Bundessozialgericht, Urteil vom 02.12.2010, Az. B 9 SB 3/09 R

9. Senat | REWIS RS 2010, 848

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Schwerbehindertenrecht - GdB-Festsetzung - Diabetes mellitus - Teilhabe - Teilhabebeeinträchtigung - Therapieaufwand - körperliche Aktivität - Sport


Leitsatz

Sportliche Betätigung hat - auch soweit sie zur Behandlung einer Krankheit medizinisch notwendig ist - in der Regel keine nachteiligen Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. August 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Schwerbehindertenrecht hat.

2

Auf den Antrag der 1953 geborenen Klägerin vom [X.] stellte das beklagte Land mit Bescheid vom [X.] wegen der Funktionsbeeinträchtigungen Diabetes mellitus und Sehminderung einen GdB von 40 fest. Hierbei entfiel nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom [X.] auf den Diabetes mellitus ein Einzel-GdB von 30 und auf die Sehminderung ein Einzel-GdB von 20. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2006 zurück.

3

Die auf die Feststellung eines GdB von 50 gerichtete Klage ist durch Urteil des Sozialgerichts ([X.]) [X.] vom [X.] abgewiesen worden. Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] ([X.]) [X.]-Brandenburg das Urteil des [X.] aufgehoben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2006 verurteilt, bei der Klägerin ab April 2006 einen GdB von 50 festzustellen. Es hat seine Entscheidung auf folgende Erwägungen gestützt:

4

Während die Bewertung der Sehminderung der Klägerin wegen des (nach Korrektur) unverändert bestehenden Sehvermögens von 0,9 auf dem rechten und 0,1 auf dem linken Auge mit einem Einzel-GdB von 20 nicht zu beanstanden sei, bedinge die Teilhabebeeinträchtigung aufgrund des Diabetes mellitus einen Einzel-GdB von 40 anstatt 30. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B[X.] Urteil vom 24.4.2008 - [X.]/9a [X.] - [X.] 4-3250 § 69 [X.] 9; Urteil vom 11.12.2008 - [X.]/9a [X.] 4/07 R - juris; Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 3/08 R - juris) sei bei der GdB-Bewertung eines Diabetes mellitus auch für noch nicht bestandskräftig entschiedene Zeiträume grundsätzlich die seit dem 1.1.2009 geltende [X.] 15.1 des Teils B der Anlage "[X.]" zur [X.] ([X.]) vom 10.12.2008 ([X.] 2412; Anlageband zum [X.] [X.] 57) heranzuziehen. Allerdings müsse dabei neben der Einstellungsqualität auch der [X.] berücksichtigt werden. Im Falle der Klägerin bestehe zwar ein häufiger Wechsel von Hypo- und Hyperglykämien; durch die Insulintherapie würden jedoch ausgeprägte oder schwere Hypoglykämien vermieden und eine - auch nach Angabe der Klägerin - zufriedenstellende Stoffwechsellage erreicht. Die einmal am Tag notwendige Kontrolle der Blutzuckerwerte, die dreimal täglich erforderliche Injektion von Insulin und die Einhaltung einer bestimmten Diät unter Wahrung strenger Essenszeiten träfen regelmäßig Diabetiker unter Insulintherapie und seien der von der behandelnden Ärztin vorgeschriebenen Therapieform geschuldet. Diese Gegebenheiten könnten einen höheren Einzel-GdB als 30 an sich nicht begründen. Entscheidend für eine Höherbewertung sei, dass die Klägerin gehalten sei, regelmäßig über einen Zeitraum von anderthalb Stunden am [X.] ([X.]) zu treiben, und dies unmittelbar zum Therapieerfolg beitrage. Der hierfür betriebene Aufwand sei auch unter dem Aspekt, dass sportliche Betätigung allgemein wünschenswert sei, nicht als gering im Sinne der Rechtsprechung des B[X.] einzustufen.

5

Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts durch die Berücksichtigung von sportlicher Betätigung als Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der [X.] des § 69 Abs 1 Satz 4 [X.]B IX. Er macht geltend:

6

Der von der Klägerin betriebene Sport und Sport im Allgemeinen sei - auch auf ärztliche Empfehlung hin - nicht Teil der medizinischen Therapie eines Diabetes mellitus und kein die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigender [X.]. Das [X.] habe insoweit weder nach der Art des [X.]s und nach dem zeitlichen Aufwand differenziert. Eine nachteilige Auswirkung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sei in sportlicher Betätigung gerade nicht zu sehen. Sport wirke sich positiv auf die Gesundheit aus, auch und gerade bei Diabetikern. Insbesondere Sport in Gemeinschaft könne die Qualität der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eher erhöhen als einschränken. Sportliche Ertüchtigung könne auch nicht gleichgesetzt werden mit dem Messen von bestimmten Werten oder der Einhaltung bestimmter Zeitpläne bei Medikamenteneinnahme oder erforderlichen Injektionen.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.]s [X.]-Brandenburg vom 28. August 2009 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 25. September 2007 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an und macht ua geltend, dass die nachteilige Auswirkung von medizinisch notwendigem Sport in der fehlenden Wahlmöglichkeit des Betroffenen, sich sportlich zu betätigen oder nicht, und in dem mit der medizinisch notwendigen sportlichen Betätigung verbundenen Ausschluss von anderen Aktivitäten des gesellschaftlichen Lebens zu sehen sei.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]).

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils, durch das der Beklagte verurteilt worden ist, bei der Klägerin ab April 2006 einen GdB von 50 festzustellen. Das prozess[X.]le Ziel des Beklagten ist die Bestätigung der erstinstanzlich erfolgten Abweisung der von der Klägerin gegen den Bescheid vom 21.7.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2006 erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 [X.] - zur statthaften [X.] vgl [X.] vom 12.4.2000 - [X.] [X.] 3/99 R - [X.] 3-3870 § 3 [X.] f).

2. Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines GdB von 50 ist § 69 Abs 1 und 3 [X.] idF vom 23.4.2004 ([X.]; aF) und für die [X.] ab dem 21.12.2007 idF vom 13.12.2007 ([X.] 2904; nF). Nach § 69 Abs 1 Satz 1 [X.] (beider Fassungen) stellen die für die Durchführung des [X.]versorgungsgesetzes ([X.]) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 Satz 4 [X.] (beider Fassungen) die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der [X.] nach [X.] abgestuft festgestellt. Gemäß § 69 Abs 1 Satz 5 [X.] aF gelten die im Rahmen des § 30 Abs 1 [X.] festgelegten Maßstäbe entsprechend. Durch diesen Verweis auf die im Rahmen des § 30 Abs 1 [X.] festgelegten Maßstäbe stellt § 69 [X.] auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der [X.] Verwaltungsvorschriften zu § 30 [X.] sind. Von diesen leiten sich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht ([X.]) ab. Gemäß § 69 Abs 1 Satz 5 [X.] nF wird zusätzlich auf die aufgrund des § 30 Abs 17 [X.] erlassene Rechtsverordnung Bezug genommen, so dass ab 1.1.2009 die [X.] ([X.] 2412), die zuletzt durch die Verordnung vom [X.] ([X.] 928) geändert worden ist, anstelle der [X.] Grundlage für die Feststellung des GdB ist (vgl auch [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 4/08 R - [X.] 4-3250 § 69 [X.] Rd[X.] 16 f).

Die [X.] und die zum 1.1.2009 in [X.] getretene [X.] stellen ihrem [X.]nhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar (stRspr des [X.]; vgl Urteil vom 24.4.2008 - [X.]/9a [X.] - [X.] 4-3250 § 69 [X.] Rd[X.] 25 mwN; vgl auch zur Rechtslage nach dem Schwerbehindertengesetz: [X.] Beschluss vom 6.3.1995 - 1 BvR 60/95 - [X.] 3-3870 § 3 [X.]), die den Behinderungsbegriff der "[X.]nternationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung" (deren Weiterentwicklung wurde im Mai 2001 von der [X.] als [X.] verabschiedet) als Grundlage des Bewertungssystems berücksichtigen, auch wenn dieses Klassifikationsmodell in den [X.] und der [X.] bislang nicht überall konsequent umgesetzt worden ist (vgl VersMedV, Einleitung [X.], 1. Aufl 2009). Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der [X.] nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die [X.] auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (vgl [X.] vom 24.4.2008 - [X.]/9a [X.] - aaO, Rd[X.] 28; [X.] vom 29.8.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - [X.], 204, 208 = [X.] 3-3870 § 4 [X.] 1 [X.] f; dazu auch [X.], [X.] 2004, 314, 315; [X.], [X.] 2003, 613).

Dem tragen die [X.] und die [X.] im Grundsatz Rechnung. Dementsprechend ist deren [X.]nhalt nicht (ausschließlich) mit Hilfe juristischer Auslegungsmethoden zu ermitteln; vielmehr sind diesbezügliche Zweifel vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim "Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin" bzw dem für diesen geschäftsführend tätigen [X.] - [X.] (§ 3 VersMedV), zu klären (vgl zB dazu [X.] vom 24.4.2008 - [X.]/9a [X.] 6/06 R - juris Rd[X.] 21). Darüber hinaus sind sowohl die [X.] als auch die VersMedV (nebst Anlage) an den rechtlichen Vorgaben der §§ 2, 69 [X.] zu messen. Dazu gehört, dass sie dem aktuellen Stand der Medizin entsprechen müssen (vgl [X.] vom 18.9.2003 - [X.] [X.] 3/02 R - [X.], 205 = [X.] 4-3250 § 69 [X.] 2; § 69 Abs 1 Satz 5 [X.], § 30 Abs 17 [X.] iVm §§ 2, 3 Abs 1 VersMedV). Bei Verstößen dagegen sind sie nicht oder nur mit Maßgaben anzuwenden (vgl auch [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 4/08 R - [X.] 4-3250 § 69 [X.] Rd[X.] 19; [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 3/08 R - juris Rd[X.] 30).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der [X.] vor, so wird der GdB gemäß § 69 Abs 3 Satz 1 [X.] (beider Fassungen) nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (s § 2 Abs 1 [X.]) und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. [X.]n einem zweiten Schritt sind diese den in den [X.]/der [X.] genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. [X.]n einem dritten Schritt ist dann - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl [X.] 19 Abs 3 [X.] und Teil A [X.] 3 [X.]) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der [X.] zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der [X.] der [X.]/[X.] feste Grade angegeben sind (vgl [X.] 19 Abs 2 [X.] und Teil A [X.] 3 b [X.]; vgl auch [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 4/08 R - aaO Rd[X.] 18).

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtssprechung des [X.] grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl Urteil vom 29.11.1956 - 2 [X.] 121/56 - [X.]E 4, 147, 149 f; Urteil vom 9.10.1987 - 9a RVs 5/86 - [X.]E 62, 209, 212 f = [X.] 3870 § 3 [X.] 26 S 83; Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 4/08 R - aaO Rd[X.] 23 mwN). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen (erster Schritt) unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom [X.] die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs 1, § 69 Abs 1 und 3 [X.] (s zuletzt [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 4/08 R - aaO Rd[X.] 16 bis 21 mwN); danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der [X.] maßgebend.

