Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.12.2015, Az. VII R 55/13

7. Senat | REWIS RS 2015, 1511

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Gegenstand

Luftverkehrsteuerbescheide unionsrechtskonform


Leitsatz

Die Luftverkehrsteuer ist nicht nur nach nationalem Recht, sondern auch nach Art. 1 RL 2008/118/EG keine Verbrauchsteuer. Etwaige Verstöße der im LuftVStG geregelten Begünstigungen gegen das unionsrechtliche Beihilfeverbot (Art. 107 Abs. 1 AEUV) oder der Verpflichtung zur Bestellung eines steuerlichen Beauftragten gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) bzw. das allgemeine Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) führen nicht zur Aufhebung eines Luftverkehrsteuerbescheids.

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des [X.] vom 16. Mai 2013  1 K 1074/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Klägerinnen zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin zu 1.) ist ein in der [X.] ansässiges Luftfahrtunternehmen. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 2. (Klägerin zu 2.) ist die inländische steuerliche Beauftragte der Klägerin zu 1. (§ 7 Abs. 2 Satz 3 des [X.]gesetzes i.d.F. vom 9. Dezember 2010, [X.], 1885 --LuftVStG-- i.V.m. § 8 LuftVStG). Beide Klägerinnen erhoben gegen die als Steuerbescheid geltende [X.]anmeldung für den Monat Januar 2011 Sprungklage mit dem Ziel, diesen Bescheid aufzuheben bzw. das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der [X.] ([X.]) Fragen zur Unionsrechtskonformität des LuftVStG vorzulegen.

2

Mit Urteil vom 16. Mai 2013  1 K 1074/11 (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2014, Beilage Nr. 2, 24) wies das Finanzgericht ([X.]) die Klage als unbegründet ab. Das LuftVStG sei formell und materiell verfassungskonform. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] scheide aus, da das LuftVStG darüber hinaus unionsrechtskonform sei. Die [X.] sei weder als Verbrauchsteuer zu qualifizieren noch verstießen die Regelungen über den steuerlichen Beauftragten gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]) oder gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot gemäß Art. 18 [X.]. Auch ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Beihilfeverbot gemäß Art. 107 Abs. 1 [X.] liege nicht vor. Im Übrigen könne ein solcher Verstoß nicht im hiesigen Klageverfahren geltend gemacht werden.

3

Mit ihrer Revision machen die Klägerinnen insbesondere einen Verstoß des LuftVStG gegen Unionsrecht geltend.

4

Zum einen sei die [X.] eine Verbrauchsteuer i.S. des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/[X.] (VStSystRL) des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der [X.] (Amtsblatt der [X.] --[X.]-- 2009 Nr. L 9/12). Hierfür sei kein direkt proportionaler Zusammenhang mit der verbrauchten Menge der zu besteuernden Ware erforderlich. Vielmehr reiche es aus, dass das LuftVStG wegen der Staffelung nach Ländergruppen materiell bzw. mittelbar an den Verbrauch von [X.]stoff für die Luftfahrt knüpfe. Dem entsprechend habe die [X.] auch die mit der [X.] vergleichbare [X.] "[X.]" als Verbrauchsteuer bezeichnet. Die verdeckte Besteuerung von Flugbenzin durch das LuftVStG sei nicht mit Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/[X.] (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen [X.] zur Besteuerung von [X.] und elektrischem Strom ([X.] Nr. L 283/51) vereinbar, der eine zwingende Steuerbefreiung für Flugbenzin vorsehe. Eine Anwendung des Art. 1 Abs. 2 bzw. 3 VStSystRL komme nicht in Betracht.

5

Zum anderen führe das LuftVStG zu unzulässigen Beihilfen i.S. des Art. 107 Abs. 1 [X.]. Dies gelte für die Verschonung der Luftfracht und der Rundfluganbieter sowie für das [X.] gemäß § 2 Nr. 4 und 5 LuftVStG und die aus der Ausgestaltung des Steuersatzes folgende Begünstigung von Fluggesellschaften, die überwiegend Flüge im oberen Preissegment anbieten. Hinsichtlich des [X.]s verweisen die Klägerinnen insbesondere auf die vom Gericht der [X.] zur [X.]n "[X.]" geäußerten Bedenken (Urteil [X.]/[X.] vom 25. November 2014 [X.]/11, [X.]:[X.]). Das daraus folgende Durchführungsverbot gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 [X.] sei durch die Aufhebung des Steuerbescheids umzusetzen.

