Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2017, Az. V ZB 110/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17120

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:190117BVZB110.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]/16
vom

19. Januar
2017

in der Abschiebungshaftsache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 62 Abs. 4 Satz 2
Die [X.] darf über die Dauer von sechs Monaten hinaus verlän-gert werden, wenn der Ausländer wechselnde und widersprüchliche Anga-ben über seine Herkunft und Identität macht und dieses Verhalten ursäch-lich dafür ist, dass seine Abschiebung nicht innerhalb von sechs Monaten durchgeführt werden kann.
[X.], Beschluss vom 19. Januar 2017 -
V [X.]/16 -
LG Traunstein

AG [X.] a. Inn

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 19. Januar
2017
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterin Weinland
und
die Richter Dr.
Kazele, Dr.
Göbel und Dr.
Hamdorf

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 6. Juli 2016 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

.

Gründe:

I.

Der Betroffene reiste im Mai 2014 unerlaubt in die [X.] ein und stellte unter falschem Namen und der Angabe, [X.] Staatsangehöriger zu sein, einen Asylantrag. Das [X.] lehnte den Antrag im September 2015 als offensichtlich unbegründet ab. Nach eige-nen Angaben reiste der Betroffene daraufhin nach [X.] und stellte dort unter einem weiteren falschen Namen einen Asylantrag, wobei er sich als liby-scher Staatsangehöriger ausgab. Am 27. Dezember 2015 reiste der Betroffene erneut unerlaubt nach [X.] ein und gab unter Angabe wiederum ande-rer Personalien an, [X.] Staatsangehöriger zu sein.
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Mit Beschluss vom 28. Dezember 2015 ordnete das Amtsgericht Rosen-heim Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen nach [X.] bis längstens 24.
Juni
2016 an. Das [X.] wies die Beschwerde des Be-troffenen nach Anhörung mit Beschluss vom 1. Februar 2016 zurück. Seine ge-gen diesen Beschluss eingelegte Rechtsbeschwerde ist ohne Erfolg geblieben (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2016 -
V [X.], juris).

Mit Beschluss vom 23. Juni 2016 hat das Amtsgericht [X.] am Inn nach erneuter Anhörung des Betroffenen die Haft zur Sicherung der [X.] bis längstens 15. Juli 2016 verlängert. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbe-schwerde beantragt der Betroffene die Aufhebung der Beschwerdeentschei-dung und die Feststellung, dass der Beschluss des Amtsgerichts ihn in seinen Rechten verletzt hat. Die beteiligte Behörde hält die Rechtsbeschwerde für un-begründet.

II.

Nach Ansicht des [X.] besteht der Haftgrund der [X.] gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5, § 2 Abs. 14 Nr. 2, 3 und 5 [X.], da der Betroffene zum Zwecke der Verhinderung seiner Abschiebung versuche, über seine Identität zu täuschen, und er zudem nicht bereit sei, sich einer Über-stellung nach [X.] freiwillig zu stellen. Der Betroffene habe es selbst zu vertreten, dass die Haft vorliegend über drei Monate hinausgehe, weil er seine Abschiebung verhindere.
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III.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet, da die Voraussetzun-gen für eine Verlängerung der [X.] über sechs Monate hinaus nach § 62 Abs. 4 Satz 2 [X.] vorlagen.

1. Die [X.] darf über die Dauer von sechs Monaten hinaus verlängert werden, wenn der Ausländer wechselnde und widersprüchliche An-gaben über seine Herkunft und Identität macht und dieses Verhalten ursächlich dafür ist, dass seine Abschiebung nicht innerhalb von sechs Monaten durchge-führt werden kann.

a) Die Vorschrift des § 62 [X.] enthält im Hinblick die zulässige Haftdauer eine abgestufte Regelung. § 62 Abs. 3 Satz 3 [X.] lässt erken-nen, dass Abschiebungshaft in der Regel nicht länger als drei Monate dauern soll (Senat, Beschluss vom 9. Februar 2012 -
V [X.], juris Rn. 27).

Eine über diesen Zeitraum hinausgehende Haftanordnung bis zu sechs Monaten ist zulässig, wenn aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen die Abschiebung erst nach mehr als drei Monaten durchgeführt werden kann (§
62 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 [X.]). Zu vertreten hat der Ausländer nicht nur solche Umstände, die für die Behebung des Abschiebungshindernis-ses von Bedeutung sein können, sondern auch Gründe, die -
von ihm zure-chenbar veranlasst -
dazu geführt haben, dass ein Hindernis für seine [X.] überhaupt erst entstanden ist, etwa indem er seinen Pass weggegeben hat (vgl. Senat, Beschluss vom 25.
März
2010 -
V [X.] 9/10, NVwZ 2010, 1175 Rn. 20; Beschluss vom 11.
Juli
1996 -
V [X.], [X.]Z 133, 235, 238).

