Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.02.2012, Az. 28 W (pat) 84/10

28. Senat | REWIS RS 2012, 9499

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "bio (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 011 955.4

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 6. Februar 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.] und Schell

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Angemeldet ist die Wort-/Bildmarke

Abbildung

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in den Farben grün, weiss für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 29, 30, 31 und 32

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Die [X.]stelle für Klasse 29 des [X.] hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Anmeldezeichen stelle im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und in seiner konkret angemeldeten Gestaltung einen produktbeschreibenden Hinweis dar. Die Schutzunfähigkeit werde dem Zeichen auch nicht durch seine konkrete grafische Gestaltung vermittelt. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die angesprochenen Verbraucher das Zeichen nur als Sachhinweis, nicht aber als Hinweis auf eine konkrete betriebliche Herkunft der entsprechend gekennzeichneten Waren auffassen würden. Somit fehle dem Anmeldezeichen die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung trägt sie vor, trotz des beschreibenden Bedeutungsgehaltes des [X.] könnten dem Anmeldezeichen aufgrund seiner grafischen Gestaltung keine absoluten Schutzhindernisse entgegengehalten werden. Das in den Buchstaben „O“ integrierte Motiv eines Baumes falle dem Betrachter bereits deshalb unmittelbar ins Auge, weil der Schriftzug ansonsten schlicht gehalten sei und auf Schnörkel verzichte. Die scherenschnittartige Wiedergabe des Baumes konzentriere sich als künstlerisches Element auf das Wesentliche und verkörpere damit den modernen Lebensstil des Minimalismus. Dem Verkehr werde es dadurch ermöglicht, dem Zeichen ohne weiteres einen betrieblichen Herkunftshinweis zu entnehmen. Als Bestätigung für die Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens weist die Anmelderin zudem auf verschiedene Voreintragungen von ihrer Meinung nach vergleichbaren Bildmarken hin.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

die angefochtenen Beschlüsse des [X.], [X.]stelle für Klasse 29 vom 1. Juli 2009 und vom 19. April 2010 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache aber unbegründet. Der beantragten Eintragung der angemeldeten Marke steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Die [X.]stelle hat die Anmeldung daher zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch von denen anderer Anbieter für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. [X.] GRUR-RR 2011, 124; Rdn. 52 f. – [X.]; [X.], 710, Rdn. 12 – [X.]). Diese Herkunftsfunktion von [X.] ist nach ständiger Rechtsprechung als ihre Hauptfunktion anzusehen (vgl. [X.] GRUR Int 2005, 1012, 1014, Rdn. 27 – [X.]; [X.], 710, Rdn. 2004, 943, 944, Rdn. 26 – SAT.2).