6

Des Weiteren verstießen die Regelungen über den steuerlichen Beauftragten gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 [X.] und das allgemeine Diskriminierungsverbot gemäß Art. 18 [X.], soweit sie bis zu den mit Wirkung zum 1. Januar 2013 in [X.] getretenen Gesetzesänderungen auch bei einem Sitz des [X.] in einem anderen Mitgliedsstaat der [X.] Anwendung fanden. Es handele sich um eine offene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sei. Insbesondere genüge hierfür nicht das Ziel, Steuerausfälle zu vermeiden. Die fehlende Rechtfertigung sei auch entscheidungserheblich, da die Verletzung der Dienstleistungsfreiheit die Nichtanwendung des LuftVStG zur Folge haben müsse. Entgegen der Auffassung des [X.] führe die freiwillige Bestellung als steuerliche Beauftragte im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis.

7

Schließlich lägen auch ein Verstoß gegen Art. 15 Abs. 2 Satz 3 des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944 ([X.]) sowie ein Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. c des [X.] vom 25. April 2007 zwischen der [X.] und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie den [X.] andererseits ("Open-Skies"-Abkommen, [X.] Nr. L 134/4) vor.

8

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) schließt sich der Begründung des [X.] an und macht darüber hinaus geltend, dass eine Rechtswidrigkeit der Vorschriften über die Bestellung eines steuerlichen Beauftragten keinen Einfluss auf die Steuerpflicht nach dem LuftVStG habe. Dies gelte auch für die im Streitfall klagende steuerliche Beauftragte, da diese sich freiwillig zur Verfügung gestellt habe. Im Übrigen habe sie weder einen Haftungsschaden noch einen anderen finanziellen Schaden dargelegt. Des Weiteren seien die angegriffenen Regelungen erst mit Ablauf der Umsetzungsfristen der Richtlinie 2011/16/[X.] ([X.]) des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/[X.] ([X.] Nr. L 64/1) und der Richtlinie 2010/24/[X.] ([X.]-BeitreibungsRL) des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen ([X.] Nr. L 84/1) rechtswidrig geworden, da die [X.] vorher nicht von diesen Regelungen erfasst gewesen sei. Sobald die Umsetzungsfristen der novellierten Fassungen der [X.] und der [X.]-BeitreibungsRL abgelaufen seien, habe der Gesetzgeber die Regelungen zur Bestellung eines steuerlichen Beauftragten an die neue unionsrechtliche Rechtslage angepasst. Das von den Klägerinnen angeführte [X.] stelle einfaches Bundesrecht dar, so dass der Gesetzgeber hierüber verfügen könne. Im Übrigen seien keine Steuern erfasst. Das "Open-Skies"-Abkommen sei bereits nicht anwendbar, weil es nur Steuern auf Treibstoff verbiete.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 [X.]O). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die als Steuerbescheid wirkende Anmeldung zur [X.] vom 10. Februar 2011 für den Monat Januar 2011 rechtmäßig ist.

1. Das [X.] ist zunächst zutreffend von der formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit des [X.] ausgegangen. Dies folgt aus dem Urteil des [X.] ([X.]) vom 5. November 2014  1 [X.] ([X.], 1764, [X.]E 137, 350).

2. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist das [X.]G darüber hinaus auch unionsrechtskonform.

a) Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 Buchst. [X.] (zwingende Steuerbefreiung für [X.] KN-[X.]ode 2710 19 21 bei Verwendung als [X.] für die gewerbliche Luftfahrt) entfällt bereits, weil es sich bei der [X.] unionsrechtlich nicht um eine Verbrauchsteuer i.S. des Art. 1 Abs. 1 VStSystRL handelt, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch eines Energieerzeugnisses i.S. der EnergieStRL erhoben wird.