3. Gemessen an diesen rechtlichen Rahmenbedingungen hat das [X.] den Einzel-GdB wegen der Sehminderung der Klägerin rechtsfehlerfrei festgestellt. Nach dessen unangegriffenen Feststellungen liegt bei der Klägerin eine korrigierte Sehschärfe des rechten Auges von 0,9 und des linken von 0,1 vor. Grundlage für die Bemessung des Einzel-GdB sind für die [X.] ab Antragstellung im April 2006 bis zum Ende des Jahres 2007 die [X.] 2005, danach bis Ende des Jahres 2008 die [X.] 2008 und für die [X.] ab dem 1.1.2009 die [X.] Bei Anwendung der für die [X.] bei beidäugiger Sehschärfe maßgeblichen Tabelle in den jeweiligen Fassungen der [X.] 26.4 [X.], die zum 1.1.2009 unverändert in Teil B [X.] 4.3 [X.] übernommen worden ist, ergibt sich für diese nicht nur vorübergehende Gesundheitsstörung ein Einzel-GdB von 20.

4. Soweit es den Einzel-GdB für den Diabetes mellitus der Klägerin betrifft, reichen die Tatsachenfeststellungen des [X.] nicht aus, um die vom [X.] vorgenommene Bemessung mit 40 zu bestätigen.

Zur [X.] des Diabetes mellitus hat der erkennende Senat mit Urteil vom 24.4.2008 (- [X.]/9a [X.] - [X.] 4-3250 § 69 [X.]) nach Beweisaufnahme zu den allgemeinen medizinischen Erkenntnissen über die Auswirkungen dieser Krankheit auf die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der [X.] entschieden, dass die [X.] der früheren [X.] 26.15 [X.] (Ausgaben 1996 und 2004) nur mit gewissen Maßgaben dem höherrangigen Recht und dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen. Danach ist bei der [X.] neben der Einstellungsq[X.]lität auch der [X.] zu berücksichtigen, soweit dieser sich auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der [X.] nachteilig auswirkt. Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich hinsichtlich der maßgeblichen [X.] Besonderheiten, die das [X.] nicht in vollem Umfang zutreffend berücksichtigt hat.

a) Als Rechtsgrundlagen für die Feststellung des GdB sind im vorliegenden Fall - zunächst allgemein (formal) betrachtet - für die [X.] vom 1.4.2006 bis zum [X.] die vorläufige Neufassung der [X.] 26.15 [X.] gemäß Rundschreiben des [X.] vom 22.9.2008 (- [X.]-48064-3 -) an die zuständigen obersten Landesbehörden unter Beachtung der Grundsätze der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl Urteil vom 24.4.2008 - [X.]/9a [X.] - aaO Rd[X.] 40) und ab [X.] die Regelung in Teil B [X.] 15.1 [X.] vom [X.] ([X.] 928; nF) heranzuziehen.

           

aa) Für den erstgenannten [X.]raum (1.4.2006 bis zum [X.]) ist nach der Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigen, dass die vorläufige Neufassung der [X.] 26.15 [X.] unter Beachtung der im Senatsurteil vom 24.4.2008 (- [X.]/9a [X.] - aaO) dargelegten Grundsätze rückwirkend auf Sachverhalte anzuwenden ist, die vor deren Einführung durch das Rundschreiben des [X.] vom 22.9.2008 liegen (vgl Urteil vom 11.12.2008 - [X.]/9a [X.] 4/07 R - juris Rd[X.] 15). Nach der vorläufigen Neufassung der [X.] 26.15 [X.] ist insoweit folgende Tabelle anzuwenden:

Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)

        

mit Diät allein (ohne blutzuckerregulierende Medikamente)
mit Medikamenten eingestellt, die die Hypoglykämieneigung nicht erhöhen
mit Medikamenten eingestellt, die die Hypoglykämieneigung erhöhen
unter [X.]nsulintherapie, auch in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten, je nach Stabilität der Stoffwechsellage (stabil oder mäßig schwankend)
unter [X.]nsulintherapie instabile Stoffwechsellage einschließlich gelegentlicher schwerer Hypoglykämien

0
10
20
30-40
50

        

Häufige, ausgeprägte oder schwere Hypoglykämien sind zusätzlich zu bewerten. Schwere Hypoglykämien sind Unterzuckerungen, die eine ärztliche Hilfe erfordern.

Die am 1.1.2009 in [X.] getretene und im Wortlaut mit der vorläufigen Neufassung der [X.] 26.15 [X.] identische Regelung in Teil B [X.] 15.1 [X.] idF vom 10.12.2008 ([X.] 2412; Anlageband zum [X.] [X.] 57; aF) ist indes nicht zur [X.] heranzuziehen, da sie den gemäß § 69 Abs 1 Satz 4 [X.] zwingend zu berücksichtigenden [X.] nicht erfasst und aus diesem Grund nichtig ist (s [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 3/08 R - juris Rd[X.] 30). Die Feststellung des GdB hat bis zu einer im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben aus § 69 Abs 1 Satz 4 [X.] stehenden Neufassung der Bestimmungen über den Diabetes mellitus nach den Grundsätzen des Urteils des erkennenden Senats vom 24.4.2008 (- [X.]/9a [X.] - aaO Rd[X.] 40) zu erfolgen ([X.] vom [X.] - [X.] [X.] 3/08 R - aaO Rd[X.] 31).

bb) Die vom [X.] im Einvernehmen mit dem [X.] und mit Zustimmung des [X.] erlassene Regelung in Teil B [X.] 15.1 [X.] nF ist mit den rechtlichen Vorgaben aus § 69 Abs 1 Satz 4 [X.] vereinbar und für die [X.] ab [X.] anzuwenden.

