Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2012, Az. V ZB 106/12

5. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4753

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Gegenstand

Therapieunterbringung für bis zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung einstweilig Untergebrachte


Leitsatz

Eine Therapieunterbringung nach § 1 Abs. 1 ThUG kann nur gegen Betroffene angeordnet werden, die sich in Sicherungsverwahrung nach dem Strafgesetzbuch befinden oder befunden haben, nicht jedoch gegen nach § 275a Abs. 5 StPO (F.: 29. Juli 2009) einstweilig Untergebrachte.

Tenor

Die Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 5. März 2012 werden zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden je zur Hälfte dem [X.] und der [X.] auferlegt.

Gründe

I.

1

Der Betroffene wurde mit Urteil der [X.] des [X.] vom 5. Februar 2003 ([X.].: Jug KLs 401 Js 107041/02), rechtskräftig seit dem 13. Februar 2003, wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt, die mit dem Ablauf des 16. Februar 2012 vollständig verbüßt war. Mit Beschluss vom 16. Januar 2012 erließ die [X.] des [X.] gegen den Betroffenen einen Unterbringungsbefehl gemäß § 105 Abs. 1 [X.], § 7 Abs. 4 [X.] (idF vom 8. Juli 2008), § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO (idF vom 28. Juli 2009 [im Folgenden § 275a StPO aF]), Art. 316e Abs. 1 [X.], auf dessen Grundlage sich der Betroffene seit dem 17. Februar 2012 in der [X.] befindet.

2

Am 14. Dezember 2011 hat der Beteiligte zu 2 - soweit hier noch von Interesse - gemäß § 1 Abs. 1 des [X.]es ([X.]) vom 22. Dezember 2010 ([X.] I S. 2300, 2305) die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung beantragt. Einen gleichlautenden Antrag hat der Beteiligte zu 3 am 26. Januar 2012 gestellt. Das [X.] hat den Antrag des Beteiligten zu 2 als unzulässig verworfen und den Antrag des Beteiligten zu 3 als unbegründet zurückgewiesen.

3

Das [X.] beabsichtigt, die hiergegen gerichteten Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 zurückzuweisen. Hieran sieht es sich aber durch den Beschluss des Saarländischen [X.]s vom 30. September 2011 (5 W 212/11-94, [X.], 31) gehindert. Es hat deshalb die Beschwerden mit Beschluss vom 24. Mai 2012 dem [X.] zur Entscheidung vorgelegt.

II.

4

Das vorlegende Gericht meint, dem Beteiligten zu 2 fehle die Berechtigung, einen Antrag nach dem [X.] zu stellen. Der Leiter einer Einrichtung sei nur dann nach § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] antragsberechtigt, wenn sich der Betroffene in der Sicherungsverwahrung befinde und diese in der Einrichtung vollstreckt werde. Daran fehle es. Denn der Vollzug des gegen den Betroffenen erlassenen Unterbringungsbefehls nach § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO aF sei keine Sicherungsverwahrung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.]. Hieraus folge auch die Unbegründetheit des Antrags des Beteiligten zu 3. Voraussetzung für eine Unterbringung nach dem [X.] sei nach § 1 Abs. 1 [X.] unter anderem, dass sich der Betroffene derzeit in der Sicherungsverwahrung befinde oder aus ihr bereits entlassen worden sei. Dafür reiche der Vollzug eines Unterbringungsbefehls nach § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO aF nicht aus. Das vorlegende Gericht meint, seiner Entscheidung stehe die Rechtsauffassung des Saarländischen [X.]s entgegen, das die gegenteilige Ansicht vertrete und das [X.] auch auf diesen Fall anwende.

III.