Zwar hat der [X.] in seinem Urteil [X.] vom 10. Juni 1999 [X.]/97 ([X.]:[X.], [X.] 1999, 341) hinsichtlich der [X.] Umweltsteuer auf den Inlandsflugverkehr aus dem [X.] entschieden, ein Verstoß gegen die [X.]/[X.] liege vor, wenn eine solche Umweltschutzabgabe nach den Angaben über den [X.]verbrauch sowie über die [X.] und Stickstoffmonoxidemissionen der betreffenden Flugzeugtypen auf einer durchschnittlichen Flugstrecke berechnet werde. Hintergrund war aber die Feststellung des [X.], dass ein unmittelbarer, untrennbarer Zusammenhang zwischen dem [X.]verbrauch und den genannten Schadstoffen bestehe, so dass die streitige Abgabe insgesamt auf den Verbrauch von [X.] selbst erhoben anzusehen sei. Auch die von Art. 1 Abs. 1 VStSystRL erfasste Variante der mittelbaren Erhebung der Steuer auf den Verbrauch eines Energieerzeugnisses setzt also einen Anknüpfungspunkt voraus, der seinerseits in einem proportionalen Verhältnis zur verbrauchten Menge des Energieerzeugnisses steht.

Diese Auslegung des Art. 1 Abs. 1 VStSystRL wird durch Art. 4 Abs. 2 EnergieStRL bestätigt, nach dem die EnergieStRL (nur) die Gesamtheit derjenigen indirekten Steuern erfasst, die direkt oder indirekt anhand der Menge an [X.] und elektrischem Strom berechnet werden. Eine weitere Bestätigung folgt aus dem Urteil des [X.] Kernkraftwerke Lippe-Ems, [X.] vom 4. Juni 2015 [X.] ([X.]:[X.]:2015:354, [X.] 2015, 189) zum [X.] Kernbrennstoffsteuergesetz. Der [X.] verneint in dieser Entscheidung einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 VStSystRL mit dem Hinweis, es bestehe kein unmittelbarer und untrennbarer Zusammenhang zwischen der von der Besteuerung erfassten Verwendung von Kernbrennstoff und dem Verbrauch des vom Reaktor erzeugten Stroms. Die Steuer werde weder direkt noch indirekt anhand der Menge des elektrischen Stroms i.S. des Art. 4 Abs. 2 EnergieStRL berechnet.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, dass die [X.] weder unter Art. 1 Abs. 1 VStSystRL noch unter die EnergieStRL fällt. Denn die [X.] wird weder unmittelbar noch mittelbar auf den Verbrauch von [X.] erhoben, sondern setzt gemäß § 1 Abs. 1 [X.]G an dem Rechtsvorgang an, der zum Abflug eines Fluggastes mit einem Flugzeug oder Drehflügler berechtigt. Zwar ist sie durch die Einteilung in [X.] (§ 11 Abs. 1 [X.]G) grundsätzlich nach den Entfernungen zum Zielort und damit nach einem den [X.]verbrauch beeinflussenden Kriterium gestaffelt und jeder Fluggast führt auch zu einer Erhöhung des Gewichts und damit zu einer Erhöhung des benötigten [X.]s. Die Höhe der Steuer ist im Ergebnis aber trotzdem nicht von der Höhe des verbrauchten [X.]s unmittelbar oder mittelbar abhängig, da zahlreiche weitere für den [X.]verbrauch maßgebliche Faktoren unberücksichtigt bleiben. Dies gilt insbesondere für den Flugzeugtyp sowie für die Auslastung des Flugzeugs. Außerdem fällt die [X.] unabhängig davon an, ob überhaupt ein [X.] i.S. der EnergieStRL verwendet wird. So wären beispielsweise auch Flugzeuge mit Solarantrieb erfasst. Dass die [X.] im [X.] als ein "Ersatz für eine national nicht einzuführende Besteuerung von Flugbenzin" bezeichnet worden ist, führt zu keiner Änderung. Vielmehr wird daraus deutlich, dass eine (unzulässige) Besteuerung des [X.]s gerade nicht gewollt war. Darauf nimmt auch die [X.] in Rz 64 ihrer beihilferechtlichen Entscheidung vom 19. Dezember 2012 [X.] (2012) 9451 Bezug, in der sie im Übrigen die Auffassung des Senats zur fehlenden Proportionalität zwischen der Fluggastzahl und dem [X.]verbrauch teilt.