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Über sechs Monate hinaus -
bis maximal 18 Monate -
kann die Haft nur ausnahmsweise verlängert werden (vgl. [X.]. 11/6321, [X.]), nämlich nur in den Fällen, in denen der Ausländer seine Abschiebung verhindert (§ 62 Abs. 4 Satz 2 [X.]).

b) Ein Verhindern im Sinne des § 62 Abs. 4 Satz 2 [X.] liegt vor, wenn ein von dem Willen des Ausländers abhängiges pflichtwidriges Verhalten ursächlich dafür ist, dass die Abschiebung nicht erfolgen konnte. Erforderlich ist, dass das für die Abschiebung bestehende Hindernis auf [X.] des [X.] zurückgeht, zu dessen Unterlassen er verpflichtet ist, oder auf ein [X.] trotz bestehender Verpflichtung zu [X.] (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 -
V [X.] 2/10, juris Rn. 13). Ein vor seiner Einreise in die Bun-desrepublik [X.] liegendes Verhalten des Ausländers genügt aber nicht (vgl. KG, [X.] 2000, 83, 84; BayObLG, Beschluss vom 16. September 2004, [X.], juris Rn. 11; [X.], InfAuslR
1998, 112, 113 f.). Es [X.] vielmehr eines Verhaltens, mit dem der Ausländer eine -
etwa aufgrund der Anordnung, [X.] zu verlassen (vgl. Senat, Beschluss vom 11.
Juli
1996 -
V [X.], [X.]Z 133, 235, 239) -
sich bereits konkretisierende Abschiebung zu vereiteln oder zu erschweren versucht. Nur wenn das Verhalten des Auslän-ders einen Bezug zu einer konkret zu erwartenden und sich bereits abzeich-nenden Abschiebung aufweist, ist es geeignet, die ausnahmsweise Verlänge-rung der Haft über sechs Monate hinaus zu begründen.

Damit
ist zwar schlichte Einreise ohne die erforderlichen Einreisedoku-mente nicht als Verhinderung anzusehen (Senat, Beschluss vom 13.
Oktober
2011 -
V [X.], juris Rn. 8). Eine solche kann aber darin lie-gen, dass der Ausländer falsche Angaben über seine Identität macht (Senat, Beschluss vom 13. Oktober 2011 -
V [X.], juris Rn. 8; Beschluss vom 25.
März 2010 -
V [X.] 9/10, NVwZ 2010, 1175 Rn.
20).
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Schließlich muss das Verhinderungsverhalten ursächlich dafür sein, dass der Ausländer bisher nicht abgeschoben werden konnte (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Oktober 2011 -
V [X.], juris Rn. 9). Ergibt sich, dass die Ab-schiebung (z.B. wegen zögerlicher Bearbeitung der Heimatbehörden) auch oh-ne das Verhinderungsverhalten des Ausländers nicht innerhalb der ersten sechs Monate möglich gewesen wäre, ist dieses nicht ursächlich für die [X.] (BayObLG, Beschluss vom 16. September 2004, [X.], juris Rn.
13; vgl. zum Ganzen auch Senat, Beschluss vom 19. Januar 2017
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V [X.], juris).
Dies bedeutet aber nicht, dass -
wie die Rechtsbeschwerde meint -
die Verlängerung der [X.] über sechs Monate hinaus nur auf nachträgliche Umstände gestützt werden
kann, nicht aber auf Umstände, die bereits bei der
ursprünglichen
Haftanordnung berücksichtigt worden sind.
Aus dem in § 62 [X.] angelegten Stufenverhältnis der möglichen Haftdauer folgt nicht, dass sich die für eine Anorr-e
Verlängerung der Haft nicht mehr rechtfertigen könnten.

2.
Gemessen daran bejaht
das Beschwerdegericht auf der Grundlage der von ihm festgestellten Tatsachen zu Recht das Vorliegen einer Verhinde-rung der Abschiebung durch den Betroffenen.

Nach den Feststellungen des [X.] verfügt der Betroffene über keine Identitätspapiere bzw. macht fortlaufend wechselnde und wider-sprüchliche Angaben darüber, wo sich diese befinden. Er hat bereits mehrfach wechselnde Personalien verwendet, wobei er jeweils unterschiedliche Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit und zu seinem Alter machte, und ist nicht bereit, an einer Passbeschaffung mitzuwirken. Das Beschwerdegericht ist aufgrund des
ständig wechselnden [X.] des Betroffenen rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser versucht hat, über seine Identität zu täu-12
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schen, und dass daher auf der Grundlage der vorliegenden Dokumente eine Überprüfung durch die Behörden in [X.] erforderlich war, was zu einer er-heblichen Verfahrensverzögerung führte.

Nach den mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] waren die wechselnden und widersprüchlichen Anga-ben des Betroffenen auch ursächlich dafür, dass die Abschiebung weder [X.], noch innerhalb von sechs Monaten durchgeführt werden konnte.

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Stresemann
Weinland
Kazele

Göbel
Hamdorf
Vorinstanzen:
AG [X.] a.
Inn, Entscheidung vom 23.06.2016 -
3 [X.] (B) -

LG Traunstein, Entscheidung vom 06.07.2016 -
4 [X.] -

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Meta

V ZB 110/16

19.01.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2017, Az. V ZB 110/16 (REWIS RS 2017, 17120)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17120

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Unbegründete Beschwerde gegen die Verlängerung der Abschiebehaft


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V ZB 110/16

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V ZB 99/16

4 T 2269/16

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