5

Die Vorlage ist nach § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthaft. Danach hat ein [X.] die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem [X.] vorzulegen, wenn es bei seiner Entscheidung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen [X.]s oder des [X.]s abweichen will. Der [X.] ist zwar bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Vorlage nach § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] an die Auffassung des vorlegenden Gerichts gebunden, es könne ohne Beantwortung der streitigen Rechtsfrage über die sofortige weitere Beschwerde nicht entscheiden (Senat, Beschlüsse vom 11. November 1986 - [X.], [X.], 90, 92, vom 22. Januar 2004 - [X.], NJW 2004, 937, 938, insoweit nicht in [X.], 322 abgedruckt, und vom 30. September 2004 - [X.], NJW 2004, 3339). Auf der Grundlage des in dem Vorlagebeschluss mitgeteilten Sachverhalts und der darin zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung des Falls prüft der Senat jedoch, ob eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die das vorlegende Gericht abweichend von der Entscheidung eines anderen [X.]s oder von einer Entscheidung des [X.]es beantworten will, für die dieselbe Rechtsfrage ebenfalls erheblich war (vgl. Senat, Beschlüsse vom 9. Juli 1956 - [X.], [X.], 234, 236, vom 8. März 2007 - [X.] 149/06, NJW-RR 2007, 1569, vom 30. September 2004 - [X.], NJW 2004, 3339 und vom 11. Februar 2010 - [X.] 167/09, juris Rn. 8 jeweils mwN). So verhält es sich hier. Das vorlegende Gericht möchte die Rechtsfrage, "ob die vorläufige Unterbringung nach § 275a Abs. 5 StPO aF als Vollzug der Sicherungsverwahrung im Sinne von §§ 1, 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] anzusehen ist", anders beantworten als das Saarländische [X.]. Auf die Beantwortung der Frage kam es in jenem und kommt es im vorliegenden Verfahren entscheidend an.

IV.

6

Die nach §§ 3, 16 [X.], §§ 63 f. FamFG zulässigen Beschwerden sind unbegründet. Die Entscheidung des [X.]s hält einer rechtlichen Überprüfung stand.

7

1. Dabei kann offen bleiben, ob die gegen das [X.] unter dem Blickwinkel der Gesetzgebungskompetenz erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken durchgreifen (Verfahren vor dem [X.] anhängig unter [X.]. 2 BvR 2302/11; vgl. [X.] einerseits Antrag des [X.] für die Plenarberatung des [X.] in [X.]. 794/2/12; [X.], [X.], 177, 181; und auch [X.], [X.] 2011, 417, 418; andererseits [X.], [X.], 31, 32).

8

2. [X.] des Rechtsmittels folgt auch nicht schon aus dem Umstand, dass es an der in § 1 Abs. 1 [X.] vorausgesetzten (Beschlussempfehlung zu dem [X.] eines [X.] und zu begleitenden Regelungen in BT-Drucks. 17/4062, S. 16) rechtskräftigen Entscheidung darüber fehlt, dass der Betroffene deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist. Zwar entscheidet das Gericht nach der Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] über den Antrag in der Hauptsache erst nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung. Auch ohne sie kann über einen Antrag aber schon dann entschieden werden, wenn dieser aus anderen Gründen abzuweisen ist, § 10 Abs. 1 Satz 2 [X.]. So ist es hier.

9

3. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist unbegründet, weil dessen Antrag unzulässig ist.

a) Die Therapieunterbringung nach § 1 Abs. 1 [X.] kann nicht von Amts wegen, sondern nach § 3 [X.], § 23 FamFG nur auf Antrag angeordnet werden. Zwar bestimmt § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.], dass das gerichtliche Verfahren eingeleitet wird, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für eine solche Unterbringung gegeben sind. Dabei handelt es sich aber um eine inhaltliche Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens (Begründung des [X.]s eines [X.] und zu begleitenden Regelungen [Entwurfsbegründung] in BT-Drucks. 17/3403, [X.]). In diese Prüfung darf das Gericht nur auf Grund eines Antrags der nach § 5 Abs. 1 Sätze 2 und 3 [X.] oder nach von dieser Vorschrift abweichendem Landesrecht (vgl. Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG) antragsberechtigten Stelle eintreten (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 17/3403 [X.]). Fehlt es an der Antragsberechtigung, die von dem Gericht jederzeit von Amts wegen zu prüfen ist ([X.], [X.] 2012, 85; allgemein: [X.], FamFG, 17. Aufl., § 23 Rn. 12), so ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen ([X.], [X.] 2012, 85; für § 417 FamFG: Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - [X.] 311/10, [X.] 2012, 82, 83 Rn. 12; allgemein: [X.], FamFG, 17. Aufl., § 23 Rn. 23). Dieser Fall liegt hier vor.

b) Der Beteiligte zu 2 ist nicht antragsberechtigt, weil sich der Betroffene in der Justizvollzugsanstalt nicht, wie es § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] verlangt, in der Sicherungsverwahrung befindet.