Darüber hinaus liegt keine andere indirekte Steuer gemäß Art. 1 Abs. 2 VStSystRL vor, die für besondere Zwecke auf ein Energieerzeugnis i.S. der EnergieStRL erhoben wird. Denn die [X.] ist zwar eine indirekte Steuer, aber nicht --wie Art. 1 Abs. 2 VStSystRL ebenfalls voraussetzt-- auf eine verbrauchsteuerpflichtige Ware i.S. des Art. 1 Abs. 1 VStSystRL. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1 VStSystRL Bezug genommen. Damit kann offen bleiben, ob sich der Gesetzgeber bei Einführung einer anderen indirekten Steuer auf [X.] darauf berufen könnte, dass die Steuerbefreiungen der EnergieStRL gemäß Art. 1 Abs. 2 VStSystRL unberücksichtigt bleiben können, oder ob eine solche Steuer auf Grundlage des [X.]-Urteils [X.] ([X.]:[X.], [X.] 1999, 341) von vorneherein ausgeschlossen wäre, weil bei einem nach der EnergieStRL steuerbefreiten Energieerzeugnis ein Rückgriff auf Art. 1 Abs. 2 VStSystRL ausscheidet.

Ob die [X.] unter Art. 1 Abs. 3 VStSystRL fällt (vgl. auch Rz 50 f. der beihilferechtlichen Entscheidung der [X.] vom 19. Dezember 2012 [X.] (2012) 9451, wonach die [X.] an eine Tätigkeit und nicht an eine Ware oder Dienstleistung geknüpft ist), kann ebenfalls offen bleiben, da sie jedenfalls keine mit dem Grenzübertritt verbundenen Formalitäten nach sich zieht und damit die Restriktionen des Art. 1 Abs. 3 VStSystRL beachtet. Denn Sinn und Zweck ist nach dem Erwägungsgrund 5 der VStSystRL allein der freie Warenverkehr. Dieser wird durch die von den Klägerinnen gerügten [X.] gemäß § 7 Abs. 2 [X.]G nicht berührt.

b) Die Klägerinnen können sich auch nicht auf das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 A[X.]V berufen.

Zunächst ist festzustellen, dass es den mitgliedstaatlichen Gerichten grundsätzlich nicht obliegt zu entscheiden, ob eine Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 A[X.]V mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ausschließlich die [X.] für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen oder einer Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt zuständig ([X.]-Urteile Lucchini vom 18. Juli 2007 [X.]-119/05, [X.]:[X.]:2007:434 und [X.] vom 22. März 1977 Rs. 78/76, [X.]:[X.]:1977:52, Rz 9). [X.] ist das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 A[X.]V, das weder absolut noch unbedingt ist, nicht unmittelbar anwendbar (Urteil des [X.] vom 31. Juli 2013 I R 82/12, [X.], 180, [X.], 123; Senatsbeschluss vom 25. November 2014 VII B 65/14, [X.], 182, [X.], 207).

Sofern es --wie im [X.] um Maßnahmen zur Umsetzung des Durchführungsverbots gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 A[X.]V geht und die [X.] noch kein förmliches Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 A[X.]V eröffnet hat, müssen die nationalen Gerichte den [X.] allerdings selbst auslegen und anwenden, um zu bestimmen, ob die [X.] von diesen Maßnahmen hätte unterrichtet werden müssen ([X.]-Urteil [X.] vom 21. November 2013 [X.]-284/12, [X.]:[X.]:2013:755, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2013, 3771).