Teil B [X.] 15.1 [X.] nF ist gemäß Art 2 Zweite Verordnung zur Änderung der VersMedV vom [X.] ([X.] 928) am Tag nach ihrer Verkündung im [X.], also am [X.], in [X.] getreten und entfaltet danach keine Rückwirkung. Maßgeblicher [X.]punkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der auf die Zukunft gerichteten Verpflichtungsklage ist der [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung. Anders als bei [X.] (vgl [X.] vom 12.4.2000 - [X.] [X.] 3/99 R - [X.] 3-3870 § 3 [X.] S 22; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 54 Rd[X.] 34) sind Rechtsänderungen, die während der Rechtshängigkeit der Verpflichtungsklage eintreten, vom [X.] zu beachten, auch wenn sie erst nach Erlass der mit der Revision angefochtenen gerichtlichen Entscheidung in [X.] getreten sind. Voraussetzung ist allerdings, dass das neue Recht nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfassen will (stRspr des [X.]; vgl zB Urteil vom [X.] - 6 [X.] 71/91 - [X.]E 73, 25, 27 = [X.] 3-2500 § 116 [X.] 4 S 26; Urteil vom 9.10.1987 - 9a RVs 5/86 - [X.]E 62, 209, 210 = [X.] 3870 § 3 [X.] 26 S 81; Urteil vom 25.3.2003 - B 1 KR 33/01 R - [X.] 4-1500 § 54 [X.] 1 Rd[X.] 5 f; vgl auch [X.], aaO, Rd[X.] 34 mwN). Diese Voraussetzung liegt hier bezogen auf den Anspruch der Klägerin auf Feststellung des GdB für die [X.] ab [X.] vor, zumal nach der Begründung der [X.] zur Änderung der VersMedV vom [X.] Anlass der jüngsten Neufassung der Grundsätze zur [X.] des Diabetes mellitus die og Rechtsprechung des [X.] war (vgl [X.] zu [X.] 2).

           

Teil B [X.] 15.1 [X.] nF hat folgenden [X.]nhalt:

        

15.1Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)

        

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den [X.] keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines [X.] rechtfertigt. Der [X.] beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den [X.] eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der [X.] beträgt 20.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des [X.]s und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der [X.] beträgt 30 bis 40.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine [X.]nsulintherapie mit täglich mindestens vier [X.]nsulininjektionen durchführen, wobei die [X.]nsulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses [X.]s eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die [X.] und [X.] (beziehungsweise [X.] über die [X.]nsulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der [X.] beträgt 50.

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere [X.]-Werte bedingen.

Die aufgrund der Ermächtigungsgrundlage des § 30 Abs 17 [X.] erlassene Neufassung von Teil B [X.] 15.1 [X.] nF ist rechtmäßig. Sie verstößt in materieller Hinsicht nicht gegen höherrangiges Recht (Verfassungs- und Parlamentsrecht), insbesondere nicht gegen § 69 Abs 1 Satz 4 [X.], wonach für die Feststellung des GdB die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der [X.] maßgeblich sind. [X.]nsoweit entsprechen die in Teil B [X.] 15.1 [X.] nF enthaltenen [X.] den Vorgaben der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 24.4.2008, - [X.]/9a [X.] - [X.] 4-3250 § 69 [X.] Rd[X.] 40; Urteil vom 11.12.2008 - [X.]/9a [X.] 4/07 R - juris Rd[X.] 14; Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 3/08 R - juris Rd[X.] 25). Wie bereits die vorläufige Neufassung der [X.] vom 22.9.2008 und die Regelung in Teil B [X.] 15.1 [X.] aF unterscheiden sie nicht mehr zwischen den Typen [X.] und [X.][X.] des Diabetes mellitus und stimmen mit der durch Beweisaufnahme des Senats gewonnenen Erkenntnis überein, dass bei der [X.] die Unterscheidung nach der Entstehung der Stoffwechselstörung nicht besonders hilfreich ist, da es eine größere Zahl Fälle des Diabetes Typ [X.][X.] gibt, bei denen unter [X.]nsulinbehandlung ähnliche Hypoglykämieprobleme auftreten, wie bei einem Diabetes Typ [X.] (Urteil vom 24.4.2008 - [X.]/9a [X.] - aaO Rd[X.] 36). Als maßgebliches Kriterium für die Schwere der Erkrankung und damit für die [X.] stellen sie wie auch die vorläufige Neufassung der [X.] 26.15 [X.], die der Senat - bis auf die fehlende Berücksichtigung von [X.] - als Grundlage für die [X.] grundsätzlich nicht beanstandet hat (vgl Urteil vom 11.12.2008 - [X.]/9a [X.] 4/07 R - aaO Rd[X.] 15), auf die Hypoglykämieneigung des Betroffenen ab. Zusätzlich berücksichtigen sie sowohl den zur Erreichung einer stabileren Stoffwechsellage notwendigen [X.] als auch die Q[X.]lität der Stoffwechsellage. Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmungen nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen könnten, sind nicht ersichtlich.