aa) Im Zeitpunkt der Antragstellung befand er sich weder in Sicherungsverwahrung noch in Unterbringung zur Sicherung der Sicherungsverwahrung, sondern in Strafhaft.

bb) Dieser Mangel ist nicht - was für die Zukunft möglich gewesen wäre (vgl. dazu: Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - [X.] 136/11, [X.] 2011, 318, 319 Rn. 8 und 10) - geheilt worden. Der Betroffene ist zwar seit dem 17. Februar 2012 in der Justizvollzugsanstalt des Beteiligten zu 2 nicht mehr in Strafhaft, sondern nach § 275a Abs. 5 StPO aF zur Sicherung der Sicherungsverwahrung untergebracht. Das führt aber nicht dazu, dass er sich seitdem im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] "in der Sicherungsverwahrung befindet".

(1) Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung des § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] einerseits und des § 275a Abs. 5 StPO aF anderseits. Beide Vorschriften verwenden den Begriff der Sicherungsverwahrung, ohne ihn eigenständig zu definieren. Dessen bedurfte es auch nicht. Denn sie stehen beide in einem systematischen Zusammenhang zu den Regelungen der §§ 66 bis 66b StGB über die Sicherungsverwahrung als Nebenfolge einer Straftat und verwenden den Begriff in diesem Sinne. Das [X.] sieht eine weitere Form der Unterbringung zum Schutz der Allgemeinheit, insbesondere potentieller neuer Opfer vor den Folgen einer psychischen Störung eines Straftäters in bestimmten Fällen vor, in denen er durch Sicherungsverwahrung nach dem Strafgesetzbuch nicht mehr gewährleistet werden kann ([X.]E 128, 326, 401). § 275a Abs. 1 bis 4 StPO aF regelt das Verfahren, in dem eine vorbehaltene oder nachträgliche Sicherungsverwahrung nach §§ 66a, 66b StGB angeordnet wird. Absatz 5 der Vorschrift ermöglicht dem Gericht, die einstweilige Unterbringung anzuordnen um sicherzustellen, dass die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung noch getroffen werden kann. Diese Unterbringung ist von der dann zu treffenden Entscheidung über die Sicherungsverwahrung zu unterscheiden. An sie sind deshalb auch niedrigere Anforderungen zu stellen. So kann etwa auf die Einholung der nach § 275a Abs. 4 StPO aF erforderlichen Gutachten verzichtet werden ([X.], [X.], 573, 574 Rn. 15; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 275a Rn. 10).

(2) Nichts anderes ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Antragsberechtigung des [X.]. Mit ihr wollte der Gesetzgeber den Umstand für das Therapieunterbringungsverfahren nutzen, dass der Leiter der Einrichtung, in welcher die Sicherungsverwahrung vollzogen wird, die Betroffenen besonders gut kennt und besonders gut zu beurteilen weiß, bei welchen unter ihnen eine Therapieunterbringung angezeigt ist (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 17/3403 [X.]). Das lässt sich nur in der Sicherungsverwahrung erreichen, nicht aber in der vorgeschalteten einstweiligen Unterbringung. Diese sichert die Anordnung der Sicherungsverwahrung, nimmt sie aber inhaltlich nicht vorweg. Das könnte zwar anders sein, wenn die Unterbringung länger dauert und therapeutische Bemühungen einsetzen. Eine Zuständigkeitsregelung, die davon abhinge, wäre aber unklar und deshalb mit Art. 104 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren. Denn der Gesetzgeber muss die Voraussetzungen, unter denen eine Freiheitsentziehung angeordnet werden darf, hinreichend eindeutig regeln ([X.]E 96, 68, 97). Dazu gehören auch die formellen Voraussetzungen wie Zuständigkeitsregelungen ([X.], [X.], 1254, 1255).

4. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 ist unbegründet, weil dessen Antrag unbegründet ist.

a) Eine Therapieunterbringung darf nach § 1 Abs. 1 [X.] unter den in Nr. 1 und 2 dieser Vorschrift genannten weiteren Voraussetzungen nur angeordnet werden, wenn auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung feststeht, dass eine wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art verurteilte Person deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist. Wann ein Betroffener in diesem Sinne "nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann", ist umstritten. Teils wird die Vorschrift weit in dem Sinne ausgelegt, dass diese Voraussetzung auch dann erfüllt ist, wenn der Betroffene - wie hier - nach § 275a Abs. 5 StPO aF einstweilen untergebracht worden ist, gegen ihn Sicherungsverwahrung hätte verhängt werden können und dies im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot unterblieben ist. Das sei "materiell Sicherungsverwahrung" ([X.], [X.], 31, 34). Teils wird die Vorschrift mit dem vorlegenden Beschwerdegericht (so schon in [X.] 2012, 87, 88) eng in dem Sinn verstanden, dass eine Therapieunterbringung nur möglich ist, wenn sich der Betroffene in der Sicherungsverwahrung befindet oder befunden hat ([X.]/Starke, [X.], 254, 255).

b) Der Senat hält die zweite Meinung für zutreffend.

aa) Für sie spricht der Wortlaut der Regelung. Die in § 1 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] verwendete Formulierung "…, dass eine Person … nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil …" ist bei isolierter Betrachtung allerdings auslegungsfähig. Sie kann einerseits nur Betroffene erfassen, die sicherungsverwahrt sind oder waren. Sie lässt sich andererseits auch in dem Sinn verstehen, dass es auf den Fortfall der rechtlichen Möglichkeit ankommt, Sicherungsverwahrung anzuordnen. Für diesen Fall hätte an sich die Formulierung näher gelegen "… nicht mehr ... untergebracht werden kann … ". Das ändert aber nichts daran, dass die in dem Gesetz gewählte Formulierung, für sich genommen, die Auslegung des Saarländischen [X.]s zulässt. Dieses Textverständnis scheitert indes daran, dass die Passage nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern im Textzusammenhang der ganzen Vorschrift gelesen werden muss. Ihr Sinn wird durch § 1 Abs. 2 [X.] deutlich. Danach ist Absatz 1 der Vorschrift unabhängig davon anzuwenden, ob die verurteilte Person sich noch im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindet oder bereits entlassen wurde. Diese Regelung wäre überflüssig, würde § 1 Abs. 1 [X.] unabhängig von dem Vollzug von Sicherungsverwahrung nur auf die rechtliche Möglichkeit der Anordnung von Sicherungsverwahrung abstellen. Einen Sinn ergibt sie nur, wenn § 1 Abs. 1 [X.] im Grundsatz nur Betroffene anspricht, die sich in Sicherungsverwahrung befinden. Denn dann bedarf es einer Regelung darüber, was mit Betroffenen geschehen soll, die sich nicht mehr in Sicherungsverwahrung befinden. Nach dem Wortlaut gilt das Gesetz deshalb nur für Betroffene, die sich in Sicherungsverwahrung befinden oder befunden haben.

bb) Die Wortlautauslegung wird durch ein systematisches Argument bestätigt.

Das Antragsrecht des [X.] nach § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] setzt, wie bereits ausgeführt, eine Sicherungsverwahrung nach dem Strafgesetzbuch voraus. Denn nur bei dieser ist nach Art. 159, 160, 9 BayStVollzG (bei Fehlen entsprechenden Landesrechts: §§ 1, 7 StVollzG) ein Vollzugsplan zu erstellen, aus dem sich - jedenfalls in Zukunft - im Einzelnen ergeben muss, wie dem verfassungsrechtlichen [X.] und Intensivierungsgebot bei dem einzelnen Betroffenen Rechnung getragen werden soll ([X.]E 128, 326, 379 f., juris Rn. 113). Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] kann der Antrag auf Therapieunterbringung bereits vor der Entlassung des Betroffenen aus der [X.] gestellt werden. Die für die Durchführung der Sicherungsverwahrung zuständige Vollstreckungsbehörde ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 [X.] zur Übermittlung der für die Entscheidung über die Therapieunterbringung erforderlichen Daten verpflichtet. Auch diese Regelungen setzen voraus, dass sich die Betroffenen in Sicherungsverwahrung befinden oder befunden haben.