Trotzdem kommt es im Streitfall nicht darauf an, ob bzw. inwieweit das [X.]G zu unionsrechtswidrigen Beihilfen i.S. des Art. 107 Abs. 1 A[X.]V führt und welche konkreten gerichtlichen Maßnahmen deshalb im Rahmen des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 A[X.]V ergriffen werden können. Denn das [X.] hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des [X.] die etwaige Rechtswidrigkeit einer Steuerbefreiung wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Beihilfeverbot nicht die Rechtmäßigkeit der Steuer selbst berühren kann. Unternehmen, die diese Steuer zu entrichten haben, können sich vor den nationalen Gerichten nicht auf die Rechtswidrigkeit einer anderen Unternehmen gewährten Steuerbefreiung berufen, um sich der Entrichtung dieser Steuer zu entziehen oder deren Erstattung zu erwirken (Urteile des [X.] [X.] vom 15. Juni 2006 [X.]-393/04 und [X.]-41/05, [X.]:[X.]:2006:403 und Finanzamt [X.] vom 6. Oktober 2015 [X.]-66/14, [X.]:[X.]:2015:661). Entsprechendes muss gelten, wenn das nationale Steuergesetz keine Steuerbefreiung vorsieht, sondern von vorneherein den Steuertatbestand beschränkt bzw. eine einheitlich erhobene Steuer bei Steuerpflichtigen, die unterschiedliche Geschäftsmodelle haben, zu unterschiedlichen Belastungswirkungen führt.

Die vom [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.]:2006:403) entwickelten Voraussetzungen für eine Ausnahme von diesen Grundsätzen liegen im Streitfall nicht vor. Die [X.] und die streitigen Begünstigungen sind keinesfalls integraler Bestandteil einer etwaigen Beihilfemaßnahme, da zwischen ihnen kein zwingender Verwendungszusammenhang besteht, d.h. das Aufkommen aus der [X.] wird nicht zur Finanzierung der Begünstigungen verwendet. Darüber hinaus liegt der Streitfall anders als der im Urteil des [X.] Laboratoires Boiron vom 7. September 2006 [X.]-526/04 ([X.]:[X.]:2006:528). Diese Entscheidung betraf den Sonderfall zweier direkt miteinander konkurrierender Gruppen von Wettbewerbern, von denen (nur) eine Gruppe mit einer Direktverkaufsabgabe belegt worden war, um zwischen beiden Gruppen gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Dem entsprechend betonte der [X.], dass die Abgabe und die etwaige Beihilfemaßnahme untrennbare Bestandteile ein- und derselben fiskalischen Maßnahme seien. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor, und zwar nicht nur hinsichtlich der Verschonung von Luftfrachtunternehmen und Rundfluganbietern sowie hinsichtlich etwaiger Belastungsunterschiede in Abhängigkeit von dem gewählten Geschäftsmodell, sondern auch hinsichtlich des [X.] des § 2 Nr. 4 und 5 [X.]G. Dies folgt bereits daraus, dass die [X.] nicht zur Begünstigung eines anderen Wettbewerbers, sondern zur Gewinnung von Staatseinnahmen und zur Einbeziehung des Flugverkehrs in eine ökologisch orientierte Mobilitätsbesteuerung erhoben wird (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 1764, [X.]E 137, 350 unter Verweis auf BTDrucks 17/3030, S. 36).

Die Klägerinnen können sich auch nicht mit Erfolg auf das [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.]:2013:755, NJW 2013, 3771) berufen. Denn im Gegensatz zum Streitfall ging es dort nicht darum, das von einer etwaigen Beihilfe nicht begünstigte Unternehmen von seinen Belastungen zu befreien, sondern um Maßnahmen der nationalen Gerichte gegenüber dem begünstigten Unternehmen.

c) Ein etwaiger Verstoß des [X.]G gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 A[X.]V oder das allgemeine Diskriminierungsverbot gemäß Art. 18 A[X.]V aufgrund der Anknüpfung der Verpflichtung zur Benennung eines steuerlichen Beauftragten gemäß § 8 [X.]G an Luftverkehrsunternehmen, die keinen Sitz im Inland haben (§ 7 Abs. 2 Satz 3 [X.]G in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung), und die damit im Zusammenhang stehende Haftung des Eigentümers oder Halters des Luftfahrzeugs gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.]G sowie die Steuerschuldnerschaft des steuerlichen Beauftragten gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 [X.]G führt ebenfalls nicht zu einem Erfolg der Klage.

