unabhängig sind und damit nicht unter § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG fallen (so Pfab/Ch. Schießl, [X.]--FR-- 2011, 795, 796; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 24 Rz 27 Stichwort "Ehrenamtl Richter"). Denn die Zahlungen nach dem [X.]sollen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ("Entschädigung") an die Stelle anderer --hier nach § 19 EStG steuerbarer-- Einnahmen treten. Sie sollen die finanziellen Nachteile abgelten, die dem Kläger in der Folge seiner Tätigkeit als [X.]entstanden sind (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1988 III R 241/84, BFHE 153, 33, [X.]1988, 615, unter 2., betreffend eine Aufwandsentschädigung für den Präsidenten einer Berufskammer).

3. Das [X.]hat zu Unrecht die Entschädigung für [X.]nach § 16 JVEG in Höhe des erklärten Betrags von 540 € der Besteuerung unterworfen. Sie ist nicht steuerbar.

a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 4, § 16 JVEG erhalten [X.]eine Entschädigung für Zeitversäumnis. Nach § 16 JVEG in der im Streitjahr geltenden Fassung beträgt die Entschädigung für [X.]5 € (jetzt 6 €) die Stunde. Die Entschädigung für [X.]entsteht unabhängig von einem Einkommensverlust oder einem sonstigen Nachteil (vgl. Hartmann, a.a.O., § 16 JVEG Rz 3; Meyer/Höfer/Bach/Oberlack, a.a.O., § 16 Rz 1).

b) Die Entschädigung nach § 16 JVEG stellt keine Entschädigung [X.]des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG dar. Denn sie tritt sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Sinn und Zweck nicht an die Stelle von entgangenen oder entgehenden Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit.

c) Auch eine Steuerbarkeit nach § 22 Nr. 3 EStG liegt nicht vor. Denn im Rahmen der Tätigkeit als [X.]fehlt es an einem wirtschaftlichen Leistungsaustausch.

aa) Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften [X.]von § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG gehören. Eine (sonstige) Leistung [X.]von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das um des Entgelts willen erbracht wird (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 16. Juni 2015 IX R 26/14, BFHE 250, 362, [X.]2015, 1019, unter II.1.; Blümich/Nacke, § 22 EStG Rz 161; [X.]in Kirchhof, a.a.O., § 22 Rz 66).

Einnahmen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit können Einkünfte aus Leistungen [X.]des § 22 Nr. 3 EStG sein. Voraussetzung ist aber, dass die Zahlungen durch die ehrenamtliche Tätigkeit ausgelöst und die Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse den Tatbestand eines auf Leistungsaustausch gerichteten Verhaltens trägt (vgl. [X.]Berlin vom 6. Dezember 1979 IV 460/78, E[X.]1980, 280 --rechtskräftig--; Schreiben des [X.]--BMF-- vom 13. März 1996, [X.]1996, 328; Pfab/Ch. Schießl, [X.]2011, 795, 798 f.; [X.]in Kirchhof, a.a.O., § 22 Rz 66 und 69).

bb) Daran gemessen liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer Leistung [X.]des § 22 Nr. 3 EStG nicht vor. Die Tätigkeit als [X.]und die Entschädigungszahlung nach § 16 JVEG stehen nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis (vgl. [X.]in Kirchhof, a.a.O., § 22 Rz 71). Vielmehr soll der [X.]nur pauschal für die entstandene [X.]entschädigt werden. Dies zeigt sich auch an der Formulierung in § 16 JVEG, der insoweit nur von "Entschädigung" und nicht von "Vergütung" oder "Honorar" (wie z.B. bei Sachverständigen) spricht.

4. Für die streitige steuerbare Entschädigung nach § 18 JVEG scheiden die Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 12 Satz 1 und 2 EStG (a), § 3 Nr. 26 EStG (b) und § 3 Nr. 26a EStG (c) aus.

a) Eine Steuerbefreiung der Entschädigung für Verdienstausfall nach § 3 Nr. 12 Satz 1 und 2 EStG kommt --wie vom [X.]zutreffend angenommen-- nicht in Betracht.

aa) Nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG sind aus einer Bundeskasse oder Landeskasse gezahlte Bezüge steuerfrei, die in einem [X.]oder Landesgesetz oder einer auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden. Es muss sich um den Ersatz von Aufwendungen handeln, die einen steuerlich abziehbaren Aufwand abgelten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 239, 261, [X.]2013, 799, unter II.2.b bb, m.w.N.; R 3.12 (2) der [X.]2015; HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 12 EStG Rz 9, 17; Schmidt/Levedag, a.a.O., § 3 Rz 50; von [X.]in Kirchhof, a.a.O., § 3 Rz 30).

Die Zahlung nach § 18 JVEG stellt nach dem Gesetzeswortlaut keine Aufwandsentschädigung, also keine Ersatzleistung für entstandene Aufwendungen, dar. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG kommt daher nicht in Betracht (so auch Neu, E[X.]2016, 994, Anmerkung unter IV.).

bb) Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind Bezüge von der Einkommensteuer befreit, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie als Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG befreit nur die Erstattung solcher Aufwendungen von der Steuer, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 29. November 2006 VI R 3/04, BFHE 216, 163, [X.]2007, 308, m.w.N., und vom 27. August 2013 VIII R 34/11, BFHE 242, 393, [X.]2014, 248, unter II.1.). Entschädigungen für Verdienstausfall sind ausdrücklich ausgenommen (vgl. HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 12 EStG Rz 12, 17; Schmidt/Levedag, a.a.O., § 3 Nr. 12 Rz 52).

b) Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26 EStG greift bereits deswegen nicht ein, weil keiner der in der Vorschrift genannten Tätigkeitsbereiche (nebenberufliche Tätigkeit als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbare Tätigkeit; nebenberufliche künstlerische Tätigkeit; nebenberufliche Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen) vorliegt (vgl. auch [X.]--OFD-- [X.]vom 15. Dezember 2009, unter Tz. 2.20, juris; OFD Frankfurt/M., Rundvfg. vom 15. November 2016, juris; Pfab/Ch. Schießl, [X.]2011, 795, 799 f.).

c) Auch die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG (sog. Ehrenamtsfreibetrag) greift nicht ein.

aa) Nach dieser durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10. Oktober 2007 (BGBl I 2007, 2332) eingefügten und durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768) mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2011 geänderten Vorschrift sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten u.a. im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der [X.]belegen ist, bis zur Höhe von insgesamt 500 € im Jahr steuerbefreit (vgl. dazu BMF-Schreiben vom 21. November 2014, BStBl I 2014, 1581; HHR/ Bergkemper, § 3 Nr. 26a EStG Rz 2; Schmidt/Levedag, a.a.O., § 3 Rz 96; von [X.]in Kirchhof, a.a.O., § 3 Nr. 26a Rz 52). Die Steuerbefreiung ist in der gesetzlichen Fassung des Streitjahres ausgeschlossen, wenn für die Einnahmen aus der Tätigkeit --ganz oder [X.]eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 1 und 2 oder Nr. 26 EStG gewährt wird (vgl. HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 26a EStG Rz 1).

bb) Hier hatte der Kläger nach den Feststellungen des [X.]neben den Entschädigungen nach § 16 und § 18 JVEG auch Zahlungen nach § 5 JVEG (Fahrtkosten und Parkgebühren) und § 6 JVEG (Entschädigung für Aufwand) in Höhe von insgesamt 444,40 € erhalten. Die beiden Letzteren sind --was die Beteiligten auch nicht in Streit stellen-- nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG als Aufwandsentschädigungen steuerfrei. Denn insoweit handelt es sich um Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden und nicht für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Aufgrund der Gewährung der nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerbefreiten Bezüge scheidet die Gewährung des Freibetrags nach § 3 Nr. 26a EStG aus (vgl. dazu BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1581, Tz. 5; Blümich/Erhard, a.a.O., § 3 Nr. 26a Rz 6).

Mit dem Freibetrag wird pauschal der Aufwand, der einer nebenberuflich tätigen Person durch ihre Beschäftigung entsteht, abgegolten. Der Freibetrag wird daher --bezogen auf die gesamten Einnahmen aus der jeweiligen beruflichen Tätigkeit-- nicht zusätzlich zu der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 EStG gewährt, um eine Doppelbegünstigung zu vermeiden (vgl. BTDrucks 16/5985, S. 11; Schmidt/Levedag, a.a.O., § 3 Rz 96; Blümich/ Erhard, a.a.O., § 3 Nr. 26a Rz 1; vgl. HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 26a EStG Rz 1; von Beckerath, in: [X.]Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 26a Rz B26a/24). Liegen daher die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG und für § 3 Nr. 12 EStG im Rahmen einer nebenberuflichen Tätigkeit gleichzeitig vor, muss sich der Steuerpflichtige für eine Steuerbefreiung entscheiden (vgl. Blümich/Erhard, a.a.O., § 3 Nr. 26a Rz 6; HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 26a EStG Rz 2; Kolbe, Deutsches Steuerrecht 2009, 2465, 2468). Beantragt und erhält der Steuerpflichtige, wie im Streitfall, nach § 3 Nr. 12 EStG steuerbefreiten Aufwendungsersatz, kommt die Gewährung des Freibetrags nach § 3 Nr. 26a EStG daher nicht mehr in Betracht.

5. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben, soweit das [X.]im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2010 die Entschädigung nach § 16 JVEG der Besteuerung unterworfen hat. Die Klage ist hingegen abzuweisen, soweit das [X.]die Entschädigung nach § 18 JVEG steuerlich im Rahmen der Einkünfte erfasst hat. Da das Urteil des [X.]insgesamt aufzuheben ist, ändert der Senat den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 10. Juli 2012 in der Weise, dass die Einkünfte des [X.]aus nichtselbständiger Arbeit statt wie bisher mit ... € nunmehr um 540 € --bisher in der Veranlagung erfasster Ansatz der Entschädigung für [X.]nach § 16 JVEG-- gemindert mit ... € angesetzt werden. Bei der Ermittlung des [X.]ist zu berücksichtigen, dass im Einkommensteuerbescheid 2010 die streitigen Entschädigungen bislang nur mit 2.860 € anstelle von 2.885 € und damit rechnerisch um 25 € zu niedrig im Rahmen der Veranlagung erfasst waren. Die Berechnung der Steuer wird dem [X.]übertragen (§ 100 Abs. 2 FGO).

6. [X.]beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Kosten waren nach dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen zu teilen.

Meta

IX R 10/16

31.01.2017

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 10. Februar 2016, Az: 12 K 1205/14, Urteil

§ 3 Nr 12 S 1 EStG 2009, § 3 Nr 12 S 2 EStG 2009, § 3 Nr 26 EStG 2009, § 3 Nr 26a EStG 2009, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 22 Nr 3 EStG 2009, § 24 Nr 1 Buchst a EStG 2009, § 15 JVEG, § 16 JVEG, § 18 JVEG, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.01.2017, Az. IX R 10/16 (REWIS RS 2017, 16396)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1774 REWIS RS 2017, 16396

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

L 6 AS 292/18

L 11 BA 1596/19

B 12 R 15/19 R

S 18 KR 575/17

B 12 KR 14/16 R

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