Allerdings ist die Voraussetzung der Dokumentation der Blutzuckerselbstkontrolle bzw der [X.] in Abs 3 und 4 von Teil B [X.] 15.1 [X.] nF nach Maßgabe des § 69 Abs 1 Satz 4 [X.] und nach Sinn und Zweck dieser Dokumentation nicht als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung für die Feststellung des GdB anzusehen, auch wenn insbesondere in Teil B [X.] 15.1 Abs 4 [X.] nF ausgeführt ist, dass die [X.] und [X.] (bzw [X.] über die [X.]nsulinpumpen) dokumentiert sein müssen. Es geht im Schwerbehindertenrecht um die Feststellung der Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen. Demnach sind nicht Diagnosen oder körperliche Defizite, sondern es ist die Behinderung selbst zu erfassen, die darin besteht, dass der von Krankheit betroffene Mensch nicht mehr die Gesamtheit der ihm sozial zugeschriebenen Funktionen unbeeinträchtigt und ungefährdet wahrnehmen kann (stRspr des Senats; vgl Urteil vom 6.12.1989 - 9 RVs 3/89 - [X.] 3870 § 4 [X.] 3 S 11; Urteil vom 24.6.1998 - [X.] [X.] 17/97 R - [X.]E 82, 176, 177 f = [X.] 3-3870 § 4 [X.] 24 S 94 f; Urteil vom 15.7.2004 - [X.] [X.] 46/03 B - juris Rd[X.] 7; Urteil vom 24.4.2008 - [X.]/9a [X.] 6/06 R - juris Rd[X.] 18). Die Dokumentation der [X.] und [X.] hat - für sich genommen - keinen Einfluss auf die tatsächlich bestehenden Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der [X.] des § 69 Abs 1 Satz 4 [X.].

Der vom "Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin" verfolgte Zweck der vorausgesetzten Dokumentation der Blutzuckerwerte und [X.] ergibt sich aus der Begründung des Verordnungsgebers zur Änderung der [X.] in Teil B [X.] 15.1 [X.] ([X.] zu [X.] 2). Die vorgeschriebene Dokumentation des [X.]s wird als erforderlich angesehen, "um die Teilhabebeeinträchtigung und somit den [X.] beurteilen zu können". [X.]nsoweit stellt die Dokumentation der Blutzuckerwerte und [X.] im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren allein ein Beweismittel dar, ohne dass mit einem Fehlen der Dokumentation eine Entbindung von den [X.] (§ 20 [X.]; § 103 [X.]) einhergeht.

b) Daraus ergibt sich für die Bemessung des Einzel-GdB bezüglich des Diabetes mellitus der Klägerin im Einzelnen folgendes Bild:

aa) Bei Anwendung der vorläufigen Neufassung der [X.] 26.15 [X.], die ihrem [X.]nhalt nach Teil B [X.] 15.1 [X.] aF entspricht, (für die [X.] vom 1.4.2006 bis [X.]) ist ein Diabetes mellitus unter [X.]nsulintherapie auch in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten, je nach Stabilität der Stoffwechsellage (stabil oder mäßig schwankend) mit einem (Einzel-)GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Ein GdB von 50 ist vorgesehen, wenn unter [X.]nsulintherapie eine instabile Stoffwechsellage einschließlich gelegentlicher schwerer Hypoglykämien besteht.

Danach scheidet bei der Klägerin ein Einzel-GdB von 50 für den Diabetes mellitus aus. Denn das [X.] hat bindend festgestellt (§ 163 [X.]), dass "ausgeprägte oder schwere Hypoglykämien vermieden werden". Ebenso fehlt es an Anhaltspunkten für eine zusätzliche Bewertung von häufigen, ausgeprägten oder schweren Hypoglykämien.

Es mangelt indes an hinreichenden Tatsachenfeststellungen des [X.] dazu, ob die Stoffwechsellage der Klägerin im Sinne der vorläufigen Neufassung der [X.] 26.15 [X.] als stabil (dann Einzel-GdB 30) oder mäßig schwankend (dann Einzel-GdB 40) einzuschätzen ist. Das [X.] hat insoweit ausgeführt, bei der Klägerin bestehe mit einer "Annäherung an einen Langzeit-Blutzuckerwert von 6,0 HbA1c" eine "zufriedenstellende" Stoffwechsellage, wobei ein "häufiger Wechsel von Hypo- und Hyperglykämien" auftrete. Damit wird nicht hinreichend deutlich, ob die Stoffwechsellage nach ärztlicher Beurteilung als "stabil" oder als "mäßig schwankend" anzusehen ist. Entsprechendes gilt hinsichtlich der nach Teil B [X.] 15.1 [X.] nF ab [X.] maßgeblichen "Güte der Stoffwechseleinstellung".

bb) Nach den - hier für die [X.] vom 1.4.2006 bis [X.] maßgeblichen - Grundsätzen des erkennenden Senats (vgl Urteil vom 24.4.2008 - [X.]/9a [X.] - [X.] 4-3250 § 69 [X.] Rd[X.] 40) ist bei der Bewertung des Einzel-GdB von Diabetes mellitus neben der Einstellungsq[X.]lität auch der [X.] zu berücksichtigen, soweit er sich auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der [X.] nachteilig auswirkt. Der GdB wird relativ niedrig anzusetzen sein, wenn mit geringem [X.] eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird. Mit (in beeinträchtigender Weise) wachsendem [X.] und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilerer Stoffwechsellage) wird der GdB höher einzuschätzen sein. Dabei sind jeweils - im Vergleich zu anderen Behinderungen - die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der [X.] in Betracht zu ziehen ([X.] vom 24.4.2008 - [X.]/9a [X.] - aaO Rd[X.] 40). Für die [X.] ab [X.] sieht Teil B [X.] 15.1 [X.] nF ebenfalls eine differenzierte Berücksichtigung des [X.]es bei Diabetes mellitus vor.

Diese Grundsätze hat das [X.] zwar im Ansatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Der erkennende Senat versteht den Begriff des zu berücksichtigenden [X.]es jedoch anders als das [X.]. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer ergänzenden Sachverhaltsaufklärung.

