Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.2012, Az. VII B 88/12

7. Senat | REWIS RS 2012, 878

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Gegenstand

Aufrechnungserklärung des FA erfordert keine Bekanntgabe


Leitsatz

NV: Die Erklärung der Aufrechnung durch das FA gegen einen Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung, mit der ein schuldrechtliches Gestaltungsrecht ausgeübt wird, und kein Verwaltungsakt. Sie bedarf keiner Bekanntgabe gem. § 122 AO, sondern wird mit ihrem Zugang wirksam .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war einer von zwei Geschäftsführern einer GmbH, die nach Durchführung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen von Amts wegen gelöscht wurde. Wegen eines von der GmbH nicht zurückgezahlten Bankdarlehens wurden die [X.] sowie der [X.] und das Land als Rückbürgen in Anspruch genommen. Auf diese sind [X.] gegen den Kläger und den weiteren Geschäftsführer, die sich ebenfalls für den Rückzahlungsanspruch sowie den Anspruch der [X.] verbürgt hatten, übergegangen.

2

Wegen geänderter Besteuerungsgrundlagen für die Veranlagung des [X.] zur Einkommensteuer ergingen im August 2007 ein geänderter Einkommensteuerbescheid 1997, aus dem sich Erstattungsansprüche des [X.] ergaben, sowie im Oktober 2007 ein geänderter Einkommensteuerbescheid 1998, der eine Steuernachzahlung auswies.

3

Mit Schreiben vom 5. September 2007 wies der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) auf den auf das Land übergegangenen Anspruch gegen den Kläger aus der Bürgschaft hin und erklärte die Aufrechnung gegen die Erstattungsansprüche aus dem Einkommensteuerbescheid 1997. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 18. September 2007 hingegen, den Erstattungsbetrag mit der zu erwartenden Nachzahlung für das Veranlagungsjahr 1998 zu verrechnen. Da zwischen den Beteiligten keine Einigkeit über die Wirkungen der Aufrechnungserklärungen erzielt wurde, erließ das [X.] einen Abrechnungsbescheid, mit dem die Erstattungsansprüche aus der Veranlagung 1997 als durch Aufrechnung mit der Forderung des [X.] erloschen festgestellt wurden.

4

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) ab. Das [X.] habe wirksam mit der Forderung des [X.] gegen die Erstattungsansprüche des [X.] aufgerechnet. Die Aufrechnungserklärung des [X.] sei zeitlich vor derjenigen des [X.] abgegeben worden, weshalb dessen Erklärung wegen der bereits erloschenen Erstattungsansprüche ins Leere gegangen sei. In Anbetracht des Verhaltens sowie der Angaben des [X.] während des Verfahrens sei trotz seines späten Bestreitens, die Aufrechnungserklärung des [X.] erhalten zu haben, davon auszugehen, dass ihm das an ihn persönlich adressierte Schreiben des [X.] vom 5. September 2007 zugegangen sei. Es sei auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] dieses Schreiben nicht dem damaligen Steuerberater des [X.] übersandt habe, denn es habe sich nicht feststellen lassen, dass dieser auch zum Empfang dieses konkreten Verwaltungsakts bevollmächtigt gewesen sei.

5

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.], welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie des [X.] (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 der [X.]sordnung --[X.]O--) stützt.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe schon nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

7

1. Die schlüssige Darlegung des [X.] einer Verletzung der dem [X.] wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) erfordert Angaben, welche Tatsachen das [X.] mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem [X.] eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines --insoweit maßgeblichen-- Rechtsstandpunkts hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat; schließlich, welches genaue Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 1999 VII R 152/97, [X.], 140, [X.], 93). An solchen Darlegungen der Beschwerde fehlt es im Streitfall.

8

a) Soweit die Beschwerde die vom [X.] vertretene Ansicht, § 122 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung ([X.]) erfordere die Bekanntgabe gegenüber einem Bevollmächtigten nur, wenn dieser auch für den Empfang des konkreten Verwaltungsakts bevollmächtigt sei, für unzutreffend und für eine Fehlinterpretation dieser Vorschrift hält, bezeichnet sie keinen Verfahrensmangel, sondern macht lediglich geltend, das [X.] habe falsch entschieden, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann.

9

b) Soweit die Beschwerde bemängelt, das [X.] habe "keine Nachfrage beim Beklagten gestellt, ob eine Vollmacht des Steuerberaters sich bei einer anderen Akte des Beklagten befinden könne", verkennt sie, dass es Sache des [X.] gewesen wäre, dem [X.] darzulegen, wann und in welcher Angelegenheit er eine seinem Steuerberater erteilte [X.] dem [X.] übersandt hat. Da er --wie den Gründen des [X.]-Urteils zu entnehmen [X.] derartige Angaben nicht machen konnte, ist nicht erkennbar, weshalb es sich dem [X.] hätte aufdrängen müssen, weitere Nachforschungen ohne einen solchen konkreten Hinweis anzustellen.

c) All dies kann jedoch auf sich beruhen, da der Ausgangspunkt sowohl des [X.] als auch der Beschwerde, die Erklärung der Aufrechnung gegen die Erstattungsansprüche des [X.] habe einer Bekanntgabe nach § 122 [X.] bedurft, nicht zutrifft. Die in § 122 [X.] enthaltenen Bekanntgabevorschriften regeln nur die Bekanntgabe von Verwaltungsakten (Müller-Franken in [X.]/[X.]/[X.], § 122 [X.] Rz 24 f.; [X.] in Tipke/ [X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 122 [X.] Rz 1). Bei dem an den Kläger persönlich gerichteten Schreiben des [X.] vom 5. September 2007, mit dem die Aufrechnung gegen seine Erstattungsansprüche erklärt wurde, handelte es sich jedoch --anders als das [X.] und die Beteiligten meinen-- weder der Form noch dem Inhalt nach um einen Verwaltungsakt. Die [X.] (auch die der Finanzbehörde) ist eine rein rechtsgeschäftliche Erklärung, mit der ein schuldrechtliches Gestaltungsrecht ausgeübt, und kein Verwaltungsakt erlassen wird [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 118 Rz 24; [X.]/Rüsken, a.a.[X.], § 226 Rz 65, jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 31. August 1995 VII R 58/94, [X.], 306, BStBl II 1996, 55).

d) Eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung wie die Erklärung der Aufrechnung wird mit ihrem Zugang wirksam (§ 130 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Es ist daher im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] den Zugang der [X.] beim Kläger geprüft und in Anbetracht seiner im Verlauf des Verfahrens abgegebenen Erklärungen und seines diesen Erklärungen widersprechenden späten Bestreitens, die [X.] seinerzeit erhalten zu haben, den Zugang des Schreibens des [X.] vom 5. September 2007 für nicht zweifelhaft gehalten hat. Das [X.] entscheidet gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Mit dem Vorbringen der Beschwerde, die vom [X.] aus dem Verhalten des [X.] gezogenen Folgerungen seien unzutreffend, wird kein Grund für die Zulassung der Revision dargelegt.

2. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O ist einer Rechtsfrage beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss der Beschwerdeführer schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Sätze 1 und 3 [X.]O). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt. Derartige Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung des [X.] nicht einmal ansatzweise.

Meta

VII B 88/12

29.11.2012

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 28. März 2012, Az: 6 K 3823/09 AO, Urteil

§ 122 AO, § 124 Abs 1 AO, § 226 Abs 1 AO, § 130 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.2012, Az. VII B 88/12 (REWIS RS 2012, 878)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 878

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