Hinsichtlich der Klägerin zu 1. folgt dies bereits daraus, dass die Höhe der Steuerschuld nicht von der Bestellung eines steuerlichen Beauftragten abhängt. Etwaige zusätzliche Belastungen aufgrund der Verpflichtung zur Bestellung eines steuerlichen Beauftragten können nicht im Verfahren gegen den streitigen Steuerbescheid geltend gemacht werden.

Dagegen wäre die Klägerin zu 2. ohne die Bestellung als steuerliche Beauftragte keine zusätzliche Steuerschuldnerin gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 [X.]G. Aus ihrer Sicht ist diese Bestellung aber die Folge einer freien unternehmerischen Entscheidung, für die sie ein Entgelt verlangen kann, das die mit der Bestellung verbundenen Nachteile kompensiert.

3. Darüber hinaus verstößt das [X.]G nicht gegen Art. 15 Abs. 2 Satz 3 des [X.]hicagoer Abkommens, nach dem die Vertragsstaaten "keine Gebühren, Taxen oder sonstige Abgaben" lediglich für das Recht der Durchreise, Einreise oder Ausreise eines Luftfahrzeugs oder der an Bord befindlichen Personen oder Güter erheben dürfen (vgl. auch Hessisches [X.], Urteil vom 3. Juni 2015  7 K 631/12).

Trotz der weiten Formulierung "sonstige Abgaben" erfasst Art. 15 Abs. 2 Satz 3 des [X.]hicagoer Abkommens keine Steuern, sondern nur solche Abgaben, mit denen ein konkreter Vorteil ausgeglichen bzw. eine Gegenleistung erbracht wird. Dies ergibt sich zunächst aus einer systematischen Auslegung unter Berücksichtigung der Überschrift des Art. 15 des [X.]hicagoer Abkommens ("Flughafen- und ähnliche Gebühren"). Eine Bestätigung dieser Auslegung folgt aus einem Vergleich mit der [X.] Sprachfassung. Dort ist ebenfalls nur von "[X.], dues and other charges" und damit nicht von Steuern die Rede. Im Übrigen entspricht diese Auslegung dem Verständnis der International [X.]ivil Aviation Organization (I[X.]AO), wie es in den "Policies on Taxation in the Field of International Air Transport" aus dem [X.] ([X.] 8632) zum Ausdruck kommt. Dort heißt es ausdrücklich: "I[X.]AO, for the purpose of its policy objectives, makes a distinction between a charge and a tax, in that charges are levies to defray the costs of providing facilities and services for civil aviation while taxes are levies to raise general national and local government revenues that are applied for non-aviation purposes."

4. Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. c des "Open-Skies"-Abkommen vor. Zwar sollen nach dieser Vorschrift auf Treibstoffe, die zur Verwendung in einem im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeug eines Luftfahrtunternehmens der anderen Vertragspartei in das Gebiet einer Vertragspartei eingeführt oder dort geliefert werden, keine Steuern, Zölle, Gebühren und Abgaben erhoben werden. Wie bereits ausgeführt, stellt die [X.] aber weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Besteuerung des von den Flugzeugen verwendeten Treibstoffs dar.

5. Ob bzw. inwieweit das [X.]hicagoer Abkommen und das "Open-Skies"-Abkommen überhaupt subjektiv-öffentliche Rechte der Klägerinnen begründen, kann aufgrund der Ausführungen unter Ziffer 3. und 4. dahingestellt bleiben.

6. Der Senat hält die von ihm vorgenommene Auslegung des einschlägigen Unionsrechts aufgrund der Rechtsprechung des [X.] für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des [X.] besteht demnach nicht (vgl. [X.]-Urteil [X.]ILFIT vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, [X.]:[X.]:1982:335).

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 55/13

01.12.2015

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 16. Mai 2013, Az: 1 K 1074/11, Urteil

LuftVStG, Art 18 AEUV, Art 107 AEUV, Art 108 AEUV, Art 1 EGRL 118/2008, Art 14 Abs 1 Buchst b EGRL 96/2003, Art 15 Abs 2 S 3 IntZLuftAbk, Art 11 Abs 1 LuftVerkAbk, Art 11 Abs 2 Buchst c LuftVerkAbk

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.12.2015, Az. VII R 55/13 (REWIS RS 2015, 1511)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1511

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