(1) Der Begriff "[X.]" im Sinne der Grundsätze der Rechtsprechung des erkennenden Senats vom 24.4.2008 ist weit auszulegen. Die Auslegung orientiert sich an dem Wortsinn des Begriffs Therapie, der die Gesamtheit der Maßnahmen zur Behandlung einer Krankheit mit dem Ziel der Wiederherstellung der Gesundheit, der Linderung der Krankheitsbeschwerden und der Verhinderung von Rückfällen umfasst (vgl [X.], [X.], 20. Aufl 1999, "Therapie"). Denn es geht im Schwerbehindertenrecht um die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, aufgrund derer der von Krankheit betroffene Mensch nicht mehr die Gesamtheit der ihm sozial zugeschriebenen Funktionen unbeeinträchtigt und ungefährdet wahrnehmen kann, auch wenn diese Auswirkungen an sich nur geringfügig sind (vgl zB Urteil vom 9.10.1987 - 9a RVs 5/86 - [X.]E 62, 209, 211 f = [X.] 3870 § 3 [X.] 26 S 82; vgl auch Knickrehm, [X.] 2008, 220, 223 f). Sie können sich bei gewissen stummen Erkrankungen allein aus ärztlichen Handlungsanweisungen, zB Diät, Ruhepausen, Schonung, verkürzte Arbeitsbelastung, Meidung bestimmter Außeneinflüsse (zB Witterung, Zugluft, Nässe) oder Vorgaben zu bestimmten Körperhaltungen (zB Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen usw), ergeben (vgl [X.] vom 6.12.1989 - 9 RVs 3/89 - [X.] 3870 § 4 [X.] 3 S 14; vgl auch [X.], [X.] in der [X.], in Festschrift 50 Jahre [X.] 2004, [X.], 203; Knickrehm, [X.] 2008, 220, 224). Eine eigenständige funktionelle Bedeutung des [X.]s, zB ständiger aufwendiger Verbandswechsel (so Kaiser, [X.] 2009, 172, 175), ist insoweit nicht erforderlich.

(2) Allerdings muss der [X.] zur Erzielung des Therapieerfolgs (stabilere Stoffwechsellage) medizinisch notwendig sein ([X.] vom 24.4.2008 - [X.]/9a [X.] - aaO, Rd[X.] 39 f), um bei der [X.] berücksichtigt zu werden. Eine ärztliche Verordnung kann als Nachweis für die medizinische [X.]ndikation dienen, ist aber (zB im Falle der Selbsttherapie) nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines krankheitsbedingten [X.]s. Erforderlich ist allerdings, dass die Therapie tatsächlich durchgeführt wird (vgl etwa [X.] vom 24.4.2008 - [X.]/9a [X.] 6/06 R - juris Rd[X.] 22).

(3) Zudem ist nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 24.4.2008 - [X.]/9a [X.] - aaO Rd[X.] 40) nur derjenige [X.] bei der [X.] zu berücksichtigen, der sich nachteilig auf die Teilhabe am Leben in der [X.] des § 69 Abs 1 Satz 4 [X.] auswirkt. Dies gilt entsprechend für die ab [X.] geltende Regelung in Teil B [X.] 15.1 [X.] nF.

Die mögliche Teilhabebeeinträchtigung durch medizinisch notwendigen [X.] beruht hierbei nicht auf gesundheitlichen Funktionsbeeinträchtigungen, die beim Diabetes mellitus aufgrund der Hypoglykämieneigung und der [X.]nstabilität der Stoffwechsellage vorliegen können und ebenfalls Grundlage der [X.] sind, sondern auf therapiebedingten Einschränkungen in der Lebensführung bzw bei der Gestaltung des Tagesablaufs. [X.]nsoweit kann zur Konkretisierung der Grundsätze der Rechtsprechung des erkennenden Senats auch für die [X.] vor dem [X.] auf die neuen [X.] in Teil B [X.] 15.1 [X.] nF zurückgegriffen werden, nach denen die insoweit bei der [X.] zu berücksichtigenden Teilhabestörungen unter dem Oberbegriff "Einschnitte in die Lebensführung" zusammengefasst sind (vgl insbesondere Teil B [X.] 15.1 Abs 3 [X.] nF). Obgleich die Änderung der [X.] formal keine Rückwirkung entfaltet und Gerichte und Verwaltung für den [X.]raum bis [X.] nicht bindet, ist ihr [X.]nhalt als antizipiertes Sachverständigengutachten bedeutsam. Diese [X.] sind nämlich vom "Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin" beim [X.] - soweit ersichtlich - unter Beachtung der Besonderheiten der Stoffwechselkrankheit Diabetes mellitus auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft erstellt worden (vgl hierzu insb [X.], [X.] 2010, 187, 190 ff). Allgemein ist es zur Vermeidung sachfremder Erwägungen geboten, sich an allgemein gültigen Bewertungskriterien zu orientieren, wie sie in den [X.] bzw der [X.] aufgeführt sind (vgl Urteil vom 9.10.1987 - 9a RVs 5/86 - [X.]E 62, 209, 213 = [X.] 3870 § 3 [X.] 26 S 84). Nach der Begründung zur Verordnungsänderung ([X.] zu [X.] 2) zeigen sich Einschnitte in die Lebensführung zB bei der Planung des Tagesablaufs, der Gestaltung der Freizeit, der Zubereitung der Mahlzeiten, der Berufsausübung und der Mobilität.