cc) Von diesem Verständnis ist auch der Gesetzgeber ausgegangen. So heißt es in der Erläuterung zu § 1 [X.] in der Entwurfsbegründung, die Vorschrift regele die "materiellrechtlichen Voraussetzungen, unter denen gegen einen verurteilten Straftäter, der sich in Sicherungsverwahrung befindet oder befand, die Unterbringung … angeordnet werden kann" (BT-Drucks. 17/3403 [X.]). Zweck des Gesetzes war es, die Folgen des Urteils des [X.] vom 17. Dezember 2009 (19359/04, NJW 2010, 2495) angemessen und [X.] zu regeln (Entwurfsbegründung in BT-Drucks 17/3403 S. 19, 53). Das Urteil behandelt die Fälle von Straftätern, bei denen die im Zeitpunkt ihrer Verurteilung bestehende Begrenzung der Sicherungsverwahrung auf höchstens zehn Jahre rückwirkend aufgehoben wurde. Um diese auch ausdrücklich so genannten Altfälle ging es. Dem steht nicht entgegen, dass der zuständige Minister des [X.] in der Plenardebatte des [X.] zu dem Gesetzesbeschluss des [X.] die Erklärung zu Protokoll gegeben hat, das [X.] gehe nach der Diskussion um seinen (mündlich) im Rechts- und Innenausschuss gestellten Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses davon aus, dass § 1 [X.] auch den Fall einer Unterbringung auf Grund eines Unterbringungsbefehls gemäß § 275a StPO aF erfasse ([X.], 538 [878. Sitzung vom 17. Dezember 2010 Anlage 14]). Diese Erklärung ist kein Beleg dafür, dass der Gesetzgeber die Vorschrift in diesem Sinne verstanden hätte ([X.] wohl [X.], [X.], 31, 36). Sie zeigt im Gegenteil, dass am Ende des Gesetzgebungsverfahrens eine Fallgruppe aufgefallen ist, deren Einbeziehung in das Gesetz erwägenswert gewesen wäre, aber eine Textänderung erfordert hätte. Zu einem entsprechenden Vorschlag hat sich der Bundesrat nicht entschließen können, weil sie nur durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu erreichen gewesen wäre und diese das - allseits angestrebte - Inkrafttreten der Neuregelung zum 1. Januar 2011 gefährdet hätte. Der Gesetzgeber hat damit in Kauf genommen, dass diese Fälle von dem Gesetz nicht erfasst werden und durch eine spätere Ergänzung der Vorschrift einbezogen werden müssten. Das ließ sich durch eine Protokollerklärung nicht vermeiden.

dd) Die Regelung in § 1 Abs. 1 [X.] kann auf den Fall der Unterbringung nach § 275a Abs. 5 StPO aF auch nicht entsprechend angewendet werden. Dafür spielt es keine Rolle, ob eine Einbeziehung dieser Fallgruppe in den Regelungsbereich der Vorschrift sachlich vertretbar oder wünschenswert wäre. Eine Therapieunterbringung darf als Freiheitsentziehung nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG nur unter den Voraussetzungen angeordnet werden, die sich unmittelbar und hinreichend bestimmt aus dem Gesetz selbst ergeben ([X.], NVwZ-RR 2009, 616; [X.], Beschluss vom 14. Oktober 1954 - I[X.] 52/54, [X.]Z 15, 61, 63 f.). Diese Verfassungsvorschrift steht einer analogen Heranziehung materiell-rechtlicher Ermächtigungsgrundlagen für Freiheitsentziehungen entgegen ([X.], [X.]E 29, 183, 196; 83, 24, 31 f.; NVwZ-RR 2009, 616).

V.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 19 [X.]. Unter Berücksichtigung der Regelungen in Art. 5 Abs. 5 [X.] und § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG entspricht es billigem Ermessen, den [X.] und die [X.] als diejenigen Körperschaften, denen die beteiligten Behörden jeweils angehören (vgl. § 3 [X.], § 337 Abs. 2 FamFG), je zur Hälfte zur Erstattung der Auslagen des Betroffenen zu verpflichten (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - [X.] 218/09, juris Rn. 27, insoweit nicht in [X.] 2010, 210 abgedruckt, für § 430 FamFG).

Krüger                                           Schmidt-Räntsch                                                     Roth

                         Brückner                                                         Weinland

Meta

V ZB 106/12

12.07.2012

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Nürnberg, 24. Mai 2012, Az: 15 W 637/12 Th

§ 1 Abs 1 ThUG, § 5 Abs 1 S 3 ThUG, § 275a Abs 5 StPO vom 29.07.2009, § 66 Abs 3 S 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2012, Az. V ZB 106/12 (REWIS RS 2012, 4753)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4753

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