Für die Beurteilung der Frage, ob eine Marke die erforderliche Unterscheidungskraft aufweist, ist die Sichtweise der maßgeblichen Verkehrskreise zugrunde zu legen ([X.] GRUR 2006, 229, Rdn. 67 – [X.]). Im vorliegenden Fall sind dies die allgemeinen Endverbraucher. Diesen Verbrauchern ist der Wortbestandteil „BIO“ des [X.] als eines der zentralen Produktschlagworte schlechthin bekannt. Im Zusammenhang mit Lebensmitteln steht der Sachbegriff „BIO“ für Waren aus umweltgerechter, ökologischer Produktion. Gerade vor dem Hintergrund zahlreicher [X.] genießen Bioprodukte beim inländischen Publikum eine besondere Wertschätzung. Dass der Wortbestandteil „BIO“ des [X.] für sich genommen schutzunfähig ist, bedarf deshalb keiner näheren Ausführungen. Entgegen dem Vortrag der Anmelderin erlangt die angemeldete Marke aber auch durch ihre grafische Ausgestaltung nicht die erforderliche Unterscheidungskraft. Es ist zwar grundsätzlich möglich, dass die grafische Gestaltung nicht unterscheidungskräftiger [X.] deren schutzunfähigen Charakter aufheben und dadurch einen schutzfähigen Gesamteindruck der Marke bewirken kann. Angesichts des rein beschreibenden [X.] bedürfte es im vorliegenden Fall aber auch einer prägnanten grafischen Gesamtgestaltung, um eine solche kennzeichnungskräftige Verfremdung des beschreibenden Aussagegehalts zu erzielen ([X.] 2001, 1153 – antiKALK). Die konkrete Ausgestaltung des [X.] enthält jedoch nichts, was es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglichen könnte, die von der Anmeldung erfassten Waren ohne Verwechslungsgefahr von Waren anderer Anbieter zu unterscheiden (vgl. nochmals [X.], a. a. [X.], Rdn. 71 f. – [X.]). Die gewählte Bildgestaltung beschränkt sich auf die Unterlegung des [X.]wortes „BIO“ in grüner Farbe – quasi der Symbolfarbe für Bioprodukte – sowie ein in den Buchstaben „O“ eingearbeitetes Baummotiv. Gerade bei Bioprodukten gehört die Verwendung von Pflanzenmotiven, und dabei insbesondere auch von Bäumen, zum typischen Werbe-Repertoire, da für die Verbraucher auf diese Weise die „Naturnähe“ der fraglichen Waren veranschaulicht werden soll. Auch wenn die im vorliegenden Fall gewählte Variante, das Baummotiv in den letzten Buchstaben des Wortes „BIO“ einzuarbeiten, durchaus ansprechend erscheinen kann, erweist sich die konkrete Ausgestaltung in markenrechtlicher Hinsicht als ausgesprochen unauffällig und wenig prägnant. Soweit die Anmelderin sinngemäß geltend macht, die gewählte Zeichengestaltung hebe sich bereits deshalb unterscheidungskräftig aus dem werbeüblichen Standard hervor, weil sie in ihrer Konzeption den Grundsätzen des Minimalismus folge und damit die Vorstellungen des modernen Lebensstils verkörpere, vermag dies keine andere Wertung zu begründen. Denn solche Assoziationen könnten sich dem Betrachter allenfalls über mehrere Gedankenschritte hinweg erschließen bzw. nur im Wege einer zielgerichtet analysierenden Interpretation. Eine derartige Betrachtungsweise ist jedoch im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens unzulässig (vgl. [X.] BeckRS 2012, 01016, Rdn. 12 – Link economy; [X.] 2001, 162, 163 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). In markenrechtlicher Hinsicht ist die grafische und farbliche Ausgestaltung des Zeichens als insgesamt unauffällig und werbeüblich zu werten, so dass sie vom Verkehr nicht – wie erforderlich – als eigenständiges, die Unterscheidungskraft begründendes Element wahrgenommen werden wird (vgl. hierzu [X.]. 2008, 1037, Rdn. 31 – BioGeneriX).

Damit ist die gewählte Grafik nicht geeignet, von der beschreibenden Aussage des Wortes „BIO“ wegzuführen und dem Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft zu vermitteln. Vielmehr wird der angesprochene Verkehr dem Anmeldezeichen ausschließlich einen warenbezogenen Hinweis darauf entnehmen, dass es sich bei den beanspruchten Waren um Bioprodukte handelt.

Die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen hat der [X.] bei der Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Zeichens berücksichtigt, ohne dass sich hieraus jedoch schutzfähigkeitsbegründende Gesichtspunkte ergeben hätten. Der Ansicht der Anmelderin, aus der Eintragung der fraglichen [X.] ließe sich eine indizielle Wirkung für die Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens ableiten, folgt der [X.] nicht. Bei der Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke handelt es sich um eine Entscheidung, die ausschließlich anhand der gesetzlichen Vorgaben zu treffen ist, während eine wie auch immer geartete Entscheidungspraxis der [X.]ämter ohne jede Bindungswirkung bleibt (vgl. [X.], [X.]R 2009, 478, 484, Rdn. 57 – [X.]; [X.], GRUR 2011, 230, Rdn. 10 ff. – [X.], jeweils m. w. N.).

Die Beschwerde war somit zurückzuweisen. Die Entscheidung konnte dabei ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Anmelderin keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt und der [X.] diese auch nicht für erforderlich gehalten hat.

Meta

28 W (pat) 84/10

06.02.2012

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.02.2012, Az. 28 W (pat) 84/10 (REWIS RS 2012, 9499)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9499

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Referenzen
Wird zitiert von

29 W (pat) 547/13

26 W (pat) 563/19

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