Die [X.]ntensität der Einschnitte in die Lebensführung und damit der nachteiligen Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der [X.] ist nach Auffassung des Senats davon abhängig, ob der [X.] aus medizinischen Gründen nach Ort, [X.] oder Art und Weise festgelegt ist, mit einem Vernachlässigen der Maßnahmen gravierende gesundheitliche Folgen einhergehen können oder die Teilhabe am Leben in der [X.] in anderen Lebensbereichen wegen des zeitlichen Umfangs der Therapie erheblich beeinträchtigt wird. Je flexibler die Durchführung der notwendigen Therapie gehandhabt werden kann, desto geringer fällt die [X.]ntensität der Teilhabestörung aus. Dies gilt auch für den Fall, dass ein (gelegentliches) Aussetzen der Therapie keine gravierenden Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Betroffenen hat bzw durch andere Behandlungsmethoden selbstbestimmt kompensiert werden kann (zB Regulierung der [X.]nsulingabe).

[X.]m vorliegenden Fall ist insbesondere die Berücksichtigung von Sport bei der [X.] streitig. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist medizinisch notwendige sportliche Betätigung bei der Bemessung des GdB grundsätzlich nicht als [X.], der die Teilnahme am Leben in der [X.] beeinträchtigt, zu werten, wenn sie sich im Rahmen einer allgemein empfohlenen gesunden Lebensweise bewegt. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

Wenn sich der medizinisch notwendige [X.] seiner Art und Weise nach nicht als krankheitsspezifisch darstellt (zB [X.], [X.]nsulininjektionen), sondern allgemein einer gesunden Lebensweise entspricht (zB Ernährungsverhalten, körperliche Aktivität), ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine solche Lebensführung zumutbar in den Tagesablauf einbezogen und unter wertender Betrachtung nicht als nachteilige Auswirkung auf die Teilhabe am Leben in der [X.] des § 69 Abs 1 Satz 4 [X.] angesehen werden kann. [X.]nsoweit sind Menschen mit und ohne Behinderung in gleicher Weise dafür verantwortlich, durch eine gesunde Lebensweise den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden bzw ihre Folgen zu überwinden oder zu verringern (vgl zB § 1 Satz 2 SGB V; dazu auch [X.], [X.] 2009, 569, 574). [X.] sich der medizinisch notwendige [X.] in dem Rahmen dessen, was auch Menschen ohne Behinderung allgemein als gesunde Lebensweise empfohlen wird, kann er mithin im Allgemeinen nicht bei der Bemessung des GdB (hier von Diabetes mellitus) berücksichtigt werden. Diese Wertung entspricht auch der ausdrücklichen und in der Begründung zur [X.] zur Änderung der VersMedV vom [X.] wiedergegebenen Feststellung des "Ärztlichen Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin" ([X.] zu [X.] 2); danach soll eine gesunde Lebensführung - auch wenn sie zeitaufwändig realisiert wird - zu keiner Teilhabebeeinträchtigung führen.

Zur orientierenden Klärung der Abgrenzung eines bei der [X.] zu berücksichtigenden [X.]s von einer grundsätzlich nicht die Teilhabe beeinträchtigenden gesunden Lebensführung hat der Senat die Auskunft des [X.] vom 12.11.2010 eingeholt, der [X.] die evidenzbasierte Leitlinie der Deutschen Diabetes [X.] ([X.]) "Körperliche Aktivität und Diabetes mellitus" aus Oktober 2008, [X.]nformationen der Deutschen [X.] für Ernährung eV ([X.]) und das im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des [X.] im Juli 2005 erschienene Themenheft 26 "Körperliche Aktivität", herausgegeben vom Robert-Koch-[X.]nstitut (RK[X.]) in Zusammenarbeit mit dem Statistischen [X.]amt (abrufbar unter [X.]), beigelegen haben.

Körperliche Aktivität, also körperliche Bewegungen zur Anhebung des Energieverbrauchs über den Grundumsatz (vgl Gesundheitsberichterstattung des [X.], Themenheft 26, [X.]), gehört danach in besonderem Maße zu einer gesunden Lebensweise und hindert die Entwicklung unterschiedlicher gesundheitlicher Risikofaktoren (zB Bluthochdruck, Übergewicht). Sie fördert zugleich die körperliche Fitness und das physische und mentale Wohlbefinden und kann sich positiv auf andere gesundheitsrelevante Verhaltensmuster (zB Rauchen, Ernährung) auswirken. Dem Sport als Untergruppe der körperlichen Aktivität, für den insbesondere körperliche Leistung, Wettkampf und Spaß an der Bewegung typisch sind, werden zudem [X.] und allgemein stimmungsverbessernde Effekte zugeschrieben sowie weitere gesundheitsrelevante Wirkungen, wie zB die Stärkung des Selbstvertrauens (vgl Gesundheitsberichterstattung des [X.], Themenheft 26, [X.]). Als Anhaltspunkt für einen Erwachsenen allgemein empfohlene gesunde Lebensweise ist den Unterlagen zu entnehmen, dass moderate körperliche Aktivität (zB Radfahren, strammes Spazierengehen) mindestens 30 Minuten an den meisten, am besten allen Tagen der Woche ausgeübt werden sollte; für einen optimalen gesundheitlichen Nutzen sollten Erwachsene zusätzlich drei Ausdauertrainingseinheiten (Dauer 20 bis 60 Minuten je Einheit) und zwei kraft- und beweglichkeitsorientierte Trainingseinheiten je Woche ausüben (vgl Gesundheitsberichterstattung des [X.], Themenheft 26, S 13).

