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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 87/11
vom
25. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
wegen
Vergewaltigung u.a.
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Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung
des Generalbun-desanwalts und des Beschwerdeführers am 25. Mai 2011 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Oktober 2010 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die
Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückver-wiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexueller
Nötigung in zwei Fällen, Vergewaltigung und versuchter Nötigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in der Siche-rungsverwahrung angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrü-ge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das [X.] hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensrüge, mit welcher die Ablehnung von Beweisanträgen auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens hinsichtlich der Nebenklägerin sowie eines aussagepsychologischen Gutachtens zur Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin beanstandet wird, ist nicht 1
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zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Zur Begründung seines Beweis-begehrens hat
sich der Verteidiger des Angeklagten in dem in der [X.] am 25. August 2010 gestellten Beweisantrag auf die von der Zeugin F.
übergebenen Krankenunterlagen und in dem [X.] vom 12. Oktober 2010
u.a. auf den Inhalt der polizeilichen Vernehmungen der Nebenklägerin am 27. Januar und 9. Februar 2010 bezogen. Die Revision ver-säumt es, den Inhalt der Krankenunterlagen sowie der Protokolle der beiden polizeilichen Vernehmungen vollständig mitzuteilen.
2. Der [X.] kann nicht bestehen bleiben. Die auf § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB aF gestützte Anordnung der Sicherungsverwahrung hält einer rechtlichen Prüfung schon deshalb nicht stand, weil die Urteilsgründe eine Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nicht erkennen lassen.
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB aF liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, dessen Entschei-dung einer revisionsgerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugänglich ist. Um eine Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf Ermessensfehler durch das Revisionsgericht zu ermöglichen, müssen die Urteilsgründe sowohl erken-nen lassen, dass sich der Tatrichter seiner Entscheidungsbefugnis bewusst war, als auch nachvollziehbar darlegen, aus welchen Gründen er von ihr in [X.] bestimmten Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15.
Oktober 2009 -
5 [X.], [X.], 43; vom 21. August 2003
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3 StR 251/03,
NStZ-RR 2004, 12; Urteil vom 9. Juni 1999 -
3 [X.], [X.], 473; vgl. auch Urteil vom 3. Februar 2011 -
3 [X.]/10
Rn 13
zu § 66 Abs.
2 StGB aF). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die [X.] beschränken sich allein darauf, die formellen und [X.] Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB aF festzustellen. Ihnen ist weder zu entnehmen, dass die [X.] ihr Ermessen überhaupt betä-3
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tigt hat, noch legen sie die für eine möglicherweise getroffene Ermessensent-scheidung maßgeblich gewesenen Erwägungen näher dar.
3. Für die neuerliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungs-verwahrung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Das Merkmal "Hang" im Sinne des
§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nF) verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des [X.], der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. [X.] ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest
eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegen-heit bietet, ebenso wie derjenige, der [X.] ist und aus innerer [X.] nicht zu widerstehen vermag (st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteil vom 10. Juni 2010 -
4 [X.], [X.], 143, 145). Der Hang als "eingeschliffenes Verhaltensmuster", bei dem es sich um einen Rechtsbegriff handelt, der als solcher dem [X.] nicht zugänglich ist ([X.], Beschluss vom 12. Januar 2010 -
3 [X.], [X.], 586), [X.] einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestell-ten gegenwärtigen Zustand. Seine Feststellung obliegt -
nach sachverständiger Beratung -
unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des [X.] und seiner Taten maßgeblichen Umstände dem Rich-ter in eigener Verantwortung ([X.], Beschluss vom 30. März 2010 -
3 [X.], [X.], 484; Urteile vom 15. Februar 2011 -
1 StR 645/10 Rn. 5; vom 17. Dezember 2009 -
3 StR 399/09).
b) [X.]eigenschaft und Gefährlichkeit für die Allgemeinheit sind keine identischen Merkmale. Das Gesetz differenziert zwischen beiden Begrif-fen sowohl in § 66 Abs. 1 Nr. 3 aF (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nF) als auch in § 67d Abs. 3 StGB aF. Der Hang ist nur ein wesentliches Kriterium der Prog-5
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nose. Während der Hang einen aufgrund
umfassender Vergangenheitsbetrach-tung festgestellten gegenwärtigen Zustand bezeichnet, schätzt die Gefährlich-keitsprognose die Wahrscheinlichkeit dafür ein, ob sich der Täter in Zukunft trotz seines Hanges erheblichen Straftaten enthalten kann oder nicht ([X.], Urteil vom 8. Juli 2005 -
2 [X.], [X.]St 50, 188, 196; Beschluss vom 30.
März 2010 -
3 [X.] aaO; Urteil vom 15. Februar 2011 -
1 StR 645/10 Rn. 7).
c) Bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung der Siche-rungsverwahrung nach § 66 Abs. 3
Satz 1 StGB aF wird die nunmehr zur Ent-scheidung berufene [X.] die Anforderungen zu beachten haben, die das [X.] in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 -
2 BvR 2365/09 -
für die befristete
weitere Anwendung dieser Norm aufgestellt hat (vgl. Rn. 172 der Entscheidung).
Ernemann Ri[X.] Dr. [X.] ist Mutzbauer
erkrankt und daher gehindert
zu unterschreiben.
Ernemann
Bender Quentin
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Meta
25.05.2011
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.05.2011, Az. 4 StR 87/11 (REWIS RS 2011, 6263)
Papierfundstellen: REWIS RS 2011, 6263
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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