Die Bedeutung von Sport zur Gesundheitsvorsorge - im Besonderen für Menschen mit Behinderung - wird auch durch den Bericht der [X.]regierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe vom 16.12.2004 (BT-Drucks 15/4575) bestätigt. Danach nimmt Sport sowohl in der Rehabilitation als auch bei der Teilhabe von Menschen mit Behinderung eine herausragende Rolle ein. [X.]n der medizinischen Rehabilitation dient der Sport als Mittel, um die Teilhabe am Leben in der [X.] zu ermöglichen; Rehabilitationssport verfolgt insoweit das Ziel, Ausdauer und [X.] zu stärken, Koordinierung und Flexibilität zu verbessern und das Selbstbewusstsein der Rehabilitanden zu festigen (BT-Drucks 15/4575 S 39 f, 59). Aber auch bei der Gestaltung der Freizeit von Menschen mit Behinderung ist Sport - ggf mit einem Übergang vom Rehabilitations- zum Breitensport - unter integrativen Gesichtspunkten besonders wichtig und kann ein neues [X.] bei der Erbringung sportlicher Leistungen vermitteln (BT-Drucks 15/4575 [X.]). Die Doppelfunktion von Sport als Mittel der Rehabilitation bzw der Förderung einer unabhängigen Lebensführung und zugleich der Teilhabe am Leben in der [X.] kommt besonders beim Sport in der Gruppe zum Tragen (vgl auch § 44 Abs 1 [X.] 3 [X.]), gerade wenn Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam gleichberechtigt Sport treiben. [X.]nsbesondere die Sportart [X.] wird mittlerweile behinderungsspezifisch angeboten (vgl BT-Drucks 15/4575 [X.]).

Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten ist davon auszugehen, dass sportliche Betätigung, soweit sie zur Behandlung einer Krankheit medizinisch notwendig ist, in der Regel keine nachteiligen Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der [X.] des § 69 Abs 1 Satz 4 [X.] hat. Nur bei Hinzutreten besonders einschränkender Umstände kann im Einzelfall eine bei der Bemessung des GdB zu berücksichtigende Teilhabebeeinträchtigung angenommen werden, wenn die medizinisch notwendige sportliche Betätigung als Einschnitt in die Lebensführung die Gestaltung des Tagesablaufs in besonderem Maße prägt, weil sie zB aus medizinischen Gründen nach Ort, [X.] oder Art und Weise festgelegt ist oder ihrem Umfang nach erheblich über das Maß einer auch Menschen ohne Behinderung empfohlenen gesunden Lebensweise hinausgeht.

(4) Gemessen an diesen Kriterien kann aufgrund der derzeit vorliegenden Tatsachenfeststellungen des [X.] nicht abschließend beurteilt werden, inwiefern bei der Klägerin medizinisch notwendiger [X.] zu Einschnitten in ihrer Lebensführung und damit zu nachteiligen Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der [X.] des § 69 Abs 1 Satz 4 [X.] führt. [X.]m Hinblick auf die von der Klägerin betriebene sportliche Betätigung hat das [X.] festgestellt, dass die Klägerin "gehalten ist, täglich Sport zu treiben", sich "der hierfür betriebene Aufwand" auf "anderthalb Stunden am Tag" beläuft und der "Umstand, dass die Klägerin Sport in diesem Umfang betreibt, (...) unmittelbar zu dem Therapieerfolg" mit beiträgt. Diesen Feststellungen kann nicht mit hinreichender Klarheit entnommen werden, ob die von der Klägerin betriebene sportliche Betätigung von regelmäßig anderthalb Stunden [X.] je Tag nach Art und Umfang medizinisch notwendig ist. [X.]nsbesondere fragt sich, ob auch andere körperliche Aktivitäten und/oder geringere [X.]spannen in medizinischer Hinsicht ausreichen würden, um den angestrebten Therapieerfolg (stabilere Stoffwechsellage) zu erreichen. [X.]m Übrigen ist auch nicht festgestellt worden, inwieweit die sportliche Betätigung der Klägerin ihrem Umfang nach über das Maß einer allgemein empfohlenen gesunden Lebensweise hinausgeht. Zur Bewertung der nachteiligen Auswirkungen durch den sonstigen [X.] der Klägerin (Kontrolle der Blutzuckerwerte, [X.]nsulininjektionen sowie Einhaltung einer "starren" Diät) fehlt es an berufungsgerichtlichen Feststellungen dazu, inwieweit damit Einschnitte in die Lebensführung, insbesondere bei der Gestaltung des Tagesablaufs, verbunden sind. Hingegen ist nicht - wie das [X.] annimmt - darauf abzustellen, ob dieser [X.] "regelmäßig Diabetiker unter [X.]nsulintherapie" trifft.

5. Da nach alledem offen ist, ob bei der Klägerin neben dem Einzel-GdB von 20 für die Sehbehinderung ein Einzel-GdB von 30 oder 40 für den Diabetes mellitus anzusetzen ist, kann auch die vom [X.] vorgenommene Bildung eines [X.] von 50 keinen Bestand haben. Denn Einzel-GdB von 20 und 30 würden grundsätzlich nicht ausreichen, um einen GdB von 50 anzunehmen.

Die danach noch fehlenden Tatsachenfeststellungen kann der erkennende Senat im Revisionsverfahren nicht nachholen (vgl § 163 [X.]). Daher ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (vgl § 170 Abs 2 Satz 2 [X.]).

Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 9 SB 3/09 R

02.12.2010

Bundessozialgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Berlin, 25. September 2007, Az: S 44 SB 2980/06, Urteil

§ 69 Abs 1 S 4 SGB 9, § 69 Abs 3 S 1 SGB 9, § 30 Abs 1 BVG, § 30 Abs 17 BVG, Anlage Teil B Nr 15 VersMedV vom 14.07.2010, Anlage Teil B Nr 15 VersMedV vom 10.12.2008

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 02.12.2010, Az. B 9 SB 3/09 R (REWIS RS 2010, 848)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 848

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